Protocol of the Session on January 27, 2005

jahr. Es wird noch keine Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt geben und nach wie vor belastet eine hohe Zahl von Altbewerbern den Ausbildungsstellenmarkt. Wir müssen auch in diesem Jahr auf große Anstrengungen gefasst sein, um unseren Jugendlichen ausreichende Ausbildungsangebote machen zu können.

Ein Vorteil ist, dass wir dieses Jahr früher mit unserer Ausbildungsförderung werden einsteigen können. Dabei hilft, dass die Diskussion um die Ausbildungsplatzumlage Vergangenheit ist und dass ein vom Landtag verabschiedeter Haushalt existiert, der Vorkehrungen enthält, um Ausbildung fördernde Maßnahmen der Landesregierung frühzeitig auflegen zu können. Wir können die Dinge nun schnell auf den Weg bringen. Wir werden folgende Programme fortführen:

1. die betriebliche Ausbildungsplatzförderung Wir werden sie konzentrieren auf die Zielgruppe der erstmals auszubildenden Berufe.

2. die Verbundausbildung, die sich an die Betriebe richtet, die allein nicht ausbilden können

3. das Landesergänzungsprogramm, das zusätzlich zum Bund-Länder-Ausbildungsprogramm mit bis zu 1.000 Plätzen aufgelegt wird

4. die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung für das Handwerk, die analog der Verbundausbildung durchgeführt wird

5. das Ausbildungsprogramm Ost

Die Bundesregierung wird mit den ostdeutschen Ländern im Februar die Verhandlungen zum Ausbildungsplatzprogramm Ost aufnehmen. Wir werden uns gemeinsam mit den anderen Ländern dafür einsetzen, dass das Programm 2005 wie im Vorjahr mit insgesamt 14.000 Plätzen, davon 2.300 für Mecklenburg-Vorpommern, fortgeführt wird.

Meine Damen und Herren, die vorliegende Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses zeigt für mich, dass sich alle Fraktionen des Landtags der großen Bedeutung des Themas „Ausbildung für MecklenburgVorpommern“ bewusst sind. Ich finde es ausgesprochen positiv, wenn in einer für die Zukunft des Landes so wichtigen Frage alle Kräfte im Land an einem Strang ziehen. Das ist im Sinne unserer Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen, und das ist im Sinne der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern. Für diese Unterstützung der Landesregierung durch den Landtag in einer solch wichtigen Frage, wie es das Thema Ausbildung ist, möchte ich mich deshalb an dieser Stelle bei allen Fraktionen des Landtags herzlich bedanken. – Danke sehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der CDU-Fraktion Herr Dr. Born.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte eigentlich vor, Herr Minister, eine etwas ausführlichere Rede zu halten zu diesem Thema, aber nach der sehr detaillierten Darstellung des Ausschussvorsitzenden und Ihrer Rede, Herr Minister, liegt mir doch daran, noch einmal das zu

unterstreichen, was beide übereinstimmend gesagt haben, nämlich dass wir es hier zwar mit einer nach wie vor sehr ernsthaften Problematik zu tun haben, sich aber alle politisch Handelnden im Land einig sind, dass wir intensiv daran arbeiten müssen, dass diese so genannten Überhänge tatsächlich eine Arbeit finden.

Dazu will ich noch einmal die Zahl sagen, denn ich bin eben von einem Kollegen gefragt worden, wie viel es denn sind. Für das Jahr 2003 haben wir 26.348 Bewerber gehabt, davon – Kollege Glawe, Sie hatten mich eben gefragt – etwa 5.700 aus dem Vorjahr und 6.600 aus den noch weiter zurückliegenden Jahren. Das zeigt in der Tat, dass es besonders für diese Gruppe schwierig ist, einen Ausbildungsplatz zu finden. Herr Minister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass hier verstärkte Anstrengungen erforderlich sind. Ich will deshalb auf meinen eigentlich vorgesehenen Redebeitrag verzichten, um noch einmal die Gemeinsamkeiten hier zu unterstreichen. Die Darstellungen des Ausschussvorsitzenden und des Ministers haben sehr sachlich die Problemlage aufgezeigt und auch deutlich gemacht, dass der Wirtschaftsausschuss gerade bei dieser Thematik einen Schwerpunkt seiner Arbeit sieht.

