Und, meine Kolleginnen und Kollegen, wir haben gerade im Landwirtschaftsausschuss bei einem Besuch in Dänemark mitbekommen, dass die Dänen im vorigen Jahr ein Gesetz über Gentechnik entwickelt haben, in dem klar gesagt worden ist, was in Dänemark im Rahmen der Gentechnik gemacht werden darf, das Chancen und Risiken klar regelt, das das Nebeneinander regelt und die Transparenz und insbesondere die Haftung so regelt, dass jeder mit dem Gesetz konstruktiv umgehen kann. Davon sind wir ganz offensichtlich meilenweit entfernt. Und ich sage Ihnen, dass unter den Voraussetzungen dieses Gesetzes die Entdeckung der Struktur der DNA durch Crick und Watson 1953 über die Entwicklung des gentechnisch hergestellten Insulins 1982 gar nicht möglich gewesen wäre.
Meine Kolleginnen und Kollegen, ich erinnere Sie, ganz allgemein gesagt, daran, dass Deutschland einmal in der Welt Spitze war in der Forschung und dass die Gründung und die Arbeit der ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, später der Max-Planck-Gesellschaft, hieran einen maßgeblichen Anteil hatte. Heute liegen wir als Folge verschlechterter politischer Rahmenbedingungen allenfalls im Mittelfeld. Das hat die deutsche Forschungsgemeinschaft festgestellt. Sie hat nämlich zum grünen Gentechnikgesetz gesagt, das Gesetz ist ein Hemmnis für Forschung und Innovation in Deutschland. Es gibt namhafte Firmen in Deutschland, die ihre Forschung längst ins Ausland verlagert haben und auch angekündigt haben, das in Zukunft weiter so zu tun. Unverdächtig ist der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, der zu bedenken gegeben hat, dass das beschlossene Gesetz zukunftsfähige Märkte ins Ausland abwandern lässt und sich somit für Pflanzenschutzunternehmen die Standortfrage in Deutschland stellt.
Ich möchte deutlich machen, dass wir uns in Deutschland nicht der Entwicklung und Anwendung der Gentechnik in der Welt entgegenstellen müssen. Wir müssen uns endlich einmal daran gewöhnen, dass wir nicht der Nabel der Welt und der Musterknabe in der Europäischen Union sein wollen. Wir wollen auch sagen, dass es wieder einmal ein Fall ist, wo nationale Standards höher liegen, als die EU es uns unverbindlich empfiehlt. Das Einzige, was wir erreichen werden, ist, dass sich Forschung und Entwicklung vom Standort Deutschland weiter entfernen werden.
Und, meine Kolleginnen und Kollegen, eine letzte persönliche Anmerkung zu den behaupteten Risiken: Die Diskussion um die Gentechnik erinnert mich in Teilbereichen an die Sorgen um die Gesundheit der Fahrgäste der ersten Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth, wo der Zug mit 40 Stundenkilometer fuhr. Da hat man sich damals
Sorgen gemacht, ob die Menschen das gesundheitlich überhaupt überstehen können. Heute fährt der Transrapid über 400 Stundenkilometer, also zehnmal so schnell, und kein Mensch regt sich mehr darüber auf.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Peters. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Frau Holznagel, Sie hatten in Ihrer Einbringungsrede den Minister noch einmal angeguckt und aufgefordert, doch Wort und Tat Einheit werden zu lassen. Der Minister hat dann festgestellt, dass er nicht nur Landwirtschaftsminister, sondern auch Verbraucherschutzminister ist. Ich habe einsam geklatscht, nicht weil ich in einem Fanclub von ihm bin oder ein Vertreter des Fanclubs,
sondern weil ich es ganz einfach gut fand, dass er sich auch als Verbraucherschutzminister hier eingestuft hat. Ich werde ihn auch stets und ständig daran erinnern.
Frau Holznagel, Sie hatten uns empfohlen, „Die Welt“ vom 10. September zu lesen. Das habe ich getan. Aber ich empfehle Ihnen im Gegenzug, den „Spiegel“ vom 13. September zu lesen, der ist vielleicht auch ganz hilfreich. Da wird eine andere Position dargestellt. Und wenn wir beide Positionen kennen, haben wir auch eine Wahlfreiheit, wofür wir uns entscheiden.
Richtig ist, das bemerkte der Minister auch, der deutsche Verbraucher ist verunsichert. Das ist verständlich, weil im Augenblick die Gesellschaft sich in zwei Gruppen teilt. Wir haben auf der einen Seite die Befürworter ohne Wenn und Aber und auf der anderen Seite die Bedenkenträger, aber auch die Extremgegner.
Nach dem Lesen Ihres Antrages, werte CDU-Fraktion, kann ich Sie vermutlich zur ersten Gruppe zählen. Das ging zum Teil auch aus den Diskussionsbeiträgen, unter anderem von Herrn Storch, hervor. So einfach sollten wir es uns natürlich nicht machen. Das Thema „Grüne Gentechnik“ ist es allemal wert, dass wir hier tiefgründig einsteigen, aber das ist leider in der Kürze der Zeit nicht möglich. Ich hätte es gern getan, bei zehn Minuten ist es nicht möglich. Aber über Ihren Antrag selbst groß zu debattieren, ich denke mal, das ist es nicht wert. Sie wollen laut Antrag eigentlich keine sachliche Auseinandersetzung mit dieser für alle Menschen so sensiblen Problematik. Sie führen das Wort „Koexistenz“ verschiedener Produktionsformen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft im Munde
und tun in Wirklichkeit alles, um Regelungen, die ein verständiges Nebeneinander von Einsatz der Gentechnik einerseits und konventionellem beziehungsweise ökologischem Landbau andererseits gewährleisten, zu verhindern. Denn Sie sprechen in Ihrem Antrag nicht nur einige Punkte an – auch aus Ihren Ausführungen habe ich das entnommen, Frau Holznagel –, Sie wollen das Gesetz grundlegend ändern und das, was längst eigentlich beschlossen ist, gar nicht mehr zur Diskussion stellen. Das wollen Sie wieder aufmachen und wollen es verändern. Und genau das, denke ich, wollen wir nicht.
