Protocol of the Session on December 11, 2003

(Ute Schildt, SPD: Nicht Zwangsabgabe, Umlage.)

Ja, dann erklären Sie mir nachher den Unterschied. Ich kann den so schnell nicht erfassen. Frau Kollegin Schildt meint, es sei eine Umlage. Ich sage, bei der wirtschaftlichen Situation ist das eine Zwangsabgabe.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, genau.)

Es ist ein Zwang für Unternehmen, der geradezu tödlich wirken kann.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Die Einführung einer solchen Ausbildungsplatzzwangsumlageabgabe – jetzt habe ich es aufgegriffen – würde letztlich in unverantwortlicher Weise einer Verstaatlichung der beruflichen Bildung Vorschub leisten.

(Mathias Brodkorb, SPD: Das haben wir ja jetzt schon. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir haben in Deutschland ein weltweit anerkanntes System der dualen Bildung. Soll das alles gefährdet werden, nur um durch völlig ungeeignete Maßnahmen das eigene ideologisch voreingenommene Gewissen zu beruhigen? Damit wird niemand seiner politischen Verantwortung gerecht. Damit helfen wir den Jugendlichen nicht und den Unternehmen schon gar nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was wir brauchen, ist keine weitere bürokratische und finanzielle Schikane für die Wirtschaft, ganz im Gegenteil. Wir brauchen – und ich dachte, das wäre hier Einvernehmen im Hohen Hause, Frau Kollegin Schildt –, wir brauchen weniger Bürokratie. Die Vorschläge zum Bürokratieabbau liegen in großer Anzahl auf dem Tisch. Herr Minister Sellering hat ja einiges schon aufgegriffen davon.

(Angelika Gramkow, PDS: Fleißig ist er.)

Bei weitem noch nicht genug, Frau Kollegin Gramkow. Dem stimmen Sie sicherlich zu.

(Angelika Gramkow, PDS: Wir sind doch erst auf dem Weg.)

Sie sind auf dem Wege, aber der Weg ist erstens sehr lang und das Tempo ist zu langsam.

(Angelika Gramkow, PDS: Aber für drei Monate ist doch das schon ganz schön.)

Greifen Sie die Punkte auf,

(Angelika Gramkow, PDS: Ja, Herr Dr. Born, wir müssen aufräumen, was Sie eingeräumt haben.)

greifen Sie die Punkte auf, Frau Kollegin Gramkow, und befreien Sie das Land von lähmenden Vorschriften, vor allem schaffen Sie keine neuen unnützen Vorschriften!

(Beifall Andreas Petters, CDU – Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Zum Beispiel?)

Zum Beispiel, Frau Kollegin Gramkow, Ihre Errungenschaft, wie etwa das Bildungsfreistellungsgesetz oder das 17-seitige Antragsformular für die Förderung betrieblicher Ausbildungsplätze,

(Angelika Gramkow, PDS: Also für beides bin ich nicht zuständig, für beides bin ich nicht zuständig.)

das ist nicht nur bürokratische Willkür, sondern das lähmt die Entwicklung des Landes. Also weg mit diesem Dickicht von Vorschriften! Was wir brauchen, sind weitreichende Strukturreformen der verkrusteten Sozialsysteme. Wir müssen den Faktor Arbeit verbilligen, damit Unternehmen, insbesondere aber Arbeitnehmer nicht weiter von der Abgabenlast erdrückt werden. Letztlich können nur so auch Investitionen wieder angeregt und Ausbildungsplätze geschaffen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben ja eine Anhörung gehabt, eine öffentliche Anhörung. Und ich freue mich, dass Herr Schlüter vom Deutschen Gewerkschaftsbund da ist. Wir haben uns da auch mal über die Ausbildungsquote unterhalten in unterschiedlichen Unternehmen. Die Ausbildungsquote in den Betrieben insgesamt beträgt 17 Prozent 2002, 2003 12 Prozent, in den Betrieben der IHK. Die Ausbildungsquote beim DGB 1,4 Prozent, 12 Auszubildende bei 870 Beschäftigten. Die Ausbildungsquote bei der IG Metall 0,6 Prozent, nämlich 16 von 2.800. Die Ausbildungsquote bei ver.di 0,3 Prozent, das sind 16 von 5.000.

