Protocol of the Session on May 14, 2004

Ich biete Ihnen Folgendes an, Herr Rehberg und Frau Gramkow: Ich biete Ihnen an, und ich beziehe ausdrücklich die Landtagspräsidentin mit ein, wir sollten vielleicht eine Runde drehen der drei Fraktionsvorsitzenden mit der Präsidentin, in der wir uns einmal über ein Verfahren, wie gehen wir als Landtag – über Partei- und sonstige Grenzen hinweg – mit dem Thema Föderalismus um, verständigen. Das biete ich an. Ein solches Gespräch sollte stattfinden. Wir sollten uns über interne Strukturen einmal verständigen. Ich weiß aus gut unterrichteter Quelle, aus CDU-Fraktionen anderer Parlamente, dass diese Bestrebungen auch in anderen Bundesländern im Gange sind, und ich denke, es stünde uns gut zu Gesicht, wenn wir da mal ein bisschen die Ideologie zur Seite schieben und sagen, okay, es geht jetzt hier um die Frage des Landta

ges und des Föderalismus. Und trotz der Polemik, vielleicht können Sie sich die ja in Ihrem zweiten Beitrag verkneifen, ich glaube, das wäre der richtige Weg für dieses Parlament, mit diesem schwierigen Problem für die Zukunft umzugehen. – Besten Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, Dr. Martina Bunge, PDS, und Angelika Gramkow, PDS)

Danke, Herr Schlotmann.

Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende Frau Gramkow von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Rehberg, ich würde Ihnen empfehlen, wenn Sie Informationsdefizite haben zum Diskussionsprozess zur Position der Landesregierung, machen Sie es doch wie die PDS-Landtagsfraktion und laden sich den Chef der Staatskanzlei ein und diskutieren zwei Stunden mit ihm über diese Positionen, auch über Interna. Es ist ein sehr wirkungsvolles Gespräch gewesen, weil es schwierige Diskussionen sind. Nach meinem Kenntnisstand hat ein entsprechender Antrag vom Rechtsausschuss Ihrer Fraktion nicht stattgefunden und konnte somit auch nicht abgelehnt werden. Ich denke, neben markigen und populistischen Sprüchen findet man lediglich Wiederholungen von längst Beschlossenem und eine stattliche Anzahl von Plattitüden in Ihrem Antrag.

Wir haben erhebliche Zweifel daran, ob die von der CDU verbreitete Eingangsparole, die Zukunft in die eigenen Hände zu nehmen, in die aktuelle politische Landschaft tatsächlich passt. In der Föderalismusdebatte liegt gegenwärtig auch eine Gefahr für Politik und Zukunft in Mecklenburg-Vorpommern. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht als kleines armes Land unter die Räder kommen, schon gar nicht unter bayerische. Ob Leitbilder, wie Sie sie als CDU malen möchten, dabei helfen, das möchte ich bestreiten. Sie, Herr Rehberg, haben auf den entsprechenden Landtagsbeschluss und die Lübecker Erklärung vom 31. März 2003 abgehoben. Ich frage Sie also: Warum dann noch einmal dasselbe beschließen?

Wenn Sie das, was Sie aufgeschrieben haben, für sich, meine Damen und Herren der CDU, als Leitbild betrachten wollen, sei es Ihnen unbenommen. Für die PDS ist jedoch das Leitbild das solidarische kooperative Föderalismusprinzip, wie es im Grundgesetz steht und wozu sich auch unser Land in der Landesverfassung bekannt hat. Leider ist dies genau das Gegenteil dessen, was die CDU ihr Leitbild nennt. Sie will den Wettbewerbsföderalismus. Wir, meine Damen und Herren, wollen ihn nicht.

(Volker Schlotmann, SPD: So ist es. Wir auch nicht.)

Von Wettbewerbsföderalismus ist im Grundgesetz selbstverständlich nirgendwo die Rede. Und auch in der von Ihnen, Herr Rehberg, zitierten Beschlussfassung steht nichts über Wettbewerbsföderalismus. Es heißt in Artikel 20 Absatz 1 des Grundgesetzes schlicht und ergreifend, und ich denke, das ist doch entscheidend, ich zitiere: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

(Michael Ankermann, CDU: Das soll auch so bleiben.)

