Protocol of the Session on March 31, 2004

Herr Ankermann hat etwas Ähnliches gesagt, was den Opferschutz betrifft, und wahrscheinlich würde er sich zu diesem Antrag genauso äußern. Die Antwort ist aus meiner Sicht ganz klar.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Begrüßungsantrag.)

Ja, in gewisser Weise ist es ein Antrag, mit dem etwas positiv herausgestellt werden soll.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Ja, was meinen Sie denn nun eigentlich? Das konnte Herr Krumbholz mir auch nicht erzählen.)

Aber das ist kein Grund für eine abschätzige Bewertung, im Gegenteil.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Meine Damen und Herren, es steht diesem Hohen Haus sehr gut an, die sehr wichtige engagierte Arbeit von Ehrenamtlichen bei der Resozialisierung von Straftätern einmal sehr deutlich und sehr positiv herauszustellen und den in diesem Bereich Tätigen ausdrücklich Dank und Anerkennung auszusprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

So gesehen ist es ein Schaufensterantrag, aber ein guter, richtiger und wichtiger.

(Heiterkeit bei Michael Ankermann, CDU, und Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU – Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Wie wichtig Resozialisierung ist, möchte ich Ihnen gerne anhand der Zahlen und Fakten sagen. In Mecklenburg-Vorpommern werden auf den 1.679 Haftplätzen pro Jahr zwischen 1.500 und 2.000 Leute neu eingeliefert und die, die drin sind, werden entlassen. Das zeigt die große Zahl derer, mit denen wir es zu tun haben und auf die wir versuchen einzuwirken, damit sie eben nicht wiederkommen. 50 Prozent derjenigen, die wir in Haft nehmen, sind in irgendeiner Weise vorbestraft, nicht schon durch Strafhaft, sondern durch vielfältige andere Strafen, Geldbußen oder Ähnliches, so dass man da nicht von Rückfällen reden kann. Aber wir haben etwas weniger Rückfälle als im Bundesdurchschnitt. Etwa ein Drittel derjenigen, die wir in Strafhaft nehmen, kommen dann innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren wieder. Bei uns ist die Rückfallquote ein kleines bisschen geringer. Wir sind in den letzten Jahren deutlich besser geworden, aber wir müssen auf diesem Feld noch besser werden.

Dazu brauchen wir gute Resozialisierungsarbeit. Deshalb ist Resozialisierung extrem wichtig. Das ist Sicherheitspolitik, gute Resozialisierung. Jeder verhinderte Rückfall ist potentieller Täterschutz.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Täterschutz? Nicht Opferschutz? Es geht doch um Opferschutz.)

Deshalb müssen wir im Vollzug und in der Betreuung danach gute Arbeit machen. Im Vollzug, völlig klar, durch die Vollzugsgestaltung bei der Arbeit, Ausbildung, Weiterbildung, und wir müssen gesonderte Kurse machen, um die Fähigkeit zu stärken, später wieder klarzukommen.

Lassen Sie mich, Herr Liskow, lassen Sie mich ein Wort zum Vollzug sagen und zur Resozialisierung, Herr Ankermann, zu der Sie vielleicht gleich noch reden wollen.

(Kerstin Fiedler Wilhelm, CDU: Sollten wir nicht den offenen Vollzug stärken, Herr Sellering? Was sagen Sie zum offenen Vollzug?)

Zu diesem Punkt vielleicht noch ein wichtiger Aspekt, der den offenen Vollzug betrifft.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sagen Sie mal was! Der ist wichtig.)

Offener Vollzug ist etwas, was auch dazu dienen soll, Menschen zu befähigen, später ohne Straftaten zu leben.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Ganz genau. Das ist in der Resozialisierung ein wichtiger Bereich.)

