Protocol of the Session on June 26, 2003

Bei der Innenfinanzierung, habe ich gesagt, kommt es darauf an, dass die Unternehmen in die Lage kommen, sich so viel Gewinne zu erwirtschaften, dass die Eigenkapitalbasis gestärkt werden kann. Bei dieser eher unternehmensstrategischen Argumentationslinie geht es um die ganze Breite wirtschaftspolitischen Handelns. Mit anderen Worten, die Reformen der Sozialsysteme gehören ebenso dazu wie die Schaffung einer modernen leistungsfähigen Infrastruktur als Voraussetzung für Wohlstand und Wachstum einer Region.

(Angelika Gramkow, PDS: Da sind wir auf gutem Wege.)

Verfügbarkeit und Qualität der Infrastruktur, Verkehr, Kommunikation, Ver- und Entsorgung, Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, sind weitere entscheidende Standortfaktoren, die es Unternehmen ermöglichen, erfolgreich am Markt zu agieren und so Gewinne zu erwirtschaften.

Um die Entwicklung einer leistungsstarken, technologisch international wettbewerbsfähigen Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern voranzutreiben, müssen die Möglichkeiten der Unternehmen, Forschung und Entwicklung zu betreiben und damit die Grundlagen für die erforderlichen Innovationen zu schaffen, deutlich verbessert werden. Wirksamer Bürokratieabbau und durchgreifende wirksame Deregulierung bedeuten eben nicht nur weniger Vorschriften, sondern vor allem deutlich mehr Luft zum Atmen und damit mehr Spielraum für Unternehmen und Bürger.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Bei den genannten Punkten wird deutlich, dass jeder, der über Mittelstandsfinanzierung spricht, selbst wenn ihm das persönlich nicht einmal bewusst ist – und den Eindruck habe ich bei manchen, die sich darüber äußern –, in erster Linie über Wirtschaftspolitik ganz grundsätzlicher Art spricht. Die allseits beliebte, nach der verbreiteten Politikerschelte als zweitkleinster gemeinsamer Nenner bevorzugte Bankenschelte greift bei diesem Thema viel zu kurz, viel zu kurz.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Was kann denn das Land direkt tun, um die Möglichkeiten für Unternehmen an den Kapitalmärkten zu verbessern? Diese zweite Argumentationslinie ist eher operational.

Nach einer Umfrage der Vereinigung der Unternehmerverbände Mecklenburg-Vorpommern erklären 56,3 Prozent der Unternehmen, dass die Kreditaufnahme schwieriger geworden sei, 40,7 Prozent sagen, sie sei gleich, und 3 Prozent, sie sei einfacher geworden. Transparenzanforderungen und das Beibringen von Sicherheiten werden von dreiviertel der Befragten als Gründe angesehen. Trotzdem wurde jedem sechsten Unternehmen die Kreditlinie im vergangenen Jahr verlängert.

Es ist interessant, dass nur jedes fünfte Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern im vergangenen Jahr überhaupt einen Kredit beantragt hat. In Ostdeutschland insgesamt ist es jedes dritte Unternehmen. Bei den Ablehnungen ist Mecklenburg-Vorpommern mit 36,1 Prozent allerdings leider Spitze, in Ostdeutschland sind es insgesamt 26,9 Prozent, in Westdeutschland 16,6 Prozent. Und dies hängt eben mit den schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen und dafür ist die Wirtschaftspolitik dieses Landes verantwortlich.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Hauptgründe sind in Mecklenburg-Vorpommern aber auch vermeintlich völlig veränderte Geschäftspolitiken der Banken und fehlende Sicherheiten.

Lassen Sie mich hier noch einmal einen Vergleich zu 1990 anstellen. Ja, es ist wahr, 1990 sind viele ältere, erfahrene Banker nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen, zum Teil waren sie schon im Ruhestand, und haben gesagt, dies ist noch einmal eine Herausforderung, der ich mich stelle. Ich werde die Geschäftsstelle einer Bank

übernehmen, werde eine Filiale hier aufbauen. Damals hatten sie keine Möglichkeit, alle möglichen Konzepte zu verlangen, sondern diese Banker haben sich schlicht diejenigen, die Kredite haben wollten, angeguckt und haben gesagt, dem- oder derjenigen traue ich es zu oder traue ich es nicht zu, und danach haben sie entschieden. Es ist auch richtig, dass nach etwa drei oder vier Jahren hier ein personeller Wechsel erfolgte und dann häufig sehr smarte und agile Karrieremenschen an die Stelle getreten sind, die sehr genau ins Gesetz geguckt haben, die vor allen Dingen einen Schlüsselparagraphen kennen – Paragraph 18 Kr editwesengesetz – und genau darauf achten, dass die Aktenlage stimmt,

(Eckhardt Rehberg, CDU: So ist es.)