Und in Artikel 28 Absatz 1 ist damit deckungsgleich das Leitbild des Föderalismus weiter ausgeformt, indem der republikanische, demokratische und soziale Rechtsstaat kraft Verfassung verordnet wird. Und dann haben wir ja auch noch die praktische Ausgestaltung des Föderalismus und noch eine weitere, wie ich finde, entscheidende Festlegung des Grundgesetzes, und zwar gleich an drei Stellen, nämlich in Artikel 72 Absatz 2, Artikel 91 a Absatz 1 und Artikel 106 Absatz 3. Diese Feststellung geht von den anzustrebenden Gleichwertigkeiten beziehungsweise der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse aus. Wollen Sie dieses in Frage stellen, meine Damen und Herren der CDU? Wenn ich dazu Ihre in dem Antrag aufgeschriebene These des Leitbildes nehme, meine Damen und Herren von der CDU, kann ich nur sagen, das ist eine deutliche Abkehr vom grundgesetzlichen Leitbild des Föderalismus.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

Selbstverständlich gibt es Wettbewerb und soll es ihn im Föderalismus weiterhin geben. Aber es gibt ihn doch im Sinne eines Lernsystems, in dem Alternativen ausprobiert werden sollen, in dem die Ergebnisse eines Landes an dem eines anderen Landes geprüft werden. Insoweit lebt selbstverständlich der Föderalismus von Wettbewerb. Und es ist ja auch eine reine Binsenweisheit, dass im System des real existierenden Föderalismus der Bundesrepublik Deutschland Wettbewerb gegenwärtig heftiger stattfindet als je zuvor.

Auch wir sind selbstverständlich für Wettbewerb, aber im Sinne von Vielfalt im Föderalismus, von Mannigfaltigkeit im Sinne eigenständiger schöpferischer Gestaltung und der pluralistischen demokratischen Politikfindung in den Ländern auf der Basis von Chancengleichheit. Und nichts anderes steht letzten Endes auch in der einschlägigen viel zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Länderfinanzausgleich, die oftmals als Beleg für einen Paradigmenwechsel im Föderalismus herhalten muss, die dies aber eigentlich gar nicht stützt.

Was also die Erwünschtheit auch von Ländervielfalt betrifft, rennt Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der CDU, offene Türen ein. Nur sind wir, wenn von Wettbewerb die Rede ist, nicht für zügellose Konkurrenz. Wir sind schon gar nicht für die Aufgabe des Solidargrundsatzes oder dafür, dass es im Ergebnis eines derartigen Wettbewerbes auf Dauer besonders im Osten der Republik arme Länder und im Westen und Süden reiche Länder geben wird.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS)

Und da finde ich es schon bemerkenswert, dass die Landes-CDU in Mecklenburg-Vorpommern uns als Medizin heute gerade das anbietet, was Herr Stoiber, Herr Teufel, Herr Koch zusammengebraut haben. Die Solidargemeinschaft der Länder soll der Allmacht divergierender Interessen natürlich bei einer Dominanz der reichen Länder weichen. Dieses Leitbild kann und wird Mecklenburg-Vorpommern in den gegenwärtigen Diskussionsgremien nicht vertreten. Die Finanzministerin hat das deutlich erklärt. Obwohl es Mecklenburg-Vorpommern im Augenblick auf manchen Gebieten nicht gut geht, wie jeder weiß, sind wir doch nicht zum Selbstmord verpflichtet.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Dann will ich gleich noch ein paar Bemerkungen im CDU-Antrag aufgreifen und benennen, deren Beschluss

fassung ganz einfach albern wäre. Ich meine die Punkte 3, 4 und 5. Die herzhaften Aufforderungen, die Regierung solle dafür sorgen, dass die Reform nicht einseitig zugunsten des Bundes und der Landesregierung vorgenommen wird, und sie solle dafür eintreten, dass die Reformdiskussion im Interesse der Zukunftsfähigkeit des Landes konsequent geführt und schnellstmöglich zum Abschluss gebracht wird, sind in den Formulierungen und nicht nur in den Formulierungen Selbstverständlichkeiten. Leider wird man aus der Begründung des Antrages auch nicht schlauer, was das konkret heißen soll, denn dort stehen nochmals die Allgemeinplätze.

