Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber zunächst die Frage: Was hat eine Sitzung des Landwirtschaftsausschusses unseres Landtages mit dem Verkehrskonzept zu tun? Auf den ersten Blick herzlich wenig. Aber folgende Feststellung von einem Kollegen, der es wissen muss, nämlich vom Kollegen Brick, geäußert auf einer Ausschusssitzung im Mai, hat mich zumindest nachdenklich gemacht. Sinngemäß hat er da geäußert: Die Hochwasser, die die Felder der Bauern in unserem Land lange Zeit unbrauchbar machen, finden jetzt häufiger als früher statt. Daraufhin angesprochen sagen viele Bürgerinnen und Bürger des Landes, ach ja, Treibhauseffekt, Klimaschutz, Umdenken. Gleichzeitig sammelt eine Bürgeraktion Unterschriften für eine neue Autobahn. Daraufhin angesprochen sagen viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, ach ja, da bin ich dabei, schließlich braucht unsere Wirtschaft, braucht unser Land dieses neue Betonband. Keiner aber redet davon, dass vor 2010 kaum Verkehr auf dieser neuen Autobahn fließen wird, der motorisierte Verkehr bis dahin trotzdem stetig zunehmen wird, die Hochwasser vielleicht noch viel öfter die Felder des Landes unbestellbar machen. Wir werden noch viel öfter im Stau stehen und merken nicht, dass wir selber der Stau sind.
Auch dieses Szenario, meine sehr verehrten Damen und Herren, war für meine Fraktion im Oktober des letzten
Jahres Anlass, die Initiative für ein integriertes Verkehrskonzept des Landes zu ergreifen. Ziel des Konzeptes sollte eine die Wirtschaft fördernde und die Umwelt schonende Verkehrspolitik sein. Bis heute lag kein aufeinander abgestimmtes, modernes, den Anforderungen der Nachhaltigkeit entsprechendes Verkehrskonzept vor. Und ich sage es noch einmal, somit ist das nun vorliegende Konzept schon allein deshalb ein Fortschritt gegenüber aller bisherigen Verkehrspolitik im Land Mecklenburg-Vorpommern. Bisher nebeneinander existierende Konzepte zur Entwicklung der einzelnen Verkehrsarten wurden mit diesem Verkehrskonzept überprüft und miteinander verknüpft.
Und ich will auch hier deutlich sagen, die Verkehrspolitik der PDS hat nicht zum Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern des Landes das Autofahren zu vermiesen. Es geht uns um eine Verkehrspolitik, die ökologisch vernünftig, wirtschaftlich effektiv und sozial vertretbar ist.
Verkehrspolitik in Mecklenburg-Vorpommern muss sich auch endlich an den Kriterien der Nachhaltigkeit orientieren. Ökologische, ökonomische und soziale Ziele in der Verkehrspolitik dürfen nicht länger isoliert betrachtet werden und mit dem vorliegenden Konzept gehen wir einen Schritt in die richtige Richtung. Verkehrswende heißt für uns nicht Verzicht, sondern Gewinn an Lebensqualität. Und so stimmt es mich natürlich froh, wenn im Verkehrskonzept zu lesen ist: „Verkehrspolitik muss Bedingungen schaffen, die den Wechsel vom motorisierten Individualverkehr auf umweltfreundlichere Verkehrsträger ermöglicht und erleichtert.“ „Vor allem sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen sowie die Bewohner verkehrsferner Regionen müssen ein ausreichendes Verkehrsangebot vorfinden. Eine Politik, die dazu führt, dass viele Wege nur noch mit dem Auto zurückgelegt werden können, würde die Mobilität großer gesellschaftlicher Gruppen einschränken.“ Zitatende.
So weit das Verkehrskonzept. Wir aber alle wissen, das Kriterium der Wahrheit ist die Praxis und so wird sich auch in Zukunft erst erweisen müssen, ob die praktische Politik dazu führt, diese ehernen Ansprüche des Konzeptes Wirklichkeit werden zu lassen.
