Protocol of the Session on March 12, 2003

Dieser Prozess ist äußerst schwierig und individuell nur schwer zu bewältigen. Das zeigt sich auch an dem Anteil der arbeitslosen Migrantinnen und Migranten, der bei circa 42 Prozent liegt. Ich sagte, 2 Prozent Anteil an der Bevölkerung. Betrachten wir die Empfängerinnen und Empfänger der Hilfen zum Lebensunterhalt, ergibt sich ein ähnliches Bild. Rund 3.300 Nichtdeutsche erhielten Ende 2000 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Das sind 6,4 Prozent der Gesamtbezieher, ein überproportionaler Anteil also, gemessen am Bevölkerungsanteil.

Für mich als zuständige Ministerin leitet sich hier der eindeutige Bedarf einer Verstärkung unserer Integrationsbemühungen, insbesondere im Bereich der sprachlichen und beruflichen Qualifikation, mit dem Ziel einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhaltes ab. Die Koalitionsfraktionen haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode auf diesen sich abzeichnenden Zustand reagiert. Im Oktober 2002 wurde im Ergebnis entsprechender Landtags- und Kabinettsbeschlüsse der Integrationsfachdienst Migration für den Arbeitsamtsbezirk Rostock eingerichtet. Er hat die Aufgabe, eine individuelle Beratung und Lebenswegeplanung mit den Migrantinnen und Migranten durchzuführen. Durch die Konzentration dieser Aktivitäten in einer Hand des Integrationsfachdienstes

wird es möglich, in komplexer Weise individuell tätig zu werden und den Erwerb von Kenntnissen in der deutschen Sprache, die berufliche Fortbildung, Umschulung und die Vermittlung gesellschaftlicher Basiskenntnisse auf der Grundlage einer individuellen Beratung und persönlichen Berufswegeplanung miteinander zu verbinden. Zum Ende dieses Jahres wird die Evaluierung dieses Projektes abgeschlossen, so dass wir dann eine Auswertung zur Effizienz der Arbeit dieses Integrationsfachdienstes Migration vornehmen können.

Zeitgleich mit dem Integrationsfachdienst nahm auf der Ebene der Landesregierung eine Interministerielle Arbeitsgruppe „Migration“ die Arbeit auf. Ihr Auftrag besteht unter anderem darin, bis zum 30.06.2003 einen Bericht über die Situation von Migrantinnen und Migranten in Mecklenburg-Vorpommern zu erstellen und in diesem Zusammenhang auch Maßnahmen zur Verbesserung der Integration unter Berücksichtigung des hoffentlich dann verabschiedeten Zuwanderungsgesetzes vorzuschlagen. An diesem Bericht wird zurzeit unter Mitwirkung verschiedener Ressorts, ausgewählter Kommunen und der Liga der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege intensiv gearbeitet. Und mit der Fertigstellung dieses Berichtes liegt dann erstmalig ein umfassendes Dokument der Landesregierung zu dieser Thematik vor.

Noch bevor uns der heutige Antrag im Ministerium vorlag, war klar, die Landesregierung will Leitlinien der Integrationspolitik in einem breiten gesellschaftlichen Konsens erarbeiten und konkrete Arbeitsschwerpunkte zur Integrationspolitik festlegen. Wird der von den Koalitionsparteien vorgelegte Antrag hier und heute verabschiedet, werden wir diese Arbeit dann auf einer noch breiteren Basis fortsetzen können.

Das Ziel sollte klar sein. Offene und demokratische Gesellschaften können kein Interesse an einer wachsenden Zahl innerlich ambivalenter oder nichtintegrierter Mitglieder haben, die auf Dauer weder staatsbürgerliche Rechte noch Pflichten besitzen und am politischen Prozess lediglich als Objekte oder Zaungäste teilhaben. Es geht sowohl um konkrete Teilhabe als auch um eine aktive Politik gegen Diskriminierung. Insofern stellt eine aktive Integrationspolitik auch einen Beitrag zu einer offenen aufgeklärten Gesellschaft, frei von Ressentiments gegenüber anderen Kulturen und Lebensentwürfen dar.

