Fair ist das nicht, weil Sie die fiktiven Möglichkeiten auf 100 Prozent Lohngefüge gleich den Westgehältern den Leuten vorgaukeln.
Es ist sogar, und das gebe ich zu, verständlich und es ist vielleicht der Wunsch eines jeden, dass es so wäre, aber es lässt sich nicht realisieren. Fair wäre gewesen, wenn Sie die Defizite dieser Region und die wirklichen Ursachen benannt hätten. Aber dazu haben Sie nicht den Mut, denn da hätten Sie sich an die eigene Stirn greifen müssen.
(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Rainer Prachtl, CDU – Regine Lück, PDS: Dann greifen Sie mal!)
Das Hauptproblem hier ist die Arbeitslosigkeit, die den Deutschen übrigens seit Jahren beharrlich wie ein Schatten folgt. Das ist unstrittig, hier liegt das Hauptproblem und das gilt es anzugehen. Die schwierige Situation am
Arbeitsmarkt ist auch die Hauptursache für die Wachstumsschwäche Deutschlands. Und wenn Sie glauben, ich bin immer noch am Thema vorbei, dann schauen Sie einmal in das Buch, das Ihr Vorsitzender heute um 14.00 Uhr bekommen hat! Das wäre eine Lektüre für Sie.
Es stimmt, dass in Mecklenburg-Vorpommern das geringste Einkommen bundesweit verzeichnet wird, aber es gilt für uns alle, hier über den Tellerrand hinauszuschauen. Im Bereich des Bruttosozialproduktes, und zwar pro Kopf, wurde die Wohlstandsmaschine Deutschland längst von anderen Ländern überholt – von England, von Frankreich, von Österreich und sogar von Irland. Faktoren wie die Globalisierung und der Fall von Marktgrenzen machen nun einmal auch um Mecklenburg-Vorpommern keinen Bogen. Und so erhöht sich auf ganz natürliche Weise der Druck auf unsere Unternehmen hier in Mecklenburg-Vorpommern. Da nützt es auch nichts, die Unternehmer zu loben, hier ist Niedriglohnkonkurrenz angesagt. Die blanke, nackte Wahrheit! Ein Großteil der Probleme ist nämlich hausgemacht und der Adressat wird durch uns hier klar benannt – das kann auch jeder schreiben –, er sitzt in Berlin auf bundespolitischer Ebene und er sitzt auch hier im Land auf diesen beiden Bankreihen.
Außerdem sind es die exorbitanten und Arbeitsplatz vernichtenden Lohnnebenkosten und die fabulösen hohen Tarifabschlüsse.
Wie sieht denn die ungeschminkte Wahrheit aus? Große deutsche Unternehmen bleiben wettbewerbsfähig, indem sie einen Großteil ihrer Produktion ins Ausland verlagern. Die Menschen in Deutschland, aber speziell hier in Mecklenburg-Vorpommern, verlieren hingegen ihre Wettbewerbsfähigkeit. Ich habe nur darauf gewartet und es kam eine recht platte Floskel: Wenn geringer Lohn für Ansiedlung sorgt, müsste es hier vor Unternehmen nur so wimmeln. Man musste nur darauf warten, es musste kommen, weil es das einzige Argument ist, von dem Sie glauben, dass es zieht. Es hinkt! Wenn man seriös an das Thema herangeht – und die Menschen in MecklenburgVorpommern haben es verdient, dass man sie ernst nimmt und ihnen auch sachlich korrekt reinen Wein einschenkt –, muss man ihnen andere Dinge sagen.
Den Realitäten ins Gesicht schauen, das genau tat die Finanzministerin Frau Keler scheinbar, als sie die Parole herausgab: Entweder 1.600 Angestellte stehen auf der Straße oder sie verzichten ab sofort auf 15 Prozent Lohn!
(Beifall Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Rainer Prachtl, CDU – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sehr richtig.)
In diesem Falle bedeutet das 15 Prozent weniger Lohn für gleiche – pardon –, wahrscheinlich bessere Arbeitsleistung. Aus Ihren Reihen habe ich dazu nichts vernommen.
