Protocol of the Session on November 25, 2002

Um dem Ideal einer gerechten Besteuerung näher zu kommen, ist ein steiniger, aber möglichst gerader Weg zu gehen. Lieb gewonnene Subventionen zu beseitigen ist keine leichte Aufgabe. Den Lobbyisten, die immer mehr Einfluss gewinnen und unser Gemeinwesen zu einem Staat der Besitzstandswahrer erstarren lassen, sollten wir widerstehen.

Meine Damen und Herren, die Lage ist zweifellos ernst. Die alles entscheidende Frage wird sein, ob Deutschland reformfähig und reformwillig ist. Einige EU-Nachbarländer haben es uns bereits vorgemacht und einige machen sich bereits über uns lustig. Es gibt nichts zu beschönigen. Wir haben ein konjunkturelles Problem in Deutschland. Die noch im Sommer von allen maßgeblichen Konjunkturforschern für das zweite Halbjahr angekündigte Konjunkturbelebung hat sich nicht eingestellt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das war alles Wahlkampf.)

Neuerdings sprechen Wirtschaftsinstitute sogar von der Gefahr einer Rezession in diesem Winter und von einer weiter verlangsamten Entwicklung. Kassandra hat zurzeit Hochkonjunktur. Dennoch muss man vorsichtig sein und auch diese Möglichkeiten berücksichtigen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ach ja?!)

Deutschland hat...

(Eckhardt Rehberg, CDU: Im Mai haben Sie das ganze Gegenteil erzählt.)

Nein.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ja, natürlich! – Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Ach, Herr Rehberg, kommen Sie!

Deutschland hat eine offenere...

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Deutschland hat eine offenere Volkswirtschaft als die meisten anderen Länder.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist doch ein Glück! – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist doch ein Weihnachtsmärchen. – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Deswegen ist Deutschland weit anfälliger für weltwirtschaftliche Schwankungen.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und solche Schwankungen gibt es im Ausland wahrhaftig genug.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Die USA erwarten ein Wirtschaftswachstum von 2,4 Prozent, Frau Keler. – Zuruf von Harry Glawe, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

In den USA, Herr Rehberg, hat die Konjunktur nach der kräftigen Erholung in 2001 und 2002 inzwischen wieder an Schwung verloren.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Den Schwung hätte ich aber gerne.)

In Japan wurde die konjunkturelle Talsohle im ersten Halbjahr 2002 durchschritten.

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, Dr. Armin Jäger, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Dort beginnt die Wirtschaft sich trotz weiterhin bestehender Deflation zu stabilisieren.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ja, sicher.)

In den Veröffentlichungen wird oft von einer angeblich guten ökonomischen Entwicklung in den USA gesprochen. Deshalb will ich Ihnen eine Nachricht nicht vorenthalten, die ich am 2. August 2002 im „Handelsblatt“ gefunden habe: Das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in den USA für das Jahr 2001 war bis zum Sommer immer mit plus 1,2 Prozent angegeben worden. Das USHandelsministerium musste diese Zahlen dann korrigieren. Statt mit 1,2 Prozent wuchs das Bruttoinlandsprodukt in den USA nur um 0,3 Prozent.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist doch falsch, was Sie da erzählen.)

Das war schon eine komplette Verschiebung des konjunkturellen Weltbildes.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU – Glocke der Vizepräsidentin)

Eine solche Korrektur...

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Karin Strenz, CDU: Die Gebrüder Grimm würden sich im Grabe umdrehen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine Damen und Herren, das sind die offiziellen Daten der USA.

Eine solche Korrektur hat es in den letzten 30 Jahren dort nicht gegeben

(Dr. Ulrich Born, CDU: Lesen Sie doch mal das Sachverständigengutachten! Hausgemachte Probleme, steht da drin.)

und es relativiert unsere Wachstumszahlen in Deutschland.

Die aktuellen Steuereinbrüche haben hier bei uns zu einer volkswirtschaftlichen Steuerquote von 20,8 Prozent geführt,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist also unsere große Finanzexpertin.)

und das trotz Ökosteuer.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Diese Steuerquote ist die Summe aller eingenommenen Steuern bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. 1998 hatten wir noch eine Quote von über 24 Prozent. Eine derart niedrige Steuerquote hat es seit Bestehen der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Nicht nur im historischen Vergleich befindet sich die derzeitige Quote auf einem absoluten Tief. Auch im Vergleich zu allen anderen Staaten der EU und zu den USA gibt es in Deutschland die niedrigste Steuerbelastung. Die Abgabenquote wird 2002 etwa gleich groß sein wie 1998.

Die öffentlichen Haushalte sind infolge der extremen Steuerausschläge mit den daraus resultierenden Steuerausfällen in massive Schwierigkeiten geraten. Das wird niemand bestreiten. Niedrige Steuern waren von allen gewollt, insbesondere von der Wirtschaft und von der CDU, der die Entlastung – ich sagte es schon mal – gar nicht weit genug gehen konnte.

(Angelika Gramkow, PDS: Und was hat es gebracht?)

Wenn Steuersenkungen nicht gleichzeitig zu einer Erhöhung der Haushaltsdefizite führen sollen, ist Haushaltskonsolidierung zwangsläufige die zweite Seite der Medaille.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das ist völlig falsch.)

Das ist eigentlich eine Binsenweisheit.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Das gibt es nicht, was Sie da erzählen.)

Durch den Stabilitätspakt von Maastricht ist die Einhaltung der 3-Prozent-Defizitgrenze für alle obligatorisch geworden. Auch diese Regel war ebenso wie die Einführung des Euros von allen gewollt und geht auf die Forderungen der CDU,

(Torsten Koplin, PDS: Theo Waigel.)

vor allem von Theo Waigel zurück.

(Torsten Koplin, PDS: Richtig. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die 3-Prozent-Regel setzt uns erheblich unter Druck.

(Harry Glawe, CDU: Hören Sie doch auf!)