Protocol of the Session on September 10, 2003

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Zweiten Lesung dieses Gesetzentwurfes kann man zunächst etwas Positives vermerken: Als im Wesentlichen brauchbar erwies sich in den Beratungen der Entwurf, was die Umsetzung der Ergebnisse der Enquetekommission anging. Das haben wir alle ganz dankbar aufgenommen.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Wir haben auch einige Unebenheiten gemeinsam bereinigt.

(Gabriele Schulz, PDS: Einstimmig sogar!)

Ich hatte in der Ersten Lesung darauf hingewiesen, dass ein paar Verweisungen ins Leere oder in die Irre führten. Das haben wir dann gemeinsam geregelt. Wir haben eine einstimmige Veränderung in der Sache vorgenommen, eine aus meiner Sicht wesentliche, aus der Sicht der kommunalen Gebietskörperschaften und unserer ehrenamtlichen Zähler. Wir haben nämlich im Paragraphen 34 den, ich sage nicht „Unsinn“, aber doch überflüssigen Aufwand beseitigt, dass nämlich ungültige Stimmen und die nicht abgegebenen Stimmen noch einmal nachzuzählen waren. Wir haben festgestellt, es ist unerquicklich und auch unnötig und verzögert nur die Auszählung. Deswegen haben wir das aus dem Gesetzentwurf herausgestrichen.

Wir waren gemeinsam nicht sehr erfolgreich bei der Bewältigung der Frage, wie gehen wir mit der Entscheidung des Landesverfassungsgerichts um hinsichtlich der 5-Prozent-Klausel. Die Regierung konnte uns kein empirisches Material dafür liefern, dass wir eine Zwischengröße gefunden hätten zwischen null, Sperrklausel und fünf Prozent. Wir haben dann eben schlucken müssen, dass die 5-Prozent-Klausel entfällt. Ich habe ein etwas ungutes Gefühl dabei und hätte gern gesehen, wenn uns etwas dazu hätte geliefert werden können. Offenbar gab es nichts. Ich habe so ein bisschen Bedenken, dass sich rechtsextreme Splittergruppen nun gerade unser Land aussuchen, um hier Randale zu machen, indem sie in irgendein Kommunalparlament kommen und dann endlich einen Resonanzboden haben, was wir glücklicherweise politisch bisher vermieden haben.

(Peter Ritter, PDS: In Sachsen sitzen schon rechtsradikale Gruppen in Parlamenten!)

Wir werden ganz wachsam sein müssen und politisch diskutieren müssen, um dies möglichst zu verhindern.

Es gibt zwei ganz gravierende Punkte, in denen wir nicht mit Ihnen einig sind, auch nicht bis zum Ende der Beratungen in den Ausschüssen, insbesondere im Innenausschuss. Und diese beiden Punkte haben wir Ihnen noch einmal als Änderungsantrag hier vorgelegt und bitten herzlich, das noch mal zu prüfen. Wir halten beide Änderungsanträge für so gewichtig, dass wir trotz aller vernünftigen Zusammenarbeit in den Ausschüssen dem Gesetz nicht zustimmen können, wenn es in dieser Fassung verbleibt.

Ich will das kurz noch einmal erläutern: Wir sind nicht einverstanden, dass bei dem Paragraphen 52 eine Wahl aus besonderem Anlass dann stattfinden soll, wenn es darum geht, einen Landkreis aufzulösen. Entgegen der Mitteilung des Innenministers – und ich hoffe, er wird, da er jetzt nach mir spricht, das noch auflösen können – enthält die bisherige Regelung weder im Paragraphen 6 des Kommunalwahlgesetzes noch im Paragraphen 52 eine solche Regelung, weil wir seinerzeit, und das weiß ich aus eigener Kenntnis, eben nicht daran gedacht haben, Herr Innenminister, mit einem Husarenritt ein Modell von Landkreisen in diesem Land durchzupeitschen. Wir brauchen das nicht! Wenn Sie eine Landkreisneuordnung haben wollen, dann können Sie diese Regelung in dem dafür ohnehin erforderlichen Gesetz machen. Dann wissen wir, wovon wir reden. Aber die Behauptung, es stehe schon im Gesetz, verwechselt die Auflösung eines Kreistages aus kommunalaufsichtlichen Regeln mit der Auflösung eines Landkreises. Und da bitte ich Sie, uns noch mal Auskunft zu geben, warum Sie denn darauf bestehen wollen.

Jedenfalls geht es nicht durch die Hintertür. Und Sie werden weiter Ihre Broschüren mit den vier Kreisen, die schon gedruckt sind, zurückhalten müssen. Das wird nichts, Herr Innenminister!

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS – Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ebenso wenig können wir nachvollziehen, und deswegen haben wir den Änderungsantrag hier noch mal dem Plenum gestellt, meine Damen und Herren, warum Sie eigentlich jetzt aus der Direktwahl der Bürgermeister und Landräte flüchten wollen. Das verstehen wir überhaupt nicht. Ich gebe zu, dass man den Änderungstext sehr genau lesen muss, ich musste es auch zweimal tun, um überhaupt zu merken, was Sie da wollen.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD: Ich dachte, es wäre von Ihnen!)

