Protocol of the Session on September 15, 2004

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ja, meine Damen und Herren, Populisten haben im Landtag nichts verloren.

(Angelika Gramkow, PDS: Dann sollten Sie abtreten!)

Jetzt, meine Damen und Herren, muss Hartz IV unbürokratisch umgesetzt werden. Hier finden Sie, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, einen Mitstreiter, den Sie lange ignoriert haben. Wenn Sie, Herr Dr. Backhaus, allerdings sagen, hier sind alle in der Pflicht, ist der Fingerzeig auf die Opposition wohl sicher einer kurzweiligen Orientierungsschwäche und mangelndem Zeitempfinden geschuldet.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Eckhardt Rehberg, CDU – Minister Dr. Till Backhaus: Vollkommen verkehrt!)

Wie Ihnen bekannt sein muss, haben wir dem Ministerpräsidenten dieses Landes bereits am 26. Juli 2004 eine Sondersitzung zu diesem Thema empfohlen, zu einer Zeit, als einige Ihrer Ministerkollegen und Mitstreiter Ihrer Koalition allerhöchstens halbtags arbeiteten, vormittags regierten und nachmittags gegen sie demonstrierten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Renz, CDU: Jawohl.)

Meine Damen und Herren, das SGB II lässt dem Land wenig Spielraum. Doch damit unsere Landkreise und kreisfreien Städte bei der Umsetzung von Hartz IV Rechtssicherheit erhalten, müssen wir hier die rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Weichen stellen. Die groben materiell-rechtlichen Aspekte scheinen durch die vom zuständigen Arbeitsministerium vorgelegte Formulierungshilfe zum Entwurf eines Landesausführungsgesetzes als geklärt. Doch die Tücken liegen wie so oft im Detail. Die notwendigen detaillierten Schritte für die Kompetenzordnung zwischen Kommunen und den Agenturen für Arbeit lassen gerade auf örtlicher Ebene noch viele Fragen offen. Lassen Sie uns bitte diese alle gemeinsam auf Landesebene in sachlichen Gesprächen diskutieren, konkrete Punkte ansprechen und auch Antworten finden, damit die Mitarbeiter, die künftig jene Hilfeempfänger vor Ort zu betreuen haben, mit ihren Fragen nicht alleine stehen.

Von kommunaler Seite stehen natürlich Fragen zur Finanzzuweisung durch das Land im Vordergrund. Wie kommt welches Geld in welcher Höhe und auch wann bei den Kommunen denn nun eigentlich an? Die Weiterleitung der Bundesmittel muss daher von den Experten im Rahmen der öffentlichen Anhörung übermorgen durchleuchtet werden.

Ein weiterer Fragenkomplex ergibt sich immer dann, wenn man mit Mitarbeitern der künftigen Arbeitsgemeinschaften ins Gespräch kommt. Immer wieder werden die Kompetenzen innerhalb der AGES hinterfragt. Wer besetzt wie welche Stellen und ist mein Job dort auch sicher? Auch dort existierende Ängste müssen durch uns abgebaut werden. Und immer häufiger werde ich auf die Arbeitsgelegenheiten angesprochen, auf der einen Seite natürlich von Hilfebedürftigen, von solchen, die dank der PDS-Aufklärungskampagne nun gar nichts mehr davon halten und schlimmstenfalls noch vergessen, ihre Anträge auf Arbeitslosengeld II ausgefüllt zurückzugeben,

(Gabriele Schulz, PDS: Sie müssen es ja wissen. – Zurufe von einzelnen Abgeordneten der PDS)

und Gefahr laufen, am 1. Januar 2005 keine Bezüge zu erhalten,

(Gabriele Schulz, PDS: Das gibt’s doch wohl nicht!)

aber auch von denen,

(Angelika Gramkow, PDS: Die werden sich wundern, wie viel Anträge sie bekommen.)

die sich von zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten einen Neuanfang versprechen.

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS)

Aber natürlich hat auch unsere gewerbliche Wirtschaft ihre Fragen zum Thema Arbeitsgelegenheiten. Grundsätzlich schwingt dort die Sorge mit, ob hier eine Wettbewerbsverzerrung entstehen könnte, was selbstverständlich nicht der Fall sein darf. Die Ängste und Sorgen gilt es zu entschärfen. Hier muss Klarheit her und Zukunftsangst abgebaut werden. Was die Zusammenarbeit von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe organisatorisch, personell und finanziell bedeutet, ist für die Kommunen, die die Reformen in ihrer täglichen Arbeit umsetzen sollen, noch längst nicht abzusehen. So ist es auch unvorstellbar, dass die vom Bundesarbeitsminister Clement zu liefernden Bundesverordnungen immer noch nicht auf dem Tisch liegen.

Ein wesentlicher Aspekt des Ausführungsgesetzes ist die finanzielle Aufrechnung. Damit unsere Kommunen auch wirklich entlastet werden, dürfen die Zahlen nicht unkommentiert übernommen werden. Heute weiß niemand, welche Entlastungen eintreten werden und ob überhaupt. Auch die Forschungsinstitute waren sich in der letzten Woche überhaupt nicht einig. Am Mittwoch berichtete das IFW von 1 Milliarde Euro Entlastung der Staatsausgaben. Doch das Lächeln der Herren Clement und Eichel versagte rasch, denn schon einen Tag später vermeldete das IAB, dass zu Jahresbeginn mit 250.000 mehr Arbeitslosengeld-II-Beziehern zu rechnen sei.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Meine Damen und Herren, ich sehe die Landesregierung in der Pflicht, die Landkreise und kreisfreien Städte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, insbesondere bei der Bildung der Arbeitsgemeinschaften, zu unterstützen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, wollte ich Sie um Selbiges bitten bezüglich des Landkreises Ostvorpommern, der seine eigenständige Aufgabenrealisierung durchziehen wollte. Doch seit gestern wissen wir, dass die Landesregierung alles unternommen hat, diese mutige Entscheidung der Kommunalpolitiker vor Ort zu hintertreiben. Nach dem Nein aus der Landesregierung...

