Protocol of the Session on June 24, 2004

Punkt 1 unseres Antrages fordert die rechtliche Normierung der Solidarpakt-II-Mittel in vereinbarter Höhe und Laufzeit. Wie wenig konkret der so genannte Korb II bisher ausgestaltet ist, zeigt sich insbesondere an der Tatsache, dass letztlich nicht einmal geklärt ist, ob die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe nun Bestandteil sind oder nicht.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Sicher ist nur, Kollege Glawe, dass die Gelder der Gemeinschaftsaufgabe in den vergangenen Wochen nicht nur einmal in der Diskussion standen, leider immer nur, wenn es um Kürzungen gegangen ist.

Wenn ich mir beispielsweise die Drucksache 1376 des Haushaltsausschusses im Bundestag vom 3. Mai dieses Jahres anschaue, wo die Absichten zur Kürzung bei der Gemeinschaftsaufgabe für die Jahre 2005 bis 2007 aufgeführt sind, hätte demnach allein Mecklenburg-Vorpommern durch die Kürzung der Verpflichtungsermächtigungen für die kommenden drei Jahre investive Einnahmeverluste von 44 Millionen Euro hinzunehmen. Rechnet man den entsprechenden Kofinanzierungsanteil des Landes hinzu, so wären investive Kürzungen von rund 90 Millionen Euro die Folge. Noch nicht eingerechnet wären die volkswirtschaftlichen Verluste aufgrund nicht realisierter beziehungsweise im Umfang reduzierter Investitionsentscheidungen von Unternehmen und Kommunen.

Das, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ist inakzeptabel! Das endlose Hin und Her um die Ausge

staltung der künftigen GA-Förderung muss beendet werden! Ich hoffe, dass die angebliche Einigung von Bundesfinanzminister und Bundeswirtschaftsminister sich so bewahrheitet, wie es der Ministerpräsident in seiner Pressemitteilung vom Dienstag angekündigt hat. Wie gesagt, ich hoffe, dass das so eintrifft. Da ist die Rede davon, dass von geplanten Kürzungen abgesehen wird und die Gemeinschaftsaufgabe für die Folgejahre auf jährlich 700 Millionen Euro eingefroren wird.

Punkt 2 unseres Antrags lehnt Sonderwirtschaftszonen oder andere Überlegungen einer regional begrenzten Wirtschaftspolitik nicht nur aus rechtlichen Bedenken ab. Eine Sonderwirtschaftszone Ost wäre nach meiner Überzeugung auch der falsche Ansatz, um die Probleme lösen zu können.

(Angelika Gramkow, PDS: Das haben wir doch längst. Ich frage mich, wer das ursächlich verzapft hat, dass wir das haben?! – Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Frau Kollegin Gramkow, ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass es diejenigen, die unmittelbar betroffen sind von der Situation, und es werden ja zunehmend mehr Menschen, sonderlich interessiert, wer irgendwann was verzapft hat, sondern jetzt kommt es darauf an, dass wir unserer Verantwortung gerecht werden und hier nachjustieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Alexa Wien, PDS)

Dort, wo wir feststellen, dass die bisherigen Programme nicht richtig greifen, muss nachjustiert werden.

(Angelika Gramkow, PDS: Dann sagen Sie doch, was wir machen sollen! – Peter Ritter, PDS: Das kann er nicht.)

Deshalb interessiert mich das relativ wenig, was …

(Angelika Gramkow, PDS: Was heißt denn nachjustieren? – Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Bitte, Herr Kollege Ausschussvorsitzender?

(Andreas Petters, CDU: Die quakt immer dazwischen. Das ist furchtbar! – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

Frau Kollegin Gramkow liefert hier ja immer sehr interessante Redebeiträge und die Zwischenrufe sind manchmal nicht so schnell aufzunehmen. Deshalb ist es etwas schwierig, dann auch entsprechend darauf einzugehen. Außerdem reicht dann leider meine Redezeit nicht aus. Aber es lohnt sich immer, sich damit auseinander zu setzen, Kollege Petters.

(Andreas Petters, CDU: Das ist Geschmackssache.)

Eine Sonderwirtschaftszone Ost wäre nach meiner Überzeugung ein falscher Ansatz. Deutschland muss wirtschaftlich als Ganzes wieder auf die Beine kommen. Unsere Wettbewerber sitzen nicht in erster Linie in den alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland, sondern sie sind in einem globalisierten Wettbewerb weltweit zu finden.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Richtig und nötig sind eine umfassende Reform der Sozialsysteme, des Steuerrechts sowie ein massiver Abbau bürokratischer Vorschriften.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Dies ist ja nun zum Glück die Überzeugung des ganzen Hauses. Das haben wir gerade gestern thematisiert. Ich möchte das an dieser Stelle nicht näher ausführen.

