Protocol of the Session on December 10, 2003

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Suchen Sie was? – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Gerd Walther, PDS)

Aber, meine Damen und Herren, ich will noch zwei, drei Dinge sagen.

(Andreas Bluhm, PDS: O Mann, o Mann!)

Sie bestrafen heute die Menschen, die Deutschland und Mecklenburg-Vorpommern aufgebaut haben, das ist Fakt.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Ja, ja, es gibt ja auch einen schönen Spruch:

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Es kommt noch besser?)

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben,

(Beifall Torsten Renz, CDU – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

und wer zu früh gebaut hat, den bestraft das Land oder Rot-Rot, meine Damen und Herren, das ist Fakt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Torsten Renz, CDU: Richtig.)

In diesem Land geht alles bergab, Sie merken es nur nicht. Sie sind beratungsresistent. Sie legen uns ein Landespflegegesetz vor, das sozusagen von der breiten Öffentlichkeit, von den Betroffenen sowieso und von allen Experten abgelehnt wird. Sie werden es heute durchtragen. Und wenn Sie jetzt noch unseren Änderungsantrag ablehnen, dann weiß ich gar nicht mehr, was ich davon halten soll. Ich hoffe, dass Sie mit diesem Gesetz nicht glücklich werden. Das können Sie mir/uns abnehmen. Ich sage es noch einmal: Sie werden Klagen erleben und Sie werden es, glaube ich, bedauern, dass Sie diesen Schritt mit diesem Landespflegegesetz so getan haben, wie Sie ihn getan haben. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Lorenz Caffier, CDU: Harry, namentliche Abstimmung!)

Ich möchte eine namentliche Abstimmung zu unserem Antrag zum Pflegegesetz beantragen.

(Zuruf aus dem Plenum: Was soll das?)

Danke schön, Herr Glawe.

(Torsten Koplin, PDS: Zum Änderungs- antrag oder zum Gesetzentwurf?)

Die namentliche Abstimmung für den Gesetzentwurf oder für den Antrag?

(Lorenz Caffier, CDU: Zum Gesetzentwurf. – Dr. Till Backhaus, SPD: Gesetzentwurf der CDU? – Lorenz Caffier, CDU: Ja.)

Zum Gesetz, gut, danke.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Er hat gesagt, zum Änderungsantrag, ich habe es genau gehört.)

Ums Wort hat noch einmal die Sozialministerin Frau Dr. Linke gebeten. Bitte, Frau Dr. Linke.

Zur Klarstellung noch einmal zwei Worte: Sehr geehrter Herr Glawe, Sie hatten noch mal die Problematik angesprochen mit der 5-EuroBelastung einheitlich für alle Heimbewohnerinnen und Heimbewohner. Auch dabei handelt es sich um eine Umlage. Da gelten dieselben Kriterien wie beim Paragraphen 82 Artikel 3, deshalb musste das also nach geltender Rechtslage verworfen werden.

Wir sind dabei, all diese einzelnen Eindämmungen noch mal von objektiven, also außerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern tätigen Juristen prüfen zu lassen, weil ich denke, es ist ein sehr ernsthaftes Anliegen, das wir haben, das haben auch alle meine Vorrednerinnen und Vorredner hier bestätigt, und da sollte uns keine Prüfung zu viel sein. Aber mir kommt es eben wirklich darauf an, dass unabhängig geprüft wird, dass jemand da seinen Standpunkt einbringt, der nicht an der Erarbeitung des Gesetzes, nicht am Vollzug beteiligt war.

Zu Ihrem Hinweis, dass hier Anträge ausgefertigt werden müssen, möchte ich sagen, es ist ein formloses Amtsverfahren, kein Antragsverfahren. Es ist aber eine Einkommenserklärung abzugeben, weil es einkommensabhängig...

(Lorenz Caffier, CDU: Der Datenschutzbeauftrag- te hat aber eine ganz andere Auffassung darüber.)

