Protocol of the Session on November 13, 2003

Damit ist die Abstimmung beendet.

Ich bitte jetzt die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen, und wir unterbrechen die Sitzung für zwei Minuten.

Unterbrechung: 13.30 Uhr

Wiederbeginn: 13.32 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Ich darf Ihnen das Ergebnis der Abstimmung über den Änderungsantrag bekannt geben. An der Abstimmung haben sich insgesamt 65 Abgeordnete beteiligt. Mit Ja stimmten 25, mit Nein stimmten 30 und 10 enthielten sich

der Stimme. Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/898 abgelehnt.

Ich lasse nun über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/876 abstimmen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/876 mehrheitlich mit den Stimmen von SPD und PDS unter Zustimmung der CDU-Fraktion abgelehnt.

Es gibt jetzt einen Geschäftsordnungsantrag der CDUFraktion. Herr Caffier, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meinen Damen und Herren Abgeordneten! Entsprechend Paragraph 74 Ziffer 1 beantragt die CDUFraktion eine Erweiterung der Tagesordnung um den Antrag, den ich jetzt vortragen möchte:

„Sicherung des Solidarpaktes II

Der Landtag möge beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, sich beim Bund unverzüglich

1. gegen die Kürzung der Förderung um 100 Mio. Euro aus der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GA) und

2. gegen die Auflösung der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GA) Ost ab 2006

einzusetzen.

Begründung:

Die auf Bundesebene geplanten Einschnitte“ – und heute Vormittag im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorgetragenen Einschnitte – „bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GA) verstoßen gegen die Vereinbarungen zum Solidarpakt II, der den neuen Ländern bis zum Jahre 2019 überproportionale Zuweisungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zusichert. Die geplanten Einschnitte bei den investiven Mitteln hätten verheerenden Signalcharakter für den weiteren Aufbau Ost und die dringend notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der teilungsbedingten Sonderlasten.“

Meine Damen und Herren Abgeordnete, der Antrag ist aus gegebenem Anlass dringlich, da massivste Einschnitte in den neuen Bundesländern geplant sind, dem kann sich keine Fraktion innerhalb dieses Hohen Hauses verschließen. Wir bitten um Aufsetzung des Antrages auf die Tagesordnung.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktionen von SPD und PDS haben Beratungsbedarf signalisiert.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Ich unterbreche die Sitzung für zehn Minuten.

Unterbrechung: 13.35 Uhr

Wiederbeginn: 13.52 Uhr

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Von der Fraktion der CDU wurde ein Antrag zum Thema „Sicherung des Solidarpaktes II“ eingebracht. Dieser hat die Drucksachennummer 4/900 erhalten. Auf Antrag des Antragstellers soll die Tagesordnung um diesen Antrag erweitert werden. Gemäß Paragraph 74 Ziffer 1 unserer Geschäftsordnung kann diese Vorlage beraten werden, wenn zwei Drittel der Mitglieder des Landtages die Dringlichkeit bejahen. Zugleich muss die Einreihung in die Tagesordnung beschlossen werden. Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu? –

(Minister Dr. Till Backhaus: Damit habt ihr wieder nicht gerechnet, ne?)

Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Ich habe jetzt zwar nicht gezählt, aber ich gehe davon aus, dass die Zweidrittelmehrheit erreicht wurde.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Herr Sellering hat zugestimmt.)

Kann ich davon ausgehen, dass wir diese Vorlage am Schluss der heutigen Sitzung beraten? Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 13: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Weiterführung des Garantiefonds – außerschulische Sprachförderung, auf Drucksache 4/867.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Weiterführung des Garantiefonds – außerschulische Sprachförderung – Drucksache 4/867 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ritter von der PDS-Fraktion.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitdem die Anerkenntnis wächst, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, zumindest wächst diese Anerkenntnis fast allgemein,

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

wächst auch die Bereitschaft, offen über Integration zu sprechen und Integrationsmaßnahmen zu entwickeln. Letzteres ist zunehmend nicht als Einbahnstraße zu begreifen. In der Tat geht es bei der Integration von Einwanderern um einen dynamischen, lang andauernden und sehr differenzierten Prozess, ein Prozess der wechselseitigen Annäherung, Auseinandersetzung, Veränderung sowie Finden von Gemeinsamkeiten und Übernahme gemeinschaftlicher Verantwortung zwischen den Einwanderern und der Mehrheitsbevölkerung. Und ganz vorn an steht die Notwendigkeit von Kommunikation, vor allem der sprachliche Austausch untereinander.

Allerdings, und das ist nichts Neues, kommt der überwiegende Teil der Migranten ohne beziehungsweise mit nur geringen Kenntnissen der deutschen Sprache in unser Land. Das betrifft nicht nur die Asylsuchenden oder Flüchtlinge, sondern insbesondere auch die Bleibeberechtigten. Das sind in Mecklenburg-Vorpommern vor allen Dingen Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen sowie die jüdischen Emigrantinnen und Emigranten. Dieses Sprachdefizit schränkt nicht nur in erheblichem Maße die Erwerbschancen ein, es mindert auch entscheidend die Möglichkeit, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen. Das betrifft Personen

jeden Alters. Sprache ist also die entscheidende Schlüsselqualifikation zur Erleichterung der kulturellen Integration in unsere Gesellschaft. Notwendig waren und sind demnach Sprachkurse, die unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden müssen.

Zur Förderung von Sprachkursen gibt es Beihilfen vor allem des Bundes. Und dazu gehört auch der Garantiefonds, der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ausgereicht und durch die Länder nach eigenen Schwerpunkten verteilt wird. Zweck des Garantiefonds ist die Eingliederung junger Aussiedlerinnen und Aussiedler sowie junger ausländischer Flüchtlinge bis zu einer Altersgrenze von 30 Jahren. Die Ausreichung der Mittel erfolgt im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel, also ohne Rechtsanspruch.