Diesen Prozess mitzugestalten ist für die Politik, aber auch und gerade für die Jugend unseres Landes eine interessante wichtige und, wie ich meine, schöne Herausforderung. Gesetzesänderungen allein werden nicht ausreichen, um Integration herbeizuführen. Es muss sich auch etwas in den Köpfen der Menschen ändern. Notwendig ist eine andere Einstellung zu Nation und Staatsbürgerschaft. Die Vorstellung, Deutscher oder Deutsche könne man eigentlich nur als Kind deutscher Eltern sein, blockiert noch immer vieles in unserer Gesellschaft. Sie steht im spannungsreichen Kontrast zur größer gewordenen ethnischen, religiösen und weltanschaulichen Vielfalt in Deutschland. Was dieses unser Land braucht, ist ein realistisches Bild, ein realistisches Selbstbild als Defacto-Einwanderungsland, einen gelassenen Umgang mit der in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Vielfalt, aber auch eine offensive Diskussion darüber, welchen gemeinsamen Grundwerten Einheimische, Eingebürgerte und hier lebende Fremde verpflichtet sein sollten.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch die Hoffnung aussprechen, die Herr Ritter bereits andeutete: Was die

ses Land endlich auch braucht, ist ein vernünftiges Zuwanderungsgesetz. Ich kann nur hoffen, dass es endlich gelingt, hier die unverantwortliche Blockadehaltung aufzubrechen. Ich darf an die verehrten Damen und Herren der Fraktion der Christlich-Demokratischen Union appellieren: Bewegen Sie sich, bewegen Sie sich über Ihre Abgeordneten im Bundestag, im Bundesrat, meine Damen und Herren! Seien Sie endlich so flexibel, wie Sie es jeden Tag von anderen verlangen! Es wird diesem Land gut tun. Wir wollen ein weltoffenes Mecklenburg-Vorpommern. Der heutige Antrag bringt uns ein Stück auf diesem Weg weiter. Lassen Sie uns gemeinsam weiter an einer aktiven Migrationspolitik arbeiten! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Linke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Walther von der Fraktion der PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Zunächst einmal muss ich mich entschuldigen, weil ich vorhin den größten Teil der Debatte nicht anwesend war. Das lag daran, dass der Landtag heute bedeutend schneller war, als es die Planung vorgesehen hatte, und ich eine Besuchergruppe aus meinem Wahlkreis hatte, die ich begrüßen konnte. Deshalb hat sich das ein wenig überschnitten.

Dass das Thema Integration ziemlich zu Beginn einer neuen Legislaturperiode diskutiert wird, ist aus meiner Sicht ein positives Zeichen. So ergibt sich auch für mich die Möglichkeit, persönliche Erfahrungen und Überlegungen zu reflektieren. Aus regelmäßigen Gesprächen und Vermittlungsbemühungen mit Asylsuchenden im UeckerRandow-Kreis weiß ich um Fluchtmotive, um Hoffnungen, um Einsichten und um zum Teil bittere Enttäuschungen dieser Menschen. Einige leben bereits seit Jahren in Heimen, ohne eine Chance zu haben, ihr Leben während des Asylverfahrens auch nur annähernd selbst bestimmend gestalten zu können. Der Kreislauf einer nicht vorhandenen dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung, der nicht erteilten Arbeitserlaubnis und dem nicht erhaltenen Wohnraum spricht für sich. Das ist nur ein Mosaikstein im Geflecht von Ungleichbehandlungen und Diskriminierung.

Ich befürchte, würde die Integration zukünftiger Immigranten und Asylsuchender in Arbeitsmarkt und Gesellschaft dauerhaft fehlschlagen, könnte eine Situation mit verfestigten ethnischen Minderheiten mit allen daraus erwachsenden Konsequenzen entstehen. Die bei uns verbreitete Festungsmentalität passt nicht mehr in eine Zeit, wo alle Welt von Globalisierung spricht und Informationen, Waren sowie Kapital nichtnationalstaatliche Grenzen ohne jede Schwierigkeiten hinter sich lassen, nicht aber Menschen, die auf der Flucht oder auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind.

