Protocol of the Session on March 12, 2003

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS, und Torsten Koplin, PDS)

Ja, Frau Gramkow, wir haben es ja geglaubt, dass das geht, wir beide, andere auch. Ja, was kriegen wir? Das ist Bundesrecht, das haben wir vorher gewusst. Wir haben aber gebeten um Ausführungsbestimmungen, um Ausnahmen von den Ausführungsbestimmungen, und, Herr Innenminister, das sind Ihre.

Und jetzt, Herr Justizminister, von wegen Deregulierung. Wir wollten ein Deregulierungsgesetz mit diesem Standardanpassungs- oder Standardöffnungsgesetz. Über den Begriff haben wir uns gestritten, über den Inhalt nicht. Und was haben wir? Jetzt beschäftigen wir das Verwaltungsgericht damit. Das, meine Damen und Herren, ist kein guter Teil der Deregulierung.

Herr Schulte, wenn es so wäre, dass in Hessen die 30Prozent so gemacht worden sind, dass man aus einem Gesetz Bestimmungen rausgenommen und es dann wegfallen lassen hat, weil dann war ja nichts mehr, und in andere geschoben hätte, könnte man nicht stolz drauf sein. Das ist nicht so. Ein Blick in die bereinigte Sammlung des hessischen Landesrechts – wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen die Fundstelle – zeigt, dass die eine ganze Menge eingreifende Regelungen, Genehmigungsbestimmungen abgeschafft haben. Das ist kein Fremdwort, abgeschafft! Und genau da muss der Weg hingehen.

(Beifall Eckhardt Rehberg, CDU)

Das Zweite. Herr Justizminister, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie heute zu Ihrer neuen Aufgabe gesprochen haben, weil da gab es Konfusionen, nicht nur bei den Abgeordneten der Opposition. Da können Sie sagen, wir sind ein bisschen begriffsstutzig. Das will ich zwar nicht in Anspruch nehmen für uns, aber ich würde ja gerne dann den Beweis antreten, dass es nicht so ist. Nur, auch bei den Abgeordneten der Koalition gab es niemand, einschließlich des Innenministers, der wusste, was da eigentlich bei der Deregulierung gemacht wird. In der letzten Sitzung, der zweiten, des Ausschusses, dem Herr Kollege Müller gerne vorsitzt,

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Vincent Kokert, CDU)

musste der Innenminister sagen, zur Deregulierung kann ich Ihnen nichts sagen, dafür ist der Justizminister zuständig.

Meine Damen und Herren, das weiß ich noch aus 3 0 Jahren Verwaltungserfahrung: Wenn Ressortminister oder auch Mitarbeiter einer Verwaltung sich damit rausreden, dass sie nicht zuständig sind, dann ist was faul im Staate Dänemark, dann stimmt was nicht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Und dass es nicht stimmt, Herr Justizminister, habe ich an einem gemerkt, Sie haben eine Kommission gebildet. Nun will ich diesen blöden Spruch nicht bringen, der da immer gebracht wird mit den Kommissionen, weil das ist nicht unser Niveau, auch Ihres nicht. Das weiß ich. Aber bitte, bitte, verlassen Sie sich nicht darauf, dass diejenigen, die Gesetze und Verordnungen machen, dass die auch diejenigen sind, die die Richtigen sind, die Deregulierung einzuleiten! Zum Beispiel hat es mich erschreckt, dass die beiden Geschäftsführer der kommunalen Landesverbände, die anwesend waren, von Ihrer Gruppe gar nichts wussten. Die gehören da rein, Herr Justizminister. Die nehmen Sie bitte dazu, die kommunalen Landesverbände!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Die müssen das nämlich ausführen, was hier dieser Landtag und im Wesentlichen auch die Landesregierung durch die Verordnungen macht.

Sie haben in dem Antrag so Beispiele gebracht in Nummer 2: „Vorschriften im Anzeige-, Mess-, Melde-, Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Genehmigungswesen“. Beim Messwesen fällt mir was ein. Meine Damen und Herren, entsinnen Sie sich noch an die heiße Debatte um die Nacheinmessung, die Nacheinmessung von Bauvorhaben, die wir 1996 als Landtag – da war ich in anderer Funktion ein Stück beteiligt – genehmigungsfrei gestellt haben? Die haben Sie im Nachhinein, die Einmes

sung der genehmigungsfreien Vorhaben, haben Sie zur Pflicht gemacht. Das nennen Sie Deregulierung! Ich glaube, wir müssen gemeinsam da noch eine Menge lernen. Also zu Nummer 2 stimme ich Ihnen voll zu. Aber bitte mit Ehrlichkeit, dann machen wir es auch gemeinsam.

