Protocol of the Session on March 10, 2005

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 54. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Für faire Wettbewerbsbedingungen – Steuergerechtigkeit im Bahnund Flugverkehr, auf Drucksache 4/1562.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Für faire Wettbewerbsbedingungen – Steuergerechtigkeit im Bahn- und Flugverkehr – Drucksache 4/1562 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Schwebs von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland ist nach wie vor Reiseweltmeister. Seine Menschen fliegen gern und sie fliegen gern billig.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir wollen das gerne teuer machen.)

Nicht allein deshalb boomt der nationale und internationale Flugverkehr. Und viele wollen von diesem Boom profitieren, nicht nur wir, Herr Riemann, auch die Vertreter Ihrer Partei möchten es gern.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Weltweit, meine Damen und Herren, werden Milliarden in die Infrastruktur von Flughäfen gesteckt. Die Fluglinien rüsten ihre Flotten auf, Reiseveranstalter und die großen Flugzeugbauer liefern sich einen harten Kampf und haben doch volle Auftragsbücher. Die Entwicklung in Asien mit der rasanten Wirtschaftsentwicklung in Indien und China tut hier noch ein Übriges. Die Aussichten sind so rosig wie selten zuvor, außer für die Umwelt und das Klima.

Am 8. Juni 2004 berichtete die „Financial Times Deutschland“ über die Pläne des Bundesfinanzministers Hans Eichel, eine Kerosinsteuer im inländischen Flugverkehr einzuführen. Seitdem ist dieses Thema endlich wieder auf der internationalen und auf der nationalen Agenda. Verkehrsminister Stolpe forderte im Herbst letzten Jahres ebenfalls eine nationale Kerosinsteuer. Zwischenzeitlich ruderte er aber wieder zurück und stellte alles in einen internationalen Kontext. Leider, muss ich sagen, wurde der Verkehrsminister wieder einmal missverstanden.

Der nächste Vorstoß kam vom französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac Ende Januar beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Er schlug eine Steuer auf Flugbenzin oder auf Flugtickets zur internationalen Armutsbekämpfung vor.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wenn ich die Herren aus der CDU-Fraktion darauf hinweisen darf, den Genossen Grigori Kossonossow hatten wir schon in dieser Debatte.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Lorenz Caffier, CDU: Ja, genau. – Wolfgang Riemann, CDU: Und das Flugwesen entwickelt sich. – Minister Dr. Till Backhaus: Pferde auch, ne?)

Bundesfinanzminister Hans Eichel und sein französischer Kollege sprachen sich dann am Rande des G-7-Treffens Anfang Februar sehr deutlich für eine europaweite Kerosinsteuer aus und wiederholten diese Forderung im Kreise der EU-Finanzminister.

Meine Damen und Herren, es ist endlich Bewegung in die Sache gekommen. Das bereitet – und da bin ich ehrlich – meiner Fraktion und mir ein Stück Genugtuung, denn schon am 1. März 1995 brachte die PDS erstmals einen Antrag zu diesem Thema in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ein.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Damals wurde er von den Fraktionen der SPD und CDU abgelehnt. Inzwischen sind die Forderungen nach gleichen Wettbewerbsbedingungen für alle Verkehrsmittel, unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Experten, lauter geworden, mit unterschiedlichen Begründungen freilich, aber trotzdem sind sie nicht mehr zu überhören.

Auch die rechtlichen Grundlagen, meine Damen und Herren, haben sich inzwischen geändert. Seit dem 1. Januar 2004 ist es den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erlaubt, eine nationale Steuer auf Flugbenzin einzuführen. In diesem Falle sind die Niederlande Vorreiter. Im Ergebnis der letzten Haushaltsberatungen wurde dort der Beschluss gefasst, mit Beginn dieses Jahres das Flugbenzin, das auf innerstaatlichen Flügen verbraucht wird, zu besteuern. 14 bis 15 Millionen Euro sollen damit jährlich eingenommen werden. Auch in Österreich, in der Schweiz und in Frankreich wird ernsthaft über die Besteuerung des Kerosinverbrauchs diskutiert.