Um den berechtigten Personenkreis zu verdeutlichen, will ich ihn einmal nennen: Es geht um Aussiedlerinnen und Aussiedler im Sinne von Paragraph 1 Absatz 2 Nummer 3 und Absatz 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie um Spätaussiedlerinnen im Sinne von Paragraph 4 und deren Ehegatten und Abkömmlinge im Sinne von Paragraph 7 des Bundesvertriebenengesetzes. Es geht um in den Aussiedlungsgebieten nach Paragraph 1 Absatz 2 Bundesvertriebenengesetz geborene Abkömmlinge von Aussiedlern, wenn sie selbst keine Anerkennung als Vertriebene finden, sowie Personen im Sinne von Paragraph 8 Absatz 2 Bundesvertriebenengesetz. Berechtigt sind ebenso ausländische Flüchtlinge, die als Asylberechtigte nach dem Asylverfahrensgesetz anerkannt sind. Weiterhin geht es um ausländische Flüchtlinge nach Paragraph 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge vom 22.07.1980 oder ausländische Flüchtlinge vor Vollendung des 16. Lebensjahres, die ohne Aufenthaltserlaubnis oder Übernahmeerklärung im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen in der Bundesrepublik aufgenommen worden sind. Und es handelt sich vorwiegend um Kontingentflüchtlinge, allerdings außer solchen, denen nach Paragraph 51 Absatz 1 Ausländergesetz in Verbindung mit Paragraph 70 Asylverfahrensgesetz eine Aufenthaltsbefugnis erteilt worden ist, die sich also im so genannten kleinen Asyl befinden.

Die fünfte berechtigte Gruppe sind ausländische Flüchtlinge, die außerhalb Deutschlands aufgrund des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsprechung der Flüchtlinge beziehungsweise nach dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967 anerkannt und nicht nur vorübergehend im Gebiet der Bundesrepublik zum Aufenthalt berechtigt sind.

Ich habe Ihnen das, meine sehr verehrten Damen und Herren, so ausführlich dargestellt, um zu verdeutlichen, wie unterschiedlich der Bundesgesetzgeber auch bei der Sprachförderung vorgeht. Ausgeschlossen sind demnach also andere Migrantengruppen, wie die Asylsuchenden oder die Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, denen gemäß Paragraph 32 a Ausländergesetz zur vorübergehenden Aufnahme eine Aufenthaltsbefugnis erteilt wurde. Und das auch, das ist bei vielen der Fall, wenn sich dieser Aufenthalt über viele Jahre bei uns erstreckt.

Die Berechtigten können die Beihilfe beim Besuch von allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen in Anspruch nehmen, zur Verbesserung beziehungsweise zum Erlernen der deutschen Sprache, zur Verbesserung des allgemeinen schulischen Wissens, zur Teilnahme an be

rufsbildenden Maßnahmen sowie zum Besuch von Sprachkursen, insbesondere an unseren Volkshochschulen.

Mit Vorlage des Zuwanderungsgesetzes hatte die Bundesregierung geplant, die Mittel des Garantiefonds vollständig für die neu geregelte Integrationsförderung einzusetzen. Da der Beschluss aufgrund des bekannten Theaters von Herrn Koch und anderen bisher nicht zustande kam, gibt es seit 2002 Übergangsregelungen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Die meisten der einzelnen Förderschwerpunkte sollen bis zu einer Neuregelung weitergeführt werden. Eine Förderlücke soll bis auf eine Ausnahme nicht entstehen, sie betrifft die außerschulische Sprachförderung, und das aufgrund einer Kritik des Bundesrechnungshofes, die besagt, dass Länder über den Garantiefonds des Bundes eigene pflichtige Aufgaben der Sprachförderung finanzieren würden. Also soll der außerschulische Nachhilfeunterricht zum 31.12.2003 endgültig auslaufen, und das angesichts dessen, dass das Beherrschen der Sprache der Mehrheitsbevölkerung erste Voraussetzung für erfolgreiche Integration ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für eine lebenswerte Gemeinschaft brauchen wir gleichberechtigte Teilhabe von Migrantinnen und Migranten in allen Bereichen der Gesellschaft. Das aber beginnt im frühen Kindesalter oder notgedrungen erst später mit der Förderung des Erlernens der Sprache der Mehrheitsbevölkerung. Wenn da gestrichen wird, gereicht das zum Schaden der gesamten Gesellschaft, denn Lernhemmnisse beruhen wesentlich auf Sprachhemmnissen, auch besonders außerhalb der Schule. Die Tatsachen sprechen auch in unserem Land für sich. Der Anteil von Migrantenkindern an Schulabbrechern ist überproportional hoch. Dass Migranten doppelt so häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind wie der Durchschnitt der deutschen Gesamtbevölkerung liegt ursächlich in der starken Benachteiligung dieser Menschen in der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt. Auch dass der Anteil der Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger mit Migrationshintergrund dreimal so hoch ist, ist darauf zurückzuführen.

Die PISA-Studie ergab ein erneut schlechtes Zeugnis für Deutschland bei der Förderung von Kindern aus sozial schwachen Familien und der Schülerinnen und Schüler aus Migrantenfamilien. Nur 40 Prozent der ausländischen Schulabgängerinnen und Schulabgänger finden in Deutschland eine Lehrstelle. Dass die Integration von jungen Spätaussiedlern immer schwieriger wird, liegt wesentlich an mangelnden Sprachkenntnissen und diese wiederum in sträflicher Vernachlässigung bei der Sprachförderung von Angehörigen der Spätaussiedlerinnen, die nicht in das Paragraphenkorsett, was ich nannte, hineinpassen.