Protocol of the Session on April 1, 2004

Die Ursachen, die zu diesen Entwicklungsauffälligkeiten führen, sind hinlänglich bekannt. Wir haben sehr viele Kinder, wir beobachten das täglich, die hervorragend mit einem Gameboy umgehen können, es gibt aber viele Kinder, das bestätigen immer wieder Kinder- und Jugendärzte aus den Einstellungsuntersuchungen, die nicht mal einen Hüpfer auf einem Bein hinbekommen. Und es gibt zu viele Kinder, die nicht in der Lage sind, vollständige Sätze zu sprechen

(Torsten Koplin, PDS: Abgeordnete auch nicht.)

beziehungsweise Gehörtes zusammenhängend wiederzugeben.

(Norbert Baunach, SPD: Die unterhalten sich nicht zu Hause.)

Frappierend, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, ist der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

„Die wirklich auffälligen Kinder“, so schrieb kürzlich der Berliner Kinderarzt Dr. Ulrich Fegeler, „stammen überwiegend aus bildungsfernen, ökonomisch benachteiligten Familien. Diese Kinder“, so schreibt der Kinderarzt, und das ist eine Feststellung aus umfangreichen Untersuchungen, „sind sicher von Geburt her nicht benachteiligt. Das Defizit ihrer Entwicklung liegt deshalb auch nicht in ihnen selbst, sondern in ihren Familien begründet. Immer mehr Eltern versagen bei der Aufgabe, ihre Kinder bis zum Schuleintritt gut oder wenigstens ausreichend anzuregen.“ So weit der Kinderarzt Dr. Fegeler.

Die Ergebnisse der PISA-Studie von heute geben nur eine Ahnung von dem, was uns möglicherweise in zehn

Jahren bevorstehen könnte, wenn Sie, wenn wir nicht rechtzeitig gegensteuern.

(Harry Glawe, CDU: Wir steuern gegen.)

Die äußeren Rahmenbedingungen für die Gesundheit von Kindern in den Familien unseres Landes sind in den letzten Jahren bedeutend schwieriger geworden. So gab es 1992 zum Beispiel 61.000 allein erziehende Frauen und Mütter, Frauen und Männer, Verzeihung.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Torsten Koplin, PDS)

Im Jahr 2002 lebten in Mecklenburg-Vorpommern bei einer insgesamt, wie wir alle wissen, rückläufigen Bevölkerung bereits 71.000 allein erziehende Frauen und Männer mit Kindern. Ihnen bleibt in der Regel weniger Zeit für ihre Kinder als anderen Familien. Sie bedürfen weitaus mehr der Hilfe von außen. Das Problem Arbeitslosigkeit will ich in dem Zusammenhang nur erwähnen.

(Harry Glawe, CDU: Das ist völlig richtig. Völlig richtig, Frau Ministerin!)

Es gilt aber auch für die Kinder, dass ihre Bedingungen schwieriger geworden sind, die in Elternhäusern leben mit einem geringen Einkommen. Im Jahr 2002 haben 32 Prozent der Familien des Landes ein Einkommen unter 900 Euro im Monat erhalten. Noch deutlicher wird die Situation, wenn man sich die Sozialhilfequote für Kinder unter drei Jahren vor Augen hält:

(Torsten Koplin, PDS: Das ist erschreckend.)

Sie liegt bei 19 Prozent. Fast ein Fünftel der Kleinkinder unseres Landes befindet sich damit in einer Situation, in der Chancen für die spätere Entwicklung schon frühzeitig beschnitten werden können.

Besorgniserregend bleibt auch die Entwicklung bei unseren Kindern und Jugendlichen in ihrem Suchtverhalten. Im Rahmen einer internationalen Studie gab ein Fünftel der befragten Schülerinnen und Schüler der 9. und 10. Klassen in Mecklenburg-Vorpommern an, schon vor dem elften Lebensjahr Bier und Wein zu sich genommen zu haben. Annähernd 60 Prozent der 15- bis 16-jährigen Schüler gaben im Rahmen derselben Studie an, mehr als sechs Zigaretten täglich zu rauchen. All das sind Entwicklungen, denen eine aktive Gesundheitspolitik entgegenwirken kann und muss.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Die Landesregierung hat deshalb alle Akteure des Gesundheitswesens, aber auch diejenigen, die im Sozialund Bildungsbereich für Kinder Verantwortung tragen, zu einer zielgerichteten Zusammenarbeit aufgerufen und in der hier schon erwähnten Kindergesundheitskonferenz zusammengeführt. Im Mai 2003 hat diese erste Konferenz unter dem Motto „Chancengleich aufwachsen in Mecklenburg-Vorpommern“ stattgefunden. Damit ist ein Prozess in Gang gesetzt worden, mit dem alle Beteiligten im Gesundheitswesen in die Pflicht genommen werden, ihren spezifischen Beitrag zur Verbesserung der Kindergesundheit in unserem Land zu leisten.

Die Kindergesundheitskonferenz hat vier große Ziele definiert, die in Kindertagesstätten, in Schulen, in Freizeiteinrichtungen, aber eben auch in den Familien umgesetzt werden sollten. Diese Ziele umfassen sowohl die Entwicklung von Bewegungsangeboten, die Förderung einer gesunden Ernährungsweise, die Stärkung der Fähigkeiten

zur Stressbewältigung ebenso wie die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Gesundheitsförderung und Suchtprävention in den Lebensräumen von Kindern und Jugendlichen.