Sie offenbaren Ihr Verständnis von Koexistenz in Punkt II. 3., letzter Absatz ganz unverblümt: „Gentechnikfreie Zonen sollten ausgeschlossen werden.“ Sollen denn nun gentechnikfreie Zonen per Gesetz verboten werden? Sie wollen doch nicht allen Ernstes den Bauern oder den Befürwortern dieser Zonen vorschlagen oder vorschreiben, dass sie sich freiwillig nicht mehr zusammenschließen dürfen?! Das kann doch wohl eigentlich nicht sein.
Noch deutlicher, Frau Holznagel, werden Sie in der Begründung Ihres Antrages, in der Sie die Anwendung des Verursacherprinzips im Gentechnikgesetz brandmarken.
Ich frage Sie allen Ernstes: Nach welchem Prinzip soll das denn jetzt behandelt werden? Nach welchem konkreten Prinzip?
Nach dem Der-liebe-Gott-hat-Schuld-Prinzip oder nach dem Was-geht-mich-mein-Nachbar-an-Prinzip oder wie immer? Es ist doch eigentlich schlimm genug, wenn wir hier sagen, die Haftung, das Verursacherprinzip muss geschützt werden. Es ist ja eigentlich so. Es muss geschützt werden. Warum denn eigentlich? Wir können doch nicht die schützen, die dem Nachbarn etwas aufoktroyieren und etwas, sage ich mal, möglicherweise verderben. Das kann doch eigentlich nur umgekehrt sein, also die müssen dafür haften. Das hilft alles nichts.
Eigentlich könnte man auch die Frage stellen: Wie wäre es, wenn alle GVO-Beteiligten freiwillig – nicht per Gesetz, Herr Minister –, freiwillig und nicht gesellschaftlich finanziell gespeist, freiwillig wie die Bauern bei der GVO-freien Zone auch hier freiwillig einen Haftungsfonds bilden, dort einzahlen und sich zum gegebenen Zeitpunkt, wenn sie dann betroffen sind, aus diesem Haftungsfonds bedienen?
Also die einen schützen sich durch gentechnikfreie Zonen, die anderen durch einen gemeinsamen Haftungsfonds. Nun sagen Sie, die Landwirte brauchen...
Ich sehe die rote Lampe, meine Kollegin hat mir sicher nicht ganz fünf Minuten Zeit gelassen. Ich will dann auch zum Schluss kommen.
Wir lehnen ganz einfach, Frau Kollegin Holznagel, Ihren Antrag ab, weil wir Regierungshandeln sehen, weil wir das Gentechnikgesetz wollen und es auch nicht wieder auf
machen wollen. Ansonsten fangen wir von vorne an und es gibt überhaupt keine rechtliche Regelung. Und noch eins: Die Dänen haben es uns vorgemacht mit einem Gesetz, aber jeder liest das Gesetz aus seiner subjektiven Sicht. Und eine absolute Wahrheit in Fragen der Gentechnik, lieber Herr Kollege Storch, gibt es augenblicklich nicht. Auch nach 50 Jahren als Wimpernschlag in der Menschheitsgeschichte kann man nicht sagen, dass es hier eine absolute Wahrheit gibt. Es sind Sichtweisen oder Standpunkte. Und der Herr Minister hat Recht, wenn er sagt, die Praxis wird es zeigen. – Danke schön.
Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der PDS die Abgeordnete Frau Wien. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Warum versichert denn niemand diese ganze Geschichte trotz all der wissenschaftlichen Erkenntnisse?
Spätestens an der Stelle müssten uns doch alle Lichter oder alle Warnlampen dieser Welt angehen. Wenn ich Ihre Forderung, Frau Holznagel, herunterbreche, würde das für mich letztendlich heißen, dass die CDU möchte, dass der Ökobauer – der Extremfall des Antigentechnikers – in den Haftungsfonds einzahlt dafür, dass andere ihn schädigen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Das wäre die Logik. – Karsten Neumann, PDS: Genau. – Zuruf von Renate Holznagel, CDU)
Wenn ich mir jetzt den Vorschlag von Frau Peters anhöre, so klingt das sehr vernünftig. Ich habe hier jetzt eine ganze Menge von der Seite der CDU über die Koexistenz, über das Märchen von der Koexistenz gehört. Es war zwar nicht sehr märchenhaft sprachlich aufbereitet, aber es war immer wieder dieses Märchen hier im Spiel. Wie wollen Sie das praktizieren? Wenn ich nicht wüsste, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass Sie schon mit auf dem Acker waren, dass Sie auch teilweise praktizierende Landwirte sind, dann würde ich denken, Sie waren noch niemals in der Natur. Wie wollen Sie bitte schön ausschließen, dass Pollen und Samen zum Beispiel über Bienen, über Insekten, über Vogelflug, über Wagenräder, über Kompost und so weiter, und so weiter sich vermischen? Wie wollen Sie das bitte schön verhindern?
Wollen Sie jetzt die Landwirtschaft ausschließlich unter Glas setzen, damit die Vermischung hier ausgeschlossen ist? Es ist Ihnen doch bekannt, dass in Kanada ganze Landstriche schon keine ökologische Produktion von Raps mehr haben, weil das nebeneinander so nicht geht, weil man da so große Abstandsflächen braucht, die...