und das dann auch noch damit begründen, dass Sie meinen, die Kompetenz liegt sowieso im Westen, wir geben das mal in den Osten rüber und dann ist alles in Ordnung. Also wer so reagiert oder so agiert und so was sagt, der spaltet dieses Land, nämlich in Ost und West und in Mecklenburg und Vorpommern.
Zum Zweiten, und damit höre ich dann auch auf, ich mache es wirklich kurz: Wirtschaftspolitik, wurde gestern hier an dieser Stelle auch von SPD-Abgeordneten zitiert, ist auch Psychologie.
50 Prozent davon ist Psychologie. Da gebe ich Ihnen total Recht, Herr Minister Ebnet. Wir erkennen Ihre Bemühungen an und wir sind gerade mit dem Straßenbauamt ja in Verhandlungen, für Eggesin Erleichterung zu bringen. Das ist ja gar nicht das Thema. Aber ich spreche jetzt mal den Ministerpräsidenten an. Wenn es wirklich Psychologie ist, Wirtschaftspolitik, dann frage ich mich, warum das Land sich so sehr dabei zurückgehalten hat, vielleicht den Bundeswehrstandort Eggesin/Carpin doch in dieser jetzigen Form beizubehalten. Es hat nämlich nichts dazu getan.
Da war es besser, im Wahlkreis Dabel diesen Standort zu erhalten. Bereitschaftspolizei, 35 Leute aus Anklam weg. Meine Damen und Herren, was nützen uns Straßen, wenn die Leute weg sind, die darauf fahren sollen? – Vielen Dank.
Es hat sich jetzt zu Wort gemeldet der Abgeordnete Herr Müller für die Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich wollte nicht zu diesem Antrag reden, aber der charmanten Einladung von Frau Fiedler kann ich selbstverständlich nicht widerstehen.
Zunächst – auch ich will mich sehr kurz fassen, Frau Fiedler, und nur zwei Punkte ansprechen – würde ich gerne auf Frau Schlupp Bezug nehmen, weil Frau Schlupp hier ja auch ihre persönliche und lokale Betroffenheit dargestellt hat. Und sie hat von Investoren gesprochen, die dann sagen, ja, sie kommen nicht, wenn die Gemeinden ihre Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen können und Ähnliches.
Meine Damen und Herren, auch ich rede mit Unternehmen und mit Unternehmern, die sich irgendwo ansiedeln wollen, die nach einem vernünftigen Standort suchen, und mir ist mehrfach begegnet, dass Unternehmen und Unternehmer vor allen Dingen sagen, was soll ich denn in einer Region, wo der eigene Landrat sagt, da wohnen ja nur noch Alte und Debile.
Und das, meine Damen und Herren, ist genau das, was eine ungeheuere Gefahr ist, in der wir stecken und der Sie, glaube ich, sehr häufig erliegen,
(Ute Schildt, SPD: Sie schaffen das eigene Image. – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Lorenz Caffier, CDU)
vielleicht, jetzt bin ich mal sehr gutwillig zu Ihnen, vielleicht aus dem berechtigten Interesse, auf Probleme aufmerksam zu machen. Vielleicht, und jetzt bin ich etwas bösartiger, aus parteipolitischen Erwägungen heraus haben Sie nichts anderes zu tun, als die Probleme, als die Schwierigkeiten von Regionen und unseres Landes immer wieder in den Vordergrund zu stellen. Und das Problem dabei ist, dass das so eine Art sich selbst erfüllende Prophezeiung wird. Denn je mehr man sagt, das ist ja furchtbar, da sind ja alle Fachkräfte weg, da ist doch kein vernünftiger Mensch mehr, wer kann, geht da weg, sagt jeder Arbeitgeber und jeder Unternehmer, warum soll ich da eigentlich noch hingehen, da habe ich doch gar keine Arbeitskräfte mehr.
