Protocol of the Session on May 14, 2004

„Ihre Minister und Abgeordneten bilden sich ein, sie seien Politiker. In Wirklichkeit sind sie Verwalter. Die entscheidenden Gesetze werden im Bund gemacht.“

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Das ist doch etwas, was uns alle angehen sollte in diesem Hohen Hause.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das ist noch etwas, womit wir uns alle beschäftigen sollten. Das ist natürlich ein trockenes Thema, völlig klar.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist doch gar nicht drin. – Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Deswegen sind auch hier die Stuhlreihen so leer und deswegen fällt es denjenigen, die hier sitzen, so schwer, dieser Debatte zu folgen. Das ist ja völlig verständlich.

(Heinz Müller, SPD: Na, na! – Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD: Er macht hier einen auf den seriösen Netten und dann so was!)

Föderalismusdiskussion ist nichts Neues. Föderalismusdiskussion beschäftigt uns nun schon einige Jahre. Worum geht es denn beim vorliegenden Antrag? Es geht im Grunde um einen Wandel von 55 Jahren. Der 23. Mai, der Tag der Verkündung des Grundgesetzes steht kurz bevor. Es geht darum, dass der Grundgesetzgeber vor dieser Zeit etwas anderes gewollt hat, als es sich dann im Laufe der Jahre letztlich entwickelt hat. Die Länder, das ist der Grundgedanke des Grundgesetzes, haben das erste Gesetzgebungsrecht. Dann folgt der Bund, die Länder

haben Staatsqualität und innerhalb dieser Staatsqualität haben sie auch einen Gestaltungsföderalismus inne. Demgegenüber tritt die Bundesgesetzgebungskompetenz in den wesentlichen Bereichen quasi zurück. Auch so war es der Wille des Gesetzgebers. Er erreicht eine Subsidiarität gewissermaßen. Ausnahmen sind natürlich die Bereiche, die ausdrücklich dem Bund zugewiesen sind, das wissen wir alle, Außenpolitik, Verteidigungspolitik und so weiter.

Natürlich war es gewollt – auch dieses darf man dabei nicht verschweigen –, dass ein starker Bund geschaffen wird, dass einheitliche Lebensverhältnisse und gleichwertige Wirtschaftsverhältnisse herrschen.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Der Föderalismus im Ganzen hat sich bewährt.

(Heinz Müller, SPD: Aha!)

Und, Herr Schlotmann, niemand möchte aus dem Bundesstaat Bundesrepublik Deutschland einen Staatenbund machen. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass Sie uns versuchen dieses einzureden. Aber das möchte niemand.

(Volker Schlotmann, SPD: Sie haben immer ein schlechtes Gewissen, da Sie mir immer etwas unterstellen, was ich nicht gesagt habe.)

Aber die konkurrierende Gesetzgebung ist in den vergangenen Jahrzehnten so verändert worden, dass die Positionen der Länder im Gesetzgebungsbereich immer schlechter geworden sind. Zustimmungspflicht im Bundesrat führt dazu, dass ursprüngliche Gesetzgebungskraft einer Bundesregierung, eines Bundestages verwässert und aufgeweicht wird dadurch, dass Zustimmungsgesetze erlassen werden müssen und dass eine Zustimmung im Bundesrat erfolgen soll. So war das nicht gewollt. Der Bundesrat war eigentlich als Instrument dafür gedacht, dass Einfluss genommen wird zugunsten der Länder, dass die Länder ein Mitspracherecht haben und sie Einfluss auf Bundesgesetze nehmen können. Es war nicht dazu gedacht, Einfluss in der Art und Weise zu nehmen, dass Gesetze blockiert werden. Das hat sich im Laufe der Jahre so entwickelt und damit müssen wir heute leben. Das heißt aber nicht, dass wir es auf immer und ewig hinnehmen müssen, dass wir es immer und ewig schlucken müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Reinhard Dankert, SPD, und Volker Schlotmann, SPD)

Natürlich kann man dieses auch ändern. Und gerade da setzt nicht nur die CDU-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern an, sondern da setzen im Grunde alle Landtage an und da setzt auch die Bundesrepublik Deutschland an mit dieser Diskussion.

Die Folge dieses Gesetzgebungsverfahrens, wie es sich in den letzten Jahren entwickelt hat, sind länger dauernde Gesetzgebungsverfahren und ein Zurückdrängen der Staatsqualität der Länder in ihrer Kernaufgabe, in der Kernaufgabe der ersten Gewalt, nämlich der Landtage, des Landtages in der Gesetzgebungskompetenz. Die erste Gewalt, der Landesgesetzgeber, und hier sind wir fast wieder bei von Arnim, wird nahezu überflüssig, wenn man diese Regelungen so beibehält und nicht ändert.

Wo stehen wir denn in der Föderalismusdiskussion? Bund und Länder, das hatte ich gerade ausgeführt, sind nahezu gelähmt in der Realisierung eigener selbstverantwortlicher und von den tragenden Parteien zu verantwortender Politik. Sie sehen das und Sie wissen das alle, wenn Sie an das Beispiel der Gesundheitspolitik denken, wenn Sie an die Regelungen denken, die dort im Bundesrat zum Gesetz geworden sind und die heute im Wesentlichen in der Öffentlichkeit der Regierungspolitik zugeschrieben werden, obwohl sie im Bundesrat natürlich auch durch Unionspolitik gestaltet worden sind. Die Folge dieses Verhaltens ist ein Minimalkonsens in der Politik und in der Gesetzgebung, niemals ein großer Wurf, wie er möglicherweise von der einen oder anderen tragenden Staatspartei gewollt ist, und ist möglicherweise ein Handel, ein Abkauf – auch das ist heute hier schon gesagt worden – des Vetorechtes. Das führt zu einer Aushöhlung der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Aber die Politik hat, wie Sie wissen, reagiert, und zwar mit der Föderalismuskommission. Diese Kommission, die zusammengesetzt ist aus Bundestag und Landesregierung, bearbeitet dieses Feld, aber man muss natürlich dabei beachten, dass die Landtage, so, wie wir hier heute sitzen, daran nicht beteiligt sind.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig.)