Ja, es geht nach dem Bundessozialhilfegesetz und insofern nur noch einmal, damit keine Verwirrung entsteht: Es bedarf keines Antrages, es ist ein Amtsverfahren, aber es bedarf einer Einkommenserklärung. – Danke.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Harry Glawe, CDU: Na ja, da sind ja die Formulare.)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Walther von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Gäste! Einleitend möchte ich einiges

über die Grenzen von Mecklenburg-Vorpommern hinaus sagen: In der Bundesrepublik Deutschland leben heute etwa 2 Millionen Pflegebedürftige. Die Tendenz ist steigend. 1,37 Millionen werden zu Hause betreut und 600.000 in Heimen. Um 1 Million der Pflegebedürftigen sorgen sich ausschließlich Angehörige. 10.600 Pflegedienste mit 190.000 Mitarbeiterinnen betreuen ambulant 435.000 Pflegebedürftige. Vergleichbares leisten 475.000 Altenpflegerinnen, Krankenschwestern und deren Mitarbeiterinnen in 9.200 Pflegeheimen. Unter oft schwierigen Bedingungen wird 365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich weit überwiegend gute oder sehr gute Arbeit geleistet und das wird übergreifend anerkannt.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS, und Angelika Gramkow, PDS)

Verfolgt man die derzeit laufende gesundheits- und sozialpolitische Diskussion um Beitrags- und Lohnnebenkostensenkungsstrategien, so wird deutlich, dass große Teile der Politik den Pflegebereich mit über 1,2 Millionen beruflich Beschäftigten ausblenden. Hauptinstrument für die finanzielle Absicherung von Pflegebedarf ist gegenwärtig neben dem BSHG die Pflegeversicherung – geregelt im SGB XI. Der dortige Ansatz ist als Teilkassenversicherung zu bezeichnen. Er gewährt Teilleistungen für Teilbedarfe, denn die Pflegeversicherung kennt nur streng genommen verrichtungsbezogene Bedarfe. So heißt es zum Beispiel, dass betroffene Menschen von PflegerInnen gewaschen, mit Essen versorgt werden und so weiter. Damit fallen allgemeine Bedürfnisse wie miteinander reden oder einfach Anwesenheit für den Fall, dass jemand gebraucht wird, für chronisch kranke Menschen, für Menschen mit Behinderung oder eben Pflegebedürftige oft unter den Tisch. Teilhabemöglichkeiten und Persönlichkeitsentfaltung spielen dann keine Rolle. Das erweist sich für die Sicherung selbstständigen und selbstbestimmten Lebens mit Assistenz als entscheidendes Hindernis.

Seit September 2003 liegt nun der Entwurf der Bundesregierung für ein SGB XII vor, welches das BSHG ersetzen soll. Damit will die Bundesregierung unter anderem den Zugang zu Pflegeunterstützung nach dem bisherigen BSHG leider verschärfen und Leistungen ähnlich wie bei der Pflegeversicherung auf abrechenbare Verrichtungen begrenzen. Aber Ziel von Pflege muss neben der Grundversorgung auch sein, den betroffenen Menschen eigene Aktivitäten zu ermöglichen beziehungsweise sie dazu zu aktivieren. Dabei ist Kommunikation und Zeit ein Grundbedürfnis und muss als solches einen hohen Stellenwert in den staatlich finanzierten Pflegekonzepten enthalten.

Meine Damen und Herren, ich habe den Blick absichtlich über das Landespflegegesetz hinaus gerichtet, um zu verdeutlichen, dass es im Pflegebereich unzweifelhaft noch sehr viel für die Politik zu leisten gibt, sehr viel durch den Bundesgesetzgeber und auch noch vieles auf der Landesseite. Das Landespflegegesetz wird novelliert, damit einher geht ein Wechsel im System der Förderung im Pflegebereich. Dieser Wechsel entspringt nicht, wie durch manche Heimbetreiber behauptet, die dies oft den Bewohnern, deren Angehörigen und Medien suggerieren, einer fixen Idee oder gar einer bösen Absicht von LandespolitikerInnen. Er ist dem Umstand geschuldet, dass sich der Bund, wie angekündigt, aus der bisherigen Förderung zurückzieht. Dadurch können die investive Förderung von Pflegeheimen nach dem noch geltenden Landespflegegesetz und die damit einhergehende 100-prozentige Förderung für die Sanierung beziehungsweise den

Neubau von Pflegeheimen ab dem 1. Januar 2004 nicht weitergeführt werden. Hinzu kommt, dass der Bundesgesetzgeber bereits 1996 die konsequente Durchsetzung, so nannte er es, marktwirtschaftlicher Mechanismen gewollt hat – in diesem Zusammenhang absolut makaber, aber es ist die Begründung.

Darüber hinaus darf nach dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 28. Juni 2001 die Förderung von Pflegeeinrichtungen aus Gründen der Gleichbehandlung aller Anbieter nicht mehr von der Aufnahme in eine Pflegeplanung abhängig gemacht werden. Die bisherige Förderpraxis, nach der aufgrund eines durch das Sozialministerium erarbeiteten Planes Bauvorhaben für Pflegeheime mit öffentlichen Mitteln finanziert wurden, konnte deshalb nicht mehr aufrechterhalten werden.