Und damit werden die, die eine schlimme Situation – und die Arbeitslosigkeit, die wir in Uecker-Randow und anderswo im Osten haben, die ist schlimm –, die eine schlimme Situation auf diese Art und Weise beklagen, zu denjenigen, die diese Situation noch verschärfen. Das ist Punkt eins.
Und Punkt zwei. Ich habe gerade schon mit einem Ihrer Kollegen gesprochen, dass ich das eigentlich hier gar nicht sagen wollte. Aber wenn Sie mich so nett einladen, dann tue ich es. Wenn Sie Anträge zum Thema Vorpommern oder östliches Mecklenburg und Vorpommern machen, dann sollten Sie sich ein bisschen mehr um Differenzierungen bemühen. Wenn Frau Schlupp zum Beispiel beklagt, dass die Anbindung von Strasburg an die Autobahn von der Beschaffenheit der Straße her sehr schlecht ist, dann hat sie Recht. Da stimme ich ihr vollkommen zu, sehe ich Handlungsbedarf. Aber da wird gehandelt, das haben wir hier schon gehört.
Wenn Herr Dr. Born – und, Herr Dr. Born, da haben Sie offenbar nicht gewusst, über welche Straße Sie fahren – die Anbindung der A 20 an die Stadt Pasewalk beklagt, Herr Dr. Born, dann frage ich Sie: In welchem Film waren Sie eigentlich? Diese Straße ist so ausgebaut, dass ich da gelegentlich geblitzt werde. Sie ist nämlich so wunderschön, da kann man fahren wie Gott in Frankreich. Man fährt zwar noch durch ein Dorf, aber wer beklagt, das sei schlecht angebunden, der hat wirklich von der Region überhaupt keine Ahnung.
Und ein Letztes, was das Thema Differenzierung angeht. Sie haben in einem Ihrer Punkte das Finanzausgleichsgesetz Paragraph 8 Absatz 3 angesprochen. Meine Damen und Herren, ich bekenne mich schuldig. Ich
habe damals diese Änderung des Paragraphen 8 Absatz 3 in meiner eigenen Fraktion, dann in der Koalition und dann hier in diesem Landtag mit betrieben.
Wir haben die Verteilung der Mittel, die die Landkreise bekommen, etwas weniger nach der Fläche und etwas mehr nach den Einwohnern vorgenommen. Und jeder, der hier die kommunale Szene, Herr Dr. Jäger ist jetzt leider nicht da, kennt, aber Herr Dr. Jäger könnte das bestätigen, der weiß, dass Landkreise wie etwa der Landkreis Bad Doberan daran ein massives Interesse haben und dass die das vorangetrieben haben. Fakt.
Aber, meine Damen und Herren, wenn Sie sich die Zahlen angucken, und wir haben uns das bei der Novelle des Finanzausgleichsgesetzes 2000 vorlegen lassen durch das Innenministerium, werden Sie feststellen, dass durch diese Veränderung, die wir vorgenommen haben als Koalition, der Landkreis Uecker-Randow zusätzliches Geld bekommen hat
und dass die Forderung, die die CDU hier und heute als Förderung von Vorpommern präsentiert, dazu führen würde, dass der Landkreis Uecker-Randow weniger Geld bekommen würde. Meine Damen und Herren, wenn Sie Anträge machen, dann versuchen Sie, nicht nur auf den 13. Juni zu gucken
und die Startlöcher für die Kommunalwahlen zu graben, dann versuchen Sie, sich wenigstens sachkundig zu machen. – Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den vorliegenden Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/802. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag bei Zustimmung der Fraktion der CDU und Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und PDS abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 21: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Jugendhilfestrukturen, auf der Drucksache 4/808.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Brodkorb von der Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So wie zahlreiche andere Politikbereiche steht auch die Kinder- und Jugendhilfe vor großen gesellschaftlichen Herausforderungen. Die Koalitionsfraktionen legen Ihnen daher einen Antrag vor, mit dem die Regierung beauftragt wird, die bisherige Effektivität der
