Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem 3. Oktober 1990 sind 40 Jahre deutsche Teilung überwunden. Fünf neue Bundesländer sind gegründet worden, darunter auch Mecklenburg-Vorpommern. Bund und alte Länder geben uns, den neuen Bundesländern, 30 Jahre lang die Chance, 40 Jahre deutsche Teilung und die Teilungsfolgen abzubauen. Diese 30 Jahre sind mit Auslaufen des Solidarpaktes spätestens im Jahre 2020 vorbei. Dann müssen wir eigenständig dastehen.
Heute, meine Damen und Herren, haben wir Halbzeit. 15 Jahre Aufbauarbeit liegen hinter uns, weitere 15 Jahre Aufbauarbeit liegen vor uns. Wir haben also noch die Hälfte der Chance, die uns ursprünglich gegeben war, in
unserer Hand. Die Aufgabe, die vor uns liegt, lautet: Herstellung der vollen eigenständigen politischen Handlungsfähigkeit des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahre 2020. Wir müssen die Halbzeit, in der wir jetzt sind, dazu nutzen, unsere Strategie zu überdenken. Der Aufbau Ost ist nicht gescheitert, auch wenn manche das behaupten. Aber auf allen Ebenen muss entschieden werden, ob wir zur Herstellung der gleichwertigen Lebensverhältnisse zwischen Ost und West unsere Richtung ändern müssen oder, mit anderen Worten, ob wir uns neu aufzustellen haben, um das Problem, vor dem wir stehen, zu bewältigen.
Dabei gibt es ganz besondere Probleme und Herausforderungen für unser Bundesland, die andere so nicht haben. Wir haben eine Siedlungsstruktur mit 75 Einwohnern auf den Quadratkilometer, der Durchschnitt beim Bund liegt bei 230, das heißt, die Hälfte aller Siedlungsgebiete liegen darüber. Wir haben eine demographische Entwicklung, bei der wir bis zum Jahre 2020, also innerhalb von 30 Jahren circa 400.000 Einwohner verloren haben werden in unserem Bundesland. Wir werden also bei 1,5 Millionen Einwohnern landen und heute werden diese zukünftigen 1,5 Millionen Einwohner von circa 3 6 0 Behörden hier im Lande verwaltet. Und wir haben eine sehr schwierige strukturelle Entwicklung innerhalb der Wirtschaft. Wir haben im letzten Jahr ein Wachstum von minus 1,7 Prozent gehabt. Ich hoffe, dass sich das so nicht fortsetzt. Aber man muss ja anerkennen, dass wir ganz besondere wirtschaftliche und damit auch finanzielle Herausforderungen in diesem Bundesland zu bewältigen haben.
Das sind die Herausforderungen, vor die wir als verantwortliche Landespolitiker gestellt sind innerhalb dieser Halbzeit. Finanzielle, wirtschaftliche, demographische und raumordnerische Probleme, die Herr Holter schon angesprochen hat, müssen in einem Prozess, das heißt innerhalb der nächsten Jahre, in einem einheitlichen Prozess bewältigt werden.
Dabei haben wir Wege zu gehen, die wir aufgrund der spezifischen Landesbedingungen eigenständig zurücklegen müssen. Für viele Fragen gibt es keine Antworten, die wir einfach so aus den alten Bundesländern übernehmen könnten, wie es 1990 gemacht wurde. Das war nicht unbedingt falsch, aber es zeigt sich ja, dass die Strukturen so nicht passen auf die Bedingungen, die wir in unserem Land vorfinden. Wir werden besonders in drei Bereichen Wege gehen, die in anderen Ländern so noch nicht eingeschlagen worden sind beziehungsweise vielleicht in Zukunft dann auch nach uns so gegangen werden könnten, Anzeichen gibt es dafür:
2. konsequente – die Betonung liegt auf „konsequent“ –, konsequente Übertragung von Aufgaben von oben nach unten, Stichwort: Funktionalreform I und II, das heißt weitgehende Kommunalisierung von heute beim Land liegenden Aufgaben Dabei wird natürlich mit der Aufgabe auch das notwendige Geld zur Erledigung der Aufgabe übertragen wie auch das Personal. Die Einsparungen, die wir prognostiziert haben zwischen Finanz- und Innenministerium, werden sich nach meiner Prognose, weil einige
Bereiche noch gar nicht einbezogen wurden, wie zum Beispiel der ganze Themenkomplex E-Government, deutlich verbessern. Das heißt, wir werden mehr als 180 Millionen einsparen. Das sage ich auch ausdrücklich, weil Herr Rehberg hier völlig andere Zahlen verwendet hat.
3. konsequente Anwendung der neuen Informationstechniken, Aufbau eines einheitlichen Behördennetzes, so dass das örtliche Rathaus beziehungsweise das Gemeindeamt vor Ort als Eingangsportal für den Bürger zur Verfügung steht und der Verwaltungsweg zwischen Bürger und Verwaltung sich deutlich verkürzt
4. eine zügig arbeitende Verwaltung, weil die ganzen Einvernehmens- und Benehmensreglungen in Zukunft wegfallen sollen, jedenfalls weitestgehend, und
Ich bedaure, meine Damen und Herren, dass im Zentrum der Debatte innerhalb der letzten Monate einzig und allein die Frage nach der Anzahl der Kreise gestanden hat. Ich bedauere das.
Mit der Entscheidung, ich zitiere aus der Entschließung, die heute angenommen werden soll, dass in Zukunft die Kreise „umfassende Planungs-, Entscheidungs-, Vollzugs- und Kontrollaufgaben“ wahrnehmen werden, diskutieren wir über die Funktion der Kreise, bei der dann die Anzahl aus ihrer Funktion abgeleitet wird. Und diese Diskussion, meine Damen und Herren, ist viel effektiver als die Frage nach Zahlen.
Ich könnte jetzt eine Vielzahl von Zitaten bringen, Herr Dr. Jäger. Ich weiß gar nicht, Ihr Fraktionsvorsitzender sitzt ja vor Ihnen.
Herr Rehberg wurde in der Presse zitiert mit folgenden Worten, und zwar Ende 2003: „Rehberg schlug ein Modell vor, das die PDS früher favorisiert hatte, acht Kreise und zwei kreisfreie Städte.“ Ich sage das nicht, um vergangene Diskussionen neu aufzuwerfen,
sondern ich sage es deswegen, weil es um die Frage gehen muss, welche Aufgabe soll eigentlich zukünftig auf welcher Ebene wahrgenommen werden.
(Wolfgang Riemann, CDU: Das fragen wir schon lange. Das müssen Sie beantworten. – Eckhardt Rehberg, CDU: Sagen Sie das doch mal!)
Ich kann es nur nicht erkennen, Herr Rehberg. Auch Ihr Konzept zur Deregulierung ist nicht erkennbar.