Protocol of the Session on September 15, 2004

nehmen und die Kammern eine neue Qualität von Zusammenarbeit entwickeln. Das zeigt auch, dass sie ein Netzwerk zur Information über unbesetzte Lehrstellen gründen, die auch in Branchen deutschlandweit Ausgleiche suchen. Das halte ich für einen wirklich qualitativen Sprung. Die Partner des Paktes appellieren aber auch an die Länder, an die Gemeinden und an die weiteren Akteure vor Ort, meine Damen und Herren, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen, und zwar auch in Kommunen und in der Landesregierung. Ich weiß, da wird schon viel getan. Ich fordere aber auch die Landesregierung genauso wie Verbände und Kirchen auf, noch einmal zu überprüfen, ob dort nicht mehr getan werden kann! Das ist sehr wichtig.

Meine Damen und Herren, die allgemein bildenden Schulen haben bei diesem Pakt auch eine wichtige Bedeutung. Sie müssen das Thema Vernetzung zwischen allgemein bildender Schule und Arbeits- und Berufswelt besser bearbeiten. Das Thema Berufsreife oder Vorbereitung auf das Thema Arbeits- und Berufswelt kommt für mich in dem Bereich einfach zu kurz.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Wir müssen mehr tun, damit sich die jungen Leute besser auf ein berufliches Leben einstellen können. Ich weiß, es ist keine grundsätzliche Aufgabe der Schulen,

(Heike Polzin, SPD: Doch!)

aber in diesem Vernetzungsbereich haben wir eine Mitverantwortung. Wir müssen die Projekte „Wirtschaft und Schule“ weiterentwickeln, damit auch junge Menschen sehen können, das Berufsleben ist anders aufgestellt als die schulische Ausbildung.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Meine Damen und Herren, die Partner des Paktes appellieren auch an die Tarifpartner – die sitzen ja dahinten in den Zuschauerräumen –, wir wollen als Politiker gar nichts zur Tarifautonomie sagen, wir appellieren nur an die Tarifpartner, auch innerhalb der Tarifverhandlungen die Rahmenbedingungen für Ausbildung zu verbessern! Das halte ich für einen ganz wichtigen Beitrag! Ich würde mich freuen, meine Herren, wenn Sie da auch etwas machen können. Wichtig ist für uns das Thema „Ausbildung geht vor Übernahme“.

Meine Damen und Herren, ich möchte nur noch eins sagen – ich sehe hier schon die rote Lampe brennen, sie droht schon –:

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU)

Es ist wichtig, dass wir dem Ausbildungspakt eine Chance geben für drei Jahre und andere Maßnahmen wie die Ausbildungsplatzabgabe eindeutig zurückstellen. Wir können in drei Jahren diskutieren. Bis dahin bitte ich Sie aber, insbesondere Frau Gramkow: Geben Sie dem Ausbildungspakt eine Chance!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Leider nicht.)

Vielen Dank, Herr Petters.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete der PDS-Fraktion Frau Dr. Bunge.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Die Debatte „Aus

bildungsplatzsituation in Mecklenburg-Vorpommern – Gesamtgesellschaftliche Verantwortung“ ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwierig, aber zugleich herausfordernd. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich – meine Vorredner haben das an einzelnen Zahlen dargelegt – eine Zwischenbilanz ziehen. Die Zwischenbilanz zeigt, die Unternehmerschaft Mecklenburg-Vorpommern, Gewerkschaft und Politik stellen sich engagiert der Aufgabe, jeder und jedem einen Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Diese Aufgabe ist eine Herausforderung, und zwar eine Herausforderung angesichts der sehr hohen Schulabgängerzahlen im bundesdeutschen Vergleich bei der geringen Wirtschaftskraft unseres Landes. Deshalb kann ich mich insbesondere dem Dank der Unternehmerschaft über das überdurchschnittliche Ausbildungsengagement nur uneingeschränkt anschließen.