Deutschland befindet sich insgesamt in einer äußerst schwierigen wirtschaftlichen Situation. Was wir deshalb brauchen, ist – wenn Sie es im übertragenen Sinne nehmen wollen – eine Sonderwirtschaftszone für Gesamtdeutschland, aber in dem Sinne, wie ich es eben gesagt habe, dass wir tatsächlich dort nachjustieren oder auch erhebliche Veränderungen vornehmen, wo wir aufgrund von Verkrustungen einfach zum Stillstand gekommen sind und wo wir insbesondere durch die Bürokratisierung Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Ländern aufzuweisen haben. Als Land haben wir die Aufgabe und die Pflicht, den Prozess der Umgestaltung aktiv zu begleiten und mit eigenen von Realismus getragenen Vorschlägen die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern.

Aus diesem Grund, Frau Kollegin Gramkow, fordern wir in Punkt 3 unseres Antrags, dass sich die Wirtschaftsförderung an den Entwicklungspotentialen des Landes ausrichten muss. Insbesondere sehen wir dabei die Schwerpunkte Forschung und Entwicklung im Umfeld der Universitäten und Fachhochschulen. Dazu hat meine Kollegin Frau Lochner-Borst ja vorhin grundlegend einiges gesagt. Zu den Bereichen Gesundheit und Tourismus haben wir vor etwa einer halben Stunde erlauchte Beiträge von Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen gehört,

(Angelika Gramkow, PDS: Das haben wir ja gerade beschlossen.)

auch zur maritimen Wirtschaft sowie zur Ernährungswirtschaft. Einhergehend …

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist aber nichts Neues!)

Frau Kollegin Gramkow, es ist ja richtig. Es wäre schlimm, wenn das alles etwas Neues wäre, was ich hier sage. Entscheidend ist tatsächlich, dass wir konzentriert alle Maßnahmen, die notwendig sind, angehen und dass wir erkennen, dass nur ein Bündel von Maßnahmen in der Lage ist, der derzeitigen Probleme Herr zu werden. Und da können Sie in der Tat nicht erwarten, dass irgendjemand, wer auch immer, plötzlich mit einer Zauberformel den Schleier aufreißt und sagt, damit sind alle Probleme zu lösen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es sind die vielen einzelnen Dinge, die notwendig sind. Es ist aber erforderlich, dass das gebündelt in Angriff genommen wird, dass insbesondere die Landespolitik auch die Potentiale des Landes fördert und sich auf diese Schwerpunkte konzentriert.

Einhergehend mit der inhaltlichen Ausrichtung und Schwerpunktsetzung der Wirtschaftsförderung ist eine Neugestaltung der Förderpolitik insgesamt erforderlich. Diese Forderung ist in der Tat nicht neu, sie hat sich aber immer noch nicht zur Zufriedenheit und Praktikabilität unter wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten lösen lassen. Einerseits muss eine künftige Förderpolitik durch mehr Freiheiten für die Länder gekennzeichnet sein und andererseits ist aber auch eine deutliche Straffung der Förderpolitik auf EU-, Bundes- und Landesebene nötig. Nicht zuletzt der kürzlich vorgestellte Abschlussbericht

der Kommission Deregulierung, Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung hat dieses eindrücklich verdeutlicht. Ich habe ja bereits gestern deutlich gemacht, dass wir den Justizminister hier nachdrücklich in seinen Bemühungen unterstützen, diese Maßnahmen, die von der Kommission als notwendig dargestellt worden sind, auch tatsächlich umzusetzen. Das ist aber genau das Problem, dass die Umsetzung bisher noch auf sich warten lässt.