Die Belange sozial benachteiligter Kinder sind dabei besonders herausgestellt worden.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Deshalb werden über den Gesundheitsbereich hinausreichende Präventionskonzepte gegenwärtig entwickelt, die, und das ist immer wieder besonders zu betonen, auch die gesundheitliche Kompetenz der Eltern stärken sollen.

Darüber hinaus wurden von Expertinnen und Experten des Gesundheitswesens gemeinsam mit dem Sozialministerium sechs Gesundheitsziele definiert, die die gesundheitliche Vorsorge und insbesondere die Gesundheitsversorgung in unserem Land verbessern sollen. Und dazu zählen eben die Vorsorgeuntersuchungen im Kinderund Jugendalter, die Pflege der...

(Torsten Renz, CDU: Grundgesundheit.)

So ist das.

..., der Impfstatus der Kinder, es geht um die Betreuung chronisch kranker Kinder, es geht um die psychiatrische Versorgung im Kinder- und Jugendalter und nicht zuletzt um die

(Torsten Renz, CDU: Gesundheit im Säuglingsalter. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU – Torsten Koplin, PDS: Herr Renz kennt die!)

Gesundheit im Säuglingsalter und die Senkung der Frühgeburtenrate.

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Ich habe ihr zugearbeitet.)

Wichtiger Bestandteil und zugleich Impulsgeber für den Prozess der Gesundheitsziele kann eine Gesundheitsberichterstattung über Kinder und Jugendliche sein. Sie beschreibt, kommentiert und interpretiert die zusammengestellten Daten, Fakten und Ereignisse des Gesundheitswesens. Diese Daten müssen sowohl ein Bild von den Krankheiten, Folgen und Ursachen einerseits, andererseits aber auch Handlungsbedarf vor Augen führen. Und hier genau ist die Zielrichtung des Antrages der Fraktionen von SPD und PDS angesiedelt. Ich bin gern bereit, gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums diese Zielrichtung weiter mitzuverfolgen.

Es wurde schon gesagt, dass es uns mit dem Kindertagesförderungsgesetz gelungen ist, für den Bereich der vorschulischen Gesundheitserziehung eine Schrittmacherfunktion innerhalb der Bundesrepublik einzunehmen. Vom 1. September an werden die verbindlichen Bildungspläne, welche die Chancengleichheit der Kinder sowie die zielgerichtete Förderung ihrer Entwicklung zum Inhalt haben, für alle Kinder gleichermaßen gelten. Das leistungsfähige Netz von Angeboten und Diensten in der Kindertagesförderung wird zukünftig gerade auch für die Gesundheitserziehung noch besser genutzt werden. Mit dem Ansatz verbindlicher Bildungspläne für die Kita in Stralsund ebenso wie in Demmin oder anderen Städten

(Torsten Renz, CDU: Das KiföG ist verabschiedet worden!)

können wir nicht nur auf den Abbau sozialer Benachteiligungen, sondern eben auch auf die Stärkung der Gesundheit der Kinder frühzeitig Einfluss nehmen.

(Beifall Torsten Koplin, PDS)

Nach dem Kindertagesförderungsgesetz haben darüber hinaus die Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen die Eltern über den Anspruch auf Vorsorgeuntersuchungen bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, also bis kurz vor der Einschulung, zu beraten.

(Torsten Renz, CDU: Das KiföG ist verabschiedet!)

Es geht darum, die Einhaltung insbesondere der Vorsorgeuntersuchungen auch durch die Eltern immer wieder zu begleiten. Das ist ein konkreter Impuls für die Verbesserung von Kindergesundheit. Insofern können die Kindertageseinrichtungen nach dem neuen Gesetz vor der Aufnahme des Kindes auch Angaben über dessen Impfstatus verlangen, die Eltern anregen, eventuell Impfungen nachzuholen und hier im Interesse der Gesunderhaltung der Kinder zu wirken.

(Beifall Harry Glawe, CDU: Sehr gut, Frau Ministerin.)

Wir haben gegenwärtig einen sehr hohen Durchimpfungsgrad, der etwa 96 Prozent beträgt.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wir sind sehr daran interessiert, diesen auch dauerhaft zu halten und durch die Beratung, auch in den Kindertageseinrichtungen, zu stabilisieren.

Nicht zuletzt will ich erwähnen, die Möglichkeiten der Kindertagesförderung können genutzt werden, um im Rahmen einer Verordnung für die Kindertageseinrichtungen künftig Anleitungen zu einer gesunden Lebensführung zu geben. Es werden Grundkenntnisse an die Kinder vermittelt über ihren Körper, hygienisches Verhalten, gesunde Ernährung, Körperbewegung

(Harry Glawe, CDU: Das haben wir auch schon gemacht! Das war schon so!)

und letzten Endes auch über den Umgang mit Gesundheitsgefährdungen, die zu Übergewicht oder zu anderen Beschwerden im späteren Leben führen.

(Harry Glawe, CDU: Frau Ministerin, das ist nichts Neues! Da erfinden Sie das Rad noch mal! – Heiterkeit bei Torsten Koplin, PDS)

Es geht dabei nicht nur um die Bewegung bei Sport und Spiel, sondern es geht auch um Lernschritte hin zu einer gesunden und ausgewogenen Ernährung

(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Aber nicht, dass Sie den Bildungsplan für die Fünfjährigen jetzt auch noch vorstellen!)

sowie zum konsequenten Erlernen von Stress- und Konfliktbewältigung.