Protocol of the Session on March 4, 2004

(Peter Ritter, PDS: Die hatten Schill, den Sie so mögen. Bei Schill war das ganz anders.)

Das ist richtig. Aber das ist mir zu ernst, als es da hinzuziehen. Das war dann nicht der richtige Ausdruck, da haben Sie Recht. Ich bedanke mich trotzdem für Ihre Aufmerksamkeit in der Hoffnung, dass Sie darüber nachdenken, auch wenn Sie nicht zustimmen. Ich bitte trotzdem um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Thomas.

Noch einmal ums Wort gebeten hat der Abgeordnete Körner. – Nicht mehr? Gut.

Damit sind wir am Ende der Aussprache. Ich schließe diese.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf der Drucksache 4/1060. Wer diesem

Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich ums Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/1060 bei Jastimmen der Fraktion der CDU und Neinstimmen durch die Fraktionen der SPD und PDS abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Unterrichtung über die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 4/1057.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Unterrichtung über die Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf den Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 4/1057 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion der PDS. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Einer der wesentlichen Ausgangspunkte für das europäische Einigungswerk waren die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und die Überzeugung, alles tun zu müssen, um eine Wiederholung zu verhindern. Krieg und Zerstörung sollten nie wieder auf europäischem Boden stattfinden und Krieg sollte nie wieder von Europa ausgehen. Heute, fast 59 Jahre nach Kriegsende, fällt das Urteil über die friedensstiftende Rolle der Europäischen Gemeinschaft im Großen und Ganzen positiv aus, schließlich leben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Frieden und das ist ein wirklich hohes Gut, wenn man die kriegerischen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahrhunderte in der Mitte Europas und vor allem zwischen Deutschland und Frankreich in Erinnerung hat. Wir tun gut daran, die Erweiterung der Europäischen Union auch unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Der Frieden in Europa wird sicherer, je mehr Mitgliedsstaaten der Europäischen Union angehören. Und wenn die EU den Staaten auf dem Balkan, also Kroatien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina, Serbien und Albanien, eine Beitrittsperspektive eröffnet, dann ist dies auch unter dem Aspekt zu sehen, den Frieden in dieser Region sicherer zu machen. Nach meiner Überzeugung wäre auch der Beitritt der Türkei ganz besonders in dieser Hinsicht zu bewerten.

(Gesine Skrzepski, CDU: Was?)

Eine solche umfassende Erweiterung ist mit großen Chancen, aber natürlich auch mit Risiken verbunden. Ob neben der wirtschaftlichen Einheit auch die soziale Einheit herzustellen ist, muss angesichts der Erfahrungen, die wir in Ostdeutschland gemacht haben, zumindest mit einem großen Fragezeichen versehen werden. Und ob die Institutionen und Finanzen der EU so reformiert werden können, dass sich die neuen Aufgaben von der Europäischen Kommission finanzieren und administrieren lassen, scheint mir momentan auch noch höchst fragwürdig. Uns ist jedenfalls daran gelegen, diesen Einigungsprozess so nah und so intensiv wie möglich zu begleiten.

Seit Jahren befassen wir uns nun schon – damit meine ich den Landtag, damit meine ich die verschiedenen Bereiche der Ministerien, den Arbeitsminister – mit dieser Problematik. Wir müssen es, denke ich, auch noch verstehen, weitere Bereiche mit einzubeziehen, also dass

sich nicht immer nur spezielle Bereiche für die Problematik Europa verantwortlich fühlen, sondern alle Bereiche. Wir sind auf jeden Fall daran interessiert, zukünftig noch umfassender, zeitnaher und schneller darüber informiert zu werden, wie sich die deutsch-polnischen Beziehungen unter dem Dach der EU nach dem Beitritt Polens entwickeln. Nur dann können wir die Interessen des Landes und die Interessen der Menschen vor allem in der unmittelbaren Grenzregion angemessen vertreten. Aus diesem Grunde bringen wir den Antrag ein, stellen ihn zur Diskussion und befürworten ihn natürlich.

(Beifall Peter Ritter, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Danke schön, Frau Lück.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Körner. – Steht hier. Nein. Aber, Herr Mohr, bitte, Sie bekommen natürlich das Wort. Auf dem Zettel steht Herr Körner. Herr Mohr, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde jetzt einmal versuchen,

(Siegfried Friese, SPD: Im Prinzip kann es jeder Abgeordnete versuchen.)

das hier für den Kollegen Körner auszuführen, ein paar Anmerkungen zum Thema zu machen.

Sehr geehrte Damen und Herren, es sind nunmehr keine zwei Monate mehr bis zum Beitritt von zehn neuen Staaten zur EU und ich denke, es liegt auf der Hand, dass diese Erweiterung natürlich auch Auswirkungen auf den deutschen, speziell aber auf den Arbeitsmarkt von Mecklenburg-Vorpommern haben wird. In diesem Zusammenhang verdient unsere direkte Nachbarschaft zu Polen besondere Aufmerksamkeit. Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein paar Anmerkungen zu der aktuellen Situation.