Um die Ernsthaftigkeit dieses Anspruches auch schon im Konzept zu verdeutlichen, wäre es vielleicht angebracht gewesen, in den einzelnen Kapiteln eine andere Reihung vorzunehmen. So aber liest man immer: erstens Autobahnen, zweitens Straßenneu- und -ausbau und erst dann Aussagen zum ÖPNV, zur Schiene und zum Schienenpersonen- und -güterverkehr. Natürlich, vor allem in ländlich strukturierten Räumen wie in unserem Land gibt es zur Überwindung von Entfernungen kaum noch Alternativen zum motorisierten Individualverkehr. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, gab es nicht schon einmal in fast jedem Dorf in unserem Land eine Verkaufsstelle, einen Friseur, eine Arztstation, einen Kindergarten, Arbeit. Diese Strukturen wieder herzustellen muss Ziel unserer Politik sein. Das hilft, Verkehre zu minimieren und Abwanderungen zu stoppen.
Und es hätte das gute Verkehrskonzept noch besser gemacht, wenn Aussagen wie „gleichwertige Lebensbedingungen in allen Teilräumen herstellen“ oder „auf kommunaler Ebene ,die Stadt der kurzen Wege‘ mit Nutzungsmischung, starken innerstädtischen Zentren und ÖPNV-freundlichen Siedlungs- und Erschließungsformen
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie dringend notwendig die Vorlage dieses Konzeptes war, zeigt auch die Tatsache, dass 31 Stellungnahmen von Gebietskörperschaften, von Industrie- und Handelskammern, von Ämtern für Raumordnung, Umweltverbänden und anderen eingebracht wurden. Bei der Umsetzung des Konzeptes sollten viele dieser Hinweise weiter berücksichtigt werden, so zum Beispiel
Fragen der Finanzierungskraft der Kommunen beim Radwegebau oder bei der Umsetzung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes,
Vieles mehr könnte benannt werden, doch schon allein diese Aufzählung macht deutlich, dass Umsetzung und Fortschreibung des Konzeptes in Zukunft parallel erfolgen müssen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwei grundlegende Kritikpunkte möchte ich bei allen positiven Ansätzen des Verkehrskonzeptes dann doch noch erwähnen.
Da sind zum einen die Aussagen zum Bundesverkehrswegeplan. Jeder weiß, dass der noch gültige Plan aus dem Jahr 1992 hoffungslos unterfinanziert ist. Und da ist die Feststellung im Konzept „Der BVWP“ – Bundesverkehrswegeplan – „stellt keine Finanzierungsvorgabe dar“ doch nur der hilflose und vergebliche Versuch, vom Versagen der Verkehrspolitik des Bundes seit 1992 abzulenken. Auch das Zitat aus der rot-grünen Koalitionsvereinbarung entbehrt an dieser Stelle nicht einer gewissen Komik, es heißt dort, ich zitiere: „Der Bundesverkehrswegeplan ist... zügig zu überarbeiten.“ Unter zügig, meine sehr verehrten Damen und Herren, stelle ich mir nun wirklich etwas anderes vor als das, was Berlin hier geleistet hat.
Zweiter Kritikpunkt: Unter der Überschrift „Neue Technologien“ – ich sage es noch mal: „Neue Technologien“ – ist doch tatsächlich an erster Stelle das Stichwort Magnetschwebetechnik zu lesen.
Dieses technische Verfahren, Herr Born, ist nun wirklich nicht mehr neu und es eignet sich eben bisher nur zum Transport von Personen und ist deshalb ungeeignet, die Verkehrsprobleme unseres Landes zu lösen.
Und das eigentliche Problem ist die Tatsache, dass diese Technik ungemein teuer ist. Nicht umsonst hat auch der Bundesrechnungshof jetzt wiederum die im Gespräch befindlichen Strecken kritisiert.
Die Landesregierung, so geht aus dem Konzept hervor, will den Eurorapid vorbehaltlos prüfen. Viel Spaß, kann ich da nur sagen. Laut einer Studie des Konsortiums Transrapid International würde der Bau der 950 Kilometer langen Strecke von Berlin nach Prag, Wien und Budapest 13,5 Milliarden Euro kosten. 13,5 Milliarden Euro, die dann für wirkl ich neue Technologien fehlen würden. Warum liest man dann an dieser Stelle im Konzept nichts von solaren Treibstoffquellen, vom Einsatz von naturbelassenen Pflanzenölen, von vergasten Biomassen, von Wasserstoff und Brennstoffzellen, von effizienten Elektromotoren?