Ein Drittes, was Sie nicht genannt haben, ist das neue Ausschreibungsrecht, das neue Vergaberecht genauer gesagt. Jetzt will ich nicht, Herr Wirtschaftsminister, die Arbeit der Vergabekammern rügen. Da habe ich überhaupt keinen Grund. Ich meine, die machen eine sehr gute Arbeit. Aber wir leiden darunter als Kommunen, dass wir wegen allem und jedem uns nachher beschimpfen lassen, dass die örtlichen Unternehmen nicht berücksichtigt worden sind. Das wissen wir Ehrenamtlichen in den Kommunen ganz genau und dann sagen wir, ja, das ist das Vergaberecht. Aber, meine Damen und Herren, das Vergaberecht hat dazu geführt – und das kann ich sehr deutlich gerade an meiner eigenen kommunalpolitischen Erfahrung in dieser Landeshauptstadt sagen –, dass es immer die großen Firmen sind, die die Aufträge kriegen, und dass die kleinen örtlichen keine Chance haben.

Meine Damen und Herren, wenn es wieder möglich wäre – und da könnte man durchaus den Bundeswirtschaftsminister und die Bundesregierung in die Pflicht nehmen –, in diesem Bereich Kleinbetragsregelungen weit über das hinaus, Herr Wirtschaftsminister, was Sie schon haben, aus dem Mittelstandsfördergesetz zum Beispiel, einzuführen. Ich empfehle dazu, einen Gesetzentwurf der kommunalen Landesverbände in Schleswig-Holstein sich mal zu Gemüte zu führen. Das kann man wegen der begrenzten Zeit nicht ausführen. Wir sollten mal darüber reden, ob es möglich ist, für einen beschränkten Zeitraum das Verbot der Nachverhandlungen bei bestimmten Aufträgen aufzuheben. Ich weiß, dass das eine heilige Kuh ist. Ich weiß, dass man das auch missbrauchen kann. Aber ich weiß, dass unsere Mitarbeiter in den Verwaltungen ja unter ganz bestimmten strengen Regelungen stehen, und da müssen wir eben ein bisschen mehr aufpassen.

Aber es könnte uns sichern, dass erstens Aufträge schneller vergeben würden, was manchmal bei Fördermitteln ganz sinnvoll wäre, und zweitens könnten wir ein klein bisschen dazu tun, dass dann die mittelständischen Unternehmen – und das sind in unserem Lande eben anders als anderswo nicht die 250 Arbeitnehmer der EURegelung, sondern das ist der kleine Betrieb mit 40, 50 Arbeitnehmern, und das ist bei uns schon ein ordentlicher Betrieb –, dass die die Aufträge kriegen. Also lassen Sie uns darüber nachdenken! Ich weiß, dass der eine oder andere jetzt wirklich glaubt, ich hätte die Bibel verletzt. Man muss einfach nur drüber nachdenken.

Ja, und Herr Justizminister, E-Government – macht mir immer Freude, wird alles besser mit E-Government. Stimmt. Sicher ist eins, wenn Sie die Verwaltung elektronisch betreiben, wenn Sie eine virtuelle Verwaltung aufmachen, wenn der Mitarbeiter gezwungen wird zu chatten, wie das so schön modern heißt, neudeutsch, dann kriegen Sie einen Mitarbeiter, der richtig aktiv jeden Tag da ist, also Baumann und Clausen ist nicht mehr. Aber, Herr Minister, wissen Sie, es ist ja viel schlimmer. Es ist ja gar nicht so, dass wir an dem Zeitalter zur elektronischen Verwaltung sind. Wir sind überhaupt noch nicht so weit. In Ihrem eigenen Ressort, Herr Minister, gibt es ein Datenverarbeitungssystem, das mit Ihrem Gegenüber – ach, der Herr Innenminister ist nicht da –, mit der Kriminalpolizei nicht kommunizieren kann. Die tauschen noch Brieftau

ben aus. Mit Ihrem Datenverarbeitungssystem können zum Beispiel nicht elektronisch Ermittlungsergebnisse von der Polizei an die Staatsanwaltschaft weitergegeben werden. Ändern Sie das bitte schnell! Ändern Sie das bitte schnell!