Wenn gar nichts mehr geht, dann treten wir noch ein paar Landesbedienstete an die Gemeinden ab, die können da ja auch noch ein bisschen was machen. Also es gab sogar noch so ein paar Schlenker drum herum.
Und was heißt nun eigentlich – und das ist ja auch nicht unentscheidend – 100 Prozent Lohn für 100 Prozent Arbeit?
Sind es 100 Prozent Anwesenheit oder 100 Prozent Beschäftigung? Oder heißt 100 Prozent vielleicht geleistete Stunden oder möglicherweise der letzte Schluss Produktivität? In einer Pressemitteilung der Vereinigung der Unternehmensverbände für Mecklenburg-Vorpommern vom 29.03. wird es kurz und knapp auf den Punkt gebracht: „Was hier im Jahre 14 der sozialen Marktwirtschaft von Regierungsfraktionen als durchsichtiges Wahlkampfgetrommel aufgetischt wird, ist beschämend und wird bei potentiellen Investoren und Unternehmen auch entsprechend aufgenommen.“ Eindrucksvoller kann man einen Standort nicht schlecht machen.
Herr Ministerpräsident, diesmal waren es Ihre eigenen Genossen. Und weiter: „In einer Staatswirtschaft mischen sich Politiker in die Lohnfindung der Betriebe ein. In der marktwirtschaftlichen Ordnung der Bundesrepublik sind dafür per Grundgesetz die Tarifparteien zuständig“.
„Und wenn gleiche Löhne wie in einer anderen Region gezahlt werden sollen, muss auch das gleiche produziert und verkauft werden.“
Meine Damen und Herren, an sich wäre das das ideale Schlusswort, aber es gibt noch einiges zu sagen: Schaffen Sie die Strafsteuer auf den Lohn ab! Schreiben Sie Anträge mit der Zielrichtung, die Lohnnebenkosten zu senken, statt dieser prosaischen Verfehlung! Nach Auffassung von Experten, meine Damen und Herren, wird sich ohne eine umfassende Reform der Sozialversicherungssysteme die Arbeitslosigkeit in Deutschland bis 2050 verdoppeln, wobei gleichzeitig ein kontinuierlicher Rückgang des Bruttoinlandsproduktes bis zu 3,5 Prozent im Jahr droht. Und hier gibt es eine Menge Raum für Anträge. Nicht das Lohngefüge, sondern der Mangel an grundlegenden Reformen sind das Übel an der Wurzel.
Bedenklich ist natürlich, dass vor allem die Arbeitslosigkeit der Geringqualifizierten überdurchschnittlich zunimmt. Dennoch bleibt festzustellen, dass das hohe Niveau der Sozialhilfe verhindert, dass sich ein Niedriglohnbereich für Geringqualifizierte entsprechend der persönlichen Produktivität überhaupt entwickeln kann. Das auffälligste Strukturmerkmal der verfestigten Arbeitslosigkeit in Deutschland ist, dass gering qualifizierte Erwerbsfähige am Anstieg der Arbeitslosenquoten überproportional beteiligt sind. So ist auch die Arbeitslosenquote der Personen ohne berufliche Ausbildung in den 80er Jahren von 5 Prozent auf 20 Prozent rapide angestiegen und liegt heute bei 40 Prozent.
In Mecklenburg-Vorpommern hatten wir im Jahresdurchschnitt 2003 32.232 Arbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Dies ist ein ernst zu nehmendes Problem. Was aber tun? All diese Leute umschulen und womöglich noch alle miteinander in innovative Berufsbereiche? Das wäre vielleicht eine Art von Beschäftigung, aber ohne Geist und Ziel. Und jetzt fragen wir uns, was das kostet. In Mecklenburg-Vorpommern betrugen im
Jahre 2003 die durchschnittlichen Monatskosten der Agenturen für Arbeit je Teilnehmer in der beruflichen Weiterbildung und Umschulung circa 1.598 Euro pro Person. Was könnte man mit diesem Geld Vernünftiges unterstützen im Niedriglohnbereich und Menschen in Arbeit bringen?
(Angelika Gramkow, PDS: Wie wäre es denn, wenn die Beschäftigten das verdienen würden jeden Monat?!)