Integration ist so alt wie die Menschheit selbst. Die Globalisierung führt aber künftig noch zu einer Ausweitung der Wanderungsbewegung und macht juristische Regelungen dringend notwendig. Wenn wir heute von Integration reden, so kann sie nicht ohne rechtliche und soziale Gleichstellung existieren. Integrationspolitik muss sich zum Ziel setzen, die Spaltung zwischen EU-Ausländern, Nicht-EU-Ausländern und Deutschen zu überwinden.

Wenn wir die Belange der Einwanderungsgesellschaft diskutieren, erscheint es sinnvoll, alle, die damit verbunden sind, in Initiativen und Entscheidungen mit einzubeziehen. Eine solche Politik setzt allerdings eines voraus, die Anerkennung von Nichtdeutschen als mündige Bürger.

Wir brauchen eine interkulturelle Öffnung, die der Wahrung der Menschenwürde derer, die aus welchen Gründen auch immer ihre Heimat verlassen und in der Fremde vorübergehend oder auch dauerhaft ein neues zu Hause suchen, im Auge behält. Einwanderinnen und Einwanderer erleben die Lebensform der Gesellschaft, in die sie einwandern, in der Regel als eine Dominanzkultur, die ihre eigene Lebensform und Lebensweise bestenfalls toleriert, oftmals aber faktisch missachtet und entwertet. Das tut nicht nur weh, sondern das verunsichert, das zersetzt eigene kulturelle Identität und Selbstachtung. Das Recht auf Anerkennung der eigenen authentischen Lebensform, das in einer pluralistischen Gesellschaft eigentlich unbestritten ist, degeneriert so zur bloßen Duldung von Differenz.

Wenn es uns um den Schutz der Menschenwürde eines jeden ernst ist, bedarf es weit mehr als bloßer Toleranz, die uns einander ertragen lehrt, sondern sie fordert Respekt vor der Reichhaltigkeit der anderen Lebenskultur und Lebensform. Dabei geht es nicht um Selbstverleugnen des eigenen oder um Artenschutz des Fremden. In jeder Kultur sind Traditionen eingelagert, die es erschweren, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Solche hemmenden Traditionen müssen erkannt und Schritt für Schritt abgebaut werden. Kritische Nachfragen und Veränderungen sind also durchaus notwendig. Diese Entwicklung muss aber ohne den Verlust der Selbstachtung und ohne Beschämung Betroffener erreicht werden. Dieser Lernprozess muss auf beiden Seiten gewollt sein. So verstehe ich interkulturelle Öffnung.

Ich stimme meinem Kollegen Herrn Ritter zu, wenn er das Prinzip der angewandten Demokratie jeglicher Integrationspolitik, die erfolgreich sein will, zugrunde legt. Demokratie und Menschenrechte besitzen umfassenden Charakter und haben unterschiedliche Dimensionen, nämlich bürgerliche und politische einerseits, wirtschaftliche, soziale und kulturelle andererseits. Sie sind unteilbar. Multikulturelles Miteinander gehört zur Normalität moderner Gesellschaften. Sie geht allerdings zugleich mit erheblichen Herausforderungen für das gesellschaftliche Zusammenleben und die Demokratie einher.

Multikulturelle Einwanderungsgesellschaft und Prozesse der Integration haben in der Regel durchaus keinen idyllischen und harmonischen Charakter. Sie gehen vielmehr, dessen sind wir uns bewusst, mit vielfältigen Konflikten und Spannungen einher, die wiederum, stellt man sich darauf nicht ein, den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden können. Solche Gegensätzlichkeiten, Spannungen, Gegnerschaften, Auseinandersetzungen, Streitigkeiten und Kämpfe gibt es in jeder Gesellschaft. Hinsichtlich der politischen Leitlinien zur Integration müssen wir berücksichtigen, dass solche Konflikte an einer sehr unterschiedlichen Intensität zum einen zwischen der Mehrheitsgesellschaft und den eingewanderten Minderheiten, aber ebenso zwischen den unterschiedlichen Gruppen auf beiden Seiten bestehen.