Ja, Sie sind ja noch mal dran,

(Heinz Müller, SPD: Ja.)

nehme ich an, Herr Müller.

(Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS)

Ich habe es zweimal lesen müssen, um den Hintergedanken zu verstehen, warum die bisherige Verweisung auf den Paragraphen 65, in dem nämlich steht, wenn die Wahl nicht zu einem Ergebnis geführt hat, die Direktwahl, dann ist sie zu wiederholen, warum diese Verweisung entfällt und stattdessen die Verweisung dahin geht, dass nunmehr die Stadtvertretung oder der Kreistag den Landrat oder den Bürgermeister zu wählen hat. Es wird, meine Damen und Herren, Fälle geben, in denen auch im zweiten Versuch, aber das ist sehr, sehr weit hergeholt, eine Direktwahl nicht zu einem Ergebnis führt. Aber seien Sie doch nicht so kleinmütig! Lassen Sie den Bürgern doch die Chance, die Spitzen ihrer Verwaltung tatsächlich selber zu wählen! Sie haben einmal, Herr Innenminister, bei irgendeiner Gelegenheit gesagt, wir wollen Demokratie wagen. Wagen Sie sie!

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Lassen Sie die Direktwahl weiterhin bestehen! Lassen Sie den Bürgern die Chance, ihre Verwaltungschefs in den Kreisen und in den Gemeinden, in den Städten, da, wo wir auch hauptamtliche haben, direkt zu wählen!

Herr Innenminister, ich habe mich eigentlich ein bisschen gewundert, warum ausgerechnet Sie das gemacht haben. Sie haben von der Lex Rügen hier etwas missverständlich bei der Ersten Lesung gesprochen. Denken Sie mal an das Ergebnis. Ich muss mich doch sehr wundern.

(Angelika Peters, SPD: Warum denn?)

Als Schweriner sage ich Ihnen: Bei einer indirekten Wahl, das heißt also durch die Stadtvertretung, wäre wahrscheinlich das Gleiche herausgekommen wie bei der direkten Wahl, weil wir bei den Schweriner Mitbürgern...

(Angelika Gramkow, PDS: Das glaube ich eher nicht, Herr Jäger!)

Na ja, da war das mit Herrn Böttger noch nicht so. Nein, nein, das meine ich nicht. Ich meine, dass ich gar keinen Grund hätte,

(Heiterkeit bei Lorenz Caffier, CDU: Hast Du Deinen Führerschein wieder?)

aus praktischen oder parteitaktischen Gründen das so zu verlangen. Ich verlange es als Demokrat von Ihnen, dass Sie dazu stehen: Wir wollen weiterhin die Direktwahl der Bürgermeister und der Landräte, meine Damen und Herren!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

So viel Demokratie darf es denn schon sein. Das ist der eigentliche Grund unseres Änderungsantrages. Und ich sage es Ihnen noch mal: Wenn Sie den so nicht mittragen können, dann ist das Kommunalwahlgesetz, wenn es so herauskommt, ohne diese Änderung, ein Rückschritt gegenüber einer Öffnung zu mehr Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande und den gehen wir nicht mit! Ich bitte Sie deshalb, noch mal sehr sorgfältig zu prüfen, ob Sie unserem Änderungsantrag nicht zustimmen können. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Jäger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Heinz Müller.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute den 10. September, das heißt, in ziemlich genau neun Monaten werden wir am Vorabend der Kommunalwahlen stehen. Und ich denke, es ist an der Zeit, dass der Landtag jetzt das regelt, was für diese Kommunalwahlen zu regeln ist. Wir alle waren uns darüber einig, dass bestimmte Gesetzesänderungen sinnvoll und notwendig sind, Herr Dr. Jäger hat darauf hingewiesen, manches haben wir ja auch einstimmig beschlossen. Und von der Zeit her liegen wir ganz gut.

Ich bin übrigens der Meinung, meine Damen und Herren, dass wir im Wahlkampf ganz sicher auch von den verschiedenen Parteien her Argumente austauschen werden, Wahlkampf machen werden, darauf hinweisen werden, was unsere Positionen sind und was uns von anderen Parteien unterscheidet. Das nennt man Wahlkampf und manchmal ist das ziemlich heftig. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir die Spielregeln, wie wir Wahlen organisieren, wie wir Wahlen auszählen, wie wir sie auswerten, wenn es geht, dann in einem breiten demokratischen Konsens der späteren Konkurrenten festlegen. Und insofern, Herr Dr. Jäger, war ich Ihnen für den ersten Teil Ihrer Ausführungen geradezu geneigt zu danken, weil die ja recht sachlich waren. Das hat sich dann im zweiten Teil Ihrer Rede leider geändert. Und warum Sie in unserem Vorschlag einen Versuch sehen, die Direktwahlen der Landräte und Oberbürgermeister zu torpedieren, das, Herr Dr. Jäger, erschließt sich mir überhaupt nicht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Tja.)