(Beifall Ute Schildt, SPD, und Torsten Koplin, PDS)

Bei der Streitfrage, ob der nationale Ausbildungspakt gelingt oder gescheitert ist, zählt für mich zunächst ein Fakt: Im Moment, im August, wird in Mecklenburg-Vorpommern in etwa das Ausbildungsplatzangebot des Vorjahres erreicht. Eine spürbare Verbesserung der Lehrstellenproblematik, vor allem der betrieblichen, ist wünschenswert, aber kaum noch erreichbar. Ähnlich wie im Vorjahr werden ESF-, Bundes- und Landesmittel wieder mit zig Millionen Euro über Bundessonder- und Landesergänzungsprogramme eingreifen müssen, um ausreichend Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Bei der jetzigen Gemengelage ist es gut, dass die Mittel in Höhe von über 47 beziehungsweise 50 Millionen Euro in 2004 beziehungsweise 2005 im Haushalt eingestellt sind. Aber das versteht die PDS nicht unter gesamtgesellschaftlicher Verantwortung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Zu Recht appelliert der jüngste und gestern veröffentlichte OECD-Bericht an Deutschland, Geld für Bildung dort, wo es am dringendsten nötig ist, nämlich im Frühstadium von Bildung einzusetzen. Berufsbildung ist für die Wirtschaft überlebensnotwendig. Folglich muss die Wirtschaft einen größeren finanziellen Beitrag leisten als bisher.

(Beifall Andreas Bluhm, PDS, und Angelika Gramkow, PDS)

Sie alle wissen, was sich dahinter verbirgt. Die Ausbildungsplatzumlage beträfe nicht oder kaum ein Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern, sondern die, die von der Ausbildung hier profitieren, die, wohin die frisch und gut Ausgebildeten aus Mecklenburg-Vorpommern abwandern. Und unsere Unternehmen, die Ausbildung unter großer Kraftanstrengung bewerkstelligen, bekämen eine finanzielle Unterstützung. Außerdem könnten über die Ausbildungsplatzabgabe gezielt Ausbildungsplätze in Entwicklungsbranchen finanziert werden, wo zumeist den kleinen High-Tech-Unternehmen die Kraft fehlt, selbst auszubilden.

Ich kann deshalb nach wie vor nicht nachvollziehen, dass die Unternehmensvertretungen von MecklenburgVorpommern in den Chor vom Schreckgespenst „Bürokratiemonster Ausbildungsplatzumlage“ einstimmen und damit letztlich ihren Mitgliedsunternehmen eine gerechte Verteilung der Ausbildungsbelastung versagen.

Die gesamtgesellschaftliche Verantwortung liegt nicht nur darin, jedem einen Ausbildungsplatz zu sichern, sondern auch Ausbildungsplätze in einer bedarfsgerechten

und zukunftsfähigen Struktur bereitzustellen. Und da sehe ich im jetzigen Herangehen Grenzen. Ein Beleg – alle kennen die Krise – ist der Rückgang im Baugewerbe. Dort gibt es offene Ausbildungsstellen. Ich denke, das ist eine gesunde Zurückhaltung der Schulabgänger in diesem Bereich. Aber wir werden dorthin vermitteln müssen, obwohl die SÖSTRA-Studie Entwicklungsbranchen und Entwicklungspotentiale benennt, dort aber nicht genügend Kraft für die Ausbildung vorhanden ist. Hier eine Umkehr zu erreichen wird umso wichtiger werden, weil wir bereits ab kommendem Jahr drastisch reduzierte Schulabgängerzahlen zu verzeichnen haben.

Zur Sicherung einer zukunftsfähigen Ausbildung gehört natürlich auch, leistungsfähige Berufsschulen zu etablieren. Der Strukturwandel hin zu regionalen Bildungszentren ist daher so schnell wie möglich, das ist unsere Forderung, abzuschließen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Regine Lück, PDS)

Das entstehende neue Berufsbildungsgesetz des Bundes braucht eine effektive Umsetzungsbasis. Die Zukunftschancen jedes Schulabgängers, die Zukunft unseres Landes verlangt, dass hier jeder seine Hausaufgaben macht. Ja, in dem Sinne ist Ausbildung gesamtgesellschaftliche Verantwortung. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Bunge.

Ums Wort gebeten hat jetzt der Geburtstagsminister, Entschuldigung, der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Eine Saalrunde bitte!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir stehen vor einem ernsten Problem. Die Jugendlichen in unserem Land brauchen eine berufliche Perspektive. Das ist unser Ziel und diesem Ziel müssen wir uns widmen. Wir müssen uns dafür anstrengen, um es zu erreichen. Ich füge aber auch hinzu, die Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern braucht gut ausgebildete Fachkräfte.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wenn sich dann Landkreise anstrengen wollen, dann wird das von der Landesregierung untersagt. – Zurufe von der SPD: Oh! – Reinhard Dankert, SPD: Ach, Herr Riemann!)