Das sind moderne Technologien und nicht ein Verkehrssystem, Herr Born, bei dem die Fahrgastprognosen ständig nach unten und die Kosten ständig nach oben gerechnet werden müssen.
Und zum Schluss, ich denke, zumindest Herr Gerloff wird mit Spannung darauf gewartet haben: Die PDS-Fraktion nimmt die Unterrichtung und die darin enthaltenen verkehrspolitischen Grundsätze, die einen Weg zu einer nachhaltigen Verkehrspolitik eröffnen, zustimmend zur Kenntnis. Das heißt auch, dass die darin eingebetteten Aussagen zur A 14 mitgetragen werden,
aber eben nur im Kontext mit dem Gesamtkonzept und nach wie vor mit der Forderung, dass keine anderen Verkehrsprojekte im Land dafür auf Eis gelegt werden. Das heute vorgelegte Konzept erwägt die Hoffnung auf eine neue Verkehrspolitik im Land. Für die Vorlage dieses Konzeptes vielen Dank und für die Durchsetzung wünsche ich uns allen die notwendige Konsequenz. – Danke schön.
Herr Dr. Born, ich möchte mich bemühen, dass ich meine Rede so halte, wie ich es vorgehabt habe, unabhängig von dem, was Sie vorerst zu meiner Person gesagt haben.
Das Konzept des Wirtschaftsministers „Verkehr in Mecklenburg-Vorpommern“ hat den Untertitel „Grundlagen und Fakten – Konzept für die Zukunft“. Und da bin ich im Grunde genau bei Herrn Ritter. Ich sehe das ganz genauso. Es ist in dem Konzept unheimlich fleißig, umfangreich und ordentlich aufgelistet worden, was es alles an Grundlagen für eine Verkehrspolitik in unserem Land gibt. Das geht von der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein und zu dem kleinen Stück Zukunft, die eigentlich schon festgeschrieben ist, teilweise sogar in Bundesgesetzen und dergleichen, nämlich was alles bis 2005 passiert. Aber dann, wenn es wirklich um die Zukunft geht, dann gibt es außer sehr richtigen, lehrbuchreifen Aussagen, die auch eine Orientierung sein müssen für die Zukunft, aber wenig Konkretes.
Im Vorwort heißt es, es geht um eine „Anpassung... an die heutigen Erfordernisse“ und „die Aufgabe, die Weichen für eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik zu stellen“. Was ich nicht immer erkannt habe: Wie aber soll diese Verkehrspolitik der Zukunft konkret in MecklenburgVorpommern aussehen und was tun wir dafür? Und das gerade muss ich vor der Weichenstellung wissen. Ich komme auf diese Fragestellung später noch mit Einzelheiten zurück.
Zunächst aber ein erläuterndes Wort. Wegen der knappen Zeit kann ich natürlich nicht im Proporz alles Positive auflisten, was in dem Gutachten drin ist, wenn ich andererseits auch mal was kritisieren möchte. Das geht nicht. Das möchte man beachten und nicht sagen, ich hätte einer Schieflage das Wort geredet.
Aber zunächst mal ein Wort zur Verkehrssicherheit, wo ich als Allererstes allen danken möchte, die in den zurückliegenden Jahren sich um mehr Verkehrssicherheit in diesem Land gekümmert haben. Und es sind sehr viele und es sind viele, viele ehrenamtliche Menschen. Ich kann auch feststellen, dass wir das schreckliche Bild von 624 im Verkehr Getöteten aus dem Jahr 1991 zumindest auf die mildere Form von 296 Verstorbenen im Jahr 2001 haben bringen können. Nichtsdestotrotz sind wir damit immer noch in der Spitzenposition in ganz Deutschland, nämlich mit 167 Getöteten je einer Million Einwohner. NordrheinWestfalen zum Beispiel liegt nur bei 56. Das heißt also, obwohl wir alles Mögliche getan haben bisher, technische Maßnahmen an den Straßen, verkehrsorganisatorische Maßnahmen, wir haben Angebote unterbreitet wie das Fifty-fifty-Taxi oder den Disco-Bus, das Problem ist ebenso wichtig wie von Anfang an.