Je nach struktureller und kultureller Dimension geht es um eine Vielzahl von Interessenskonflikten, um ethnisch

kulturelle Konflikte und um Konflikte innerhalb bestehender Regeln. Dazu treten Konflikte, die mit sozialer Diskriminierung, aber auch mit Rassismus im Zusammenhang stehen. Die Menge der Konfliktsituationen mit Ausnahme der beiden letztgenannten ist gesellschaftlich nicht per se negativ zu bewerten. Sie sind es nur dann, wenn ein starres Gemeinschaftskonzept zugrunde gelegt wird und faktisch die unveränderte Erhaltung der bestehenden Ordnung im Vordergrund des Interesses steht. Wird aber davon ausgegangen, dass die Gesellschaft selbst durch Unterschiede, Widersprüche und Gegensätze gekennzeichnet ist, dann werden Konflikte eher positiv interpretiert, nämlich als Ausdruck und Element sozialen Wandels und als Beitrag zur Stabilisierung und Integration in der Gesellschaft.

Als Politikerin und Politiker sind wir dazu aufgefordert, für Rahmenbedingungen zu sorgen, damit mit Konflikten gewaltfrei umgegangen wird. Ein fraktionsübergreifendes interkulturelles Minimum könnte meines Erachtens auf der Basis der unteilbaren Menschenwürde, der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit möglich sein. Konfliktregulierungs- und -vermeidungsstrategien wären anzuwenden und weiterzuentwickeln. Stichpunkte dafür wären beispielsweise Konflikttraining, Konfliktberatung und Vermittlung, ebenso Aufklärung, Dialog, Lernprozesse, Öffentlichkeit, individuelle und kollektive Kompetenzförderung. Migration, Integration und multikulturelles Miteinander stellen auch für Pädagogik und politische Bildung eine neue Herausforderung dar.

Ein abschließender Gedanke von zentraler Bedeutung in dem von uns diskutierten Zusammenhang ist die Ausweitung demokratischer Formen der Teilhabe. Es geht beispielsweise um die Erweiterung des Kreises der Wahlberechtigten und ausgeprägtere Beteiligungsmöglichkeiten für alle Mitglieder dieser Gesellschaft, kurz: Es geht um eine Demokratisierung der Demokratie. Solche Prozesse sind geeignet, einen wichtigen Beitrag zur Lösung des komplexen Problems der sozialen Integration zu leisten. Demokratisierung nicht verstanden als Gegensatz zur Effizienz, sondern als Beitrag zu deren Steigerung. Eine Vorbedingung dafür ist eine Gleichwertigkeit zwischen potentiellen Konfliktparteien und deren gemeinsamem Interesse an einer Konfliktlösung. Das wiederum erfordert eine im Vergleich zur gegenwärtigen Praxis veränderte so genannte Ausländerpolitik. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Walther.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/288 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion mehrheitlich nicht gefolgt worden.

Wer dem Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 4/259 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist dem vorliegenden Antrag mehrheitlich zugestimmt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Berat u n g des Antrages der Fraktion der CDU – Erhalt des 2. Schnellbootgeschwaders Warnemünde, Drucksache 4/262.

Antrag der Fraktion der CDU: Erhalt des 2. Schnellbootgeschwaders Warnemünde – Drucksache 4/262 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Thomas von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eine Kollegin der SPD-Fraktion hat auf der Landtagssitzung am 1. Februar 2001 zur Bundeswehr hier im Hause etwas Interessantes gesagt. Es ging um die Glaubwürdigkeit von Aussagen des eigenen Verteidigungsministers, also eine ganz aktuelle Geschichte: „Aber dennoch haben uns die Entscheidungen überrascht. Als der Bundesverteidigungsminister vergangenes Jahr“ den Standort von „Eggesin besuchte, …“ – Zwischenruf: „Da hat er gelogen.“ – „… würdigte er die Arbeit, die dort geleistet wird. … Und auch mit der Schließung des Standortes Stavenhagen … hat so keiner gerechnet, … auch ich nicht. Ich bin dort im Kreis zu Hause. … Denn dort hat er betont, dass soziale und wirtschaftliche Kriterien bei den Standortentscheidungen berücksichtigt“ würden. „Unklar ist ebenso, was mit den vier Standorten Demen, Dranske, Karow und NeustadtGlewe in Zukunft geschehen wird. Meine Damen und Herren, wir sehen also, es liegen nun zwar die Fakten auf dem Tisch, doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. … Viele Fragen müssen noch geklärt werden. Es muss mit dem Bundesverteidigungsminister nachverhandelt werden …“

Und ich sage: Richtig, auch beim Thema Schnellboote muss jetzt beim Bundesverteidigungsministerium nachverhandelt werden.