Auf eins möchte ich allerdings noch einmal hinweisen. Der Minister hat, meines Erachtens völlig zu Recht, noch einmal klar gesagt, dass ab dem Jahre 2009 mit einem dramatischen Rückgang bei den Bewerberzahlen zu rechnen ist und dass damit Probleme verbunden sein werden bei den Unternehmen. Allerdings in die Unterrichtung, die Sie uns vorlegen, im Berufsbildungsbericht, Herr Minister, haben Sie Zahlen übernommen, was ich Ihnen nicht ankreide, weil es Zahlen sind, die von Ihren Kollegen kommen, Seite 11, Grafik 8, die nicht mit dem übereinstimmen, was wir von Ihnen zu Recht hier als Darstellung gehört haben, und insbesondere nicht mit dem, was das Kabinett selbst beschlossen hat im Jahre 2003. Darauf hat gestern der Vorsitzende der CDU-Fraktion, der Kollege Rehberg, hingewiesen. Es ist natürlich misslich, wenn hier das übernommen wird, was ärgerlicherweise so dem Sekretariat der Kultusministerkonferenz gemeldet wird, obwohl das Kabinett selbst im Jahre 2003 die Zahlen, die von unserem eigenen Statistischen Landesamt stammen, beschlossen hat. Danach haben wir von einem ganz starken Rückgang auszugehen, der bis auf 9.500, eben was die Schulabsolventen angeht, im Jahre 2020 heruntergeht. Also, denke ich, sollte jetzt wirklich auch in alle zukünftigen Darstellungen seitens der Landesregierung aufgenommen werden, was das Kabinett selbst beschlossen hat, und nicht diese falschen Zahlen, weil sich daraus natürlich fatale Fehleinschätzungen ergeben können.

Und schließlich möchte ich noch einen Punkt ausdrücklich erwähnen. Wir können uns drehen und wenden, wie wir wollen, das Hauptproblem der derzeitigen Lage ist die ökonomische Gesamtsituation, die schwierig ist. Die Unternehmen werden nach wie vor aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation an der Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze gehindert. Deshalb muss das erste Augenmerk aller Anstrengungen darauf gerichtet sein, eine Verbreiterung der wirtschaftlichen Basis herbeizuführen, um so die Voraussetzungen für Wachstum, Beschäftigung und letztlich Ausbildung zu schaffen. Darüber hinaus müssen die vorhandenen Ausbildungsordnungen modernisiert werden, um dem beschleunigten Innovationszyklus in den verschiedenen Berufen gerecht zu werden.

Eins möchte ich ausdrücklich an dieser Stelle noch einmal sehr eindrücklich hervorheben und Sie auch bitten, Herr Minister, dass Sie Ihrerseits Ihren Kabinettskollegen zur Rechten da unterstützen. Es geht vor allem und gerade im Bereich der Ausbildung darum, endlich mit der dringend benötigten Deregulierung Ernst zu machen.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Was hier Ausbildern mit Ausfüllen von Formularen, Schreiben von Berichten und Übermitteln statistischer Daten zugemutet wird geht, auf Deutsch gesagt, auf keine Kuhhaut. Es ist schlicht eine Zumutung und wirkt nachhaltig sowohl wirtschafts- wie auch ausbildungsplatzfeindlich. Ich denke, gerade Sie beide, Herr Minister Dr. Ebnet und Herr Minister Sellering, wissen aus zahlreichen Gesprächen mit Ausbildern genau, wovon ich rede. Hier muss dringend Ernst gemacht werden mit Deregulierung. Ich weiß, das sagen Sie zu Recht und Sie haben gestern hier auch wieder vorgetragen, Herr Minister Sellering, dass es vor allem das Bundesrecht ist, was uns hier belastet. Aber da muss die Landesregierung mit allem Nachdruck im Bundesrat ihren Einfluss geltend machen, denn Ausbilder sollen ausbilden und sie sollen möglichst ihr Wissen und ihre Erfahrungen an die Auszubildenden vermitteln und sollen nicht dadurch daran gehindert werden, dass sie ständig irgendwelche Formulare ausfüllen und Berichte schreiben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Sehr richtig, Herr Kollege!)

Schlüsselworte wie beispielsweise „lebenslanges Lernen“ müssen sich endlich auch in tatsächlichen rechtlichen Rahmenbedingungen widerspiegeln, um so den veränderten Qualifikationsanforderungen der Wissensgesellschaft gerecht zu werden. Dazu bietet die Beschlussempfehlung einen ersten Ansatz. Ich freue mich, dass es im Wirtschaftsausschuss gelungen ist, diese Beschlussempfehlung einstimmig zu verabschieden, und bitte Sie herzlich, die eben gegebenen Hinweise aufzugreifen, um die Ausbildungsplatzsituation dadurch zu erleichtern. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Born.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete der SPD-Fraktion Frau Ute Schildt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einleitend möchte ich den Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums für die Erarbeitung des Berufsbildungsberichtes 2003 meinen Dank aussprechen.