Die Bundesrepublik sollte sich hier anschließen und auch den Druck in Richtung EU wesentlich erhöhen, denn eine Einigung im europäischen Rahmen scheint sehr schwierig, schon weil in der Steuerfrage das Einstimmigkeitsprinzip besteht. Damit hat jeder EU-Staat ein Vetorecht bei der Kerosinsteuer und Urlaubsländer wie Griechenland, Spanien oder Irland sperren sich derzeit gegen eine Besteuerung. Dennoch, die immer noch nicht geklärte Finanzierung des EU-Budgets für die Jahre 2007 bis 2013 bietet jetzt die Chance, eine EU-weite Steuerquelle auf einer wachsenden und internationalen Steuerbasis zu etablieren, wie es von Österreich vorgeschlagen wurde. Auch deshalb ist aus Sicht der PDS die Einführung der Kerosinsteuer unumgänglich und sie ist realistisch.

Die Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft zur Reduzierung des Ausstoßes von klimarelevanten Treibhausgasen, um das Klima zu schützen, gipfelten bisher im Zusatzprotokoll von Kyoto, dessen In-Kraft-Treten wir in diesem Jahr nach der Ratifizierung durch Russland endlich feiern durften. Fakt ist aber leider auch eins: Alle durch Kyoto bisher erreichten und alle zukünftigen Einsparungen von Treibhausgasen werden allein durch die Steigerungsraten des internationalen Flugverkehrs wieder aufgefressen. Schon bald wird der Flugverkehr der absolute Klimakiller Nummer eins. Der Flugverkehr ist, meine Damen und Herren, im Gegensatz zum Bahnverkehr vom Kyoto-Protokoll ausgenommen. Das heißt, seine Emissionen werden bei der Klimabelastung nicht mitgerechnet. Deshalb sage ich es an dieser Stelle ganz deutlich: Die Besteuerung von Flugbenzin ist in erster Linie ein Instrument des Klimaschutzes und zum Zweiten wäre eine Besteuerung ein dringend notwendiger Subventionsabbau, der den Flugverkehr gegenüber dem Bahnverkehr privilegiert.

(Beifall Barbara Borchardt, PDS)

Im 19. Subventionsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2003 betrugen die Mindereinnahmen, die sich aus der bestehenden Mineralölsteuerbefreiung für den innerdeutschen Flugverkehr ergeben, rund 373 Millionen Euro. Deutlich ausgesprochen heißt das: Der Flugverkehr innerhal b Deutschlands wird, weil sein Energiebedarf nicht besteuert wird, im Gegensatz zum Bahnverkehr mit fast 400 Millionen Euro jährlich subventioniert. Damit gehört dieser „Steuervorteil“ zu den 20 größten Subventionen im Bundeshaushalt.

Diese ungleichen Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sind der PDS schon lange ein Dorn im Auge. Nicht nur das Ausklammern aus dem Kyoto-Protokoll, sondern das gänzliche Fehlen der Besteuerung des Energieeinsatzes, sprich des Kerosins, sowie der Verzicht auf eine Mehrwertsteuerbelastung internationaler Flüge aus Deutschland verschaffen dem Flugverkehr gegenwärtig die großen Wettbewerbsvorteile gegenüber der Bahn.

Meine Damen und Herren, auf der Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation Anfang Oktober letzten Jahres wurde Staatenverbindungen wie der EU der Weg zu einer gemeinsamen Kerosinbesteuerung geöffnet. Die USA konnten sich hier nicht durchsetzen, verlangten sie doch quasi ein weltweites Verbot einer solchen Steuer. Inzwischen ist die Rechtsauffassung der Bundesregierung durch ein unabhängiges Gutachten zur Rechtmäßigkeit einer nationalen wie auch internationalen Kerosinsteuer bestätigt worden. Diese Studie wird heute im Laufe des Tages vom Verkehrsclub Deutschland in Frankfurt am Main vorgestellt werden.