Der aktuelle Bestand der landestypisch – ich höre Sie ja gar nicht –, der aktuelle Bestand der landestypisch historisch gewachsenen und bedingten Arbeitslosen im Februar 2004 liest sich in Auszügen wie folgt: 6.291 landwirtschaftliche Arbeitskräfte, 4.082 Installateure, 3.827 Schlosser, 12.270 Maurer, Betonarbeiter und 4.823 Zimm e r e r , Dachdecker und Gerüstbauer. Ist das ein Zufall, dass wir gerade in diesen Branchen verstärkt den Ruf nach Bekämpfung von Schwarzarbeit vernehmen? Birgt das nicht einen Schluss in sich? Wie setzen wir diese Gelder sinnvoll ein? Das wäre eine Möglichkeit, sich in Ausschüssen zusammenzusetzen, darüber nachzudenken und vielleicht auch einen Modellversuch zu entwickeln.
Ich bin der Meinung, es ist sinnvoller, gestützte Lohnzahlungen im Niedriglohnsektor gegen erbrachte Leistung und Wertschöpfung zu erbringen, statt der Kombination der Inanspruchnahme von Ersatzleistungen und geduldeter Schwarzarbeit, und dies zu Lasten der Sozialsysteme.
Es muss mit Öffnungsklauseln für Tarifverträge unser Arbeitsmarkt flott gemacht werden, das ist unstrittig, und dies gelingt nur im Zusammenhang mit einer aktivierenden Sozialhilfe.
Meine Damen und Herren, im letzten Jahr sind in Mecklenburg-Vorpommern pro Tag – und ich sage es jetzt in einer anderen Lautstärke als der Herr Minister Methling – drei Unternehmen in die Pleite gegangen. Drei pro Tag! Und da kommen Sie und machen den Fortbestand der Wirtschaft in diesem Lande allein an höheren Löhnen fest?!
Ich kann nur hoffen, dass die Einsicht zurückkehrt und Sie diesen Antrag hier als Ausrutscher zurückziehen, sonst werden Sie wahrscheinlich irgendwann den Menschen sagen müssen: Proletarier aller Länder verzeiht uns!
jetzt versuche ich es auf eine ganz andere Art. Herr Ministerpräsident, eigentlich wollte ich den Herrschaften hier erzählen, dass wir beide es in unserem gemeinsamen Wahlkreis schon geschafft haben, einen Modellversuch auf die Beine zu bringen,
indem wir den Niedriglohnsektor in Schwung bringen und schon 100 Leute auf unserer Liste stehen haben – ich wollte nur noch den Start von Ihnen hören –, und eingesetzt hätten wir sie natürlich zur Sanierung der kommunalen Haushalte. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Der Osten ist auf weiten Strecken Billiglohnland, und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat uns bisher nicht geholfen, Arbeitsplätze zu schaffen, und es wird, wie wir alle wissen, uns auch weiterhin nicht helfen können. Gern wird aber behauptet, dass hohe Löhne und insbesondere hohe Lohnnebenkosten der Wirtschaft in Deutschland schaden würden. Deutschland und damit auch Mecklenburg-Vorpommern kann aber den Wettbewerb um die billigsten Arbeitsplätze und Arbeitskräfte nicht gewinnen.
Selbst der Konkurrenzkampf um die Billiganbieter in Europa lässt das flüchtige Reh namens Kapital von Rumänien nach Moldawien flüchten, weil dort eine qualifizierte Näherin nicht 150 Euro im Monat bekommt, sondern nur 70 oder 80 Euro verdient. Gerade aber dieser gnadenlose Wettkampf um billigere und noch billigere Arbeitskräfte, der auch hier im Land teilweise ruinös und nicht zu auskömmlichen Kosten geführt wird, schadet unserem Land, schadet der Wirtschaft und schadet der Gesellschaft,
übrigens auch im globalen Maßstab. Wir halten es für gerecht und vor allem für notwendig, dass gute Arbeit von qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auch gut bezahlt wird, denn was sinkende Realeinkommen und damit sinkende Binnenkaufkraft für eine Volkswirtschaft bedeuten, das erleben wir seit vielen Monaten, fast schon seit Jahren. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, niedrige Löhne heute bedeuten Altersarmut morgen.