(Beifall Eckhardt Rehberg, CDU)

Wir haben Firmen bei uns im Lande, die Ihnen das auch gerne machen.

Und in der ganzen Bundesrepublik wird, so haben Sie gesagt, darüber diskutiert und nicht überall mit Erfolg dereguliert. Lassen Sie uns gemeinsam anhand von ganz konkreten Beispielen immer wieder austesten, wozu wir fähig sind, Sie in der Vorbereitung und wir hier im Landtag. Und ich wiederhole noch mal die Aussage: Nicht nur für die Zustimmung zu diesem Antrag stehen wir zur Verfügung, sondern auch für die Arbeit, die mit diesen Anträgen uns allen dann auch angelastet wird. Und ich meine das als Last, aber auch als Aufgabe. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Um das Wort gebeten hat der Wirtschaftsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ebnet. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir brauchen in Mecklenburg-Vorpommern mehr Arbeitsplätze und dafür brauchen wir eine wettbewerbsfähige Wirtschaft,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

damit die Auftragslage wieder besser wird. Frau Bunge, Sie haben ja darauf hingewiesen. Wettbewerbsfähig ist unsere Wirtschaft dann, wenn sie niedrige Kosten hat, niedrigere Kosten hat als der Wettbewerber, und darauf kommt es an. Zu den Kosten gehören auch bürokratische Regelungen. Vorschriften und Paragraphen kosten Zeit, Kraft und Geld. Je weniger davon unsere Unternehmen aufwenden müssen, desto besser ist das für unsere Wirtschaft, desto besser ist das für die Arbeitsplätze.

Der Bund hat sich da einiges vorgenommen und ich möchte das ausdrücklich begrüßen. Und, Herr Dr. Born, Herr Jäger auch, Sie haben ja Anregungen gebracht für die Bundesebene, was man da noch alles tun könnte und tun sollte. Ich denke, das muss alles auf den Prüfstand, darüber muss geredet werden. Aber wir können uns natürlich jetzt nicht nur auf die Bundesebene beschränken, wir müssen hier auch im Land vor unserer eigenen Tür kehren. Ich glaube, da sind wir uns ja einig. Aber wir müssen dann auch klar diese Linie verfolgen.

Herr Dr. Born, Sie haben vorher die Vereinigung der Unternehmensverbände erwähnt, die der Landespolitik den Vorwurf gemacht hat, sie hätte in den letzten Jahren zu viele Gesetze beschlossen. Wenn Sie den Vorwurf teilen, dann bitte ich aber nicht mehr der Landesregierung vorzuwerfen, sie tue nicht genug, sie sei untätig, weil sie zu wenig Gesetzentwürfe in den Landtag einbringe.

(Beifall Ute Schildt, SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Das haben wir aber nicht gesagt.)

Die EU, der Bund und die Länder haben inzwischen fast alles geregelt, was geregelt werden kann. Für die Betrie

be ist geregelt, wie viele Papierkörbe in einem Raum stehen müssen. Es ist geregelt, welche Temperatur auf den Toiletten herrschen muss, 21 Grad.

(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU: Was?!)

Es ist geregelt, wie viele Stühle in Umkleideräumen stehen müssen. Es ist geregelt, dass Betriebe ab fünf Beschäftigten getrennte Toiletten für Kunden und für Personal einrichten müssen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das alles kostet Geld. Es ist schlicht überflüssig, aber es ist kostentreibend. Ich denke, hier lässt sich doch einiges an kostenvermindernder Deregulierung noch machen. Ich glaube, wir haben da eine ganze Menge vor uns.