Es wird im Moment sehr viel geschrieben in der Presse, in den Medien. Ich denke, die Meinungen sind sehr, sehr vielfältig. Das heißt, es gibt auf der einen Seite viele Ängste, aber auf der anderen Seite auch viele Hoffnungen, die sich mit konkreten Chancen verbinden. Exemplarisch ist in diesem Zusammenhang vielleicht die Bauwirtschaft zu nennen. Dort geht zum Beispiel die große Angst um, dass es eine Schwemme von billigen Arbeitskräften und preiswerten Unternehmen geben wird, und man befürchtet sogar einen Zusammenbruch des Bauarbeitsmarktes. Vor diesem Hintergrund wird der Ruf nach Protektion laut. Man erstrebt den Schutz der Branche durch Qualifizierungssysteme und man erhebt die Forderung nach Übergangsregelungen für Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit.

Hinzu kommt dann noch die Debatte aus den vergangenen Wochen. Dazu hat ein namhaftes Wirtschaftsforschungsinstitut in München erheblich beigetragen und den 1. Mai als Katastrophentag insbesondere für die neuen Bundesländer ausgerufen. Man befürchtet von dieser Seite her die Vernichtung, so heißt es, von tausenden von Arbeitsplätzen. Vor diesem Hintergrund wird dann von diesen Damen und Herren auch die Forderung aufgemacht, nach Möglichkeit die deutschen Löhne, insbeson

dere aber die Löhne in den neuen Bundesländern – also auch in Mecklenburg-Vorpommern –, anzupassen an polnisches Niveau. Irgendwo, so heißt es da, sollen sie sich zwischen deutschen Westgehältern und Löhnen und polnischen Löhnen und Gehältern einpendeln.

Ich denke, eins muss ganz klar gesagt werden – und ich bin dem Ministerpräsidenten dankbar, dass er dies auch direkt getan hat, sich in die Diskussion eingemischt hat und zu einer Versachlichung beigetragen hat –, die Ängste, die sicherlich von dieser Seite aus geäußert werden, die müssen ernst genommen werden, das ist ganz klar. Aber, meine Damen und Herren, worauf es mir ankommt, und das möchte ich noch einmal unterstreichen in dieser Debatte, in diesem Zusammenhang, ist Folgendes: Ich denke, wir müssen hier die Chancen sehen. Und wie gesagt, es gibt viele Hoffnungen, die sich mit dem EUBeitritt der zehn Staaten verbinden. Eins ist doch aber ganz klar, wir müssen den Fakt nehmen, dass wir durch den Beitritt, durch die Erweiterung ein Bevölkerungswachstum von 20 Prozent in der EU haben werden. Ich sage das einmal runtergebrochen: Für Polen heißt das, wir sprechen von über 40 Millionen Menschen, die in die EU zu uns kommen. Das heißt natürlich auch, wir bekommen Räume für neue Investitionen, wir bekommen neue Räume für Kooperation zwischen polnischen und deutschen sowie deutschen und ungarischen Unternehmen, und da sehe ich einen sehr guten Anknüpfungspunkt für eine wirtschaftliche Entwicklung und natürlich auch für eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.

Es gibt hier ja durchaus auch Experten. Zum Beispiel möchte ich Herrn Klein nennen von der Deutsch-Polnischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft in Gorzów Wielkopolski. Er ist jemand, der über Jahre hinweg auf diesem Terrain arbeitet und die Szene dort sehr gut kennt. Er sagt ganz klar, nachzulesen im „Nordkurier“ vom 03.03.2004, die neuen Länder werden von der EU-Erweiterung profitieren. Er führt es, denke ich, auch ganz überzeugend aus. Er sagt sogar, dass „eine schnelle Einführung der Arbeitnehmer-Freizügigkeit ohne“ – ich betone, ohne – „Übergangsregeln“ daran „nicht viel ändern (würde)“, vielmehr ist dies positiv zu werten. Und Herr Klein und die DeutschPolnische Wirtschaftsförderungsgesellschaft befinden sich da nicht alleine, sondern wenn wir uns die Presse angucken in den vergangenen Tagen, dann ist, denke ich, deutlich geworden, dass viele Seiten und viele Stimmen die Meinung vertreten, dass sich, insbesondere in deutschen Grenzstädten natürlich, hier die volle Freizügigkeit sogar für polnische Arbeitskräfte in Deutschland positiv auswirkt. Und dies muss man sicherlich bei der Debatte auch berücksichtigen.