weil eins in der Tat nicht zu bestreiten ist: Es ist zwar für einen Bankvorstand durchaus noch zu überleben, wenn er ab und zu den einen oder anderen Kredit nicht richtig zurückgezahlt bekommt und er entsprechende Wertberichtigungen vornehmen muss. Was er aber kaum überlebt, ist, wenn bei der Revision festgestellt wird, dass zum Beispiel die Bilanz nicht ordnungsgemäß unterschrieben ist oder dass die BBAs nicht vollständig vorliegen. Hier hat sich das Verhalten von Banken ganz objektiv verändert, das ist überhaupt keine Frage. Das ist natürlich ein Zustand, der es für Unternehmen sehr, sehr viel schwieriger macht, aber man muss dann auch hinzufügen, dass die Banken auch schwierigere gesetzliche Rahmenbedingungen zu beachten haben

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

und dem muss insgesamt Rechnung getragen werden,

(Angelika Gramkow, PDS: Genau so.)

sowohl von Banken wie von den Unternehmen.

(Angelika Gramkow, PDS: Es ist nämlich für die Unternehmen auch eine Chance.)

Wo liegen aber die speziellen Probleme in Mecklenburg-Vorpommern?

Erstens, die niedrige Eigenkapitalquote. Darauf hat Frau Kollegin Schildt ja schon hingewiesen. Bundesweit liegt sie bei 17 Prozent, in Mecklenburg-Vorpommern unter 10 Prozent. Dazu kommen häufig noch fehlende Sicherheiten.

Und zweitens, die Fremdkapitalorientierung. Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern haben eine signifikant geringere Bereitschaft zu anderen Finanzierungsformen, wie etwa Beteiligungen oder Leasing. Doch gerade diese sind es, die Eigenkapital und Eigenkapitalquote verbessern und somit die Chancen auf ein besseres Rating im Rahmen der Bonitätsbewertung erhöhen.

(Beifall Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Drittens, die Nachfrage nach Förderkrediten. Nur 22,8 Prozent der Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern haben diese Finanzierungsform im letzten Jahr angefragt. Der Durchschnitt der neuen Länder liegt bei 44,4 Prozent, also fast doppelt so hoch.

Und viertens, ein absolutes Hauptproblem, das der Minister beschrieben hat, aber ich werde gleich deutlich machen, dass die Lösungsansätze auch hier wieder zu kurz greifen, ein absolutes Hauptproblem ist der Informationsmangel. Nur 42,9 Prozent der Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern, Deutschlandweit sind das

57,4 Prozent, sind die Ratingkriterien überhaupt bekannt. Und hier ist interessant, dass die Hauptinformationsquelle über Fördermöglichkeiten bei westdeutschen Unternehmen zu 40,2 Prozent bei den Banken liegt, in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nur bei 8,3 Prozent.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Und jetzt ist in der Tat die Frage zu stellen: Wie will die Landesregierung dem aufgezeigten Problem eigentlich begegnen? Das vorgelegte Konzept, Herr Minister, das greift fast durchweg zu kurz.

(Egbert Liskow, CDU: Gar nicht.)

Qualifizierung. Beim Thema Qualifizierung will ich den guten Willen durchaus anerkennen. Da ist der Versuch gemacht worden, aufs Tor zu schießen, aber der Ball kommt nicht an. Eine Förderung von bis zu 50 Prozent der Kosten für Ratingberatung sowie Qualifizierung eines Unternehmens zu Finanzierungsanfragen bei der Bank ist ein zaghafter Schritt, zumindest einer in die richtige Richtung, aber Beratung als solche nutzt überhaupt nichts. Ich habe vor Jahren schon einmal vom Beraterunwesen gesprochen, was sich im Land breit gemacht hat. Wir konnten feststellen, dass viele Unternehmen mit Beratungskosten auch durch das Wirtschaftsministerium belastet wurden

(Angelika Gramkow, PDS: Aber die Berater haben eine hervorragende Arbeit geleistet.)

und die Berater waren die Einzigen, die daran einen Gewinn hatten, die davon profitierten, nicht aber die Unternehmen, denen die Beratung zugute kommen soll.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wenn Beratung stattfindet, dann müssen Sie bitte als Erstes dafür sorgen, dass eine solche Beratung ausschließlich durch qualifizierte Berater erfolgt. Hier sollten Sie die Zusammenarbeit insbesondere mit den Kammern suchen und dafür sorgen, dass entsprechende Zertifikate ausgestellt werden und nur solche Beratung gefördert wird durch den Staat, die auch tatsächlich den Unternehmen weiterhilft. Sonst ist nicht nur das Geld, das staatliche Geld vergeudet, sondern viel schlimmer, die Unternehmen werden auch noch falsch beraten und der Schaden wird viel größer.

