Protocol of the Session on June 24, 2004

Es sollte für uns alle gelten, Kritik ernst zu nehmen. Wo Solidarpaktmittel zur Deckung laufender Ausgaben anstatt für wachstumsfördernde Investitionen verwendet werden, muss, ich glaube, das ist auch richtig, schleunigst ein Riegel vorgeschoben werden. Auch haben – auch das gilt es zu konstatieren – Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Umschulungsmaßnahmen, Weiterbildungsmaßnahmen zwar unendlich viel Geld gekostet, aber leider zu selten das Ziel, das eigentlich ganz vorne ansteht, und zwar auf dem ersten Arbeitsmarkt Arbeitsplätze zu schaffen, erreicht.

(Beifall Renate Holznagel, CDU, und Andreas Petters, CDU)

Ein neuer Ansatz für die Förderung des Aufbaus ist daher unumgänglich. Eigenverantwortung, Leistung, Freiheit und Flexibilität, eben nicht Besitzstandswahrung oder auch staatliche Überversorgung, das sind aus unserer Sicht keine ostspezifischen Diskussionspunkte, sondern

sollten aus unserer Sicht als Maxime für ganz Deutschland dienen. Diesem will unser Antrag auch ein Stück Rechnung tragen.

Eins vorweg: Der ab dem kommenden Jahr – und das wurde ja schon mehrmals gesagt – ausgehandelte Solidarpakt II darf in seiner Grundausstattung definitiv nicht angetastet werden. Der Korb II des Solidarpaktes II beinhaltet 51 Milliarden Euro. Diese Mittel sind eine Selbstverpflichtung des Bundes gewesen. Der Solidarpakt II tritt am 01.01.2005 in Kraft, also noch ein halbes Jahr. Bisher ist die Zweckbestimmung, jedenfalls bis vor kurzem, nicht auf eine gesetzliche regelgebundene Grundlage gestellt worden.

Nach unserem Kenntnisstand hat die Landesregierung bisher schon Druck ausgeübt, aber der Druck sollte noch verstärkt werden, damit sich dieses reguliert. Die neuen Länder – auch das ist unstrittig – sind auf diese 51 Milliarden Euro sowie auf die rechtliche Normierung angewiesen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Jawohl!)

Der Bund hat in letzter Zeit leider keine verlässlichen Zusagen gehalten. Immer wieder wurden Mittel in Frage gestellt oder gekürzt, und das aus unserer Sicht ohne eine erkennbare strategische Ausrichtung. Erst Anfang Mai wurde der Haushaltsausschuss des Bundestages auf der Ausschussdrucksache 15/1676 des Deutschen Bundestages darüber unterrichtet, dass die Verpflichtungsermächtigungen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für 2005 um 75 Prozent, für 2006 und 2007 um 50 Prozent gekürzt wurden. Ende Mai wurde der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit des Bundestages (Ausschussdrucksache 15/1199) durch die Bundesregierung unterrichtet, dass für 2005 um 65 und für 2006 und 2007 jeweils um 35 Prozent die Verpflichtungsermächtigungen der GA gekürzt werden.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Egal ob jetzt 75 Prozent oder 65 Prozent Kürzung, der Bund beruft sich jeweils auf das Koch-Steinbrück-Papier. Und diese Begründung, meine Damen und Herren, die ist einfach falsch. Richtig ist, dass sich die ostdeutschen Länder der gesamtdeutschen Solidarität nicht verschlossen haben und daher Kürzungen von 4 Prozent pro Jahr hingenommen haben. Was hier im Raum steht, übersteigt bei weitem die 4 Prozent. Zum einen sind die neuen Länder stark von der GA abhängig. Das wird auch so für Jahre bleiben. Bei der GA zu kürzen hieße, den Aufbau Ost bewusst abzuwürgen und bisher Geschaffenes aufs Spiel zu setzen, denn man muss wissen, dass zwischen dem Korb II und den Kürzungen bei der GA ein direkter Zusammenhang besteht. Hätte der Bund verantwortungsvoll und perspektivisch gehandelt und den Korb II gesetzlich fixiert, dann müssten wir eben jetzt auch keine Diskussion um die Kürzung der GA-Mittel führen. So, wie es läuft, ist es eben nicht im Interesse der neuen Länder und kann auch nicht im Interesse von ganz Deutschland sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, zum anderen ist ein Mehr an Flexibilität notwendig. Wir wollen nicht mehr, auch das wurde schon gesagt, Geld, sondern wir wollen das uns anvertraute Geld effektiver einsetzen. Das ist der Fokus

der Entwicklung der letzten Jahre, denn Grundstrukturen sind geschaffen. Jedes Bundesland im Osten hat seine treibenden und tragenden Wirtschaftszweige hervorgebracht. Diese müssen jetzt spezialisiert und regionalspezifisch gefördert werden. Gleichmacherei, und das hörten wir auch vom Ministerpräsidenten, das so genannte Gießkannenprinzip wie bisher – darüber kann man sich streiten, ich halte es, wie eingangs gesagt, für richtig, wie wir uns damals entschieden hatten – hilft derzeit jedenfalls so in der Form nicht weiter.