Es werden in diesem Bericht 221 Förderprogramme im Land aufgelistet. 221! Ich frage Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wer soll da noch durchsehen? Sie können es vielleicht, ich kann es nicht. Es kann aber auch sein, dass der eine oder andere von Ihnen damit auch nicht ganz klarkommt. Wie soll effizient gewirtschaftet und gefördert werden? Es drängt sich der Verdacht auf, dass wir bei 221 Programmen nicht mit dem nötigen Nachdruck klotzen können, sondern doch immer wieder nur gekleckert wird. Immerhin waren es 1999 lediglich 150 Programme. Und, auch das habe ich hier zum wiederholten Mal gesagt, die Verwaltungsverfahren und -behörden müssen konzentriert werden. Die Fördermittel sollen ja, das wollen wir alle, wie es so schön von manchen Politikern heißt, draußen im Land – als wenn man sich als Politiker außerhalb des Landes befände – ankommen und nicht von der Verwaltung konsumiert werden.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Dr. Martina Bunge, PDS – Beifall Ilka Lochner-Borst, CDU)

Eine Bündelung der vorhandenen Förderprogramme sowie eine Konzentration der Verwaltungsverfahren und -behörden ist deshalb zwingend erforderlich. Ich sage noch einmal – ich weiß, dass der Wirtschaftsminister das nicht anders sieht –, es ist im Zeitalter des Computers wirklich nicht zu begreifen, dass wir diese vielen Programme nebeneinanderher laufen haben und dann auch noch unterschiedlichste Behörden, die für die Bearbeitung zuständig sind, und dass es derzeit nach wie vor keine Stelle im Land gibt, die in der Lage ist, egal, wer was tun will, demjenigen eine schnelle präzise verbindliche Auskunft zu geben, ob er eine Förderung bekommt und, wenn ja, zu welchen Konditionen, wann und in welcher Höhe. Das muss sich dringend ändern! Es muss auch kurzfristig möglich sein, dass wir, wenn schon die Programme nicht weiter zusammengefasst werden können, es wenigstens schaffen, bei der Antragstellung dafür zu sorgen, dass der Antragsteller davon möglichst wenig erfährt. Das ist genau dasselbe, was ich in einem anderen Zusammenhang gestern im Hinblick auf die Statistiken gesagt habe.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Der Aufbau Ost darf weder zerredet noch für eine negative wirtschaftliche Entwicklung in Gesamtdeutschland verantwortlich gemacht werden. Für den Erfolg der künftigen Förderung, seien es EU-, Bundesoder Landesmittel, kommt es auf eine sinnvolle Ausgestaltung der Instrumentarien im Sinne der Schwerpunktsetzung an. Diese Planungssicherheit soll durch eine entsprechende rechtliche Normierung der Solidarpakt-IIMittel gegeben werden.

Wir unterstützen dabei eine Ausdehnung des Verantwortungsbereichs der Länder, weil wir so den länderspezifischen Besonderheiten am besten gerecht werden können. Wir stärken damit die Verantwortlichkeiten in den

Ländern und das ist eine Ausgestaltung auch unseres Grundverständnisses von Subsidiarität. Wir brauchen Möglichkeiten, eigene Prioritäten regionalspezifisch zu entwickeln und zu fördern. Diese müssen von der Landesregierung offensiv gegenüber Berlin und Brüssel vertreten werden.

Verehrte Kollegin Gramkow, ich bitte Sie, sich den Antrag daraufhin anzusehen. Ich denke, dass das, was da als Notwendigkeit von allen hier im Hause aufgeführt ist, zumindest auch denen, die sich mit der wirtschaftlichen Situation im engeren Sinne auseinander setzen, in den Ausschüssen unterstützt werden sollte. Ich hoffe, dass dieser Antrag, wie so mancher der Anträge der Tagesordnung der gestrigen und heutigen Sitzung, auf breite Zustimmung im Hause stößt, damit wir gerade in solchen zentralen Fragen deutlich machen, dass es hier nicht um vordergründige parteipolitische Ausrichtungen gehen kann, sondern dass wir hier als Parlament insgesamt gefordert sind. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Herr Petters, ich bitte Sie doch dringend, auch bei Zwischenrufen die Würde des Hauses hier zu achten

(Lorenz Caffier, CDU: Auweia!)

und keine solchen Bemerkungen hier zu tätigen!

(Andreas Petters, CDU: Ich werde mich bessern.)

Ich verzichte in diesem Falle auf einen Ordnungsruf, aber es war, denke ich, nicht gerade parlamentarisch.

(Andreas Petters, CDU: Ich werde mich bessern, Herr Präsident.)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Als Erster hat um das Wort gebeten der Ministerpräsident des Landes Herr Dr. Ringstorff. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, in den letzten 15 Jahren sind wir in Ostdeutschland ein großes Stück mit Hilfe der Solidarität des Bundes, der EU und der westdeutschen Länder vorangekommen, vor allen Dingen auch mit der Kraft und dem Einsatz der Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern. Darauf können wir und auch die Menschen in unserem Land stolz sein.