Protocol of the Session on November 17, 2004

Ich rede nicht davon, wie er aussehen wird. Wie er aussehen wird, werden wir in einigen Jahren beurteilen.

(Angelika Gramkow, PDS: Was würden Sie bloß machen, wenn wir die DDR nicht hätten, Herr Backhaus?!)

Zumindest ist es bisher noch nicht gelungen, dass die Beiträge in den Krankenkassen gesenkt werden, um mal ein Thema anzusprechen, was ja angekündigt war.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Till Backhaus, SPD: Ich habe für die deutsche Einheit gekämpft.)

Ich meine, dass man die aktive Arbeitsmarktpolitik des Bundes in Form von Strukturanpassungsmaßnahmen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen möglicherweise sehr bald nur aus den Geschichtsbüchern kennen wird, weil – und das ist die Entwicklung – vier ABM beziehungsweise SAM zum Ende der 90er Jahre heute eine neue Arbeitsgelegenheit bedeuten, auf einem qualitativ bedeutend geringeren Niveau.

(Peter Ritter, PDS: So ist es.)

Die neuen Vermittlungsanstrengungen werden – und ich betone das – leider ins Leere gehen, weil durch Hartz IV und I bis III, Herr Rehberg ist darauf eingegangen, praktisch keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Und ich würde mir wünschen, dass die Energie, die von den Parteien der CDU, SPD, FDP und Grünen aufgewendet wurde, um diese Hartz-Reform zu schmieden, eingesetzt wird, um einen Pakt der nationalen Verantwortung für Arbeit, Aufträge und Ansiedlung zu schaffen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

damit es zur Wertschöpfung, zur Beschäftigung kommt, zur Beschäftigung im doppelten Sinne, im wirtschaftspolitischen Sinne und im gemeinwohlorientierten Sinne. Ich glaube, nur dann wird ein Schuh daraus. Herr Mohr hat sehr wohl darauf reflektiert.

Ich möchte mit Illusionen aufräumen. Mir begegnet immer wieder im Land – und ich bin sehr viel zu Hartz IV im Land unterwegs und auch heute hier in der Debatte ist es deutlich geworden – die Auffassung, dass mit den Arbeitsgelegenheiten für die gesamte Dauer des Bezuges des Arbeitslosengeldes II dieser Mehraufwand gezahlt wird.

Herr Riemann, das ist kein Zuverdienst. Das ist das Erste, was ich sagen will. Es ist kein Zuverdienst.

(Torsten Koplin, PDS: Ja, auch das weiß er nicht.)

Es soll ausschließlich der Mehraufwand ersetzt werden, der eingesetzt werden muss, um dieser Tätigkeit nachzugehen,

(Torsten Koplin, PDS: Ja.)

beispielsweise die Fahrtkosten. Oder es besteht eben die Illusion, dass für diese Dauer, für die gesamte Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld II diese Möglichkeit in der Arbeitsgelegenheit besteht. Nein, das ist nicht so.

(Torsten Koplin, PDS: Sechs Monate.)

Es werden in der Regel sechs Monate sein, maximal zwölf Monate, und ich weiß nicht, ob das dann tatsächlich zu den Rechenergebnissen führt, die hier einige vorgeführt haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und wenn es darum geht, über einen Zuverdienst zu sprechen, dann schreibt das Sozialgesetzbuch II vor, dass dieser Zuverdienst anzurechnen ist, gegenzurechnen ist gegen das Arbeitslosengeld II. Deswegen redet man ja ganz bewusst von Mehraufwandsentschädigung.

Und da wir gerade bei Aufklärungen sind, will ich Ihnen sagen, Aktivierung heißt nicht Eingliederung. Das muss man sehr wohl unterscheiden, dass man von Aktivierungsquoten spricht und von Eingliederungsmöglichkeiten. Die Mehrzahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger wird nach einer halbjährigen Aktivierungsphase leider nicht in Arbeit, sondern in einer erneuten Phase der Langzeitarbeitslosigkeit sein.

Und, Herr Timm, ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre anregende Rede. Die vielen Fragen, die Sie aufgeworfen haben, würde ich gern in Ihrem Arbeitskreis beantworten, wenn Sie mich einladen, weil die Beantwortung der vielen Einzelfragen hier einfach meine Zeit sprengen würde. Aber Sie haben die Frage gestellt, ob nicht Hartz IV eine Neuausrichtung des Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogrammes der Landesregierung mit sich bringen

müsste. Ich sage Nein, muss es nicht, weil dieses Programm, Sie haben die Zahlen genannt, das aus dem ESF finanziert, durch das Land kofinanziert wird, sich strikt an der europäischen Beschäftigungsstrategie orientiert. Hier geht es darum, die Beschäftigungsfähigkeit von Arbeitslosen zu erhalten und zu verbessern. Unser Programm, welches allerorten bestätigt wurde, ist innovativ und hochflexibel. Dennoch waren Änderungen notwendig und es sind Änderungen notwendig.

