Protocol of the Session on October 13, 2004

(Unruhe bei Peter Ritter, PDS)

Ich kann das belegen! Das ist ein Schreiben des Innenministers an den Innenausschuss, in dem er von einer Ausländerbehörde darüber berichtet, als diese sich nicht willfährig gezeigt hat, ist man dazu übergegangen, Mitarbeiter der Ausländerbehörde öffentlich unter Druck zu setzen.

(Zurufe von Holger Friedrich, SPD, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das hat mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nichts zu tun! Ich referiere, der Innenminister mag das bestätigen.

Meine Damen und Herren, wir sind gerne bereit, Anträgen auch dann zuzustimmen, wenn sie nichts bringen, aber auch wirklich nicht schaden.

(Heiterkeit bei Gesine Skrzepski, CDU)

Aber Ihr Antrag würde, wenn man ihn so umsetzt, erheblich schaden.

Erstens. Herr Körner, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, die bisherige Praxis können wir gar nicht fortsetzen, denn es gibt ja mittlerweile mit Wirkung zum 01.01.2005 den Paragraphen 23 a Zuwanderungsgesetz, dessen Inhalt Sie fast zutreffend referiert haben. Sie haben nur eins übersehen: Ein Innenminister kann, wenn er die Entscheidung einer Ausländerbehörde für nicht rechtmäßig hält, wenn humanitäre Gesichtspunkte aus seiner fachlichen Sicht nicht hinreichend berücksichtigt worden sind, diese Entscheidung, da er darüber die Fachaufsicht hat, korrigieren. Ich sage Ihnen, dass das in allen Bundesländern in der Vergangenheit gar nicht so selten

geschehen ist – übrigens, auch ich mag diese Aufteilung in A- und B-Länder nicht –, auch nicht in solchen, in denen etwas konservativere Innenminister waren, gegenüber etwas anderen Innenministern, die Ihnen näher stehen.

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Sie unterstellen immer, dass Innenminister so wenig von dem verstehen, was humanitär ist. Damit tun sie allen derzeit amtierenden 16 Innenministern in den Ländern und insbesondere auch dem Bundesinnenminister in hohem Maße Unrecht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, was ist nun wirklich gewollt? Mit Ihrer Initiative – das haben Sie ja gesagt – soll die Rechtsverordnung oder die breite politische Zustimmung zu einer Rechtsverordnung vorbereitet werden, die der Innenminister in dem eben zitierten Schreiben ja schon angekündigt hat, das mit Datum vom 31.08.2004 dem Innenausschuss vorliegt.

Meine Damen und Herren, dieser Paragraph 23 a be

inhaltet eine etwas ungewöhnliche Formulierung in der gesamten Rechtsgeschichte der Bundesrepublik Deuts c hland. Sie wissen, wie er zustande gekommen ist, und zwar im Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens. Und Sie wissen auch, dass nunmehr der Innenminister ermächtigt werden soll, abweichend von der gesetzlichen Regelung Entscheidungen zu treffen, das heißt also, rechtswidrig zu handeln. Und die einzige Legitimation, die er hat, ist die Empfehlung einer Kommission, die er selber einrichtet. Dies finde ich als ein probates Mittel. Ich richte mir eine Kommission ein und dann ist das, was ich tue, nicht mehr strafbar rechtswidrig, sondern nur noch rechtswidrig. Das kann nicht richtig sein!

Der zweite Grund, warum wir dies ablehnen, ist, dass wir gar nicht weit weg von Ihren Anliegen liegen, dass Sie aber der Auffassung sind, dass viele, die sich in der Vergangenheit für Menschen, die Probleme hatten, eingesetzt haben, natürlich nicht die Verfassung missachten wollen. Ich darf zitieren mit Genehmigung der Frau Präsidentin aus einem Schreiben der Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Landtags in Nordrhein-Westfalen, die gesagt hat: „Es würden einem verfassungsrechtlich und organisationsrechtlich fragwürdigen Gremium weitergehende Rechte eingeräumt als zum Beispiel den Petitionsausschüssen der Landtage.“ Dem, meine Damen und Herren, ist nichts hinzuzufügen.

Ich möchte nur deutlich machen, die Arbeit der Mitglieder der Kommission, soweit sie sich um humanitäre Belange gekümmert haben, bekrickelt niemand, ganz im Gegenteil, das sage ich auch dank meiner Fraktion. Ich sage auch, wir werden das nicht mittragen, dass sich der Innenminister von der Verantwortung, humanitäre Gesichtspunkte selber zu prüfen, auf diese Weise freizeichnet, denn das ist sein Job und den hat er auszuführen!

(Beifall Rainer Prachtl, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Meine Damen und Herren, wir werden es auch nicht gutheißen, dass es Mitarbeiter der mittelbaren Landesverwaltung gibt, also einer kommunalen Verwaltung, die Angelegenheiten im Auftrag des Staates wahrnehmen und unter Druck gesetzt werden, dass das auch noch bejubelt wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie sollten einmal mit den Mitarbeitern der Ausländerbehörde reden!

(Torsten Koplin, PDS: Das machen wir.)