Die Umstellung der bisherigen Objektförderung auf die Förderung von Gebäuden, Technik und Anlagen hin zu einer so genannten einwohnerbezogenen Förderung ist für die PDS-Fraktion äußerst sozial sensibel. Deshalb werden trotz neuer Härten für Teile der Betroffenen selbst folgende Schwerpunkte durch uns gesetzt: Berechenbarkeit und Verlässlichkeit der Versorgungsstruktur. Diese Ziele werden mit den Paragraphen 1 und 3 des Entwurfes realisiert. Insbesondere der letztgenannte Paragraph verpflichtet zu einer Pflegerahmenplanung, die alle vier Jahre zwischen dem Sozialministerium und den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt wird, weiter die Berücksichtigung der ambulanten Pflege. Der Gesetzentwurf beinhaltet eine klare Aussage zur Förderung von ambulanten Pflegeeinrichtungen durch das Land und untersetzt dies auch quantitativ. Somit folgt M-V erstmals der Praxis der anderen Länder.

Zur Förderung der teilstationären Pflege: Im Gesetzentwurf wird die Förderung teilstationärer Pflegeeinrichtungen durch das Land quantifiziert. Der Zuschuss beträgt demnach pro Platz 2,56 Euro und ist jährlich auf 516 Euro begrenzt, was einer Förderung von 201 Tagen im Jahr entspricht.

Zum sozialverträglichen Pflegewohngeld: Das im Paragraphen 7 des Gesetzentwurfs geregelte Pflegewohngeld stellt die Umsetzung des Vorhabens der Umstellung auf die so genannte Subjektförderung dar. Anspruch darauf wird jeder Pflegebedürftige haben, der auf Grundlage eines Versorgungsvertrages stationär untergebracht ist. Im Zusammenhang mit dem Pflegewohngeld ist Folgendes zu berücksichtigen: Pflegebedürftige bekommen die eigentliche Pflegeleistung entsprechend der Pflegestufe durch die Pflegekasse vergütet. Die Kosten der Verpflegung und Unterkunft werden aus eigenen Bezügen, wie der Rente, beglichen. Daneben werden nunmehr durch die Träger die Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen vollständig auf die Heimbewohner umgelegt. Auch dieser Teil wird aus eigenen Bezügen zu begleichen sein. Da die Summe aus Unterkunfts- und Investitionskosten in der Regel aber das eigene Vermögen übersteigt, wird ein individuell zu ermittelndes, sozial verträglich gestaltetes Pflegewohngeld durch das Land gezahlt bis zu einer Höhe von 200 Euro.

(Wolfgang Riemann, CDU: Sozial verträglich!)

Richtig ist, dass das Pflegewohngeld die Bundesförderung nicht in voller Höhe ersetzen kann, und darin liegt das Problem, mit dessen Teillösung auch ich nicht zufrieden bin.

Die damit einhergehende Ungerechtigkeit für Heimbewohner resultiert vornehmlich aus drei Aspekten: Zum einen aus der unterschiedlichen Förderung durch das

Land in der Vergangenheit. Eine Reihe von Heimen wurde zu 100 Prozent aus Bundes-, Landes- und Trägermitteln gefördert, andere nicht. Das war ein Fehler, denn die Ungleichbehandlung wird künftig dadurch zusätzlich verstärkt.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Zum anderen aus dem Paragraphen 82 SGB XI, der untersagt, dass öffentlich geförderte Heime ihre Bewohner mit Aufwendungen belasten dürfen, die in der jeweiligen Einrichtung nicht angefallen sind, deshalb auch die zum Teil sehr hohe Belastung der Bewohner der nicht öffentlich geförderten Heime und deshalb die Unmöglichkeit eines gerechten Umlageverfahrens. Kollege Koplin hat dies bereits vorgetragen.

Und schließlich tut eine neoliberal ausgerichtete Steuer-, Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik des Bundes ihr Übriges. Sie lässt die Landeshaushalte – auch den von Mecklenburg-Vorpommern – schrumpfen. Deshalb ist es dem Land nicht möglich, so viele Mittel aufzubringen, um alle Heimbewohner vor der Sozialhilfe zu bewahren. Das sind die Rahmenbedingungen, die andere Länder, die beispielsweise auch CDU-regiert sind, wie Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, aber auch westliche Bundesländer dazu veranlasst haben, ihre Landespflegegesetze ersatzlos zu streichen,...

(allgemeine Unruhe)

Frau Präsidentin, könnte ich bitte dafür...

Meine Damen und Herren, ich bitte um ein bisschen Aufmerksamkeit. Das Wort hat Herr Walther.