Es wird höchste Zeit, meine Damen und Herren, dass Instrumente wie die Kerosinsteuer zum Steuern volkswirtschaftlicher Prozesse eingesetzt werden. Eine Verkehrswende in Richtung Klimaschutz kann nur erfolgen, wenn zumindest faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Flugzeug und Bahn herrschen. Unser Antrag soll auch dazu dienen, die Diskussion um eine solche Steuer nicht versanden zu lassen und den Druck auf die Bundesregierung und in Richtung Europa weiter zu erhöhen. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern sollte hier ein klares Signal setzen. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Heinz Müller, SPD)

Vielen Dank, Frau Schwebs.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete der CDU-Fraktion Herr Dr. Born.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 5,2 Millionen Arbeitslose in Deutschland, davon nahezu 211.000 in Mecklenburg-Vorpommern, eine Quote von 23,9 Prozent spiegelt den traurigen Rekord im Vergleich der Bundesländer wider. Von Wirtschaftswachstum als Grundlage neuer Beschäftigung ist weder in Deutschland, geschweige denn in Mecklenburg-Vorpommern etwas zu sehen. Und in dieser Situation, die ihre Ursache in der strukturellen Aufstellung unserer

Volkswirtschaft hat, wird uns von den Koalitionsfraktionen unter, so kann man nur sagen, ideologischer Führerschaft der PDS nun ein Steuererhöhungsantrag präsentiert.

(Heiterkeit bei Rudolf Borchert, SPD – Barbara Borchardt, PDS: Ei, ei, ei!)

Ein nationaler Alleingang bei der Flugkerosinbesteuerung, allein schon die erneute Diskussion über etwaige Steuererhöhungen,

(Rudolf Borchert, SPD: Herr Born, haben Sie unseren Antrag nicht gelesen?!)

hat schwerwiegende negative Auswirkungen auf die vom internationalen Handel und Austausch lebende deutsche Wirtschaft und die hier arbeitenden Menschen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Eine weitere Verunsicherung von Verbrauchern und Wirtschaft wäre die Folge und die Verlagerung von Verkehren und Arbeitsplätzen ins Ausland die Konsequenz. Ich frage mich ernsthaft, wann sich endlich fraktionsübergreifend die unter Ökonomen mittlerweile zur Binsenweisheit verkommene Erkenntnis durchsetzt, dass Steuererhöhungen dem Standort Deutschland nicht nützen, sondern schaden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. – Angelika Gramkow, PDS: Das erleben wir ja seit ungefähr 25 Jahren.)

Meine Damen und Herren, diese Steuererhöhungsdiskussionen müssen endlich ein für alle Mal der Vergangenheit angehören. Die Antragsteller, das setze ich an dieser Stelle wagemutig voraus, werden sich doch im Vorfeld der Formulierung ihrer Forderung mit der geltenden Rechtsund Gesetzeslage auseinander gesetzt haben. Dabei sollten sie recht leicht auf das so genannte Chicagoer Abkommen gestoßen sein.

(Zuruf von Birgit Schwebs, PDS)

Immerhin haben Sie es wenigstens erwähnt. Und dieses Abkommen bildet weltweit die Grundlage des Luftverkehrs. Das Abkommen regelt eindeutig, dass für internationale Flüge keine Mineralölsteuer erhoben werden darf. Diese Maßgabe ist zudem in allen europäischen Staaten harmonisiert umgesetzt und im EU-Recht verankert. Ebenso ist diese Verpflichtung Bestandteil aller bilateralen Luftverkehrsabkommen Deutschlands, die mit rund 130 Staaten bestehen.

Und, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von SPD und PDS, Sie können mich ja zu Recht darauf hinweisen, dass die EU-Energiesteuerrichtlinie vom März 2003 in Artikel 14 Absatz 2 Satz 1 eine Ermächtigung für die Mitgliedsstaaten enthält, nämlich die Steuerbefreiung auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte zu beschränken. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass Inlandsflüge grundsätzlich besteuert werden dürften. Artikel 14 Absatz 2 eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, innergemeinschaftliche Flüge zu besteuern, sofern die Mitgliedsstaaten entsprechende bilaterale Verträge miteinander s c h l i e ß e n.

(Torsten Koplin, PDS: Siehste!)

Doch aus dieser theoretischen Option einen nationalen Alleingang zu initiieren, das grenzt schon an wirtschaftspolitischen Suizid.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

In diesem Punkt...

(Rudolf Borchert, SPD: Das steht doch gar nicht im Antrag, Herr Born! – Regine Lück, PDS: Sie haben nicht zu- gehört! – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Also des Lesens bin ich noch kundig und ich denke, auch Sie des Schreibens.

(Torsten Koplin, PDS: Wir sind nicht suizidgefährdet.)

Und da dies sehr leicht zu lesen ist, was Sie aufgeschrieben haben, lesen Sie vielleicht Ihren eigenen Antrag noch mal genau durch.