(Wolfgang Riemann, CDU: Ein Skandal ist das! So wird die kommunale Selbstverwaltung getreten! – Zuruf von Birgit Schwebs, PDS)

Ja, man muss Herrn Riemann wirklich den Raum geben, das deutlich zu sagen, weil er direkt mit betroffen ist. Nach dem Nein aus der Landesregierung zur Option wird in meinen Augen eine Chance vertan, auch in Mecklenburg-Vorpommern neue Wege in der Förderung hilfebedürftiger Menschen zu gehen.

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Glocke der Vizepräsidentin)

Es ist geradezu feige, dass der Innenminister nicht Manns genug ist, diese Entscheidung selbst zu treffen, sondern sie sich vom Kabinett bestätigen ließ.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Es bleibt die Frage, ob die Landesregierung hiermit ihre Kompetenzen nach dem Bundesgesetz nicht überschritten hat.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Und, meine Damen und Herren, es ist geradezu skandalös, am gestrigen Tage mit dieser Entscheidung an die Presse zu gehen und erst heute den Bescheid an den Landkreis zu überstellen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: So ist es, so ist es. Das ist die Arbeit der Landesregierung.)

Soweit meine Informationen reichen, ist zur Klärung des Sachverhaltes aber bereits ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Landrätin Ostvorpommerns hat auch einen eigenen Boten nach Berlin gesandt, um dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit den Antrag auf Option zu überbringen.

Meine Damen und Herren, wieder einmal sieht man, Mut wird in Mecklenburg-Vorpommern bestraft. Und diese Entscheidung sehe ich als eklatanten Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Peter Ritter, PDS: Wenn schon, dann ist Hartz IV der Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.)

Wenn es Sie nicht interessiert, dann gehen Sie doch raus, Herr Ritter!

Außerdem, meine Damen und Herren, wenn ich die einzelnen Punkte der Begründung des Innenministeriums auf die zu bildenden Arbeitsgemeinschaften übertrage, stellt sich zwangsläufig für uns die Frage nach dem Gelingen und der Arbeitsfähigkeit dieser neuen Einrichtungen.

Kurzum, ich erwarte – und ich hoffe, den Kollegen der anderen Fraktionen geht es ebenso – für Freitag eine spannende und aufschlussreiche Anhörung kompetenter Partner. Wir stimmen der Überweisung selbstverständlich zu,

(Torsten Koplin, PDS: Das wird spannend.)

beantragen aber zugleich, den Wirtschaftsausschuss mitberatend einzubeziehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Frau Strenz.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Mohr von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich komme an dieser Stelle natürlich nicht umhin, etwas zu der so genannten Hartz-IVGesetzgebung zu sagen, denn ohne das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt hätten wir heute sicherlich nicht diese Debatte. Also werde ich meine Ausführungen in zwei Bereichen machen, in einem, der sich direkt mit dem Landesausführungsgesetz beschäftigt, und in einem, der sich mit dem zugrundeliegenden Bundesgesetz auseinander setzt.

Meine Damen und Herren, um kaum ein anderes innenpolitisches Thema hat es eine so heftige, hitzige und zum Teil übertriebene und polemische Diskussion gegeben, wie um das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen

am Arbeitsmarkt. Dass das nicht ohne solche Debatten seinen Weg gehen würde, war klar, musste jedem klar sein, vor allem auch uns in der SPD.

Die Diskussion um die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II hat ja nicht erst mit der Rede des Bundeskanzlers vom 13. März vergangenen Jahres begonnen. Die so genannte Hartz-Kommission legte im Jahr 2002 ein neues umfassendes Konzept für die Arbeitsmarktpolitik vor. Dabei war die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II ein wesentlicher Bestandteil des Konzeptes. Je weiter das Gesetzgebungsverfahren voranschritt, je konkreter für jedermann die Ausgestaltung wurde, umso heftiger wurde die öffentliche Debatte. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Frage, wie neue Arbeitsplätze entstehen können, ist nach wie vor das beherrschende Thema im Land. Eine Reihe von Umfragen zeigt dieses auch ganz deutlich.

Bei der Frage der Zusammenlegung von Arbeitslosenund Sozialhilfe sind die Meinungen nach wie vor geteilt. Nach einer aktuellen Umfrage der Forschungsgruppe „Wahlen“ von Ende August, halten sich Befürworter und Gegner hierbei die Waage. Die Einschätzungen gehen jedoch in Ost- und Westdeutschland deutlich auseinander. Während im Westen 49 Prozent die Zusammenlegung für richtig halten, meinen im Osten nur 35 Prozent, die Zusammenlegung zum Arbeitslosengeld II sei richtig.

Interessant ist jedoch die Entwicklung, die sich bei der Akzeptanz der Reformmaßnahmen der Bundesregierung zeigen. Die Akzeptanz ist nämlich in den zurückliegenden Monaten deutlich gestiegen. Während Ende August 46 Prozent der Befragten die Reform für richtig hielten, waren dies im Februar dieses Jahres nur 35 Prozent.

(Zuruf von Karsten Neumann, PDS)

Dies zeigt eines: Die intensive öffentliche Debatte hat auch einen aufklärenden Faktor. Es werden immer mehr sachliche Informationen bekannt. Die Menschen bekommen Informationen und nicht nur Polemiken von der jeweils interessierten politischen Seite.