Aber schon bei der vorgeschlagenen Darlehensgewährung, Herr Minister, wird das ganze Dilemma Ihrer Vorschläge deutlich. Vorgesehen ist eine Änderung der Richtlinie des Existenzgründerinnendarlehensprogramms, ein Programm, das bereits heute existiert. Aber mit marginalen Änderungen der Richtlinie wird das Problem nicht gelöst. Was wichtig ist, ist, dass die Landesregierung endlich das Problem angeht, dass wir mehr private Risikokapitalgeber brauchen. Hier kann ich nur wieder auf den Freistaat Bayern verweisen. Schauen Sie sich einmal an, wie dort ein Großteil von Innovationen finanziert wird, nämlich durch private Risikokapitalgeber. Und wenn wir die hier im Land nicht haben, dann hängt das eben wiederum mit den schlechten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusammen, weil einfach viele, die über entsprechendes Kapital verfügen, insbesondere Ihnen, Herr Minister, nicht zutrauen, dass Sie die Rahmenbedingungen so verändern, dass es sich lohnt, hier Kapital zur Verfügung zu stellen.

Ein grundsätzliches Problem der Vorschläge sind die vielen Vorbehalte, die Sie machen. Könnte, wäre, wenn

und aber sind häufig anzutreffende Vokabeln. So auch beim grundsätzlich richtigen Vorschlag, Eigenkapital durch Beteiligungen zu fördern. Insbesondere für Investitionen zwischen 1 und 5 Millionen Euro besteht hier Handlungsbedarf. In den Raum gestellt wird eine Gewährleistung durch die Landesregierung von 50 bis 80 Prozent der auszureichenden Summe. Allerdings ist der Vorschlag insgesamt völlig unausgereift und er wurde bis heute zudem finanziell völlig ununtersetzt dargeboten.

An anderer Stelle werden ein effizienteres Bürgschaftsverfahren sowie Liquiditätshilfen zur Beschäftigungssicherung als wünschenswert dargestellt. Sie haben das eben hier auch noch einmal wiederholt. Dabei nutzt das Land schon heute Bürgschaften und Konsolidierungsdarlehen, nichts also, was nicht schon heute gemacht wird. Zudem auch wieder die Vorschläge alle unter Vorbehalt, vor allen Dingen Finanzierungsvorbehalt. Das Finanzierungskonzept der Landesregierung ist völlig unzureichend.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Kernprobleme, wo keine Lösung aufgezeigt wird, die mangelhafte Durchleitung von Förderprogrammen, Ansätze der Landesregierung zur Lösung, beispielsweise eine Landesinvestitionsbank zu gründen, das haben Sie eben selbst gesagt, werden nicht weiterverfolgt. Und Sie begründen das damit, das bräuchte zu lange Zeit, zwei Jahre wären erforderlich. Ja, Herr Minister, wie lange haben Sie denn eigentlich benötigt, um zu erkennen, in welch dramatischer Situation sich die Wirtschaft dieses Landes befindet?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Sie sind doch nicht erst seit gestern im Amt. Wenn Sie der Auffassung sind, dass das ein richtiges Instrument ist, dann frage ich Sie wirklich: Was haben Sie denn die ganzen zwei Jahre gemacht? Haben Sie so lange gebraucht, um eine solch dürftige Bestandsaufnahme zusammenzuschreiben, die Sie uns hier heute vorgelegt haben?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Auch andere Möglichkeiten, die Durchleitung attraktiver zu gestalten, beispielsweise durch eine Erhöhung der Haftungsfreistellung für Kredite an Unternehmen mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern von 50 auf 80 oder 90 Prozent, finden keine Erwähnung. Also immer da, wo es konkret wird, da scheint zumindest die Abstimmung zwischen Ihnen und der Finanzministerin nicht erfolgt zu sein. Und was nützen die ganzen Vorschläge, wenn sie nicht finanziert werden können? Dann diskutieren Sie weiter und dann sind wir in den nächsten zwei Jahren auch noch keinen Schritt weiter.

Ein weiteres Thema, das gerade in MecklenburgVorpommern erwähnt werden muss, ist das Insolvenzplanverfahren. Darauf haben Sie hingewiesen. Es ist Bestandteil der neuen Insolvenzordnung, ähnlich der alten Vergleichsregelung, allerdings kann dabei von den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Schulden abgewichen werden.

Der Schuldner beziehungsweise Insolvenzverwalter ist somit bei der Erstellung des Plans zunächst völlig frei. Der Vorteil: Die Geschäftsführung bewegt sich in einem rechtlich sicheren Verfahren, es droht keine Konkursverschleppung und das Unternehmen wird von Kosten, drei Mona

te Konkursausfallgeld statt Lohn, keine Kapitalkosten, entlastet. Im Zeitraum des Insolvenzplanverfahrens müssen durch den Verwalter das Unternehmen fortgeführt und die wirtschaftlichen Verhältnisse neu und dauerhaft geordnet werden.

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Ebnet, da wäre es doch sicher sinnvoll, die dafür notwendige Liquidität zur Sicherung der Beschäftigung durch öffentliche Darlehen auch bereitzustellen. Gedacht werden könnte etwa an eine Bereitstellung aus Mitteln des ESF beziehungsweise des Initiativfonds des Landes. Vielleicht setzen Sie sich noch einmal mit Ihrem Kollegen Herrn Minister Holter zusammen

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)