Bei der Verknüpfung der Verkehrspolitik mit anderen Politikbereichen haben wir hinsichtlich der Raumordnung die Aufgabenstellung zu integrieren, dass wir die Teilhabe für alle an der Mobilität gewährleisten können. Wir müssen das Funktionieren der umfassenden europäischen Integration verkehrsseitig sichern.
Aus der Umweltsicht ist die wichtigste Aufgabe, Schadstoffemissionen ständig zu senken. Was hier fehlt, ist wirklich eine vorurteilsfreie Variantenuntersuchung zwischen Bus und Bahn und zwischen Lkw und Bahn. Es ist nicht von vornherein immer die Bahn, die das umweltfreundliche Verkehrsmittel ist, wenn die Auslastung nicht stimmt, wenn niemand drinsitzt oder wenn eine Lokomotive mit zwei Güterwagen durch die Gegend fährt. Eine andere Sache, die man inzwischen begriffen hat in Deutschland, etwa alle fünf Jahre gibt es eine neue Generation von schadstoffärmeren Dieselmotoren. Busse werden spätestens nach zehn Jahren investiv erneuert und damit auf den neuesten technischen Stand gebracht, die Eisenbahnen in Deutschland erfahrungsgemäß erst nach zwanzig, dreißig, vierzig Jahren. Das heißt also, Eisenbahnen fahren selten mit den technisch neuesten Motoren durch die Gegend und sind deshalb nicht grundsätzlich ein umweltfreundliches Verkehrsmittel.
67 Prozent der Lkw-Flotte, die modernen Busse sowieso, die sich durch das Land bewegen, sind dagegen schadstoffarm.
Ein Wort zur EU-Osterweiterung. Zu den Fakten: Der Seeverkehr der deutschen Ostseehäfen wird sich bis 2015 um 61 Prozent im Güterverkehr erhöhen, davon der Fähr- und Ro-ro-Verkehr mit den baltischen Staaten und mit Russland um bis zu 292 Prozent. Sagenhafte Entwicklungen!
These: Die Landesregierung ist selbstverständlich auch für bessere Grenzpassagen zu Polen. Wir auch als Landtag, wir haben immer viel dafür getan. Es steht in dem Konzept, durch Öffnung weiterer Grenzübergänge kann die regionale Wirtschaft Erleichterungen erfahren. Bisher haben wir zu wenig erreicht. Gestern haben wir gehört, dass jetzt der Bundesfinanzminister sich für schnellstmögliche konkrete Besserung einsetzen will. Ich vermisse in diesem Papier der Landesregierung konkret terminisierte, verbindliche Aussagen, wann kommen wir zu weiteren Grenzübergängen. Nirgendwo eine konkrete Aussage.
Meine Damen und Herren, das Weißbuch der Europäischen Kommission zur europäischen Verkehrspolitik bis 2010, „Weichenstellungen für die Zukunft“ genannt, plädiert für den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsseewegen. 41 Prozent des Güterverkehrs in der Gemeinschaft entfallen auf den Kurzstreckenseeverkehr. Und das ist nicht Seeverkehr von Europa zu anderen Kontinenten, sondern Warenaustausch zwischen europäischen Ländern. Dieser Seeverkehr stellt eine wirklich wettbewerbsfähige Alternative zum problembelasteten Landverkehr dar. Ich denke dabei natürlich in erster Linie an den Ostseeraum. Hier leben über 50 Millionen Einwohner. Und dabei spielt die Situation nach der Osterweiterung der EU eine besondere Rolle. Es fehlt eine moderne Infrastruktur an Straßen- und Schienenwegen von Norddeutschland über Polen nach Russland und zu den baltischen Republiken. Der Verkehrsbedarf wird sich erfahrungsgemäß sehr schnell entwickeln. Mit der Infrastruktur kommt man nicht nach. Selbst wir haben unter Rekordzeit an der A 20 jetzt erste Abschnitte und nach fünfzehn Jahren die Autobahn fertig. Die Lösung sehe ich, weil man so lange auf die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur nicht warten kann und weil man diese auch kurzfristig nicht bezahlen könnte, sehe ich eindeutig mit den Seewegen. Deshalb müssen künftig Hochgeschwindigkeitsseewege genauso zum transeuropäischen Verkehrsnetz gehören wie die Autobahnen oder die Schienenwege.