Protocol of the Session on August 27, 2003

einkommen von 15.000 Euro und damit eine Steuerersparnis von 267 Euro im Jahr, 22,25 Euro mehr im Portemonnaie pro Monat. Angesichts anderer Reformen wie der Gesundheitsreform oder der Rentenreform ist kaum anzunehmen, dass Frau X diese üppige Summe verprassen und damit den Konsum ankurbeln wird.

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Anders Herr Y mit einem Jahreseinkommen von 1 Million Euro. Er kommt auf eine Steuerersparnis von 67.000 Euro. Und ich frage Sie: Ist das gerecht?

(Beifall Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

Ist es gerecht, dass bei Arbeitslosen, bei Rentnern, bei Berufspendlern, sozial Schwachen weiter gekürzt wird, die Zahl der Einkommensmillionäre in den letzten Jahren trotz Wirtschaftsflaute aber angestiegen ist und diese trotzdem nicht zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden? Ist es denn gerecht, dass eine supergroße Koalition von SPD, CDU/CSU, FDP und Bündnisgrünen die Einführung einer Vermögenssteuer von ihrer Agenda gestrichen haben?

(Torsten Koplin, PDS: Nein. – Gabriele Schulz, PDS: Komisch.)

Nein, sage ich, das ist aufs höchste ungerecht, denn den Appell, den Gürtel enger zu schnallen, immer nur an jene zu richten, bei denen es ohnehin schon nichts mehr zu holen gibt, wird die Probleme dieser Gesellschaft nicht lösen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Erkennungsmerkmal dieser Gesellschaft war lange Zeit die soziale Marktwirtschaft. Ex-Arbeitsminister Norbert Blüm verweist in einem seiner jüngsten Interviews darauf, ich zitiere: „Wir haben ja keine reine Marktwirtschaft, sondern eine soziale Marktwirtschaft. Allerdings wird das Soziale in jüngster Zeit zusehends zum Stiefkind.“ Und Blüm sagt weiter: „Solange der Ost-West-Gegensatz noch am Leben war, da hatte es die Sozialpolitik ein bisschen leichter, weil der Sozialstaat auch eine Legitimationsgrundlage unseres Systems war, mit dem wir unsere Überlegenheit bewiesen haben.“ Zitatende.

(Torsten Koplin, PDS: Ist ja herrlich!)

Offensichtlich ist von dieser Überlegenheit nicht mehr viel übrig geblieben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, angesichts dieser Situationsbeschreibung stellt sich die Frage nach den Alternativen. Von der supergroßen Koalition zur Nichteinführung der Vermögenssteuer war schon die Rede. Eine große Koalition gibt es seit einiger Zeit bei der Gesundheitsreform. SPD und CDU wollen nicht nur gemeinsam ein Eintrittsgeld in den Arztpraxen, sie wollen den Leuten auch an die Zähne, nicht mehr nur sprichwörtlich, sondern praktisch. Der Deutsche Gewerkschaftsbund nennt die Einigung zur Gesundheitsreform, ich zitiere: „ein Programm zur Senkung der Nettolöhne“. Es stellt sich h i e r – gestatten Sie den Einschub an dieser Stelle – die Frage, warum der von den Gewerkschaften aufgeschobene heiße Sommer laut DGB-Chef Sommer nun offensichtlich auch im Herbst nicht mehr stattfinden soll.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer offenen Auges durch die politische Landschaft geht, dem wird

allerdings auch klar, dass CDU/CSU und FDP schon lange bereitstehen, noch stärker an der Schraube des Sozialabbaus zu drehen, als SPD und Grüne es zurzeit bereit sind zu tun. Die Äußerungen des Vorsitzenden der Jungen Union Missfelder sind durch Frau Merkel und Co zwar schnell als jugendlicher Übermut abzutun, dass CDU-Sozialpolitik aber schon lange nach dem Motto „Lieber reich und gesund als arm und krank“ daherkommt, ist doch längst kein Geheimnis mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Und so, meine sehr verehrten Damen und Herren, starrt alles gespannt auf die Bayernwahl am 21. September. Doch was wird sich denn nach dem 21. September ändern? Nichts! Die CSU bleibt stärkste Partei in Bayern, die SPD wird weiter schlimm verlieren und von der PDS sind in Bayern noch keine großen Sprünge zu erwarten.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS – Rudolf Borchert, SPD: Das überrascht uns.)