Nun haben wir gefragt, was bringt denn die Ausbildungsplatzabgabezwangsumlage für diejenigen, die im Bereich der Gewerkschaften ausgebildet werden wollen, damit die Quote wenigstens sich annähert an die Quote der Betriebe in der Wirtschaft? Die Antwort war: Gar nichts, nichts! Warum? Nun, es hängt wohl mit demjenigen zusammen, der die Ausbildung zu verantworten hat. So wurde uns erläutert, dass dann diejenigen auf dem Markt schlecht unterkommen könnten. Das Einzige, was passiert, wäre, dass diese Abgabe von den Gewerkschaften gezahlt würde. Aber was haben wir damit für die Jugendlichen erreicht? Gar nichts!

Meine Damen und Herren, bitte helfen Sie mit, dass unsere Unternehmen unter den extrem schwierigen Bedingungen, unter denen sie arbeiten müssen, nicht noch zusätzlich mit einem Dickicht von Vorschriften überzogen werden und mit Abgaben belastet werden, die den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen noch weiter in Frage stellen und dann dazu beitragen, dass überhaupt keine Jugendlichen mehr in solchen Unternehmen ausgebildet werden können, weil sie inzwischen in die Insolvenz gegangen sind. Und, meine sehr verehrten Damen und

Herren, helfen Sie bitte mit – und das ist das Ziel unseres Antrages –, dass hier nicht ein weiterer Moloch entsteht an Vorschriften, letztlich an Rechtsstreitigkeiten, die vorprogrammiert sind, die niemandem nützen, außer vielleicht einer Berufssparte, der ich zwar nicht ganz fremd stehe, aber die muss selbst sehen, wie sie zurechtkommt, und nicht durch solche Vorschriften zusätzliche Arbeit bekommen.

Wenn Sie mir das nun nicht so ohne weiteres abnehmen, dann appelliere ich an Sie, den hohen Sachverstand des Bundeswirtschaftsministers und des sich jetzt bei der Wirtschaftsministerkonferenz befindlichen Wirtschaftsministers des Landes Mecklenburg-Vorpommern doch auf sich wirken zu lassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister Clement hat eindringlich, sogar auf allen Kanälen in den Rundfunk- und Fernsehanstalten, in allen Medien dafür geworben, die Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu verbessern, und Sie zugleich beschworen – jetzt muss ich wirklich in Ihre Richtung kucken –, von diesem Ansinnen „Ausbildungsplatzzwangsumlageabgabe“ abzusehen.

(Reinhard Dankert, SPD: Nun fangen Sie mal nicht an zu stottern! – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Soll ich es zitieren, was er alles gesagt hat? „Ich selbst gehöre zu denen, die überzeugt sind, das Tun aus freien Stücken ist besser, ist erfolgversprechender“, sagte der Minister. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Minister hat Recht, ich kann ihm leider nicht widersprechen, und ich denke, Sie können es auch nicht mit gutem Gewissen tun. Er sagt in SPIEGEL ONLINE am 10. Novemb e r 2003, ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin: „,Wir sollten mit dem Problem so umgehen, wie es sich gehört, und es mit den Unternehmen am Markt lösen‘… Es sei ,unglaublich kompliziert‘, auf die Situation eines jeden Unternehmens ,differenziert‘ zu reagieren.“ Und die SPDgeführte nordrhein-westfälische Landesregierung hat Minister Clement ausdrücklich unterstützt.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Da heißt es: „Von der Landesregierung in NordrheinWestfalen kommt dazu“ – zu der Ausbildungsabgabe – „ein Nein.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass die rote Lampe in diesem Moment leuchtet, dem messe ich symbolische Bedeutung bei.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Bitte zeigen Sie dieser Ausbildungszwangsumlageabgabe die rote Karte! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Karsten Neumann, PDS: Die rote Lampe galt aber Ihnen. Das war auch symbolisch.)