(Beifall Andreas Petters, CDU)

Die CDU sieht die herauskristallisierenden Wirtschaftsbranchen in Mecklenburg-Vorpommern bei der angewandten Forschung und Entwicklung, der Gesundheitsbranche mit oder ohne Kopplung zur Tourismuswirtschaft, dem Tourismus als Zugtier schlechthin, der Ernährungswirtschaft und auch der gesamten maritimen Wirtschaft, Werften et cetera. Sich auf diese Wirtschaftszweige mit der Förderung zu konzentrieren schafft am ehesten nachhaltige und sichere Arbeitsplätze in Mecklenburg-Vorpommern und auch Wachstumsimpulse. Dr. Born ging im Rahmen der Einbringung seines Eintrages bereits darauf ein.

Der scheidende Bundespräsident Herr Rau hat einmal vor gar nicht langer Zeit geäußert, wir brauchen in Deutschland mehr Mut, mehr Kreativität und Bereitschaft zum Experimentieren. Ich glaube, gerade in diesen Fragen kann man den Worten nichts weiter hinzufügen und sich ausschließlich anschließen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas zum Punkt 2 unseres Antrages „Ablehnung einer Sonderwirtschaftszone“ sagen. Die Probleme im Osten sind auch bedingt durch das westdeutsche System, das 1990 vorbehaltlos übernommen wurde. Mit diesem System können aber keine Arbeitsplätze zusätzlich im Osten geschaffen werden. Daher ist der Ruf nach einer Sonderwirtschaftszone Ost zunächst nachvollziehbar. Aber eine Sonderwirtschaftszone, das weiß die Kollegin Gramkow besonders gut, wäre verbunden mit besonderen steuerlichen Sonderregelungen.

(Angelika Gramkow, PDS: Genau, so ist es! Es ist spannend, darüber zu diskutieren.)

Bereits heute bestehen steuerliche Sonderregeln, die vor allem dem ostdeutschen Mittelstand zugute kommen. Ein wichtiges Instrument ist hier die steuerliche Investitionszulage. Steuerliche Förderungsmaßnahmen wie die Investitionszulage sind jedoch an beihilferechtliche Vorgaben der EU gebunden. Realistisch betrachtet werden also zusätzliche regionale Steuererleichterungen vor allem im Rahmen der EU-Harmonisierung auf Widerstand stoßen. Entsprechende EU-Richtlinien …

(Angelika Gramkow, PDS: Aber, Herr Caffier, versuchen kann man es doch mal, wenigstens darüber reden.)

Ja, aber wir sollten nur das versuchen, wo wir auch wissen, dass es mit Erfolg gekrönt ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Andreas Petters, CDU: Genau.)

Wenn wir an EU-Richtlinien gebunden sind, dann müssen wir das tun. Sonst hätten wir gestern auch nicht das Seilbahngesetz verabschieden müssen, denn das ist genauso ein Unfug wie alle unisono feststellen. Aber auch

hier schreibt es die EU fest und da können wir nicht mit Experimenten arbeiten, wo wir an die EU gebunden sind.

(Beifall Vincent Kokert, CDU, und Andreas Petters, CDU – Andreas Petters, CDU: Genau.)

Aber auch der Weg über Vergünstigungen bei Ertragssteuern dürfte aus beihilferechtlicher Sicht in Brüssel wenig Gegenliebe finden.

Meine Damen und Herren, wie es mein Kollege Dr. Born bereits gesagt hat, wir brauchen keine Sonderwirtschaftszone Osten, sondern eine in ganz Deutschland.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist ja noch schlimmer.)

In diesem Sinne bitten ich und die Fraktion Sie um Zustimmung zum vorliegenden Antrag, um damit gemeinsam die Haltung der Landesregierung bei den weiteren Verhandlungen mit der Bundesregierung noch zu stärken. Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Caffier.