Auch das ist wichtig. Auch das ist wichtig und unsere Wirtschaft weiß das auch. Wir müssen alles dafür tun, damit wir jungen Menschen eine qualifizierte Berufsausbildung bieten können. Und deshalb ist es gut, dass sich die Bundesregierung und die Wirtschaft im Juni auf den nationalen Ausbildungspakt geeinigt haben. Mit dem Ausbildungspakt hat sich die Wirtschaft das Ziel gesetzt, zusätzliche Ausbildungsplätze bereitzustellen. Ich hoffe, dass dieses Ziel erreicht wird und die Ausbildungsplatzumlage vom Tisch ist. Was ich allerdings nicht verstehe, ist, wie man jetzt schon den Ausbildungspakt als gescheitert erklären kann, denn das erfordert besondere prognostische Fähigkeiten, die normalerweise menschliche Möglichkeiten übersteigen.

(Zuruf aus der SPD: Es gibt eben Ausnahmen.)

Aber gefragt sind nicht nur die Bundesregierung mit dem Ausbildungspakt und die Wirtschaft, auch das Land Mecklenburg-Vorpommern tut etwas, damit Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhalten. Jedem Jugendlichen, der will und kann, machen wir deshalb auch in diesem Jahr wieder ein Ausbildungsplatzangebot. Wir haben die Jugendlichen, die noch keine Lehrstelle gefunden haben, zu einem Kompetenzcheck eingeladen. Ich habe mich gewundert, dass es dagegen Widerstände gab. Ich habe mich deshalb gewundert, weil es doch unser aller Ziel sein muss, die Kompetenz eines Jugendlichen festzustellen, damit er die richtige Lehrstelle findet und damit wir diese Abbrecherquoten, die wir jetzt haben, in Zukunft vermeiden können. Ich habe mich auch gewundert, dass der Widerstand offensichtlich mit der Befürchtung verbunden war, es könnten dann weniger Lehrstellenbewerber in der Statistik auftauchen als vorher. Man kann sich ja nicht um die Realität rumdrücken.

Wir haben natürlich auf diese Art auch festgestellt, wer tatsächlich noch als Bewerber dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung steht und wer noch eine Ausbildungsstelle sucht. Wir leben ja sonst mit Statistiken, die fortgeschrieben sind. Da meldet sich jemand irgendwann einmal an und dann hat er sich für etwas anderes entschieden, meldet sich aber nicht ab. Das heißt, die Zahlen, mit denen wir es tun haben, und die sind immer vom Juli, August bis in den September hinein, sind überhöht. Die geben die Realität nicht richtig wieder und das stellen wir dann Ende September immer wieder fest. Man kann aber keine Realitätsverweigerung betreiben, wenn man ernsthafte Politik machen will. Deshalb war auch die Feststellung notwendig, wer von den Jugendlichen will denn jetzt eigentlich noch einen Ausbildungsplatz. Und das haben wir herausgefunden. Wir haben erstens herausgefunden, ob jemand überhaupt noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist, und zweitens, ob er für einen bestimmten Beruf geeignet ist. Die Kompetenz wurde festgestellt, denn er muss ja schließlich für diesen Beruf Fähigkeiten mitbringen. Und es wäre schade, wenn er den falschen Beruf ergreift, der nicht seinen Fähigkeiten entspricht.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Der Kompetenzcheck hilft also dabei, die richtigen Jugendlichen mit dem richtigen Ausbildungsplatz zusammenzubringen. Damit ist dieser Test, in dessen Mittelpunkt dann ein Beratungsgespräch auch steht, eine wichtige Hilfe zur beruflichen Orientierung für die Jugendlichen. Das ist ein wichtiger Aspekt, denn bisher haben wir in Mecklenburg-Vorpommern viel zu hohe Abbrecherquoten in den Ausbildungsberufen. Das darf nicht so weitergehen! Auch da soll der Kompetenzcheck eine Verbesserung bringen.