Ganz im Gegenteil, wir halten an diesen Direktwahlen fest, wir wollen sie und wir glauben, dass die Regelungen, die wir für diese Direktwahlen vorgesehen haben, dieses Verfahren stärken und nicht schwächen.

Aber lassen Sie mich systematisch beginnen. Meine Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf setzt in der Tat das um, was die Enquetekommission mit Blick auf das Kommunalwahlrecht vorgeschlagen hat. Wir haben

die Möglichkeit, beim Zusammenschluss von Gemeinden für eine Wahlperiode größere Gemeindevertretungen zu bilden. Wir haben die Möglichkeit und es ist gerade für Gemeindefusionen außerordentlich wichtig, Wahlbereiche frei zu schneiden und dabei historische Gegebenheiten zu berücksichtigen. Das heißt, das, was früher mal eine Gemeinde war, wird dann ein Wahlbereich, auch wenn das den Herrn Riemann hier in der ersten Reihe offenbar herzlich wenig interessiert.

(Heike Polzin, SPD: Er stört uns sogar!)

Wir haben auch einem Wunsch der Hansestadt Rostock folgend – das kann man ja ganz offen sagen – eine ursprünglich vorgesehene Regelung, eine Obergrenze für die Einwohnerzahl von Wahlbereichen vorzusehen, aus dem Gesetz herausgenommen. Das macht in Rostock sehr viel Sinn, aus dem Stadtteil Kröpeliner Tor/Vorstadt einen Wahlbereich zu machen, und der wäre dann eben größer als die 25.000 Einwohner, die im Gesetzentwurf standen. Hier folgen wir nicht nur einer Anregung der Hansestadt, sondern wir folgen auch dem Votum des Städteund Gemeindetags. Bis dahin, meine Damen und Herren, sicherlich kein allzu problematischer Punkt, obwohl bei der Opposition bei der Frage der Obergrenze der Wahlbereiche hier bestimmte Bedenken vorlagen.

Das zweite wichtige Thema, das in diesem Wahlgesetz umgesetzt wird, ist die Abschaffung der 5-Prozent-Klausel. Ich will hier überhaupt nicht verhehlen, dass es auch in Reihen der SPD und gerade in Reihen sozialdemokratischer Kommunalpolitiker eine Reihe von Handelnden, von Aktiven gibt, die mit dieser Abschaffung der 5-ProzentKlausel nicht gerade glücklich sind. Und wir wissen auch, dass das Verfassungsgericht diese Abschaffung nicht zwingend vorgesehen hat, sondern uns lediglich gesagt hat, dass, wenn wir an ihr festhalten wollen, wir dies außerordentlich sorgfältig begründen müssen.

Wir haben uns im Ausschuss, und auch das gehört zur Wahrheit, Herr Dr. Jäger, nicht sehr eingehend mit dieser Frage befasst und wir haben auch nicht Anforderungen auf dem Tisch gehabt, hier etwa Alternativen – zweieinhalb Prozent oder zwei Prozent, oder was auch immer denkbar wäre – zu prüfen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das hat die Regierung gemacht.)

Wir haben uns darauf verständigt und insofern setzen wir den Koalitionsvertrag um, diese 5-Prozent-Klausel zu streichen. Damit setzen wir hier eine Linie fort, die wir auch aus anderen Bundesländern kennen, die teilweise eindeutigere Verfassungsgerichtsurteile hatten, und schaffen diese Sperrklausel ab. Ich möchte hier mit allem Nachdruck unterstreichen: In der Masse der Vertretungen in unserem Land wird dies ohne Bedeutung sein, denn wenn eine Gemeindevertretung aus sieben oder aus neun oder aus elf Gemeindevertretern besteht, dann macht es keinen Unterschied, ob es diese Sperrklausel gibt oder nicht. Eine Liste muss in jedem Fall deutlich mehr als fünf Prozent der Stimmen auf sich vereinen, um wenigstens einen Sitz zu bekommen. Wir haben hier also eine Regelung, die lediglich für die großen Vertretungen, für die Kreistage, für die Stadtvertretungen der kreisfreien Städte und für einige große kreisangehörige Städte, greift.

Der nächste wesentliche Punkt in unserem Änderungsgesetz sind einige Fragen von Quoren und von Stichwahlen. Ich kann hier Ihrer Argumentation, Herr Dr. Jäger,

überhaupt nicht folgen. Ich finde diese Argumentation auch noch einmal in der schriftlichen Begründung Ihres Änderungsantrags,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

wonach, wenn der Zweitplazierte oder auch der Erstplazierte für eine Stichwahl nicht antritt,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

wir mit dem Drittplazierten einen Verlierer in das Rennen schicken.