Das Wort hat jetzt der Wirtschaftsminister Herr Dr. Ebnet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, vor allem meine Damen und Herren von der CDU, denn Sie sind ja der Antragsteller! Ich möchte gerne noch eingehen auf die Ziffer 3 Ihres Antrages. Die steht auf der Drucksache auf der zweiten Seite oben. Da fordern Sie, dass sich die Wirtschaftsförderung an den Entwicklungspotentialen des Landes Mecklenburg-Vorpommern auszurichten hat, und dann bringen Sie vier Punkte a) bis d). Und das ist natürlich für den Wirtschaftsminister eine Vorgabe, die hier erfolgen soll. Ich bin mir nicht sicher, ob Sie sich im Klaren sind, welche Konsequenzen die Befolgung Ihrer Vorgabe hätte. Der Ministerpräsident hat schon darauf hingewiesen. Herr Ministerpräsident, Sie haben das Beispiel Webasto in Neubrandenburg erwähnt. Da steht eine große Erweiterungsinvestition an, da geht es nicht um Kleinigkeiten. Soll ich nun, weil Webasto als Automobilzulieferer mit Heizungen nicht auf Ihrem Schwerpunktprogramm ist, sagen, nein, nicht willkommen, wir sind nicht mit dabei? Meine Damen und Herren von der CDU, ich werde das Gegenteil tun. Ich habe es auch schon getan. Ich habe gesagt: Willkommen, herzlich willkommen, wir brauchen jeden Arbeitsplatz!

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Es steht in Wismar eine Erweiterung beziehungsweise zusätzliche Investition in der Holzindustrie an. Die Holzindustrie steht hier auf Ihrem Katalog nicht drauf. Soll ich in Wismar sagen, nein, nichtwillkommen, machen wir nicht? Ich habe das Gegenteil getan, ich werde auch das Gegenteil tun.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Natürlich brauchen wir jeden Arbeitsplatz, auch in der Holzindustrie. Ich bin gerade in Verhandlungen mit zwei Zulieferern für Airbus. Die stehen hier nicht drauf bei Ihnen. Was soll ich sagen? Soll ich sagen, brechen wir die Verhandlungen ab, hören wir auf, nicht willkommen? Nein! Ich werde die Verhandlungen weiterführen. Wir brauchen auch diese Arbeitsplätze, wenn wir sie bekommen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Nächste Woche ist eine japanische Delegation unterwegs hier im Land, da geht es um Investitionen. Den Namen des japanischen Unternehmens, das dahinter steckt, kennt jeder. Die passen auch nicht da rein. Soll ich jetzt das Gespräch absagen? Soll ich mit denen nicht mehr verhandeln? Das werde ich auch nicht tun. Wir brauchen jeden Arbeitsplatz. Und wenn das unsere Politik sein soll, und ich bin sicher, das wollen Sie ja auch, wenn Sie genau diese Politik auch mittragen wollen, dass wir Investitionen in von Ihnen nicht aufgeführten Bereichen haben wollen, weil wir auch da Arbeitsplätze haben wollen, dann müssten Sie jetzt eigentlich geschlossen gegen Ihren eigenen Antrag stimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Herr Dr. Born von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!

Herr Wirtschaftsminister, ich empfehle einfach, dass Sie noch einmal die sehr nachlesenswerte Rede des Ministerpräsidenten tatsächlich nachlesen.

(Siegfried Friese, SPD: Die war gut, die Rede.)

Er hat nämlich genau auf den Antrag bezogen das gesagt, was hier mit intendiert ist, dass wir die Potentiale des Landes stärken müssen, die da sind. Er hat ein Instrument, was dem Gärtner ein durchaus sehr liebes ist, hier immer wieder uns vor Augen geführt, was nicht hilfreich ist, nämlich die Gießkanne zur Hilfe zu nehmen. Und deshalb haben wir genau, als hätten wir die Rede vorliegen gehabt, die der Ministerpräsident gehalten hat, den Antrag so formuliert, dass bis auf den letzten Satz, den er gesagt hat, wir übereinstimmen mit seiner Rede.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Siegfried Friese, SPD: Hört, hört!)

Der letzte Satz, Herr Ministerpräsident, da sind Sie im Übereifer plötzlich von hier vorne als Abgeordneter nach vorne getreten und haben gesagt, wir lehnen den Antrag ab.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Aber ansonsten kann ich das nur voll unterstreichen, was Sie gesagt haben. Und deshalb heißt es auch in Punkt 3 unseres Antrages: „Die Wirtschaftsförderung muss sich an den Entwicklungspotentialen des Landes Mecklenburg-Vorpommern ausrichten. Dazu gehören insbesondere folgende Schwerpunkte:“

(Andreas Petters, CDU: Insbesondere! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)