Wenn man sich nun die bisherigen Ergebnisse des Kompetenzchecks ansieht, dann gibt es zwei wichtige Ergebnisse:

Das eine Ergebnis ist, dass ein Drittel der angeschriebenen Jugendlichen nicht zum Kompetenzcheck erschienen ist. Das heißt, diese Jugendlichen haben sich offensichtlich überwiegend anders entschieden.

Und das zweite Ergebnis ist, dass zwei Drittel der Jugendlichen teilgenommen haben und diese Jugendlichen bei dem Test erfreuliche Ergebnisse erzielt haben. Das war für manchen überraschend, der immer die Klagen

hört, dass unsere Jugendlichen zu wenig können, zu wenig wissen und zu wenig für eine berufliche Ausbildung mitbringen. Diese jungen Menschen haben sich engagiert, sie sind zu dem Test gekommen und sie haben so ihr starkes Interesse an einer Ausbildung gezeigt. Für diese jungen Leute müssen wir etwas tun! Diese Jugendlichen haben gezeigt, dass sie eine Ausbildung machen wollen, und sie haben gezeigt, dass sie die Fähigkeiten dazu haben. Ich bitte die Wirtschaft, diesen Jugendlichen eine Chance zu geben, sie haben diese Chance verdient!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich weiß, dass das für die Wirtschaft nicht leicht sein wird. Unsere Wirtschaft – Frau Schildt hat schon darauf hingewiesen – nimmt einen Spitzenplatz in Deutschland ein, was die Ausbildungsleistung betrifft. Dafür darf man unserer Wirtschaft auch einmal ein Dankeschön sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich weiß, dass es schwierig ist, wenn man schon Spitze ist, sich dann noch weiter zu steigern. Ich denke aber, man sollte sich trotzdem noch bemühen. Jeder Ausbildungsplatz, der zusätzlich von der Wirtschaft bereitgestellt werden kann, hilft einem Jugendlichen, eine berufliche Perspektive fürs Leben zu finden.

Meine Damen und Herren, die Ausbildungsplatzsituation in unserem Land ist ein wichtiges Thema. Ich denke, es ist richtig, dass dieses Thema im Landtag behandelt wird. Meiner Meinung nach ist es richtig, dass es jetzt behandelt wird. Wir haben zwar ein Problem, denn die Zahlen, die wir jetzt haben, die schwimmen noch etwas. Die amtlichen Statistiken sind noch nicht so aussagefähig. Aber jetzt im September ist noch Zeit, einen Appell an alle Beteiligten zu richten, sich noch einmal anzustrengen, und zu bitten, bei sich zu prüfen, ob man nicht noch etwas tun kann für die Jugendlichen, ob man nicht die eine oder andere Lehrstelle noch zur Verfügung stellen kann. Deshalb ist heute auch der richtige Tag.

Für die Zahlen ist es in der Tat augenblicklich noch etwas schwierig. Wir haben jetzt die Zahlen von August. Die fortgeschriebenen Zahlen können wir nehmen, aber nach aller Erfahrung weiß man, dass sie die Realität nicht richtig wiedergeben. Viele Betriebe schließen ihre Ausbildungsverträge erst in diesem Monat ab, der ist jetzt noch voll im Gang. Ich hoffe, dass jetzt auch noch zusätzlich etwas geschieht. Und außerdem entschließen sich auch viele Bewerber erst sehr spät für Alternativen, wie zum Beispiel für ein Studium oder auch für die weiterführende Schule. Viele Jugendliche melden sich zwar bei der Bundesagentur für Arbeit, wenn sie einen Ausbildungsplatz suchen, aber sie melden sich häufig nicht sofort wieder bei der Bundesagentur ab, wenn sie eine Lehrstelle oder eine Alternative gefunden haben. All das schränkt die Aussagefähigkeit der augenblicklich vorliegenden Zahlen stark ein und das müssen wir immer beachten, wenn wir diese Zahlen verwenden. Die Nachvermittlung läuft auch noch nach dem 30. September auf Hochtouren, weil dann noch freie Stellen mit geeigneten Bewerbern besetzt werden können.

Wir haben jetzt noch etwa – so sagt es die Statistik – 2.200 unbesetzte Ausbildungsstellen. Ein Großteil davon wird hoffentlich im September noch besetzt. Dazu kommen noch die Angebote an berufsvorbereitenden Maß