Das, denke ich, genügt zum Thema Glaubwürdigkeit der Aussagen eines Verteidigungsministers. Auch bei Strucks so genannten bitteren Wahrheiten geht es letztlich nur noch um den Rotstift von Hans Eichel. Die Reform der Bundeswehr ist eine verkorkste Reform, weil in Ermangelung von aktuellen verteidigungspolitischen Richtlinien kein vernünftiges und tragfähiges Sanierungsprogramm für die Reform der Bundeswehr entwickelt wurde. Mit Peter Strucks heutigen verteidigungspolitischen Richtlinien werden sicherheitspolitisch nur die finanziellen Vorgaben von Eichel legitimiert.

Peter Struck sagte im Januar im „Loyal“: „Da an Deutschlands Grenzen in absehbarer Zeit keine gegnerischen Panzerarmeen zu erwarten sind, gilt es, die Bundeswehr nach der Wirklichkeit heutiger Einsätze, ihrer Hauptaufgabe, mit Waffen und Ausrüstung zu versehen.“ Zur Wirklichkeit heutiger Einsätze gehören Schnellbooteinsätze am Horn von Afrika genauso wie Anforderungen der NATO zum Einsatz in Marineverbänden sowie die Unterstützung osteuropäischer Staaten zur Integration ihrer Bootsflotten in die NATO-Verbände.

Während der Flottenchef Mitte Dezember vorigen Jahres anlässlich der Auflösung des 5. Schnellbootgeschwaders vor einer weiteren Schwächung unserer Marine warnte, sondert Peter Struck mal eben zehn moderne Schnellboote der Albatros-Klasse unter dem Vorwand der Betriebskostenreduzierung aus. Von ehemals 40 Schnell

booten mit einer durchschnittlichen Dienstzeit von 30 Jahren verfügt unsere Marine danach nur noch über 10 Boote insgesamt, und das vor dem Hintergrund weltweiter Konflikte, Krisenherde und neuer Bedrohungsszenarien, bei denen die deutsche Marine auf den Einsatz dieser spezialisierten Schnellboote nicht verzichten kann. Mit der Wirklichkeit heutiger Einsätze hat Strucks Entscheidung also nichts zu tun. Das ist ein konzeptloses weiteres Zusammenstreichen nach den Vorgaben von Hans Eichel.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Strucks neue verteidigungspolitische Richtlinien entpuppen sich real als 6-Milliarden-Euro-Sondersparprogramm bis 2006 für die Bundeswehr. Das aber heißt Reduzierung um jeden Preis ohne strategische Neuausrichtung, für die natürlich das Geld fehlt. Und gerade das ist es, was uns Sorgen macht im Hinblick auf unsere Standorte, die bis heute noch als sicher galten, wozu ja auch der Flottenstützpunkt in Warnemünde gehört. Die weder militärisch noch finanziell begründete vorzeitige Aussonderung der Schnellboote der 143er-Klasse bis Ende 2005 kann der Anfang vom Ende des einzigen ostdeutschen Flottenstützpunktes sein.

(Beifall Ilka Lochner-Borst, CDU)

Diese Entscheidung ist auf jeden Fall schon das Ende des besonderen Status der Bootsmarine, deren Rückgrat die Schnellbootflottille war und deren Rest jetzt in Warnemünde liegt.

Die vorgegebene Betriebskosteneinsparung macht keinen Sinn, weil die militärischen Aufgaben von den 10 verbleibenden Schnellbooten dennoch gelöst werden müssen. Beide Geschwader waren in der Vergangenheit voll ausgelastet, das muss jetzt ein Geschwader allein leisten. Das heißt höhere Betriebskosten für die verbleibenden Schnellboote, höherer Verschleiß und damit verkürzte Werftliegezeiten mit entsprechend höheren Kosten. Das sind aus meiner Sicht die üblichen Milchmädchenrechnungen, die als Vorwand dafür herhalten müssen, dass einfach gestrichen wird. Das ist das Zusammenstreichen ohne Sinn und Verstand, zumal 8 Boote der 143er-Klasse ihre 3 Millionen Euro teuren Werftliegezeiten erst vor kurzem hinter sich gebracht haben.

