Protocol of the Session on September 15, 2004

Danke schön, Herr Renz.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 4/1307 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss, an den Wirtschaftsausschuss, an den Landwirtschaftsausschuss, an den Umweltausschuss, an den Tourismusausschuss sowie an den Sonderausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Überweisungsvorschlag einstimmig angenommen.

Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird fortgesetzt um 13.50 Uhr.

Unterbrechung: 12.48 Uhr

(Die Dauer der Unterbrechung wird zwischenzeitlich verlängert.)

Wiederbeginn: 13.59 Uhr

Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 4: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der PDS und SPD – Entwurf eines Gesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 4/1313.

Gesetzentwurf der Fraktionen der PDS und SPD: Entwurf eines Gesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Landesausführungsgesetz SGB II – AG-SGB II) (Erste Lesung) – Drucksache 4/1313 –

Das Wort zur Einbringung hat die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion der PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wellen schlagen hoch, und zwar im ganzen Land. Tausende gehen Montag für Montag auf die Straße. Sie haben Angst um ihre Existenz, befürchten, dass sie Hartz IV endgültig ins soziale Aus abschiebt.

Kein Thema hat die Menschen seit der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung versetzt wie dieses Thema,

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

das den vorliegenden Gesetzentwurf notwendig gemacht hat, die Umsetzung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, kurz Hartz IV genannt. Klartext: Dass Hartz IV die Menschen so sehr beschäftigt, hat in erster Linie damit zu tun, dass die Umsetzung dieses Bundesgesetzes vielfältige gravierende Auswirkungen haben wird, vor allem auf die betroffenen Arbeitssuchenden in Mecklenburg-Vorpommern, circa 150.000 Menschen mit ihren Familien.

Für jeden einzelnen Arbeitslosenhilfeempfänger jetzt und für alle künftigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger hat dies ganz konkrete Auswirkungen. In unserer Koalitionsvereinbarung haben wir uns für eine Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, aber nicht auf Sozialhilfeniveau bekannt. Betroffen sind auch die Kommunen, die finanziell durch Hartz IV entlastet werden sollen. Sie sind ab dem 1. Januar 2005 für alle Arbeitslosengeld-II-Bezieher und -Bezieherinnen Träger der Leistungen für Unterkunft und Heizung, Einmalleistungen oder Mehrbedarfe sowie für die Kinderbetreuung, die häusliche Pflege, die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung und die Suchtberatung.

Die Sozialämter sind unabhängig davon weiterhin notwendig für die Bedürftigen, die nicht mit einem Arbeitslosengeld-II-Bezieher in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Auswirkungen sollen und wird die Umsetzung des Bundesgesetzes natürlich auch auf die Bundesagentur für Arbeit haben. Für eine bessere Vermittlung sind mehr Beraterinnen und Berater notwendig. Das Bundesgesetz sieht dafür einen neuen Fallmanagerschlüssel vor.

Gleichzeitig soll die Bundesagentur für Arbeit ab 1. Januar 2005 mit bundesweit bis zu 69 optierenden Kommunen in einen Wettbewerb um die beste Vermittlung der Langzeitarbeitslosen treten, also einen Wettbewerb um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Weiterhin bleibt sie jedoch zuständig für die anderen Arbeitssuchenden, ob Bezieher von Leistungen der Bundesagentur oder nicht, auch dort, wo eine Kommune sechs Jahre lang von der Experimentier- oder Optionsklausel Gebrauch machen will, und deshalb die Vermittlung der Landzeitarbeitslosen übernimmt.

Ich zitiere aus dem Gesetz: Zur einheitlichen Wahrung ihrer Aufgaben errichten die Träger der Leistungen nach diesem Buch „durch privatrechtliche oder öffentlichrechtliche Verträge Arbeitsgemeinschaften in den nach § 9 Abs. 1a SGB III eingerichteten Job-Centern.“ Es gibt sicherlich kompliziertere Stellen in diesem Gesetz, aber mit dieser Passage wird deutlich, wie kompliziert das Ganze angelegt ist, was die Umsetzung nicht gerade erleichtern wird.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Was bedeutet es und welche Konsequenzen hat es, Arbeitsgemeinschaften in den Job-Centern zu errichten, juristisch, arbeitsrechtlich, finanziell und organisatorisch?

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Betroffen von diesen Gesetzen ist auch die Wirtschaft. Das ist gewollt, denn Arbeitsplätze sind notwendig und sollen durch die im Bund gesetzten Rahmenbedingungen

entstehen. So genannte Anreize sollen das Einstiegsgeld bei Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit und die Freibeträge bei Erwerbstätigkeit bieten. Und dann sind da noch die viel diskutierten Arbeitsgelegenheiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Darlegung ist nur ein Auszug aus der gesamten Problematik. Es sollte aber allen deutlich geworden sein, wie gravierend und komplex die Auswirkungen sein werden, und ich, wir, die PDS, fühlen uns verpflichtet, die Interessen der Betroffenen zu sehen.

