Protocol of the Session on June 26, 2002

Und wer PISA analysiert, muss als Ausgangsbedingung formulieren, die CDU dieses Landes war dafür verantwortlich, dass ein komplettes Schuljahr gestrichen worden ist, beginnend mit Mathe- und Deutschstunden, und 1992/93 5.000 Lehrerinnen und Lehrer aus Spargründen

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

aus der Schule entfernt worden sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Hannelore Monegel, SPD)

Aber dass Sie es mit Ihrer Arbeit und mit Ihrer Kritik nicht ernst meinen, das haben wir eben wieder gehört. Es war unbestritten ein schwieriger Weg, dass wir nun das Landeshochschulgesetz verabschieden können. Aber es hat sich gelohnt, denn es liegt ein Gesetz vor und es ist

wirklich ein Gesetz, das zu den modernsten Hochschulgesetzen der Bundesrepublik Deutschland gehört.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Es zeigt zudem sehr deutlich, dass die Landesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen trotz knapper Finanzmittel in diesem Land weiterhin konsequent Schwerpunkte setzen und innovative sowie zukunftsorientierte Entwicklungen nachhaltig befördern.

Und, Herr Rehberg, einen Nebensatz hätte ich schon von Ihnen erwartet, nämlich dazu, wie unsere Universitäten und Fachhochschulen denn eigentlich dastehen.

(Reinhard Dankert, SPD: Da müsste er ja was Gutes über das Land sagen.)

Die Universitäten und Fachhochschulen im Land Mecklenburg-Vorpommern haben sich wahrlich gut entwickelt. Sie sind national und international anerkannt, sie haben einen guten Ruf und sie haben einen enormen Zulauf. Und das ist zuerst das Verdienst der Menschen, die an diesen Hochschulen arbeiten.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Und deshalb möchte ich mich an dieser Stelle dafür ausdrücklich bedanken bei den Rektoren und Kanzlern, den Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern, den wissenschaftlichen, künstlerischen, Verwaltungs- und technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Studentenwerken und auch den Kommunen, die sie tragen.

Denn die Zahlen, Herr Rehberg, sprechen doch wohl für sich. Im Vergleich des Studienjahres 1999/2000 zum Studienjahr 2001/2002 stiegen die Gesamtzahlen der Studierenden von 25.830 auf 28.104, die Zahl der Studentinnen von 13.558 auf 14.056, die Zahl der ausländischen Studentinnen und Studenten von 1.075 auf 1.318, die Zahl der Promotionen von 360 auf 401 und sogar bei den Lehramtsprüfungen konnte die Zahl von 129 auf 183 gesteigert werden. Diese Steigerungen sind deshalb bemerkenswert, weil zum Studienjahr 2001/2002 durch das 13-Jahres-Abitur ein kompletter Jahrgang von Abiturientinnen und Abiturienten aus Mecklenburg-Vorpommern gefehlt hat.

(Andreas Bluhm, PDS: Richtig.)

Es wurde im Vorfeld befürchtet, dass die Anmeldezahlen zurückgehen. Das ist so nicht eingetreten und zeugt vom guten Ruf und der Flexibilität der Hochschulen, weil dieses Defizit zum Beispiel mit den Studierenden aus anderen Bundesländern ausgeglichen werden konnte.

Nicht zu unterschätzen ist auch, meine Damen und Herren, die Funktion der Hochschulen für die Beschäftigungspolitik im Land und in unseren Städten. Sie sind in ihrer Region häufig der größte Arbeitgeber und das Rückgrat wirtschaftlicher Entwicklung. Darum ist es sehr positiv, dass in allen Personalbereichen von 1999 bis 2001 Zuwächse zu verzeichnen waren. Sie werden vielleicht einwenden, das sei wegen des Anstieges der Studierendenzahlen nicht genug, möglicherweise, aber das ändert überhaupt nichts an der positiven Entwicklung der Hochschulen und Fachhochschulen im Land MecklenburgVorpommern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Unsere Hochschulen arbeiten unter der Prämisse „Klasse statt Masse“. Und ich denke, dies soll auch so

bleiben. Damit ist nicht gemeint, dass sie nicht weiter wachsen sollen, doch im Vergleich zu den Massenuniversitäten in den alten Bundesländern scheint mir das ein gewichtiger Standortfaktor zu sein. Es ist sicher immer noch genügend Entwicklungspotential vorhanden, ich möchte hier vier Bereiche nennen:

1. die Universitäten und Fachhochschulen selbst in ihrer nationalen und internationalen Bedeutung und Ausstrahlung

2. Potentiale für ihre Kooperation und Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen im Land, im Bund, aber auch im internationalen Maßstab

3. ihre Wirkungen auf das unmittelbare Umfeld als wichtiger Aspekt kommunaler, vor allem aber wirtschaftlicher Infrastruktur und

4. in ihrer Bindungsfunktion für junge Menschen, die in das Land kommen oder in unserem Land bleiben

Ein Landeshochschulgesetz, meine Damen und Herren, ja, Frau Schnoor, schafft Rahmenbedingungen für die Entwicklung an den Hochschulen. Es muss sich aber im Rahmen der Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes bewegen. Mit den Veränderungen im Hochschulrahmengesetz wurden neue Spielräume eröffnet, die in landespolitische Regelungen umgesetzt werden müssen. Diese neuen Möglichkeiten, wir haben das von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern schon gehört, wurden weitestgehend ausgenutzt. Dass dies nicht unproblematisch ist, zeigen die kontrovers geführten Diskussionen zum Beispiel um die Juniorprofessur oder die modulierten Studiengänge.