Was aber passieren wird, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Tatsache, dass CDU und CSU nach dem 21. September dann ungeniert das Reformpaket der Bundesregierung unterstützen und verschlimmern werden.

(Beifall Torsten Koplin, PDS)

Der Einzelne soll noch mehr für Sozialversicherung, für Krankenversicherung und so weiter verantwortlich sein, das heißt, Risiken künftig mehr aus eigener Tasche finanzieren.

(Torsten Koplin, PDS: Das heißt entsolidarisieren.)

Das Tarifkartell in Deutschland soll aufgebrochen werden, Niedriglohnbeschäftigung soll ausgedehnt, Wochenarbeitszeit bei gleich bleibendem Lohn verlängert werden. Und das alles, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nennen Sie „Reformen, die den Menschen wieder mehr Geld in die Hand geben und den Binnenkonsum ankurbeln sollen“, wie in einem Brief des CDU-Bundestagsabgeordneten Adam an Heinz Figas vom Erwerbslosenbeirat Mecklenburg-Vorpommern zu lesen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Das ist lächerlich. – Torsten Koplin: PDS: Er kann sich ja gesundkaufen!)

Ob das, liebe Kolleginnen und Kollegen, die finanzpolitische Schieflage des Bundes und des Landes behebt, ist mehr als fraglich.

Und nun hält man uns immer vor, wir würden kreuz und quer durchs Land fahren und immer nur Nein sagen. Würden die, die das behaupten, jedoch nicht immer mit Scheuklappen durchs Land reiten, hätten sie erkennen müssen, dass es seitens meiner Partei genügend Vorschläge gibt, die Einnahmesituation von Bund, Ländern und Kommunen zu verbessern oder den Arbeitsmarkt eben für mehr Arbeit zu reformieren.

(Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)

Ich will überhaupt nicht behaupten, dass unsere Vorschläge die allein glücklich machenden wären. Wer aber in einer Zeit, wo das 8-Punkte-Programm für Innovation im Osten, an dem nicht ganz unbedeutend der Arbeitsminister dieses Landes mitgewirkt hat, in den Medien über

regional Beachtung findet, nicht registriert, dass es Alternativen der PDS gibt, der kann entweder nicht lesen oder ist an einer ernsthaften Zusammenarbeit im Interesse des Landes nicht interessiert.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Kern dieses wie anderer Programme ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Zur Finanzierung schlagen wir unter anderem vor – auch hier wiederhole ich mich wie an vielen anderen Stellen –, die Vermögenssteuer zum Beispiel wieder einzuführen und die Erbschaftssteuer zu reformieren. Nach Angaben renommierter Finanzwissenschaftler, die nun ausgewiesenermaßen nicht Mitglied der PDS sind, bringt das allein insgesamt 20 Milliarden Euro. Unser Konzept der Vermögensbesteuerung ist dabei kein Angriff auf die Mittelschicht. So sollen zum Beispiel selbst genutztes Wohneigentum oder Betriebsvermögen bis zu 500.000 Euro steuerfrei bleiben. Ebenfalls Bestandteil unseres Steuerkonzepts ist die Einführung einer Börsenumsatzsteuer genauso wie das Schließen weiterer Steuerschlupflöcher.