Eines müssen wir uns hier klarmachen: Resozialisierung bedeutet Erziehung und es ist Erziehung unter sehr schwierigen Bedingungen. Jeder, der Kinder hat, weiß, dass das nicht ganz einfach ist mit der Erziehung, und das auch in Elternhäusern, wenn ich mal von unserem Erfahrungshorizont ausgehe, in Elternhäusern, wo Geborgenheit herrscht, Liebe, Zuwendung. Und im Knast versuchen wir diese schwierige Aufgabe an Leuten, die wir gegen ihren Willen festhalten und die wir gerade bestrafen. Das ist nicht ganz einfach.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Da ist – da will ich den offenen Vollzug mal herausheben – die Möglichkeit, jemanden in den offenen Vollzug zu geben, ein Mittel, ihm in diesem Erziehungsprozess vorsichtig kontrolliert Vertrauen zu zeigen, ihm etwas zuzutrauen.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Dann können wir doch den offenen Vollzug stärken.)

Das ist ein sehr schwieriges, aber sehr wichtiges Arbeitsfeld. Das zeigt vielleicht ein bisschen von den Schwierigkeiten, mit denen wir es da zu tun haben.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Stärken wir doch den offenen Vollzug!)

Wir brauchen bei dieser wichtigen Arbeit, und deshalb reden wir heute darüber, deshalb ist das ein Antrag, der aus meiner Sicht die volle Unterstützung dieses Hauses verdient, wir brauchen die ehrenamtlichen Helfer bei dieser schwierigen Aufgabe im Vollzug

(Dr. Margret Seemann, SPD: Und Helferinnen.)

und in der Betreuung danach. Und die Wahrheit ist – um auf den Einwurf von Frau Seemann einzugehen –, dass wir bei den ehrenamtlichen Helfern einen sehr hohen Anteil weiblicher, sehr engagierter weiblicher Helfer haben.

Für die Ehrenamtlichen gibt es sehr viel zu tun. Wir haben in etwa drei Arbeitsfelder, einmal – das ist von Herrn Krumbholz angesprochen worden – Menschen, Frauen und Männer, die in die Anstalten gehen und einzelne Häftlinge betreuen. Das ist eine sehr wichtige Arbeit. Da haben wir noch nicht genug Leute. Deshalb möchte ich diese Gelegenheit heute nutzen, dass wir als Landtag dafür werben. Wir müssen aufklären. Natürlich muss die Justiz auch einiges tun. Also ganz wichtig ist, dass solche Frauen und Männer, die sagen, ich gehe in die Gefängnisse, ich betreue jemanden, dass die nicht, wenn sie an der Pforte ankommen, scheel angeguckt werden, sondern dass ganz klar ist, dass auch die Bediensteten bei uns diese Aufgabe schätzen und sagen, das ist eine wertvolle Ergänzung unserer Arbeit. Das muss richtig gewürdigt werden. Aber ich finde auch wichtig, dass die Politik diese Arbeit würdigt. Vielleicht können wir auch über kleine Aufwandsentschädigungen nachdenken.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Hört, hört!)

Das müsste eigentlich auch möglich sein, darüber nachzudenken.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Hört, hört!)

Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir noch mehr Leute gewinnen werden, diese Arbeit zu tun. Dazu wird sicherlich auch helfen eine Wertschätzung der Politik, eine Wertschätzung des Landtages heute mit diesem Antrag.

Ein zweiter Bereich für Ehrenamt, das ist schon angesprochen worden, sind die Beiräte in den Anstalten. Das ist eine sehr wichtige Arbeit. Sie unterstützen nicht nur den Anstaltsleiter, sondern sie nehmen natürlich auch Hinweise, Kritik von den Häftlingen auf und gehen damit um. Ganz wichtig ist, solche Anstaltsbeiräte sind für mich eine wichtige politische Brücke in die Bevölkerung, weil sie in der Bevölkerung vermitteln können, was wir da tun in den Anstalten und dass da gute Arbeit geleistet wird.

