Protocol of the Session on April 1, 2004

das Ergebnis der Summe vieler Faktoren. Einer davon, und der ist wesentlich, ist das Vorhandensein hoch qualifizierter und motivierter Menschen und Arbeitnehmer. Herr Sinn, der Präsident der vorhin zitierten Institution, sagt, und jetzt zitiere ich erneut: „In Ostdeutschland sind die Löhne fünfmal so hoch wie in Tschechien und Polen.“ Also wo müssen wir denn hin, um wirtschaftlich wieder interessant zu sein?

Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern ist ein deutsches Bundesland mit europäischen, bundesdeutschen und landesspezifischen Gesetzen, die unser Leben begleiten. Diese sind allgemein für alle Menschen gültig und verbindlich. Zahlreiches Engagement in unserer Gesellschaft zielt darauf, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu stärken. Das ist ein Prozess, der möglicherweise Denken in Generationen erfordert, das ist die Entwicklung des Lohnniveaus an die Leistungsfähigkeit gekoppelt. Das muss akzeptiert werden, dass das so ist. Zu den Akteuren zähle ich findige, qualifizierte, risikobereite Unternehmer ebenso wie Arbeiter und Angestellte, die ihren täglichen Einsatz leisten. Dort, wo fair miteinander die wirtschaftliche Entwicklung der Firma ins Auge gefasst wird, wo gegenseitige Achtung vor der erbrachten Leistung das Tagesgeschehen begleitet, ist Verständnis für Problemsituationen und Bereitschaft für außergewöhnlichen Einsatz auch vorhanden. Das erleben wir täglich, dafür besteht auch Verständnis. Aber es gibt viele, viele andere Beispiele. Und die Statistik, die ich benannt habe, spricht ihre Sprache.

Ich habe festgestellt, dass allein die Ankündigung dieses Antrages einen Sturm des Entsetzens und der Empörung ausgelöst hat. Wenn ich ehrlich sein soll, hat mich das ein bisschen zum Schmunzeln gebracht. Fühlt sich da jemand auf die Füße getreten? Welche Angst besteht denn da? Dass wir per Gesetz festlegen, welcher Mindestlohn in welcher Branche von nun an zu zahlen ist? Dass wir Politiker in Tarifverhandlungen eingreifen? Wir kennen unsere Grenzen.

Sehr geehrter Herr Präsident Hering – er ist leider nicht da, sehe ich –, was befürchten Sie wirklich, wenn Sie uns in der Pressemitteilung am 28.03. derart angreifen? Jeder fünfte Arbeitsplatz ist in Gefahr, weil Politiker von SPD und PDS sich anmaßen, eine politische Debatte zu entfachen? Glauben Sie das denn selbst? Nein, Herr Präsident, nicht alles muss Politik mit Gesetzen regeln.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Die Zeit ist reif für eine umfangreiche gesellschaftliche Debatte. Soziale Marktwirtschaft soll auch künftig unser Fundament sein,

(Harry Glawe, CDU: Welcher Präsident ist denn erst angekommen? – Torsten Renz, CDU: Meinen Sie tatsächlich den Präsidenten?)

aber im Moment bröckelt da etwas. Da reicht es nicht, rechts und links mit einem Gesetz ein bisschen zu kippen, da müssen wir schon mal die Ärmel hochkrempeln,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

nicht weil Wahlkampf ist, sondern weil es allerhöchste Zeit ist, diese Debatte erneut zu beginnen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und ich denke, das ist nicht nur eine Aufgabe von SPD und PDS. Wir haben den Antrag betrachtet als ein Signal

aus diesem Hohen Haus an unsere Gesellschaft, die Debatte zu führen und sich der Debatte ehrlich zu stellen. Und ich fordere Sie hiermit auf, sich diesem Ansatz anzuschließen, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Schildt.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf der Drucksache 4/1111. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/1111 bei Zustimmung durch die Fraktionen der SPD und PDS, bei einigen Gegenstimmen durch die Fraktion der CDU und einigen Stimmenthaltungen der Fraktion der CDU angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Umsetzung der Gesundheitsziele für Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern, auf der Drucksache 4/1113.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Umsetzung der Gesundheitsziele für Kinder und Jugendliche in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/1113 –

Änderungsantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 4/1147 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery von der Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bestmögliche Gesundheit der Bevölkerung ist das Anliegen jeder Gesundheitspolitik. Die Vereinbarung von Gesundheitszielen ist ein Instrument, um dieses Anliegen greifbar zu machen und gemeinsam mit allen Beteiligten schrittweise zu erreichen. Die Diskussion über Gesundheitsziele begann 1978 durch die Weltgesundheitsorganisation. Bei deren Formulierung hatte die WHO das Ziel vor Augen, allen Menschen bis zum Jahr 2000 das Erreichen eines Gesundheitsniveaus zu ermöglichen, das ihnen erlaubt, ein sozial und wirtschaftlich produktives Leben zu führen. Hierauf aufbauend entwickelte das WHO-Regionalbüro Europa 1984 insgesamt 38 Gesundheitsziele. 1998 wurde ein überarbeiteter Zielkatalog „Gesundheit 21“ verabschiedet. Ende des Jahres 2000 begann in Deutschland eine konkrete Bearbeitung mit dem Projekt „Gesundheitsziele.de“. Das Programm „Gesundheitsziele.de“ versteht sich als interdisziplinäres Diskussionsforum, auf dem die zahlreichen gesundheitspolitischen Akteure im Konsens konkrete exemplarische Gesundheitsziele als Vorschlag für die Politik erarbeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Mecklenburg-Vorpommern startete eine Expertengruppe der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung im Jahr 2000 die Erarbeitung zu Empfehlungen von Gesundheitszielen. Zwei Jahre später wurde unter Federführung der Sozialministerin das Forum „Kindergesundheit“ durchgeführt. Dort wurde eine dahin gehende Entschließung verabschiedet, Gesundheitsziele und konkrete Maßnahmen für ihre Umsetzung für die Kinder in Mecklenburg-Vorpom

mern zu entwickeln. Als besonders wichtig schätze ich dabei den Fokus der Entschließung auf den Gesundheitszustand sozial benachteiligter Kinder ein, auf deren Belange dabei besonders geachtet werden soll. Für diese Zielgruppe sollen interdisziplinäre und über den Gesundheitsbereich hinausgehende Präventionskonzepte entwickelt werden, die auch die gesundheitliche Kompetenz der Eltern stärken sollen.

Meine Damen und Herren, die Sozialministerin ist tätig geworden und hat eine landesweite Kindergesundheitskonferenz im Mai 2003 durchgeführt. In dieser Konferenz wurden zehn Gesundheitsziele für Kinder und Jugendliche vorgestellt und verabschiedet. Der Anstoß, den vorliegenden Antrag zu erarbeiten, ergab sich durch ein Gespräch mit Vertretern der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung beziehungsweise Sozialpolitikern aus allen Fraktionen. Dabei wurden uns die erarbeiteten Gesundheitsziele vorgestellt. Diese zehn Ziele finden Sie in unserem Antrag wieder.

Die Landesvereinigung für Gesundheitsförderung bat uns, die Umsetzung der Gesundheitsziele durch den Landtag zu beschließen. Dies erachte ich auch als notwendig, um die Wichtigkeit der Umsetzung der Gesundheitsziele durch den Landtag zu demonstrieren und die Öffentlichkeit für die gesundheitlichen Probleme der Kinder und Jugendlichen zu sensibilisieren. Kinder und Jugendliche stellen eine Bevölkerungsgruppe dar, bei der gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen entscheidend geprägt werden und bei denen der Aufbau von Gesundheitsressourcen für das spätere Gesundheits- und Krankheitsverhalten eine wichtige Rolle spielt. Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Lage und des Gesundheitsverhaltens von Kindern und Jugendlichen müssen deshalb in allen Lebensumfeldern, also in Kindertagesstätten, Schulen und in der Familie, ansetzen.

Im Bereich der Kita haben wir durch das neue KiföG schon einen Schritt in die richtige Richtung für die Gesundheitsversorgung der Kinder getan.

(Beifall Torsten Koplin, PDS)

Doch diesen Weg müssen und werden wir weitergehen.

(Torsten Koplin, PDS: Genau.)

Einen wichtigen Punkt in unserem Antrag stellt die Einbeziehung der Gesundheitsziele in die Gesundheitsberichterstattung des Landes dar. Dies ist eine der Forderungen der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung. Bisher wurde Gesundheitspolitik vor allem auf ökonomische Ziele und Versorgungsziele reduziert.

(Harry Glawe, CDU: Sie haben den Sport neu erfunden.)

Durch die Aufnahme von Handlungsorientierung beziehungsweise Zielbestimmung für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in die Gesundheitsberichterstattung des Landes soll diese zu einem Steuerungsinstrument für die Gesundheitspolitik werden. Als allgemeines Ziel der Gesundheitsberichterstattung gilt die Verbesserung der Gesundheitslage der Bevölkerung und hier insbesondere der Kinder und Jugendlichen.

(Detlef Müller, SPD: Genau.)

Dies kann durch die Einbeziehung der Gesundheitsziele zu einem effektiven und effizienten Einsatz vorhandener Ressourcen führen. Gesundheitsberichterstattung und

Gesundheitsziele greifen ohnehin ineinander, da die Evaluation von Gesundheitszielen transparente Daten erfordert.

Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen und damit insbesondere die Akteure zu unterstützen, die sich in Mecklenburg-Vorpommern für die Gesundheit unserer Kinder einsetzen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, PDS und Harry Glawe, CDU – Torsten Koplin, PDS: Jawohl.)