Hochschulen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen. Diese Zwitterfunktion hat in der Vergangenheit häufig zu Auseinandersetzungen geführt, die das Spannungsfeld zwischen autonomen Entscheidungen und staatlichem Einfluss deutlich machen. Die entscheidenden Fragen bei der Erarbeitung unseres Gesetzes waren also:

1. In welchem Verhältnis stehen Autonomie und staatliche Regulierungsmöglichkeiten zueinander?

2. Wie können sie zweckmäßig und zielorientiert für die Erschließung und Umsetzung gesellschaftlicher und hochschulpolitischer Entwicklungspotentiale genutzt werden?

Ich meine, wir sind dabei ein gutes Stück vorangekommen, die Voraussetzungen für eine sinnvolle Symbiose sind geschaffen. Die PDS, und das will ich hier klar erklären, lehnt die Privatisierung staatlicher Hochschulen ab.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Bildung im weitesten Sinne ist eine staatliche Aufgabe und muss es auch bleiben. Andererseits ist die Freiheit der Lehre und Forschung ein verfassungsrechtlich geschütztes, ich sage, ein hohes Gut. Staatliche Eingriffe und gar Reglementierungen können dieses Grundrecht gefährden. Und mit diesem Widerspruch müssen beide Partner umgehen.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

In der Diskussion der letzten Jahre hat sich ein Motto durchgesetzt: So viel Autonomie wie möglich, so wenig staatliche Eingriffsmöglichkeiten wie nötig. Dabei ist im vorliegenden Entwurf in vielen Fällen wirkliches Neuland

zugunsten einer weitgehenden Autonomie beschritten worden. Die Belege dafür will ich hier nur exemplarisch noch einmal erwähnen:

budgetierte Globalhaushalte,

Einführung einer Experimentierklausel,

mittelfristige Zielvereinbarung,

weitgehend eigenverantwortliche Stellenbewirtschaftung,

Stärkung der Leitungsstrukturen bei gleichzeitiger Erhöhung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Hochschulgremien,

leistungsabhängige Mittelvergabe,

erweiterte Möglichkeiten zur Bildung organisatorischer Einheiten,

Neuregelungen zum Körperschaftsvermögen.

Besonders hervorzuheben sind die Bestrebungen, den Hochschulen langfristige finanzielle Planungssicherheit zu gewährleisten und beim Einsatz der Mittel weitgehende Autonomie zu gewähren.

Als Finanzerin, meine Damen und Herren, weiß ich sehr wohl, was das für die Entwicklung und Innovationsmöglichkeiten der Hochschulen bedeutet. Ich weiß aber auch, wie schwer es fällt, staatliche Verantwortung gerade in diesem Bereich abzugeben. Das Verfahren, das wir gewählt haben, ist vielleicht mit dem Begriff „Vertrauensvorschuss“ gut zu beschreiben. Ich weiß auch, dass diese Zusage Begehrlichkeiten in anderen Bereichen weckt. Und das ist normal. Aber die schon beschriebene Zwitterfunktion der Hochschulen ist nicht ohne weiteres übertragbar und verlangt – natürlich mit Einschränkungen – andere Bedingungen als in anderen Bereichen.

(Beifall Dr. Manfred Rißmann, SPD, und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Das Verfahren hat auch einen Nachteil, wenn man es denn so bezeichnen will. Budgetierte Globalhaushalte werden als Gesamtsummen übergeben. Die Verteilung erfolgt dann so genannt vor Ort. Fehlplanungen sind deshalb auch vor Ort zu verantworten. Praktisch gesehen ist der Deckel auf dem Topf. Und wenn das Essen überkocht, ist der Koch schuld und nicht das Elektrizitätswerk verantwortlich.

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Um bei diesem Bild zu bleiben, das Essen kann nur dann schmackhaft sein, wenn die Zutaten stimmen und in der richtigen Menge vermischt werden. Der Einkauf darf das Budget nicht überschreiten. Dafür, dass es schmeckt und dass alle satt werden, ist der Koch zuständig.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Die Opposition unseres Landes hat bereits vor dem Essen festgestellt: Schmeckt nicht, reicht auch nicht. Das mögen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, so beurteilen.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)