(Beifall Heike Polzin, SPD, und Dr. Martina Bunge, PDS)

Außenstehende mögen schnell urteilen, die Probleme 2003 sind doch schon Vergangenheit. Ja, das ist so. Trotzdem ist eine umfangreiche Analyse, die Bewertung der Wirksamkeit beschlossener Maßnahmen, ein gutes Fundament künftiger Entscheidungen. Insofern ist der Bericht gerade deshalb notwendig, da das Problem der Berufsausbildung für alle jungen Menschen, die wollen und können, immer noch nicht selbsttragend durch die Wirtschaft unseres Landes gelöst werden kann.

Zahlreiche Initiativen, Programme und finanzielle Absicherungen bleiben auch in den kommenden Jahren von

großer Bedeutung. In beiden Redebeiträgen ist schon darauf eingegangen worden. So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Abgeordneten dieses Hohen Hauses mindestens zweimal jährlich mit dem Thema Berufsausbildung auseinander setzen. In der Aktuellen Stunde vom 15.09.2004 debattierten wir erstmals über den Nationalen Ausbildungsplatzpakt, der am 16. Juni zwischen Wirtschaft und Regierung für die Dauer von drei Jahren beschlossen wurde.

Erinnern wir uns kurz. Am 7. Mai 2004 war vom Bundestag das Gesetz zur Ausbildungsplatzabgabe verabschiedet worden. Es ist auf Eis gelegt, weil der Nationale Ausbildungsplatzpakt gemeinsam zwischen Wirtschaft und Bundesregierung zustande gekommen ist, und das ist gut so. Ziel ist es schließlich, allen jungen Menschen, die wollen und können, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Dazu sind in diesem Pakt gegenseitige Verpflichtungen zwischen Wirtschaft und Regierung beschlossen worden: die Ausbildungsleistung deutlich zu erhöhen, den Vermittlungsprozess eher zu beginnen, den einzelnen Jugendlichen stärker in den Fokus zu rücken, auch in der Bundesverwaltung 20 Prozent mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen, ausbildungsorientierende Maßnahmen der Bundesanstalt in gleicher Höhe wie 2003 zu sichern. Die Wirtschaft verpflichtet sich, 30.000 neue Ausbildungsplätze bereitzustellen und 25 Plätze für Einstiegsqualifikationen. Das hörte sich alles am Beginn sehr hochtrabend, sehr fern von Realität an und so mancher von uns hat auch gezweifelt, ob sich das umsetzen lässt.

Meine Damen und Herren, das sind anspruchsvolle Ziele, die ernst genommen werden und nunmehr erfolgreich abgerechnet werden können. Für das Ausbildungsjahr 2004 wurden den Agenturen für Arbeit in der Bundesrepublik 519.800 Arbeitsplätze gemeldet. Das sind zwar 4,8 Prozent weniger als im Vorjahr, aber 573.000 Ausbildungsverträge wurden abgeschlossen. Das sind 2,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei den Vertragsabschlüssen waren es sogar 4,5 Prozent oder 22.500 Ausbildungsplätze mehr. Das liegt daran, dass viele Ausbildungsplätze den Agenturen gar nicht gemeldet wurden. Das heißt, es gibt auch immer eine Dunkelziffer im Hin und Her, das ist Tatsache. Das Problem ist so groß.

Wie viele junge Leute brauchen heute noch einen Ausbildungsplatz? Das müssen wir verzeichnen: Von 740.200 Bewerbern, die die Berufsausbildung zur Vermittlung einer Lehrstelle eingeschaltet haben, konnten bundesweit 44.600 Bewerber per 30.09. und 14.900 Bewerber per 31.12. noch nicht vermittelt werden. Von den im Pakt vereinbarten 25.000 Einstiegsqualifikationen stellte die Wirtschaft, man höre und staune, 31.500 zur Verfügung, die aber nur von 7.200 Jugendlichen genutzt wurden. Und wie sieht es im Land aus? Der Wirtschaftsminister hat schon Ausführungen darüber gemacht. Von den gemeldeten 26.222 Bewerbern bei den Agenturen für Arbeit waren bis Ende des Jahres 2004 322 noch nicht vermittelt.