Ich darf abschließend noch kurz sagen, es liegt ja ein Änderungsantrag der CDU vor, dem wir eigentlich in den wesentlichen Punkten zustimmen können, so dass ich hoffe, dass wir hier letztendlich einen gemeinsamen Antrag heute verabschieden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Dr. Nieszery.

Wie eben schon bemerkt, liegt Ihnen zur Behandlung des Antrages auf Drucksache 4/1113 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf der Drucksache 4/1147 vor.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne damit die Aussprache.

Als Erste hat ums Wort gebeten die Sozialministerin des Landes Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Mit dem heutigen Antrag greifen die Fraktionen der SPD und PDS ein grundlegendes Anliegen für die 4. Legislaturperiode auf. Die Verbesserung der Kindergesundheit wird im Mittelpunkt der Entwicklung von Kindergesundheitszielen stehen. Das haben die Koalitionspartner für die 4. Legislaturperiode in der Präambel der Koalitionsvereinbarung aufgenommen. Und dieses wichtige Anliegen wird mit dem Antrag aufgegriffen.

Die Aufgabenstellungen bei der Verbesserung von Kindergesundheit haben sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Es geht nicht mehr vorwiegend um den Kampf gegen Infektionskrankheiten oder gegen Mangelernährung oder um eine bessere häusliche Hygiene, zunehmend sind die Erkennung und die Behandlung von Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten, der Kampf gegen Fehlernährung und nicht zuletzt der Kampf gegen Suchtgefahren Schwerpunkt der Gesundheitspolitik zugunsten von Kindern und Jugendlichen. Solche Defizite und Störungen sind keine Erkrankungen im klassischen Sinne, trotzdem bedeuten sie eine erhebliche Erschwernis für den Lebensweg eines Kindes. Sie sind bestimmend für seine schulische und berufliche Entwicklung und als eine der möglichen Ursachen für soziales Scheitern bürden sie dem betreffenden Kind und der Gesellschaft hohe Lasten auf.

(Torsten Koplin, PDS: So ist es.)

Gesundheitliche Fehlentwicklungen bei Kindern und Jugendlichen lassen sich an einer Reihe von Parametern messen. Ein wichtiges Indiz sind die kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen bis zur so genannten U 9, die im

Vorschulalter stattfindet. Bei der U 6, die im zehnten bis zwölften Lebensmonat vorgenommen wird, haben wir noch gute Teilnehmerergebnisse an diesen Untersuchungen. Rund 90 Prozent der Kinder werden in diesen Regeluntersuchungen vorgestellt. Dann aber sinken die Teilnahmeraten und schon bei der U 7, das heißt gegen Ende des zweiten Lebensjahres, nehmen nur noch 80 Prozent der Kinder an diesen Vorsorgeuntersuchungen teil. Bei der U 8 dann, die im vierten Lebensjahr, und bei der U 9, die im fünften Lebensjahr stattfindet, sinken die Teilnahmeraten unter 70 Prozent der Kinder drastisch ab. Das ist dramatisch. Weshalb? Weil die Vorsorgeuntersuchungen Aufschluss über altersgemäße Sprachentwicklung, über Verhaltensauffälligkeiten, über die Vollständigkeit von Schutzimpfungen, die Motorik, aber auch das Nervensystem und andere Fragen geben. Gegensteuernde Maßnahmen sind oft nicht möglich, wenn schon die ärztliche Analyse fehlt.

Wenig erstaunlich ist es deshalb auch, dass bei den Einschulungsuntersuchungen des letzten Jahres, also 2002/2003, gravierende Mängel in einer Reihe von Untersuchungsfeldern festgestellt wurden. 17 Prozent unserer Einschüler weisen Auffälligkeiten in der Motorik auf, 8,3 Prozent der Einschüler haben ganz erhebliches Übergewicht, also in einer Form, die dann schon ärztlicher Konsultation bedarf. 10 Prozent der Kinder zeigten Auffälligkeiten im psychosozialen Verhalten und etwa 20 Prozent der Kinder waren im psychisch-physischen Bereich nicht belastbar. Bei 21 Prozent der Schüler sind akustische Differenzierungen nicht in dem Maße ausgebildet, wie es für ein gutes Aufnehmen, Verstehen und Wiedergeben nötig ist.

Die Ursachen, die zu diesen Entwicklungsauffälligkeiten führen, sind hinlänglich bekannt. Wir haben sehr viele Kinder, wir beobachten das täglich, die hervorragend mit einem Gameboy umgehen können, es gibt aber viele Kinder, das bestätigen immer wieder Kinder- und Jugendärzte aus den Einstellungsuntersuchungen, die nicht mal einen Hüpfer auf einem Bein hinbekommen. Und es gibt zu viele Kinder, die nicht in der Lage sind, vollständige Sätze zu sprechen