Kinder- und Jugendhilfe zeitnah zu überprüfen und anschließend ein Landesprogramm zur Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe vorzulegen. Dieser Antrag geht insoweit auch deutlich über den Koalitionsvertrag beider Fraktionen hinaus, als dass langfristige Entwicklungen und gesellschaftliche Megatrends in die Grundlagen des zu entwickelnden Landesprogramms einbezogen werden sollten. Aus meiner Sicht müssen hierbei insbesondere fünf Punkte Berücksichtigung finden:
Zunächst ist Mecklenburg-Vorpommern wie viele andere Länder mit der Situation konfrontiert, durch den massiven Abbau arbeitsmarktpolitischer Instrumente auch personelle Kapazitäten in der Kinder- und Jugendhilfe einzubüßen. Während im Jahr 1998 noch etwa 45.000 ABM- und SAM-Stellen zur Verfügung standen, waren es bereits im Jahr 2002 nur noch rund 20.000. Diese im Grundsatz bedauerliche Entwicklung ist allerdings mit der Chance verknüpft, Fachlichkeit und Qualität in der Kinder- und Jugendhilfe in Zukunft wieder zu erhöhen. Natürlich ist niemand in der Lage, alle Stellen in allen Jugendklubs des Landes zu finanzieren. Aber könnten wir nicht über ein Programm nachdenken, in dem das Land Stellen zur Betreuung ehrenamtlich geführter Jugendklubs kofinanziert?
Zweitens stellt sich die Frage, wie bei rückläufigen materiellen Ressourcen im am dünnsten besiedelten Land Deutschlands überhaupt noch effektive Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe vorgehalten werden können. Hierbei könnte der Ausbau der Ganztagsschulen in Mecklenburg-Vorpommern neue Perspektiven bieten. Warum sollen in Zukunft die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nicht ganz gezielt organisatorisch mit Ganztagsschulen zu regionalen Bildungszentren verknüpft werden? Auf diese Weise wäre nicht nur der künstliche Gegensatz zwischen Kinder- und Jugendhilfe auf der einen und der Bildungs- und Schulpolitik auf der anderen Seite relativiert, sondern eine effektive Auslastung der Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe auch in einem dünn besiedelten Land gewährleistet.
Drittens steht uns ein demographischer Wandel bevor, der das Problem der Dünnbesiedlung noch einmal deutlich verschärfen wird. Bis 2020 wird das Land Mecklenburg-Vorpommern vermutlich 14 Prozent seiner Bevölkerung verlieren. Gleichzeitig sinkt der Anteil der jungen Bevölkerung unter 20 Jahren von dem Jahr 1990 mit 30 Prozent auf 16 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Viertens sind alle mitteleuropäischen Gesellschaften mit dem Megatrend der Individualisierung und Pluralisierung konfrontiert. Die Sozialisation der Kinder und Jugendlichen, dies bestätigt auch der 11. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, findet immer mehr im öffentlichen Raum statt. Dabei ist allerdings auch festzustellen, dass nicht mehr oder weniger öffentliche Institutionen wie die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, sondern die Peergroups der Gleichaltrigen als Ersatzsozialisationsräume fungieren. Die Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, insbesondere von Angeboten, die sich im klassischen Spektrum der Verbandsarbeit bewegen, ist rückläufig.
Fünftens sind wir auch aufgrund des Prozesses der Individualisierung, vor allem aber aufgrund anhaltend hoher Arbeitslosigkeit mit massiven Prozessen der sozialen Segregatation und Spaltung konfrontiert. Als Folge hiervon nehmen sozialräumliche Disparitäten zu. Diese
Entwicklungen bedrohen nicht nur den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft, sondern bergen langfristig die Gefahr in sich, sich zu multiplizieren und soziale Abstiegsund Schließungsprozesse für die Betroffenen und die Regionen zu produzieren.