Wenn Handwerksfirmen Hunderte von statistischen Meldepflichten haben, dann ist das zu viel. Ein Handwerksbetrieb braucht nach Aussagen des Handwerks bis zu 300 Stunden im Jahr für bürokratische Hilfsarbeiten. Das ist eine Kostenbelastung, die für Kleinunternehmen bei etwa 3.500 Euro pro Arbeitsplatz im Jahr liegt. Auf der anderen Seite hat der Zentralverband des deutschen Handwerks vor kurzem die Wirtschaftsminister angeschrieben, hat gebeten, noch mehr statistische Erhebungen beim Handwerk vorzunehmen, damit man besser Bescheid wisse. Auch da muss man sagen, zuerst mal Klarheit in den eigenen Kopf, gilt für alle, Klarheit in den eigenen Kopf und dann gehen wir alle stramm in diese Richtung. Hier muss nach Möglichkeiten gesucht werden, die Belastung der Unternehmen deutlich zu verringern, denn verzichtbare Bürokratie macht nicht nur Ärger, sie kostet auch unnötig Geld.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Manche Vorschriften und manch zusätzlicher Verwaltungsaufwand für die Betriebe bieten somit ein Kostensenkungspotential für unsere Wirtschaft, das bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Deshalb sind wir auch auf Landesebene aktiv, um hier alles auszuschöpfen, um die Bürokratiekosten runterzubekommen. Auch die Verwaltungsreform, die wir im Land durchführen, muss zu einer Kostenentlastung für Bürger und Unternehmen führen. Unsere Verwaltungsreform darf nicht nur Bürokratie im Land von der einen auf die andere Ebene umschichten. Es muss wie beim Umbau eines Hauses sein: Vor dem Umbau wird aufgeräumt und entrümpelt, Überflüssiges kommt auf den Sperrmüll.

Meine Damen und Herren, aber mit dem Sperrmüll dürfen wir es nicht so machen wie die Hessen. Herr D r. Jäger, Sie haben ja auch schon was dazu gesagt, Herr Born auch. Es gibt eine andere Wahrnehmung. 30 Prozent Abbau von Rechtsvorschriften, aber es wurden 30 Prozent abgebaut, tatsächlich abgeschafft, die aber vorher niemand gestört haben und die deshalb auch durch ihren Abbau die Realität nicht verändert haben. Ich will mal ganz bescheiden, ich will mal ganz bescheiden rangehen. Wir müssen ja die Realität verändern. Wenn wir nur zehn Vorschläge umsetzen, die wirklich etwas bringen, dann haben wir schon mehr geschafft und mehr erreicht als Hessen und dann wären wir wirklich besser als die.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, ich habe Anfang des Jahres die Wirtschaftsverbände und Kammern bei uns im Land

um ganz konkrete Vorschläge gebeten, wie der bürokratische Aufwand für kleine und mittlere Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern abgebaut und begrenzt werden kann. Ich denke, das ist der richtige Weg, denn die Unternehmen wissen am besten, welche Regelungen sie am meisten belasten. Inzwischen ist einiges eingegangen und ich bedanke mich auch für die Mitarbeit der Kammern und der Verbände. Wir werden die Deregulierungsvorschläge, die die Wirtschaft gemacht hat, gründlich auswerten und wir werden auch eigene Vorschläge noch zusätzlich machen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Aber beim Thema Bürokratieabbau geht es nicht nur um eine Änderung von Regelungen, da geht es auch um eine Änderung von Verhaltensmustern. Wir brauchen überall im Land eine Verwaltung, die aktiv daran mitarbeitet, dass es vorangehen kann, eine Verwaltung, die ihre Ermessensspielräume genau in diesem Sinn nutzt. Das Motto muss sein: Nicht erzählen, warum etwas nicht geht, sondern überlegen, wie es gehen kann! Und deshalb finde ich die Idee der Vereinigung der Unternehmensverbände zu einem Wettbewerb „Die unternehmerfreundliche Kommune“ sehr gut.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Meine Damen und Herren, einfachere Regelungen, weniger Bürokratie und eine engagierte Verwaltung, die sich als Dienstleister versteht – an diesen Zielen sollten wir gemeinsam weiterarbeiten. Wenn wir da erfolgreich sind, gewinnen wir einen wichtigen Standortvorteil, mit dem wir werben können und der uns attraktiver macht. Ich bin sicher, es wird sich dann sehr schnell herumsprechen, es lohnt sich, in Mecklenburg-Vorpommern etwas zu unternehmen, denn in Mecklenburg-Vorpommern kann man seine Pläne am besten in die Tat umsetzen. Meine Damen und Herren, ich denke, wir haben uns alle viel vorgenommen, machen wir uns an die Arbeit! – Danke sehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Regine Lück, PDS)

Danke schön, Herr Minister.