Ja, tun Sie es einmal! Und dann fragen Sie die Mitarbeiter einmal, wie sie das empfinden, wenn sie nach bestem Wissen und Gewissen entschieden haben, ein Gericht diese Auffassung geteilt hat und anschließend kommt jemand, den irgendjemand als Kommissionsmitglied eingesetzt hat, und hält ihnen vor, dass sie Unmenschen seien. Das geht so nicht!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wer das Gesetz achtet, der muss nur noch befürchten, dass er etwas falsch gesehen hat. Und wenn er was falsch gesehen hat, gibt es dafür Gerichte. Aber die moralische Geißel zu schwingen wegen eines Gesetzes, das einem nicht passt, einen anderen, der das Gesetz beachtet, damit zu schlagen, das machen wir nicht mit. Und, meine Damen und Herren – das passt sehr gut am heutigen Tage –, ich darf daran erinnern, wie lange es gedauert hat, bis ein Hassprediger dazu gebracht worden ist, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es. – Peter Ritter, PDS: Und das als Asylbewerber!)

Und es war kein anderer als der sicherlich auch in diesem Hause geschätzte Bundesinnenminister Schily, der meines Erachtens vollkommen zu Recht gesagt hat: Es war Zeit, es war höchste Zeit! Und er hat es nicht aus eigenem Interesse gesagt, sondern wegen der Glaubwürdigkeit von Politik und Verwaltung in unserer Bevölkerung. Wer wird es hinnehmen, dass jemand sich mit den Argumenten unter den Schutz einer Rechtsordnung flüchten kann, die dieser Rechtsordnung nicht entsprechen, der unsere Verfassung bekämpft? Wer das Toleranzgebot mit Füßen tritt, wer wegen einer Aufforderung zum Totschlag vorbestraft ist und es dann noch Jubelzeichen gibt, wenn der bleiben kann, das wollen Sie nicht, und das wollen wir nicht.

Und, meine Damen und Herren, was Sie jetzt machen, ist brandgefährlich.

(Torsten Koplin, PDS: Was?!)

Solange ein Innenminister die letzte Instanz ist zu entscheiden, ob humanitäre Gesichtspunkte Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse haben, habe ich Zutrauen darin, dass er auch Erkenntnisse berücksichtigen kann, die ihm zum Beispiel der Verfassungsschutz über terroristische Vereinigungen liefern kann, solange bin ich beruhigt, solange weiß ich, hier wird das bearbeitet, hier wird das bei ausländerrechtlichen Entscheidungen berücksichtigt, was wir von der Verwaltung und von der Regierung auch verlangen können. Das ist keine Theorie, über die wir hier reden, sondern wir leben in einer Zeit, in der das sehr, sehr viel wirklichkeitsnäher ist, als es mancher wahrhaben will.

(Rainer Prachtl, CDU: Das ist richtig.)

Und, meine Damen und Herren, solange der Innenminister unmittelbar zuständig ist für die Gewichtung, habe ich auch Zutrauen, dass er seine Erkenntnisse, soweit er das kann und darf, den zuständigen Ausländerbehörden übermittelt. Sie haben die Mechanik, Herr Kollege Körner, richtig geschildert. In Zukunft wird es so sein, dass eine

dem Geheimschutz überhaupt nicht verpflichtete Personenmehrheit, nämlich eine Kommission, die nicht demokratisch legitimiert ist, nämlich nicht vom Volk oder abgeleitet vom Volk gewählt ist, Entscheidungen trifft und den Innenminister auffordert, danach zu handeln. Diesen Mitgliedern der Kommission darf er seine Erkenntnisse nicht offenbaren. Und da schließt sich für mich ein Kreis.

Meine Damen und Herren, bitte berücksichtigen Sie, dass wir nicht nur in einer friedlichen Welt leben! Sie nehmen einem Innenminister mit dieser Argumentation, die Sie im Augenblick hier als sehr menschenfreundlich dargestellt haben, die letzte Möglichkeit, Schaden von der Bevölkerung unseres Landes abzuwenden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das, meine Damen und Herren, hat nichts mit der Arbeit der Mitglieder der Kommission zu tun, sondern das hat mit der Konstruktion zu tun, weil von diesen Mitgliedern dürfen Geheimnisse nicht offenbart werden, während behördlichen Mitarbeitern, die dem Geheimschutz verpflichtet sind, die Pflichten haben... Ja, Sie schütteln mit dem Kopf, schauen Sie einmal in die Gesetzesvorschriften, dann wissen Sie, dass ich hier die Wahrheit und nichts als die Wahrheit sage. Wir werden aus Verantwortungsbewusstsein diesem Antrag nicht zustimmen können. – Ich bedanke mich bei Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Timm.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Nun bin ich gespannt!)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren!

Herr Dr. Jäger, ich glaube, Sie haben Sinn und Zweck der Härtefallkommission missverstanden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Rainer Prachtl, CDU: Dann klären Sie uns mal auf!)

Davon bin ich fast überzeugt, denn wir haben sowohl in der Einrichtungsverordnung als auch im Innenausschuss in den Unterlagen sehr deutlich darauf hingewiesen, dass die Härtefallkommission heutigen Zuschnitts Empfehlungen abgibt und dezidiert nicht zum Rechtsbruch auffordert oder etwa ihn selber verübt. Wenn das so wäre,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

wenn die Härtefallkommission oder der Innenminister Rechtsbruch verüben würden, dann müssen Sie mich verklagen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Gehen Sie doch vor Gericht,

(Bernd Schubert, CDU: Ja.)

gehen Sie vor Gericht und klagen Sie das Recht ein!

(Dr. Armin Jäger, CDU: Herr Innenminister haben Sie schon einmal von einem Institut von der Klagebefugnis gehört? Sie reden Unsinn!)