(Beifall Andreas Bluhm, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

Natürlich hat das alles auch Auswirkungen auf jedes Bundesland. Die Bundesländer sind zum Beispiel formal nicht mehr am Aufkommen für das Wohngeld beteiligt, haben sich aber verpflichtet, ihren bisherigen Anteil an die Kommunen weiterzuleiten. Und da der Bund kein direktes Durchleitungsrecht für die Finanzen an die Kommunen hat, fließen auch die Bundesmittel über das Land an die Landkreise und kreisfreien Städte.

Gleichzeitig hat das Land die Aufsicht über die Kommune und ist in diesem Sinne gefragt, seiner Verantwortung nachzukommen. Nachkommen müssen und wollen wir auch unserer Verantwortung gegenüber den betroffenen Erwerbslosen. Deshalb haben die beteiligten Ministerien und die Koalitionsfraktionen in den zurückliegenden Wochen an diesem Gesetzentwurf gearbeitet. Dieser liegt Ihnen nun vor.

Mit diesem Gesetz wollen wir den Kommunen die notwendige rechtliche Grundlage geben, damit die Anspruchsberechtigten pünktlich im neuen Jahr ihre Leistungen erhalten. Die kurze Zeit von der Beschlussfassung auf Bundesebene bis zur Vorlage und die dann bald mögliche Verabschiedung auf Landesebene stellen wohl ein Novum dar. Mecklenburg-Vorpommern wäre eines der ersten Bundesländer, wenn nicht das erste, das seiner Verantwortung nachkommt, im Interesse der Betroffenen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die unterschiedliche Bewertung bleibt dabei unberührt. Umso wichtiger ist, dass wir in das Gesetz einen Passus aufnehmen konnten, der das Land auch weiterhin verpflichtet, im Interesse der Langzeitarbeitslosen und mit Hilfe des Europäischen Sozialfonds Beschäftigung schaffende Maßnahmen zu fördern. Der Minister für die Koordinierung der Umsetzung im Land wird zum Gesetz noch detaillierte Ausführungen machen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke, Frau Lück.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Strenz von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Minister Holter, ich möchte Ihre sichtbare Freude über den jetzigen Zeitplan zum Gesetzgebungsverfahren nicht nachhaltig dämpfen. Das betrifft auch Frau Lück, denn es gibt noch ein anderes Beispiel, das ich hier anbringen möchte.

In Hessen lag bereits im Juni dieses Jahres der Entwurf eines Ausführungsgesetzes auf dem Tisch und im Juli startete die hessische Landesregierung eine Verbandsanhörung. Niemand wäre dort auf die Idee gekommen,

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

dem hessischen Parlament eine Erste und Zweite Lesung innerhalb einer Woche anzubieten und zuzumuten, denn ein geordnetes Gesetzgebungsverfahren hat absolute Priorität

(Beifall Eckhardt Rehberg, CDU)

und das gilt auch für Mecklenburg-Vorpommern.

Die Abhandlung einer so komplexen Materie – da sind wir uns sicherlich einig –, die zudem die Schwächsten der Gesellschaft direkt betrifft, bedarf Zeit, Verstand, intensivster Beratung und mehr als die von Ihnen ursprünglich mal angedachten und von uns zu Recht kritisierten 24 Stunden.

Meine Damen und Herren, die Reform im Bereich der beiden steuerfinanzierten Fürsorgesysteme Arbeitslosenund Sozialhilfe ist ein wichtiger Eckpfeiler der Neuordnung und vor allem Zukunftssicherung des deutschen Sozialsystems. Hartz IV, die Etablierung des SGB II mit der Schaffung der Grundsicherung für Arbeitssuchende, ist grundsätzlich ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Die Union in Berlin und auch die CDU-Fraktion hier im Landtag haben schon seit langem gefordert, die beiden aus Steuern finanzierten Hilfesysteme, die Sozialhilfe und die Arbeitslosenhilfe, zu einem System zusammenzulegen und erstens aus einer Hand zu finanzieren und zweitens die Hilfe zu konzentrieren. Der zentrale Gedanke bleibt, fördern und fordern, denn mit Fordern allein kommt man weder in den neuen Bundesländern noch in den Regionen der alten Länder mit durchschnittlicher Arbeitslosigkeit voran. Gerade hier muss der Aspekt des Förderns auch in den Vordergrund treten.

(Torsten Koplin, PDS: Das haben wir auch schon woanders gehört.)

Aber wie, tönt es dann, und genau wie jetzt meist aus den Reihen ganz links. Die Antwort ist relativ simpel, einleuchtend und vernünftig, indem Sie, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, die Sie ja alle gemeinsam in Regierungsverantwortung stehen, vor dem Verteilen grundsätzlich erstens an das Erwirtschaften denken und insbesondere Innovation und Ansiedlung von Klein- und Großprojekten bejahen und befördern würden, statt selbige mit einem Handzeichen im Plenum, wie seit Jahren praktiziert, zu verhindern

(Peter Ritter, PDS: Ha, ha, ha! – Angelika Gramkow, PDS: Das ist doch Unsinn! – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

und zudem noch den Ruf und das Image des Landes und den ihres Koalitionspartners SPD auf Dauer zu ruinieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)