Mein Fazit ist summa summarum, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Chancen der Erweiterung dürften deutlich die Risiken überwiegen und die vielfach geäußerte totale Skepsis erscheint mir vor diesem Hintergrund unangebracht. Vor dem Hintergrund möchte ich auch noch einmal darauf verweisen und deutlich machen, dass die immer wieder ins Spiel gebrachte Lohndebatte nicht der einzige Aspekt ist, sondern wir wissen genau, dass Standortentscheidungen zum Beispiel von Investoren, von vielen Faktoren, von vielen Aspekten abhängen. Und das sind eben nicht nur alleine niedrige Löhne. Wir haben als wichtigen Gesichtspunkt die Anbindung an Märkte und Infrastruktur. Wir haben die Frage des Vorhandenseins von motivierten, gut ausgebildeten, qualifizierten Fachkräften, steuerpolitischen Regelungen selbstverständlich und natürlich politischen Zusagen, Dienstleis

tungen der Verwaltung et cetera. Wir haben einen ganzen Kanon von Aspekten, der wichtig ist für eine Entscheidung eines Wirtschaftsbetriebes, eines Investors, sich hier niederzulassen. Und dies alles zu reduzieren auf das Lohnverhältnis und die niedrigen polnischen Löhne oder die niedrigen Löhne im Osten, das ist, denke ich, zu einfach gedacht und führt in der Debatte nicht weiter.

Noch einmal: Ich denke, wir sollten hier die Chancen erkennen und dies auch deutlich machen. Klar ist, wenn wir die Chancen nicht nutzen, werden es andere für uns tun. Das muss ganz deutlich gesagt werden. Und wir werden letzten Endes dann die Nachteile haben.

Ganz besonders in der Arbeitsmarktpolitik kann ich mir vorstellen, dass die Landesregierung noch aktiver wird im Bereich von deutsch-polnischer Kooperation.

(Beifall Detlef Müller, SPD)

Das würde ich auch einfordern wollen. Das heißt, wir müssen insbesondere im Bereich Ausbildung, Ausbildung insbesondere von jungen Menschen, aber auch darüber hinaus im Bereich Weiterbildung – also da, wo es darum geht, Beschäftigte weiterzubilden, fit zu machen, fit zu halten für die weitere Entwicklung, für die Herausforderungen des Arbeitsmarktes – dies tun, aber dies tun in einem deutsch-polnischen Kontext. Ich denke, es kommt da sehr gut gelegen, dass wir im Politikbereich C lebensbegleitendes Lernen haben als Teil des ASP, wo wir ganz bestimmte Projekte zukünftig andocken und weiterentwickeln können. Und erlauben Sie mir, an dieser Stelle festzustellen, dass die Verlässlichkeit der deutschpolnischen Zusammenarbeit dabei natürlich außer Frage steht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich habe gerade von der hiesigen Arbeitsmarktpolitik und meinen Anforderungen oder vielmehr von meinen Wünschen gesprochen, die ich habe.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich bin dankbar, dass es für 2004 zwei neue Aktionsprogramme geben wird, zumindest sind diese geplant in diesem Bereich. Ich denke, das ist gut und zeigt in die richtige Richtung.

Vielleicht noch eine Anmerkung: Die Formel „EU-Osterweiterung als Chance“ wird sehr oft von vielen Politikern in den vergangenen Tagen und Wochen bemüht, sicherlich auch noch bis zum 1. Mai und darüber hinaus. Aber, und das möchte ich noch einmal deutlich machen, EUOsterweiterung als Chance, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist kein Selbstläufer, das passiert nicht automatisch, sondern wir müssen zur Kenntnis nehmen, wir müssen realisieren, dass wir insbesondere in die Partnerschaft mit Polen, mit Westpommern investieren. Und ich denke, da ist Erbsenzählerei, meine Damen und Herren, nicht angebracht. Die Politik muss hier ihre Hausaufgaben machen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Hier zählt doch gar keiner Erbsen!)

Ich denke, in dem Zusammenhang ist Folgendes ganz interessant: Es gibt eine sehr aktuelle, wissenschaftliche Arbeit von einer Wissenschaftlerin in Greifswald, die eine Dissertation geschrieben hat über diesen gesamten Themenkomplex. Sie kommt zu der Auffassung, dass sich die deutsche Bevölkerung stärker nach innen orientiert. Bei

den Polen ist das anders. Wir haben hier also entgegensetzte Entwicklungen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, die kommen ja komplett wieder in meine Gemeinde!)

Hören Sie zu, Herr Riemann!

Zum Beispiel eine weitere Zahl, die interessant ist, wie ich finde:

(Wolfgang Riemann, CDU: Doch, ja, die kommen auch wieder in meine Gemeinde.)

Nur 11 Prozent Polnischkenntnisse sind auf deutscher Seite zu verzeichnen, 62 Prozent der Polen dagegen haben Deutschkenntnisse. Oder noch einmal eine andere Zahl: Derzeit lernen in Mecklenburg-Vorpommern 0,06 Prozent der Schüler Polnisch, nur ein Fünftel der Deutschen im Grenzraum hat Kontakte zu Polen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir gehören dazu!)

Beim östlichen Nachbarn, bei den Polen, sind das mehr als doppelt so viel. Das wussten Sie wohl noch nicht, Herr Riemann?

(Wolfgang Riemann, CDU: Wir haben eine Partnerschaft mit einer polnischen Gemeinde.)