Und ich kann nicht erkennen, auch nicht in irgendwelchen Staatsrechtslehrbüchern, wie es vorhin gesagt worden ist, dass es die erste und vornehmste Pflicht einer Landesregierung sei, sich für die Kompetenzen der ersten Gewalt, nämlich der gesetzgebenden Gewalt des Landtages, einzusetzen. Das gibt es nicht und das wird auch nicht so sein, dass eine Landesregierung, die in einer Kommission sitzt, sich zunächst einmal um die Kompetenzen des Landtages Sorgen macht.

Der Bundespräsident Rau hat beim Föderalismuskonvent und der Lübecker Erklärung am 31. März 2003 gesagt: „Die Landesparlamente sind die vom Volk gewählten obersten Organe politischer Willensbildung.“ Und darauf, meine Damen und Herren, kommt es doch an. Die Landtage, so, wie wir hier sitzen, sind diejenigen, die in dieser Diskussion gefragt sind. Und Sie sagen jetzt, Frau Gramkow, ach, was soll es denn, die Landesregierung tut es doch schon. Ihre Anträge, liebe CDU, sind doch alle überflüssig, weil die Landesregierung ihre Rechte, also die Rechte des Landtages, doch ohnehin schon wahrnimmt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Das macht die Präsidentin.)

Das ist doch, ich sage mal, nicht wahr. Ich hätte fast ein anderes Wort benutzt, aber das ist doch nicht wahr, Frau Gramkow.

(Angelika Gramkow, PDS: Wollen Sie mich der Unwahrheit bezichtigen?!)

Ich denke, dass die Landesregierung zu Recht und völlig legitim ganz andere Interessen verfolgt, als ausgerechnet nun die Rechte des Landtages zu vertreten.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Frau Präsidentin lächelt müde.)

Frau Präsidentin, …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Nein, die Präsidentin möchte mich eines Besseren belehren. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Dr. Martina Bunge, PDS)

Dieses hat nichts damit zu tun, das möchte ich gleich klarstellen, dass ich das dieser Landesregierung so ins Buch schreiben möchte, sondern das hat einfach mit dem Selbstverständnis zu tun und mit der Gewaltenteilung, dass man auf der einen Seite eine Landesregierung hat und auf der anderen Seite einen Landtag.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Diese Dinge sind einfach zu trennen. Und wer sagt, der eine macht schon für den anderen, der hat das System offenbar nicht so richtig verstanden.

(Angelika Gramkow, PDS: Das steht aber leider nicht in Ihrem Antrag, was Sie da jetzt erzählen.)

Das bedeutet in der letzten Konsequenz – und da sind wir beim Antrag, Frau Gramkow,

(Angelika Gramkow, PDS: Ja, wo denn?!)

dass der Landtag handeln muss und sich nicht darauf stützen darf, die anderen täten es ja schon.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Handeln bedeutet, der Landesregierung auch zu sagen, wie sie handeln soll und welche Ergebnisse der Landtag, nämlich wir in diesem Hohen Hause, gerne beispielsweise in der Kommission verhandelt und als Ergebnis sehen und erkennen möchte.

(Angelika Gramkow, PDS: Das haben wir doch schon beschlossen, und zwar über die Partei- grenzen hinweg. Haben Sie das vergessen?!)

Es gibt Dinge in diesem Bereich, Frau Gramkow, ich möchte nicht immer wieder auf Sie eingehen müssen,

(Angelika Gramkow, PDS: Schade.)

aber es gibt Dinge in diesem Bereich, die haben wir nicht beschlossen. Nicht alles, was in diesem Antrag enthalten ist, ist tatsächlich schon von dem Landtag so ausführlich beschlossen und besprochen worden, wie es heute hier der Fall ist. Ein Beispiel ist der Konnexitätsgrundsatz, der stärker beachtet werden muss bei der Gesetzgebung, nämlich dass Regelungskompetenz und Finanzierungsverantwortung auf einer Ebene liegen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Dazu gibt es einen eindeutigen Landtagsbeschluss – Konnexität im Grundgesetz.)

Das vermisse ich beispielsweise bei unserem letzten Antrag oder bei unserem letzten Beschluss.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Auch dieses ist kein Vorwurf, sondern einfach nur eine Weiterentwicklung der Politik insgesamt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Dann gibt es Europa- wahl. – Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS)

Die Beteiligung und die Beachtung der Gesetzgebungskompetenz der Länder, die entgegen einer Aushöh

lung vorgenommen wird, stärkt nicht nur die Verantwortung innerhalb der Politik, sondern sie führt auch zu einer Stärkung der Demokratie und zu einer stärkeren Beteiligung der Bürger insgesamt. Deswegen ist der Landtag sehr wohl aufgefordert, Stellung zu nehmen in diesem Prozess, sich immer wieder vortragen zu lassen, wie der Fraktionsvorsitzende das auch schon ausgeführt hat, und sich selbst immer wieder einzumischen und sich nicht auf andere zu stützen.