Wir schlagen vor, die weitere Senkung des Spitzensteuersatzes nicht durchzuführen. Die Absenkung von 48,5 auf 42 Prozent kostet die Staatskasse allein 6 Milliarden Euro. Die CDU will bekanntlich den Spitzensteuersatz unter 40 Prozent senken,

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

und dabei ist doch jetzt schon unklar, wie die Ausfälle der vorgezogenen Steuerreform im Land kompensiert werden können. Im Haushaltsplan ist darauf jedenfalls keine Antwort zu finden.

Wir schlagen außerdem ermäßigte Mehrwertsteuersätze für arbeitsintensive Dienstleistungen im Handwerk genauso vor wie erhöhte Mehrwertsteuersätze für Luxusgüter. Die so genannte Ökosteuer soll durch eine Primärenergiesteuer ersetzt werden, die für den Ausbau eines ökologischen Öffentlichen Personennahverkehrs eingesetzt werden soll. Es muss Schluss sein damit, Steuerflüchtlinge mit großem Zartgefühl zu behandeln. Die von der Bundesregierung geplante Steueramnestie bringt Steuereinnahmen von 5 Milliarden Euro, jedoch mindestens 72 Milliarden Euro bleiben unangetastet.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch auf folgenden Verweis kann ich natürlich nicht verzichten: In diesem Jahr will die Bundesregierung sage und schreibe 1,4 Milliarden Euro für Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgeben, Neuanschaffung von Technik und Material nicht mitgerechnet. 1,4 Milliarden Euro, das sind immerhin etwa 19 Prozent unseres Landeshaushaltes und ein Vielfaches von den 7 Millionen Euro, die wir für das kostenlose Vorschuljahr einsetzen wollen. Auch darüber sollte man intensiv nachdenken.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Genauso sollte man über die 2,3 Millionen Euro in Sachen Werbefeldzug „Agenda 2010“ nachdenken. Diese Summe soll uns weismachen, dass sich Deutschland bewegt. Nur wohin sich Deutschland bewegt, sagt die Kampagne nicht. Wohin sich unser Land mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf bewegt, ist auch noch nicht klar. Das Bild ist zu verschwommen, der Rahmen verspricht keinen Halt.

(Ministerin Sigrid Keler: Oh! – Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es!)

Wenn wir als PDS-Fraktion heute mehrheitlich der Überweisung des Haushaltes zustimmen, dann heißt das noch lange nicht, dass wir jeden Pinselstrich mitmachen werden. Ich verhehle nicht, dass es in meiner Partei und in meiner Fraktion nicht wenige kritische Stimmen gibt, die ernsthaft die Frage stellen, ob angesichts der von mir beschriebenen Situation Verschlimmbesserung noch unsere richtige Politik sein kann. Ohne grundlegende Verbesserungen im Reformpaket der Bundesregierung werden wir die finanzpolitische Schieflage im Land, in den Kommunen und vor allen Dingen bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern nicht beseitigen können und deshalb sollten wir uns zur Haushaltsdebatte auch ausreichend und die notwendige Zeit nehmen. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Ritter.

Als Nächste hat noch einmal ums Wort gebeten die Finanzministerin des Landes Frau Keler. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Auf Herrn Ritter möchte ich jetzt nicht eingehen, weil ja Frau Gramkow noch kommt.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Wir haben vorhin, meine Damen und Herren, einen typischen Rehberg gehört. Das Land wird schlechtgeredet. Es werden düstere Prognosen gemacht. Es wird der Eindruck erweckt, der Ministerpräsident und die Finanzministerin könnten wie im Sozialismus Geld einfach so zur Verfügung stellen und einfach Rechnungen bezahlen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Über den Zustand an Schulen wird geklagt, obwohl das Grundübel in der ersten Legislatur durch die CDU gelegt worden ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Gabriele Schulz, PDS: Das haben sie vergessen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine Damen und Herren, ich erinnere noch mal daran, wie viel Stundentafelkürzungen Sie vorgenommen haben. Gucken Sie sich doch das noch mal an!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Und wir müssen das jetzt mühsam wieder aufbauen.