Wenn man sich nun die Ziffer 2 anschaut, werden dort Gegenstände benannt, die in der Diskussion auf der Ministerpräsidentenebene und in der so genannten Kombo, das heißt in der gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung, gegenwärtig behandelt werden.

Ich gestatte mir einen Einschub. Natürlich nehme ich das Gesprächsangebot gerne an. Ich hätte mir allerdings auch gewünscht, dass bei der Zusammensetzung der Kommission nicht parteiübergreifend Vertreter der PDS in den Landtagen ausgegliedert worden wären. Es wäre spannend gewesen, wenn wir hätten beteiligt sein können. Innerhalb dieser Diskussion in der Kommission dürfen wir aber nicht vergessen, dass Mecklenburg-Vorpommern lediglich ein Land von insgesamt 16 Ländern ist, und das heißt, dass wir gemeinsam darum streiten und uns bemühen müssen, bei den anderen 15 für unsere Interessenlage Verständnis zu finden.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS)

Und dass dort ein Kompromiss nur auf einem kleinen gemeinsamen Nenner gefunden werden dürfte, das sollte doch auch den Kolleginnen und Kollegen der CDU klar sein. Es wäre schön, wenn es nicht der allerkleinste gemeinsame Nenner sein sollte, denn dass eine Entflechtung der Gesetzgebungskompetenzen sowie deren neue Schichtung ebenso wie die Aufgabenverteilung und Finanzbeziehungen nötig sind, ist doch seit langer Zeit klar. Derartige Bekenntnisse und Formeln füllen inzwischen ganze Bibliotheken. Ich sage: Wozu dann noch ein Landtagsbeschluss?

Dass die Gesetzgebungskompetenzen, wie Sie meinen, meine Damen und Herren, auf den Regelfall des Grundgesetzes, auf die Kompetenzen der Länder zurückgeführt werden sollten, ist eine schöne, aber wohl kaum in Ansätzen zu realisierende Vorstellung. Angesichts der Globalisierungstendenzen und der Notwendigkeit von unitären Regelungen sind dem erhebliche Grenzen gesetzt. Ein ausschließlicher Gesetzgebungskatalog für die Länder dürfte beispielsweise nicht zu machen sein. Und es kommt hinzu, dass ganze Politikbereiche aus den Ländern in die Europäische Union abfließen und die EU gleichermaßen direkt in die Politik von Bund und Ländern eingreift, und zwar gänzlich ohne Berücksichtigung der innerstaatlichen Kompetenzordnung und ihrer Verteilung. Und das alles, meine Damen und Herren, kann und will doch auch keiner zurückdrehen.

Selbstverständlich müssen dennoch mehr Kompetenzen und Aufgaben an die Länder zurückgegeben werden, so, wie vielleicht doch Finanzierungsquellen für die Länder – und ich sage ausdrücklich die Kommunen – erschlossen werden. Dass es beispielsweise Länderzugriffsrechte auf Bundeskompetenzen geben wird und den

Ländern auch eigene Kompetenzen aus der Bundesebene zufließen, dieser Kompromiss ist wohl in Sichtweite. Dass ferner ein Geschäft dahin gehend zustande kommt, dass der Bund sich aus den Verwaltungshoheiten der Länder zurücknimmt, wobei sich die Länder gleichzeitig darauf einlassen, den Kreis der zustimmungspflichtigen Bundesgesetze einzuengen, wird ebenso wahrscheinlich sein. Aber eine Reform des Föderalismus, wie sie beispielsweise der Staatsrechtler Herbert von Arnim und andere immer wieder verlangen, eine große Reform, wird nicht stattfinden. Die gegenwärtig verhandelnden Gremien sind keine entsprechenden Veranstaltungen für Reformgroßvorhaben.