Die Planung, die bisher bestand – wie gesagt, mit dem für die Marine schmerzlichen Verlust des 5. Schnellbootgeschwaders Olpenitz im Dezember vorigen Jahres –, sah vor, dass die zehn modernisierten Boote der Albatros-Klasse 143 mit dem Zulauf von zwei Korvetten im Jahre 2007 und drei Korvetten im Jahre 2008 schrittweise außer Dienst gestellt werden. Deshalb die Werftliegezeiten der acht Schnellboote mit dem Kostenpunkt von 24 Millionen Euro, übrigens zwei zuletzt in Rostock und ein Boot liegt noch in der Werft, auch in unserem Land.

Die Besatzung der Schnellboote sollte schrittweise und werftbegleitend für ihren Einsatz auf den Korvetten vorbereitet werden. Diese Zeitschiene – und das ist ganz klar – kann nun nicht mehr eingehalten werden nach der Entscheidung von Peter Struck. Die Aussonderung der zehn Schnellboote der 143er-Klasse bis Ende 2005 bedeutet, dass zwei Boote sofort außer Dienst gestellt werden, deren Werftzeiten für Anfang dieses Jahres geplant waren. In diesem Tempo wird es, so müssen wir fürchten, weitergehen. Wir können bei den unkalkulierbaren Streichkonzepten dieses Ministers froh sein, wenn Anfang 2005 noch ein Schnellboot der 143er-Klasse im Dienst ist.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Strucks Hinweis auf die eventuelle vorzeitige Auslieferung der Korvetten ist nur eine Beruhigungspille für diejenigen, die nach den bitteren Erfahrungen der Standortschließungen auch hier im Land – und da hat ja die SPD auch ihre negativen Erfahrungen gemacht – immer noch die Lage völlig verkennen. Es gibt eindeutige Verträge für die Zeitschiene und im Übrigen hat Peter Struck gar nicht das Geld, um diese Korvetten vorzeitig bauen zu lassen. Das ist also nicht akzeptabel und auch nicht glaubwürdig.

Wir verlieren also mit Sicherheit bis Ende 2005 – wahrscheinlich aber viel früher – 400 Dienstposten und nachfolgend 40 Dienstposten der Unterstützungsgruppe. Auf den Prüfstand kommen weitere 40 Dienstposten des zweiten Tenders sowie Dienstposten auf den Schleppern und dem Marinearsenal, übrigens ein Thema, was wir schon einmal in diesem Parlament hatten. Das sind insgesamt 500 Dienstposten. Das aber sind die Dienstposten, die unserer Region und dem Land etwas bringen, w i e Werftaufträge, Handwerker- und Serviceleistungen sowie natürlich Ausrüstungen für längere Seetörne. Diese Dienstposten sind im Übrigen auch nicht mit denen der Aufstockung im Marineamt Rostock zu vergleichen, geschweige denn zu kompensieren.

Der Verlust von diesen 500 Dienstposten ist für Warnemünde, ist für die Region, aber auch für unser Land eine herbe Katastrophe. Praktisch wird das so aussehen, dass die zehn Boote der verbleibenden 143er-Alpha-Klasse sehr schnell die Aufgaben der ausgesonderten Boote mit übernehmen, gleichzeitig aber das Personal für die Korvetten stellen müssen. Statt des Einsatzes bis 2014 dürfte das – verbunden mit der höheren Belastung – mit Sicherheit die vorzeitige Außerdienststellung bis Ende 2008 zur Folge haben. Dann haben wir in Warnemünde Ende 2008 nur noch fünf Korvetten und einen Tender liegen. Das wiederum muss bei Leuten wie Hans Eichel und den unkalkulierbaren Verteidigungspolitikern in Berlin die Frage nach sich ziehen: