Protocol of the Session on December 10, 2003

„und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielen darf.“, darf nicht das Schicksal des Spielers von Dostojewski im Vordergrund stehen,

(Heiterkeit bei Siegfried Friese, SPD)

denn dieses Schicksal zeigte, welche Irrungen und Wirrungen bei einer ganz und gar frei liberalisierten Rechtslage kommen können. Deshalb soll dieses Spielbankgesetz, dieser Entwurf, diesen neuen ordnungsrechtlichen Vorstellungen entsprechen, wonach auch künftig die Anzahl der Spielbanken auf höchstens sechs in Mecklenburg-Vorpommern beschränkt wird.

Andererseits darf und kann nicht verkannt werden, dass das Spielbankwesen heute und wohl erst recht in naher Zukunft sich nicht allein nach dem überkommenen, letztlich noch aus dem 19. Jahrhundert stammenden ordnungsrechtlichen Verständnis beurteilen lässt. War früher das Betreiben einer Spielbank noch mit einem Makel behaftet und daher schon von vornherein mit einem Unwerturteil vorbelastet, so hat sich gerade diese Einschätzung heute gewandelt. Das Betreiben einer Spielbank fällt derzeit unstreitig unter den grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit, wie es zuletzt das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 hervorgehoben hat.

Diese Erkenntnis hat nun aber dann auch weitreichende Konsequenzen für die Zulassung von Spielbanken und erfordert deshalb die gesetzliche Vorgabe von konkreten Auswahl- und Entscheidungskriterien. Das ist ein ganz wesentliches Merkmal dieses neuen Gesetzentwurfes. Dadurch wird ein hohes Maß an Transparenz und Vergleichbarkeit erzeugt, mithin also Rechtssicherheit für alle Beteiligten gewährleistet. Diese grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Prämissen werden in dem Ihnen vorgelegten Regierungsentwurf erstmalig in der Bundesrepublik Deutschland durch ein Bundesland umgesetzt.

Ich will auf einen weiteren wichtigen Punkt in diesem neuen Gesetzentwurf hinweisen. Die Erteilung einer Spiel

bankerlaubnis ist zukünftig an die Erstellung eines Sozialkonzeptes gebunden. Wir wissen alle, welche Rolle zunehmend die Spielsucht in vielen Bereichen des Spielbetriebes, auch bei den Spielbanken einnimmt. In diesem Sozialkonzept müssen die Maßnahmen des künftigen Spielbankbetreibers zur Vorbeugung und Behebung sozial schädlicher Auswirkungen des Spieles dargestellt werden. Dies ist auch in Deutschland durch unseren Gesetzentwurf beispielhaft und bisher in keinem Bundesland umgesetzt.

Wie Sie wissen, sind in den letzten Jahren in Schwerin, Rostock-Warnemünde, Stralsund, Waren und Heringsdorf Spielbanken zugelassen worden, die rentable Betreibung allerdings dieser Spielbanken ist sehr schwierig geworden. Im ganzen Bundesgebiet stagnieren die Besucherzahlen, auch in Mecklenburg-Vorpommern, nachdem Mitte der 90er Jahre zunächst sehr hohe Zuwachsraten und vermehrte Neueröffnungen von Spielbanken im Bundesgebiet zu verzeichnen waren. In Mecklenburg-Vorpommern waren die Erwartungen an die Besucherzahlen schon bei Erlass des geltenden Spielbankgesetzes geringer als in wirtschaftsstarken Regionen der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch bleiben auch hier die tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolge, auch aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und des sich daraus ergebenden generellen größeren Wettbewerbsdruckes der Spielbankenstandorte weit hinter den Prognosen zurück. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf die Abgabenstrukturen im Spielbankrecht.

Es muss die Wahl von Standorten für Spielbanken wesentlich flexibler gestaltet werden.

(Beifall Angelika Peters, SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete von der Insel Rügen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Während die Zahl der maximal zulässigen Spielbanken weiterhin auf sechs begrenzt bleiben soll, hat sich die Regelung der Standorte in einem formalen Gesetz in der Vergangenheit als viel zu starr erwiesen. So war es beispielsweise in Stralsund und in Waren nicht möglich, die Spielbanken auch nur knapp außerhalb der Stadtgrenzen zu errichten, obwohl hier wesentlich günstigere Bedingungen für den Standort vorgelegen haben. Demgegenüber kann das Land durch die vorgesehene Neuregelung wesentlich schneller auf sich wandelnde wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagieren. Die Festlegung der Spielbankenstandorte und der Nebenspielbetriebe soll deshalb nicht mehr im Gesetz, sondern durch eine Verordnung des Innenministeriums erfolgen. Manch einer verfolgt ja die Debatte, insbesondere auch gerade was den Standort Stralsund respektive die Diskussion auf der Insel Rügen derzeit betrifft.