Änderungen, die wir bereits vorgenommen haben, sind bekannt. Wir haben uns aufgrund der Zusammenführung von ABM und SAM zu den neuen Förderungskriterien bei den ABM entschieden, von der Sachkostenförderung zur Personalkostenförderung bei diesen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen überzugehen. Wir haben die gemeinwohlorientierten Arbeitsförderprojekte jetzt ausschließlich aus Landesmitteln finanziert, weil es die SAM-, die Strukturanpassungsmaßnahmengelder nicht mehr gibt, und wir haben auch – einem Hinweis der Europäischen Kommission folgend – die Richtlinien für Projekte des lebenslangen Lernens verändert, so dass nicht nur ein Aktionsprogramm finanziert werden kann, sondern eben auch Einzelprojekte.

Ich möchte hier nicht über ungelegte Eier sprechen, sondern ich möchte einige erste Gedanken äußern, wo ich weiteren Änderungsbedarf sehe. Es ist notwendig, bestimmte Richtlinien dahingehend zu verändern, weil es die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger zukünftig so nicht mehr geben wird. Sie werden ja zusammengefasst in dem Arbeitslosengeld-II-Empfang. Deswegen möchte ich Ihnen vorschlagen, dass wir diese entsprechenden Richtlinien ändern, sie zielgruppenorientiert gestalten, damit insbesondere an Langzeitarbeitslose und hier wiederum an die langzeitarbeitslosen Frauen Einstellungsbeihilfen gewährt werden können,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

dass Menschen mit Vermittlungshemmnissen eine besondere Unterstützung, und zwar bei der Eingliederung in reguläre existenzsichernde Arbeit, erhalten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Darum geht’s!)

Ich denke auch darüber nach, unser bewährtes Programm „55 plus – aktiv in die Rente“ fortzuführen. Allerdings müssen wir die Kriterien modifizieren. Über das Wie müssen wir gemeinsam diskutieren. Ich meine, gerade die Älteren haben es verdient, hier aus dieser Situation herauszukommen, ich nenne nur das Stichwort 58er Regelung. Das kann ich jetzt im Einzelnen nicht erläutern.

Und wir wollen auch Bewährtes fortsetzen. Bewährtes heißt, die Integrationsmaßnahmen wie Eignungsfeststellung, Beratung, Qualifizierung, Praktika, die mit erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern durchgeführt werden, wollen wir natürlich auch für die Arbeitslosengeld II-Empfängerinnen und -empfänger anbieten, weil hier die Chance sehr groß ist, dass sie tatsächlich in reguläre Arbeit kommen.

Meine Damen und Herren, das Thema der Aktuellen Stunde heißt „Wirkungen der Arbeitsmarktreformen auf Mecklenburg-Vorpommern“. Ich weiß nicht, wer heute im Detail sagen kann, welche Auswirkungen es geben wird. Ich weiß, dass es heute viele Ungewissheiten gibt, die morgen zur Gewissheit werden können. Die Bevölkerung ist verunsichert und stellt Fragen. Die Antragsteller und Antragstellerinnen fragen, was ihnen zum Lebensunterhalt nach der Miete

bleibt. Ich lege Wert darauf: nach der Miete. Was kann ich mir dann noch im Leben leisten? Und die Frage besteht auch darin, ob ich meine Wohnung behalten kann, denn es besteht die Diskussion, die in den Medien geführt wird, darüber, was nicht das Land und der Bund festlegen, 5 Euro über einem festgelegten Bedarf führen zum Umzug.

Die Vermieter fragen sich dagegen: Kann ich überhaupt meine Miete pünktlich bekommen? Die Unternehmer fragen sich: Führen nicht die 1-Euro-Jobs, diese Arbeitsgelegenheitsmehraufwandsentschädigungen, zur Vernichtung von regulären Arbeitsplätzen? Die Mitarbeiter in den Dienststellen der verbleibenden, der so genannten Restbundesagentur, müssen sich neben den Arbeitslosengeld-I-Empfängern auch um die Nichtleistungsempfänger, also diejenigen, die nach der Bedürftigkeitsprüfung aus dem Arbeitslosengeld II herausfallen, kümmern. Sie sollen diese betreuen und vermitteln und sie fragen sich, wie und wohin. Sie haben da eine ganz klare Auflage. Für jeden nicht vermittelten Arbeitslosengeld-I-Empfänger, der ins Arbeitslosengeld II kommt, ist eine Sanktion in Form des Aussteuerungsbetrages von 9.900 Euro zu zahlen.

