Die zweite Sorge, die ich hier äußern möchte, ist, wenn es uns nicht gelingt, die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik bei der Bundesanstalt für Arbeit, zukünftig Bundesagentur für Arbeit, zumindest auf dem Niveau von 2003 zu halten, wird es zu weiteren dramatischen Einbrüchen bei ABM und anderen Maßnahmen kommen.
Drittens, das hat etwas mit der Vermittlungsstrategie zu tun, wird es – und das ist meine Sorge – zur Verfestigung von Langzeitarbeitslosigkeit kommen. Und da sind wir genau bei dem Thema, was Arbeitslosengeld-II-Empfänger in Mecklenburg-Vorpommern, überhaupt in Deutschland ausmacht. Denn eins – auch da hat Herr Rehberg etwas Richtiges gesagt – ist richtig, das ist die Strukturschwäche. Aber die Strukturschwäche im Osten ist die Regel und im Westen ist die Strukturschwäche eben die Ausnahme. Nun habe ich heute festgestellt – ich habe auch die Debatten im Bundesrat dazu verfolgt –, dass sich Herr Timm beginnend, dann Herr Rehberg differenziert und kritisch mit dem Angebot Existenzgrundlagengesetz, Hessen-Modell, auseinander gesetzt haben. Eins bleibt aber, und zwar dass dieses Gesetz sich an dem Bundessozialhilfegesetz orientiert und Sozialhilfebeschönigung als Existenzsicherung beschreibt. Und das kann nicht sein.
Deswegen, meine ich, muss man sich sehr kritisch und konsequent mit diesem Gesetz auseinander setzen. Es sind grobe Fehler enthalten, die Sie auch erkannt haben. Das will ich anerkennend hier feststellen. Es geht nämlich nicht,...
Ja, ja, das ist von Frau Lautenschläger, der Arbeits- und Sozialministerin von Hessen, so überlegt worden, um die Arbeitslosigkeit zu kommunalisieren. Das ist der erste gravierende Fehler, den man machen konnte, weil damit natürlich die Kommunen in Größenordnungen überfordert sind. Die Stadt Teterow würde auf einen Schlag 600 Arbeitslosengeld-II-Empfänger bekommen, die sie beschäftigen soll. Ich sage das einmal etwas salopp: So viel Laub gibt es in Teterow gar nicht, welches da zusammengeharkt werden könnte.
(Rainer Prachtl, CDU: Aber der Hecht kann ge- sucht werden. – Heiterkeit bei einzelnen Abge- ordneten der CDU und Siegfried Friese, SPD)
Als zweiten Fehler würde ich bezeichnen, dass in diesem Existenzgrundlagengesetz formuliert ist, dass eine Unterstützung, eine staatliche Unterstützung in Form von Arbeitslosengeld II nur derjenige und diejenige erhalten soll, der/die eine zugewiesene Arbeit annimmt beziehungsweise einer solchen kommunalen Beschäftigung, die durch die Kommune dann zugewiesen werden soll, nachgeht. Das, glaube ich, kann nicht sein. Und dass Frau Stewens im Bundesrat dann noch weiter geht und sagt, ein Häuslebesitzer, der nach vier Jahren keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgeht oder selbständig ist, der muss auch sein Häuschen einbringen in die Berechnung für dieses Arbeitslosengeld II,
das kann es doch wohl wirklich nicht sein. Gerade angesichts der ländlichen Struktur von Mecklenburg-Vorpommern, wo viele in den Dörfern ein Eigenheim haben, so zu argumentieren, das kann, glaube ich, nicht der Weg sein.
Nun will ich etwas sagen, weil ja schon viel über öffentlich geförderte Beschäftigung hier gesprochen wurde. Es ist bekannt, dass ich ein Verfechter und nicht nur Verfechter, sondern auch ein Verwirklicher für die öffentlich geförderte Beschäftigung bin. Aber gerade im Zusammenhang mit der beabsichtigten Kommunalisierung von Arbeitslosigkeit darf es nicht dazu führen, dass Arbeitsplätze in der örtlichen Wirtschaft verdrängt oder sogar
vernichtet werden. Das, glaube ich, ist die Gefahr und einer der groben Fehler, die in diesem Existenzgrundlagengesetz tatsächlich drinstecken. Und deswegen kann ich es nur unterstützen, dass Sie das differenziert betrachtet und gesagt haben, die Eckpunkte, die uns wichtig sind für eine Arbeitsmarktreform, die greifen wir heraus. Da teile ich nicht alle, aber bei einigen, die Herr Rehberg hier genannt hat, sind wir vollkommen übereinstimmend, beispielsweise was die Modelle betrifft, wo zukünftig Arbeitslosengeld-II-Empfänger betreut werden sollen. Es geht nicht um die Auszahlung. Das ist für mich ein banktechnischer Vorgang, wo das Arbeitslosengeld II herkommt. Es geht um die Frage, wo werden diese Menschen zukünftig betreut. Da gibt es drei Modelle. Ich sage das mal ganz einfach: Erstens, nur die Bundesagentur für Arbeit macht es, zweitens, nur die Kommunen machen es und das Dritte ist ein Mix, wo die Zusammenarbeit von Arbeitsämtern und Kommunen praktiziert wird.
Das ist eine Auffassung, die ich seit eh und je vertrete, weil beide ihre Kompetenzen in dieser Frage haben, beide haben ihre Kompetenz in Bezug auf die Personengruppe, über die wir hier sprechen. Deswegen kann es nur einen Mix geben.