Der Gesetzgeber darf sich, gerade im Interesse eines seriösen kontrollierten Spielangebotes, der gesteigerten Nachfrage nach dem Automatenspiel, dem so genannten Kleinen Spiel, nicht verschließen. Nach der bisherigen Rechtslage sind sechs Spielbanken zulässig, die alle das Große und Kleine Spiel anzubieten haben. Zukünftig soll die Errichtung reiner Automatensäle aber auch außerhalb der eigentlichen Spielbankenstandorte gestattet werden, so dass es in Mecklenburg-Vorpommern erstmalig auch möglich wird – das ist ein dezidierter Wunsch gewesen der Betroffenen –, auf den hier im Lande registrierten Fährschiffen das Kleine Spiel zu ermöglichen.

Eine weitere Konsequenz aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Spielbanklandschaft muss – ich habe schon darauf hingewiesen – zwangsläufig eine Veränderung der bestehenden Abgabenstruktur sein. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält deshalb weitreichende Neuregelungen, die dieser gesamtwirtschaftlichen Situation der Betriebe gerecht werden. Hervorzuheben ist, dass eine Grundbesteuerung in Form der Spielbankabgabe und darüber hinaus an eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfende Zusatzabgabe vorgesehen wird. Die Höhe der Spielbankabgabe wird auf eine Grundabgabe in Höhe von 50 Prozent des Bruttospielertrages begrenzt und entsprechend dem im Kalenderjahr anfallenden Bruttospielertrag bis auf eine maximale Höhe von 80 Prozent gestaffelt. Zusätzlich wird eine Zusatzabgabe eingeführt, die sich an der wirtschaftlichen Leistungskraft einer Spielbank orientiert und bis zu 50 Prozent dieses Gewinns abschöpft. Dieses neue System dient zum einen der Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Spielbanken und ihres langfristigen, sicheren Spielbetriebes und sichert zum anderen auch ab, dass der Staat bei einer übermäßigen Gewinnerzielung durch eine entsprechende Abgabe, aber eben auch nur dann, beteiligt wird.

Hinweisen will ich auch darauf – das ist ein Wunsch der Kommunen gewesen –, dass diese Neuregelung nicht nur dem Land, sondern auch den kommunalen Körperschaften, die Spielbankenstandorte haben, zugute kommt. Diese können bis zu 15 Prozent an diesen Abgaben partizipieren.

Meine Damen und Herren, ich will zusammenfassen. Mit diesem Gesetzentwurf erfüllen wir drei wesentliche Punkte:

1. Mit Blick auf den auch im Spielbankbereich zu beachtenden grundrechtlichen Schutz der Berufsfreiheit werden im Rahmen der Konzessionsvergabe transparente Auswahl- und Entscheidungskriterien für den Spielbankbetrieb vorgegeben.

2. Damit das Land schneller auf die veränderten Umweltbedingungen, auch in wirtschaftlicher Art, reagieren kann, wird in Bezug auf die Festlegung der Standorte eine Flexibilisierung vorgesehen.

3. Um den gesamtwirtschaftlichen Situationen der Spielbankbetriebe Rechnung zu tragen, wird die Abgabenstruktur neu konzipiert und für den Betreiber erleichtert.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und wünsche den Beratungen viel Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne damit die Aussprache.

Als Erster erhält das Wort der Abgeordnete Herr Ringguth für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrter Herr Innenminister Dr. Timm!

(Angelika Peters, SPD: Kolleginnen auch! Kolleginnen auch!)

Das war wahrscheinlich so schnell ausgesprochen, dass die Kolleginnen, die jetzt ganz ausdrücklich von mir begrüßt werden, weggeschluckt wurden, was Kolleginnen in keinem Fall verdient haben, liebe Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Ich freue mich unglaublich, dass ich solche Beifallsstürme von der von mir aus gesehen linken Seite habe,

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

und möchte aber ab sofort etwas nachdenklicher werden. Denn, meine Damen und Herren, nun liegt er wirklich vor uns – ein großartiger Gesetzentwurf unserer Landesregierung am Ende eines großartigen deutschen Reformherbstes, der Entwurf unseres Spielbankgesetzes, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Heike Polzin, SPD: Oh, klingt das!)

Rien ne va plus! Nichts geht offensichtlich mehr!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Denn statt über einen ersten Gesetzentwurf – und ich gucke jetzt in die Richtung, wir haben eben darüber gesprochen – zum Beispiel zur Verwaltungs- und Funktionalreform oder aber über die Verabschiedung der längst überfälligen Änderung der Kommunalverfassung unseres Landes zu debattieren – und ich erinnere daran, vor einem Jahr auf den Tag genau haben wir hier gestanden und haben von hier aus als CDU-Fraktion eben die Änderung der Kommunalverfassung angemahnt, wir sind noch nicht durch –, also anstatt über so wichtige Themen zu debattieren, reden wir hier heute über das Spielbankwesen im Allgemeinen und die notwendige Kanalisierung des Spieltriebes der Mecklenburger und Vorpommern im Besonderen, meine Damen und Herren.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Andreas Petters, CDU: Jawohl!)

Sind das wirklich die Probleme, die jetzt in unserem Land gelöst werden müssen, hat eine alte Dame bei einer Rentnerweihnachtsfeier am Montag mich gefragt, als ich ihr sagte, worüber ich denn bei diesem Landtag sprechen würde. Sind das wirklich die Probleme? Und ein anderer, den ich seit vielen, vielen Jahren kenne und sehr schätze, war der Auffassung, dass mit gleicher Berechtigung vor diesem Hohen Hause – und ich spreche jetzt insbesondere die Mitglieder des Innenausschusses, Herr Friese, an, die jetzt vor kurzem in Vilnius, in Litauen waren und dort eine Reise gemacht haben, eine sehr interessante –, er hat also gesagt, mit gleicher Berechtigung hätte hier heute über den schwierigen und interessanten Rechtsfall debattiert werden können, bei dem es – und ich hoffe, jetzt nichts zu vergessen – erstens um einen Dachgepäckträger, zweitens um einen Skisack und drittens um eine Schwiegermutter ging.

Meine Damen und Herren, ich komme zurück zum Gesetzentwurf.

(Heinz Müller, SPD: Aha! Toll!)

Wenn es also der Landesregierung am Ende eines Reformjahres gelungen ist, die Abgeordneten mit einem solchen Gesetzentwurf zu überraschen, so bleibt dafür

die Begründung für die Notwendigkeit einer kompletten Neuregelung des Spielbankrechts einigermaßen unklar. Unstrittig ist, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen geändert haben, zum Schlechteren offensichtlich, denn seit vier Jahren stellen die Spielbankbetreiber Anträge zum Teilerlass der Spielbankabgabe nach der Abgabenordnung Mecklenburg-Vorpommern. Das ist Realität. Die Troncabgabe machte zudem von Anfang an eigentlich wenig Sinn, da die Tronctöpfe selbst in den etablierten Kasinostandorten der alten Bundesländer, zum Beispiel Baden-Baden, bereits Ende der 80er Jahre kippten. Da die Tronctöpfe in Mecklenburg-Vorpommern von Anfang also nicht ausreichen, um das Personal zu finanzieren, musste aus dem Bruttospielertrag, das ist dann Einsatz minus Gewinn, mitfinanziert werden mit entsprechender Auswirkung auf die Spielbankabgabe. So weit also, so schlecht.

Nun soll bei der Erhebung der Spielbankabgabe – und das ist das Neue an diesem Gesetz – und der neuen Zusatzabgabe auf das eigentlich doch so flexible Instrument der Rechtsverordnung verzichtet werden. Stattdessen sollen nun starre gesetzliche Regelungen die Reaktion auf die sich ändernden wirtschaftlichen Verhältnisse darstellen.

Und, wer hätte das gedacht, meine Damen und Herren, das Ganze passt doch noch zum Reformherbst. Wir deregulieren nämlich. Der Gesetzentwurf hat nun 17 lange, statt früher 12 kurze Paragraphen und im Zuge der Deregulierung entfallen tatsächlich zwei Verordnungen ersatzlos, und zwar die Verordnung über die Spielbankabgabe und die Verordnung über die Troncabgabe.

(Karsten Neumann, PDS: Das ist doch in der Summe wieder weniger.)

Das ist doch super, eine tolle Leistung,

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

wenn da nicht quasi als Ausgleich nun dort mit Rechtsverordnungen gearbeitet werden würde und geregelt werden soll, wo bisher der Gesetzgeber selbst geregelt hat. Wir tauschen also quasi nur. Und das Stichwort, meine Damen und Herren, ist Verordnungsermächtigung für den Innenminister zu Standorten, Standorten für Spielbanken und so genannte Nebenspielbetriebe, also kleine Automatenspielhallen.

Einige von Ihnen, meine Damen und Herren, und zwar die lang gedienten Abgeordneten dieses Hohen Hauses, werden sich noch an die schwierigen und langwierigen Diskussionen erinnern zu den sechs im Gesetz festgelegten Standorten und das 93er-Standortgutachten, das damals angefertigt wurde. Und immerhin wurde in der zweiten Legislaturperiode ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt. Dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss sollte die Vergabe der Spielbanklizenzen untersuchen und hat dann am 25. Februar 1998 einen 268-Seiten-Bericht vorgelegt. So einfach war das wohl alles damals nicht. Und nun also soll der Innenminister per Verordnungsermächtigung – ich zitiere – die „Standorte... praxisgerechter im Interesse einer größeren Flexibilität“ nach eigenem Gusto selbst festsetzen? Diese Beweglichkeit – gemeint ist wohl die des Herrn Innenministers Dr. Gottfried Timm – sei notwendig, „um sowohl auf das regionale Bedürfnis am Glücksspiel als auch auf die sich wandelnden wirtschaftlichen Strukturen eingehen zu können“, heißt es in der wirklich reichlich schwammigen Begründung für die Verordnungsermächtigung in Paragraph 1 Absatz 4 des Gesetzentwurfes.

Mutig, wirklich mutig, meine Damen und Herren, denn nach etwaigen Kriterien, die dem Bestimmtheitsgebot des Artikels 80 Grundgesetz auch nur annähernd entsprechen würden, sucht man in diesem Gesetzentwurf vergeblich.

(Zuruf von Karsten Neumann, PDS)