Vielen Dank, Herr Dr. Born.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Schulte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geschätzter Herr Born, es freut mich immer, wenn ich nach Ihnen reden darf.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Das meine ich jetzt ernsthaft, Frau Gramkow, denn die rhetorischen Fähigkeiten des Herrn Kollegen Born schätze ich wirklich und ich wollte ihm nicht im Gerichtssaal begegnen. Da ist mir das hier schon lieber.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Das hat natürlich mit dem Inhalt der Ausführungen nicht unbedingt etwas zu tun, weil es immer noch die Frage ist, wie man Rhetorik und Inhalt voneinander trennen kann.

Meine Damen und Herren, wir sind uns über eins einig: Qualifizierte Berufsausbildung bietet die beste Gewähr, um am Arbeitsmarkt tatsächlich Tritt zu fassen. Und nur wer eine qualifizierte Berufsausbildung genossen hat, ist in der Lage, sich später sein Berufsleben aufzubauen und tatsächlich sich dann auch den zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen, die immer wieder auf ihn zukommen, auch gewachsen zu zeigen. Denn auch das hat sich ja nun inzwischen gezeigt, Berufsausbildung ist nicht etwas, was einmal durchgeführt worden ist für drei Jahre, und das ist dann ein Abschluss gewesen und danach findet kein Prozess mehr statt. Ich glaube, darüber sind wir uns auch in diesem Hause einig, dass Berufsausbildung etwas ist, was auf Dauer ausgerichtet ist und immer wieder erneuert und fortgesetzt werden muss.

Aber wenn wir hier über eine Ausbildungsplatzabgabe sprechen, dann sprechen wir über die Grundlage, die gelegt werden muss, damit ein junger Mensch tatsächlich in die Lage versetzt wird, auch später sich diesen Herausforderungen weiter stellen zu können. Und wir sprechen auch darüber, dass wir damit die Voraussetzung schaffen, um überhaupt für die Gesamtgesellschaft die Bedingungen zu schaffen, dass der gesamtgesellschaftliche Wohlstand erhalten beziehungsweise gesichert wird.

Herr Kollege Born, wir sind uns einig darüber, die Unternehmen – insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern, aber nicht nur hier im Land, sondern bundesweit –, die ausbilden und das seit Jahren schon getan haben und das auch in einer angespannten wirtschaftlichen Situation getan haben, verdienen unseren höchsten Respekt und unsere höchste Anerkennung.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Vor allem auch die Unternehmen, die es nicht nur für den eigenen Bedarf getan haben, sondern die es darüber hinaus auch für andere Unternehmen getan haben. Und da kommen wir natürlich zu einem Punkt, auf den ich noch gleich einmal näher eingehen werde, der im Zusammenhang mit dieser Ausbildungsplatzabgabe tatsächlich von Bedeutung ist. Wir müssen nämlich feststellen – und das ist auch eine bedauerliche Entwicklung, die sich in den letzten Jahren immer weiter verstärkt hat –, dass heutzutage bundesweit nur noch rund ein Drittel aller Unternehmen ausbildet. Wenn ich richtig informiert bin, sind wir hier im Land Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich noch etwas besser, was den Ausbildungsdurchschnitt angeht. Auch das muss man anerkennenswerterweise sagen und zumindest dazu, um das heute auch hier mal in diesem Haus sagen zu können, ist natürlich Ihr Antrag sinnvoll.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS)

Das Aber kommt später.

Wir müssen allerdings auch feststellen, dass diese Minderheit von einem Drittel – um das noch mal deutlich zu sagen – von Unternehmen gemeinsam mit dem Staat letztendlich sämtliche Lasten trägt, an denen die Gesamtgesellschaft hinterher partizipiert. Wir alle haben etwas davon – fangen wir an bei den Sozialversicherungsbeiträgen, den Steuern oder was auch alles sonst noch dazukommt –, wir alle haben was davon, wenn junge Menschen gut ausgebildet werden, hinterher ins Berufsleben eintreten können und dort erfolgreich sind. Aber auch die Unternehmen, die nicht ausbilden, meine Damen und Herren, haben etwas davon. Und auch das muss man an dieser Stelle ganz deutlich sagen.