Das sind Fragen, die sich mit Hartz IV beschäftigte Menschen in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich stellen, aus einer durchaus sozialen Verantwortung. Und sie alle haben deutlich gemacht, die Kommunen stehen Kopf. Bildung von Argen, Organisation von Arbeitsgelegenheiten, Anträge einholen und bearbeiten, Bescheide erstellen und dabei immer das Ziel im Auge zu haben, pünktlich im Januar 2005 die gewährte, rechtsbestimmte Leistung des Arbeitslosengeldes II und die Warm- und Kaltmiete auszuzahlen – Fragen über Fragen, auf die es 2005 eine abschließende Antwort geben wird, und dann werden wir auch wissen, welche Wirkungen die Hartz-IV-Reform auf Mecklenburg-Vorpommern hat. Ob diese Reform zur Zufriedenheit, zu Resignation, Frust oder Mut führen wird, das werden wir erleben, meine Damen und Herren. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der fraktionslose Abgeordnete Herr Dr. Bartels.

(Karin Schmidt, PDS: Der ist nicht da.)

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 2: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der PDS und SPD – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege, auf Drucksache 4/1314(neu), und hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Sozialausschusses auf Drucksache 4/1418.

Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege (Kindertagesförderungsgesetz – KiföG M-V) – 1. ÄndG KiföG M-V (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 4/1314(neu) –

Beschlussempfehlung und Bericht des Sozialausschusses – Drucksache 4/1418 –

Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Herr Koplin von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute nicht sämtliche Details der Ausschussberatung im Einzelnen vortragen, da mir nur zehn Minuten zur Verfügung stehen. Ich will vielmehr die Sicht auf wesentliche Punkte der Beschlussempfehlung des Sozialausschusses lenken, insbesondere auf die darin enthaltenen Klarstellungen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Sozialausschuss empfiehlt dem Landtag, den Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 4/1314(neu) unverändert anzunehmen. Darüber hinaus empfiehlt er dem Landtag zwei Entschließungen zur Beschlussfassung. Die Entschließung unter Ziffer 2 Buchstabe a erläutert nochmals ausführlich die Gründe, die eine Korrektur des KiföG notwendig gemacht haben. In Ziffer 2 Buchstabe b werden Klarstellungen zu einzelnen Paragraphen im KiföG formuliert, die ich im Rahmen meiner Einbringungsrede klar herausarbeiten möchte.

Im Einzelnen: Nach Paragraph 21 Absatz 1 tragen die Eltern den nicht vom Land, dem jeweiligen örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und der Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts getragenen Finanzierungsbedarf der Kindertagesförderung. Die Träger von Kindertageseinrichtungen oder die Tagespflegepersonen und die Gemeinden, in denen die Kindertagesförderung in Anspruch genommen wird, legen den durchschnittlichen Elternbeitrag je in Anspruch genommenem Platz fest. Die Staffelung der Elternbeiträge erfolgt auf der Grundlage dieses Durchschnittswerts, wobei dieser nicht gleichzeitig den höchstmöglichen Elternbetrag beschreibt.

Mit der sozialverträglichen Staffelung der Elternbeiträge nach Paragraph 21 Absatz 2 Satz 3 des KiföGs können Elternbeiträge oberhalb und unterhalb dieses durchschnittlichen Elternbeitrages festgelegt werden. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Elternbeitragsstaffelung ist der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe weitgehend frei. Einschränkungen erfolgen nur durch die Regelung des Paragraphen 21 Absatz 1 und Absatz 6 desselben Paragraphen des KiföG. Danach darf der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht Elternbeiträge festlegen, die in ihrer Gesamtsumme den nach Paragraph 21 Absatz 1 KiföG bestimmten restlichen Finanzierungsbedarf überschreiten und zu einer Überdeckung beim Träger der Kindertageseinrichtung oder der Tagespflegepersonen führen.

Paragraph 21 Absatz 6 KiföG führt zu einer weiteren Einschränkung der Staffelung der Elternbeiträge. Danach ist der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme von Elternbeiträgen verpflichtet, soweit den Eltern eine Kostenbeteiligung nicht oder nur anteilig zuzumuten ist. Damit hat die Elternbeitragsstaffelung oberhalb des Wertes zu erfolgen, bis zu dem den Eltern eine Kostenbeteiligung nicht oder nur anteilig zuzumuten ist. Damit erfolgt die sozialverträgliche Staffelung der Elternbeiträge innerhalb einer Obergrenze und einer Untergrenze, also einem Korridor.

Nach Paragraph 5, sehr geehrte Damen und Herren, Absatz 4 bis Absatz 6 des KitaG erfolgte die Förderung einer in diesen Regelungen näher bezeichneten Anzahl von Kindern in der Regel durch je eine Fachkraft. Nach Paragraph 5 Absatz 8 des KitaG konnten diese Gruppenstärken in begründeten Ausnahmefällen mit Zustimmung

des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für drei Monate überschritten werden. Zeitlich darüber hinausgehende Überschreitungen der Gruppenstärken bedurften der Zustimmung des Landesjugendamtes. Die Nominierung dieser Regelaufnahmebeziehung führte in ihrer praktischen Umsetzung dazu, dass jährlich circa 400 Anträge auf Erteilung von Ausnahmen nach Paragraph 5 Absatz 8 KitaG gestellt wurden.