Wie in den anderen Bundesländern werden die neuen Einstiegsqualifikationen umfangreich angeboten. Allein im IHK-Bereich Rostock waren es beispielsweise 130 Plätze, von denen noch 110 unbesetzt sind. Für diese Maßnahmen stellt das Unternehmen den Ausbildungsplatz, die Bundesanstalt die Vergütung in Höhe von 192 Euro monatlich zur Verfügung. Dieses Angebot scheint für zahlreiche Jugendliche nicht die erforderliche Attraktivität zu

haben, aber – der Minister hat es gesagt – es ist ein Einstieg in eine Berufsausbildung, ein Schritt in einen Selbstfindungsprozess, denn immerhin haben wir ja auch in der letzten Debatte darüber gesprochen, dass 25 Prozent der Jugendlichen schon nach kurzer Zeit den Ausbildungsplatz abgeben. Insofern ist diese Selbstfindungszeit eine sehr wichtige. Wir alle sollten diese Modelle auch an die jungen Leute herantragen, die heute noch ohne Ausbildungsstelle sind, und es als Chance für sie charakterisieren.

An dieser Stelle möchte ich allen danken, die diesen Prozess offensiv und engagiert geführt haben. Das sind die zahlreichen Mitarbeiter in den IHK, den Handwerkskammern, den Agenturen für Arbeit und viele, viele in Verbänden und Vereinen, die sich mit der Frühorientierung, mit der Orientierung junger Menschen auf diesen Prozess beschäftigen. Eltern, Lehrern, all denen möchte ich danken, denn dass dieser Prozess so positiv geführt wurde mit diesem Ergebnis, das ist ein Erfolg, ein Erfolg des Nationalen Ausbildungsplatzpaktes, aber auch ein Erfolg der Arbeit der Menschen, die daran mitwirken.

Ich bin sehr froh, dass die Ausbildungsinitiative 2005 schon jetzt eingeläutet wurde. Der Minister hat sich dafür ausgesprochen. Das 3-Säulen-Modell soll auch in diesem Jahr weitergeführt werden und alle, die bisher am Nationalen Ausbildungsplatzpakt teilgenommen haben im Land, am Ausbildungsbündnis, werden sich weiter engagieren. Das ist auch gestern beim IHK-Empfang sehr deutlich geworden. Die Unternehmen haben begriffen, dass junge Leute mit einer guten Berufsausbildung ihre sicherste Investition in eine wirtschaftlich sichere Zukunft sind. In diesem Sinne wünsche ich uns allen viel Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schildt.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Dr. Bunge von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verehrte Gäste! Die Vermittlung für das neue Ausbildungsjahr ist de facto abgeschlossen. Die gestrige Pressekonferenz des Landesausschusses für Berufsbildung und die Ausführungen des Wirtschaftsministers von heute zeigen, wie vielfältig und wie vielschichtig die Bemühungen waren. Ein herzliches Dankeschön auch von mir, von der PDS-Fraktion an alle Beteiligten.

(Beifall Ute Schildt, SPD, Torsten Koplin, PDS, und Peter Ritter, PDS)

Unser gemeinsames Ziel, jeder und jedem einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen, ist aber nur insofern erfüllt, dass kaum noch eine Jugendliche, ein Jugendlicher auf der Straße steht. Leider musste ein nicht unbeträchtlicher Teil der Ausbildungsplatzsuchenden mit diversen mehr oder weniger sinnvollen Maßnahmen vorlieb nehmen. Und so zeigt der uns vorliegende Bericht auch, dass die zu vermittelnden Jugendlichen immer älter werden. Somit stellt sich die Frage: Tun wir mit den vielfältigen Aktivitäten auch das Richtige, das, was die Jugendlichen brauchen, was die Wirtschaft braucht, was unser Gemeinwesen insgesamt braucht?

Wenn ich sage, die Berufsausbildung von heute bestimmt den Arbeitsmarkt von morgen, werden mir alle

noch zustimmen, denn allen ist klar, von hochwertiger Ausbildung hängt die Chance für Jugendliche ab, eine qualifizierte Arbeit zu bekommen, und hängt die Chance für Unternehmen ab, auf bedarfsgerechtes Personal zurückgreifen zu können. Wenn ich aber behaupte, die Herausforderungen, die Demographie, Globalisierung, Wirtschafts- und Technologieentwicklung künftig an uns stellen, verlangen eine kluge Vorausschau für die nötige Ausbildungsstruktur, so wittern viele Planwirtschaft. Doch wir werden nicht darum herumkommen, auf vernetzte Entwicklungen komplex zu reagieren, sonst setzen wir knappes Geld nicht effizient ein, sonst berauben wir Jugendliche wie Unternehmen ihrer Chancen, die die Zukunft zweifellos bietet.