Auch das, was Herr Rehberg sagt, in Bezug auf die Klassifizierung, die Einordnung der Erwerbsfähigen beziehungsweise Nichterwerbsfähigen ist natürlich ein schwieriger Akt. Und ich stelle mir immer denjenigen in dem JobCenter vor, der diese Entscheidung treffen soll. In dessen Haut möchte ich nach der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht stecken. Deswegen ist es wichtig, hier eine Handreichung zu geben, wie verfahren werden soll. Da, glaube ich, muss man tatsächlich im Sinne dieser Menschen das Beste ausarbeiten und dann auch praktizieren.
Was nicht funktionieren wird, darauf ist in der Debatte jetzt schon eingegangen worden, ist, dass wir einen Niedriglohnsektor weiter ausbauen. Das wird, wenn Lohnzuschläge gezahlt werden, dazu führen, dass es automatisch zu regulären Lohnabsenkungen kommen wird, und das führt dazu, dass weitere Kaufkraftverluste eintreten werden. Deswegen, glaube ich, kann dieser Weg in dem Falle tatsächlich aus politisch prinzipiellen Gründen von mir nicht unterstützt werden.
Nun ist es so, meine Damen und Herren, alle schauen nach Berlin, alle schauen auch auf Frau Keler, im Moment nicht, aber auch auf Frau Keler, die ja für uns im Vermittlungsausschuss sitzt.
Es hängt nun tatsächlich von allen im Vermittlungsausschuss ab, von den CDU-Vertretern genauso wie von den Vertretern der SPD-geführten Regierung, ob das Beste für die Menschen im Osten herauskommt. Ob wir uns gemeinsam dafür stark machen, die SPD genauso wie die CDU wie auch die PDS, das wird Einfluss haben auf dieses Verfahren. Deswegen ist mein Plädoyer dafür, dass tatsächlich nicht nur der Osten beginnt, mit einer Stimme zu sprechen, sondern in diesem Verfahren seine Stimme auch gemeinsam weiter erhebt, um deutlich zu machen, wir brauchen Reformen für mehr soziale Gerechtigkeit. Die Menschen warten darauf. – Herzlichen Dank.
(Klaus Mohr, SPD: Ich habe Ihnen die Gesetzestexte vorgelesen, Herr Rehberg, das ist keine Polemik.)
Was uns weiterhilft, das hat die Rede vom Minister wohltuend von der Ihren unterschieden, ist, dass man sich den politischen Realitäten stellt. Und die politischen Realitäten sind so, dass es bei der einen Verfassungsinstitution, dem Bundestag, die eine Mehrheit gibt und im Bundesrat die andere Mehrheit, dazwischen ist der Vermittlungsausschuss. Das ist eine Realität.
Und wenn Sie hier eins zu eins einfach sagen, alles das, was Hartz III und Hartz IV wollen, ist hundertprozentig richtig für uns, denn anders konnte ich Ihre Rede überhaupt nicht interpretieren, dann frage ich mich wirklich ganz besorgt, wie weit Sie von der Realität in diesem Land entfernt sind.
Uns unterscheidet auch, dass wir nicht eins zu eins unkritisch das EGG übernommen haben. Wir haben geprüft, wir haben uns Gedanken gemacht und haben wirklich überlegt, wo die Probleme sind. Und, Herr Minister Holter, zu dieser Ostkomponente: Ich weiß nicht, ob das so gut kommt, gerade in den nächsten Wochen,
wo sich so viel zusammenschiebt. Ich würde wirklich mal überlegen, auf wen gehe ich zu in den alten Bundesländern, wo habe ich und wo schaffe ich mir Verbündete, denn die Linien gehen sowohl bei der Union als auch bei den SPD-geführten Ländern durchaus auseinander. Das ist schlichtweg so. Da muss man eine kluge Strategie entwickeln, Herr Mohr, und nicht einfach eins zu eins das nachkupfern.
Auf einige Ihrer Fragen will ich antworten. Was ist nun richtiger, unkritisch zu sagen, die Bundesagentur macht das, und hinzunehmen, dass zum Beispiel der subsidiäre Aufbau dort völlig in Frage gestellt wird, denn Hartz III lässt das offen, was zum Beispiel mit den Landesarbeitsämtern passiert, wie die zukünftigen Funktionen sind, wo der Ansprechpartner ist für die Politik in diesem Land, das ist offen, Herr Mohr, unkritisch übernehmen Sie das alles,
oder ob man sich fragt: Was ist denn heute in der Bundesanstalt los? 90 Prozent ist da Verwaltung, reine Verwaltung in der Bundesanstalt für Arbeit –
das ist doch der Fakt – und nur 10 Prozent ist Vermittlung. Jetzt habe ich doch schon heute die Betreuung der Sozialhilfeempfänger – Oder werden die heute nicht betreut im kommunalen Bereich, bei den Landkreisen, bei den kreisfreien Städten oder bei den Kommunen? –
und ich habe die Vermittlung der Arbeitslosen, der Arbeitslosenhilfeempfänger bei der heutigen Bundesanstalt für Arbeit. Da kann ich mich doch wirklich nicht als Landespolitiker zuerst hinstellen und sagen, ja, die 12.000 Stellen, das sind Fallmanager, damit ich zu der Zahl 1:75 komme , da brauche ich die ganz einfach. Nein, bestehende Strukturen auch in der Bundesanstalt kritisch zu überprüfen, sind die nicht in der Lage.
Mit Deregulierung weg von der Verwaltung hin zur Vermittlung zu kommen, das ist doch der Ansatz, den wir gehen müssen!
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Klaus Mohr, SPD: Lesen Sie doch Hartz III, da steht das doch drin!)