Die Stärkung der Rechte der Landtage sowie der Kommunen ist ausdrücklich – und ich sage hier im Namen der PDS-Fraktion, leider – nicht Gegenstand der Verhandlungen. Es wird eben nichts weiter gesagt zu den Kommunen im föderalen System, die schon jetzt die Leidtragenden vom real existierenden Wettbewerbsföderalismus sind, indem nämlich Bund und manche Länder frisch und frei Aufgaben an die Kommunen delegieren und ihnen die Kosten auferlegen.

(Ministerin Sigrid Keler: Wollen.)

Nur, der von uns verabschiedete Landtagsbeschluss hatte diese Probleme der kommunalen Verantwortung im föderalen System wenigstens benannt.

Alles in allem, meine Damen und Herren, der Antrag der CDU ist keine helfende Medizin. Er ist falsch. Auf der Tagesordnung steht nicht der Wettbewerbsföderalismus, sondern weiterhin die Ausgestaltung des solidarischen und kooperativen Föderalismus der Länder. Dies ist der Wille der Mehrheit dieses Hauses im Interesse unseres Landes.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Gramkow.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ankermann von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Frau Gramkow, da Sie zuletzt gesprochen haben, möchte ich auch, bevor ich zu dem vorbereiteten Teil komme, zunächst auf einiges, nicht auf alles, was Sie gesagt haben, eingehen. Wenn Sie hier Herbert von Arnim zitieren, dann ist das sehr gefährlich, meine ich, denn wenn Sie diesem Staatsrechtler folgen wollen in letzter Konsequenz, dann gehen Sie sehr bald nach Hause. Dann werden Sie und wir alle hier im Landtag überflüssig und können alle unsere Taschen packen und nach Hause gehen, denn nichts anderes ist die Postulation dieses Hochschulrechtlers.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich will gar nicht polemisch werden. Ich habe hier nur mitgeschrieben, dass Sie den Antrag der CDU-Fraktion als Parole bezeichnen. Na gut, das nehme ich einfach mal so als Ihren Wortschatz hin. Das ist dann wohl so. Im Verlaufe Ihrer Rede war ich ganz erleichtert, als ich dann festgestellt habe, dass Sie doch nicht jeden einzelnen Artikel des Grundgesetzes zitieren, den die CDU mit diesem Antrag nicht ändern möchte. Vielen Dank dafür.

Herr Schlotmann hat davor geredet und ausgeführt, dass ja schon Herr Stoiber in Bezug auf die Steuerregelungen einiges gesagt hat. Damit haben Sie ja selbst eingeräumt, dass dieses nicht unbedingt das Thema dieses Antrages ist, den die CDU-Fraktion hier gestellt hat.

Zu Ihrem Angebot, Herr Schlotmann, ich gehe davon aus, dass der Fraktionsvorsitzende dazu noch Stellung nehmen wird. Wenn der Saal voller Zuschauer gewesen wäre, hätte ich es als populistisch bezeichnet, denn es hätte ja eher kommen können.

(Volker Schlotmann, SPD: Sie müssen öfter mit Ihrem Vorsitzenden reden.)

Da der Saal leer ist, weiß ich nicht, was Sie damit erreichen wollen. Es ist ein bisschen spät. Es ist ja nett gemeint möglicherweise,

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

aber es ist auch etwas merkwürdig.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD: Herr Ankermann, Sie wissen doch nicht alles. Sie müssen öfter mit Ihrem Vorsitzenden reden.)

Herr Schlotmann, ich gehe jetzt einfach über zu dem Teil, der etwas weniger auf das, was von Ihnen gesagt worden ist, was von meinen Vorrednern gesagt worden ist, eingeht.

Ich habe auch die „Bild“-Zeitung gelesen, Herr Kollege Rehberg, und da stand am 10. Februar 2003 unter der Schlagzeile „Altkanzler Schmidt spottet über Landespolitiker“ Folgendes:

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU)

„Ihre Minister und Abgeordneten bilden sich ein, sie seien Politiker. In Wirklichkeit sind sie Verwalter. Die entscheidenden Gesetze werden im Bund gemacht.“