Mittlerweile anerkannt ist, dass die Demographie künftig kräftig zuschlägt. Dafür gilt es aber, den Blick im Detail zu schärfen. Es reicht nicht, dabei stehen zu bleiben, dass die Jungen immer weniger, die Alten immer mehr werden. Bevölkerungsentwicklungen sind kein Naturereignis, das man wie einen Fetisch vor sich hertragen kann. Bevölkerungsentwicklung ist immer in gesellschaftliche Verhältnisse, die wesentlich durch Politik bestimmt werden, eingeordnet und die sich daraus ergebenden Bevölkerungsstrukturen zeigen uns erst Chancen und Risiken.

Bei den Geburten gehören Pillen- beziehungsweise Wendeknick zum Allgemeingut der Betrachtungen. Weniger im Blickfeld sind zum Beispiel Mauerbau und Wende für die differenzierte Betrachtung von Beschäftigungsund Berufsstrukturen. Der Mauerbau zum Beispiel verursacht wesentlich das auf uns zukommende schubweise In-den-Ruhestand-Gehen der Ärzteschaft unseres Landes wie auch in den anderen neuen Bundesländern. Das ist heute nicht Thema, aber zu beachten. Die Wende determiniert die Bevölkerungsstruktur in doppelter Hinsicht. Mit dem enormen Rationalisierungsschub in Unternehmen und bei der Verschlankung der Verwaltungsstrukturen wurde in Rente beziehungsweise in Vorruhestand geschickt, was nur irgend ging. Das war auch richtig, um nicht Arbeitslose zu produzieren. Das brachte einen disproportionalen ungesunden Altersaufbau der Beschäftigungsstrukturen hervor. Regelrecht monolithische Blöcke entstanden, Strukturen ohne Eingangskurve, ohne Ausgangskurve. Und so kann kaum ein Älterer einem Jüngeren Platz machen. Wenn jetzt aber in den nächsten Jahren die Wendeendvierziger und -fünfziger in Rente gehen, ist es wieder abrupt. Für die Personalprobleme bei Verwaltungsreformen kann das hilfreich sein, aber generell trifft dieser schubweise Ersatzbedarf auf den Wendegeburtenknick, der jetzt ins Ausbildungsalter kommt. Ich denke, das ist eine Herausforderung.

Zu beachten ist auch, dass die Schübe für den Ersatzbedarf in den verschiedenen Branchen und Bereichen nicht unbedingt gleichzeitig auftreten und, und, und. Jede und jeder von Ihnen müsste mir eigentlich zustimmen: Weniger Jugendliche und Ersatzbedarf in Schüben plus neuartigem Bedarf für aufstrebende Cluster, das übersteigt den Weitblick einzelner Unternehmen. Ich denke, Vorausschau landesweit ist nötig, strategische Weitsicht. Die SÖSTRA-Studie, veranlasst durch das Arbeitsministerium, hat da einen guten Anfang gemacht. Ich denke, Berichte wie der uns heute vorliegende sind notwendig, doch wir sollten nicht dabei stehen bleiben. Den Ausbildungserfordernissen der Zukunft gerecht zu werden erfordert auch, qualitative Determinanten, wie die eben skizzierten, differenzierter zu betrachten, erfordert auch zu analysieren, ob Finanzströme den Erfordernissen genü

gen. Brauchen wir zum Beispiel, um beim Thema zu bleiben, ähnliche Töpfe wie die Verbundausbildung, wie die Förderung von kleinen und mittelständischen Unternehmen? Gleichzeitig beklagen wir, dass Berufsfachschulen für bestimmte Berufe zum Teil Ersatzfunktionen einnehmen, was politisch nicht gewollt sei. Vielleicht fehlt hier auch etwas prinzipiell Neues. Das ließe sich meines Erachtens bei strategischem Vorausdenken näher bestimmen.

Der Bericht gibt viele Anregungen. Wir sollten diese bei unseren künftigen Diskussionen um das Thema Ausbildung unvoreingenommen beachten. Deshalb sollten wir den Bericht, der erstmalig vernünftigerweise nicht extern, sondern kostengünstig im Wirtschaftsministerium gefertigt wurde, nicht einfach beiseite legen. Vielleicht ist das auch eine kleine Referenz an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium, die diesen Kraftakt zu bewältigen hatten. – Ich danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Torsten Koplin, PDS, und Peter Ritter, PDS)