Deshalb liegt mir persönlich sehr daran, dass wir als Anstaltsbeiräte Menschen haben, die in der Gesellschaft

verankert sind, angesehen sind, politisch tätig sind, Kommunalpolitiker vor Ort, aber eben auch sehr viele Landtagsabgeordnete. Und Herr Krumbholz hat verdienterweise diejenigen genannt – in der Vergangenheit hat es schon ganz viele gegeben –, die aktuell tätig sind, aber er hat sie nicht vollständig genannt. Deshalb möchte ich doch hier dem Landtag sie einmal kurz aufzählen und ganz ausdrücklich Dank sagen: Das ist einmal Frau Fiedler-Wilhelm und es sind die Kollegen Caffier, Krumbholz, Neumann, Nieszery, Prachtl und Schlotmann. Herzlichen Dank!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Der dritte wichtige Bereich für ehrenamtliche Tätigkeit betrifft die Betreuung nach der Haftentlassung. Betreuung nach der Haftentlassung wird professionell gemacht von den Mitarbeitern der sozialen Dienste, die wir haben in den vier Landgerichtsbezirken. Da wird sehr gute Arbeit gemacht, aber wir wären nicht so gut, wie wir sind, wenn wir nicht unterstützt würden durch viele Ehrenamtliche.

Dazu möchte ich Ihnen einmal etwas sehr Lobendes und etwas sehr Hervorhebendes sagen, was meine sozialen Dienste, was die sozialen Dienste des Landes betrifft. Das sind sehr engagierte Bewährungshelfer, die hauptamtlich bezahlt ihre Tätigkeit machen und die in ganz großem Maße, mehr als die Hälfte dieser Leute, ihre Arbeit ehrenamtlich nach Feierabend fortsetzen, indem sie Vereine gründen und weitere ehrenamtliche Helfer anleiten, unterweisen, ihnen Hilfestellung geben. Das, finde ich, ist eine ganz tolle Sache. Und wenn jemand von Ihnen einmal draußen vom Bürger auf den öffentlichen Dienst angesprochen wird und darauf angesprochen wird, dass Beamte und Angestellte faule Säcke sind, dann bitte, merken Sie sich auch so ein positives Beispiel!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Strafvollzug und Resozialisierung brauchen eine starke Lobby. Diese Arbeit verdient Respekt und Anerkennung. Das gilt vor allem für die große Zahl derer, die dort ehrenamtlich tätig sind. Ich bitte deshalb dieses Hohe Haus um ein eindeutiges Signal der Anerkennung, der Wertschätzung und der Unterstützung dieser ehrenamtlichen Tätigkeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Neumann von der PDS-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Minister sprach es bereits an, dieser Antrag versteht sich als Aufforderung in der Resozialisierungsarbeit, in den Strafvollzugsanstalten unseres Landes und auch außerhalb dem Ehrenamt besondere Aufmerksamkeit zu widmen. In diesem Sinne soll auch das Konzept zur weiteren Gestaltung des Strafvollzuges im Land Mecklenburg-Vorpommern von 2001 fortgeschrieben werden. Schon dieser Umstand zeigt ganz deutlich, dass wir natürlich nicht am Beginn einer Debatte stehen. Aktuell und dringend wird das Thema „Ehrenamtliche Tätigkeiten bei der Resozialisierung von Straftätern“ jedoch leider oft erst dann, wenn es um leere

Haushaltskassen und einzuleitende Sparmaßnahmen geht.

Die Ressourcen sind bekanntlich für soziale Rehabilitationen innerhalb der Mauern und außerhalb derselben knapp, noch knapper als bislang. Und das ist eines der Probleme, mit denen wir nicht nur hier im Land, sondern vor allen Dingen in vielen Kommunen auch akut und aktuell beschäftigt sind. Wir werden besonders darauf aufpassen müssen – und der Landtag sollte es gezielt kontrollieren –, dass uns nicht die ehrenamtliche Tätigkeit, wie woanders, in diesem Bereich wegbricht.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS)

Wir haben einerseits gewiss viel Geld in Haftanstalten in den letzten Jahren investiert. Auch in die therapeutischen Abteilungen ist viel Geld gesteckt worden in völlig richtiger Weise. Wir kennen die Zahlen, aber auch die Resozialisierungsarbeit kostet andererseits Geld. Sie darf angesichts der Haushaltslage nicht unter die Räder kommen. Wenn dies passiert, betrifft es mehr und mehr ganz bestimmte Gruppen, wie gering qualifizierte Jugendliche, Menschen ohne Ausbildung und Ausländer. Daran dürfte kein Zweifel bestehen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)