Protocol of the Session on June 26, 2002

(Sylvia Bretschneider, SPD: Kommt Herr Riemann noch mal?)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Das Wort hat jetzt der Bildungsminister des Landes Herr Professor Dr. Kauffold.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Sehr geehrter Herr Riemann, ich habe ja manchmal den Eindruck, dass Ihnen nicht so sehr viel peinlich ist,

(Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD)

und deswegen habe ich Verständnis für Ihren Beitrag.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Dr. Gerhard Bartels, PDS – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Aber es gibt doch nun Felder in der Politik, in denen sollte es wirklich einen parteiübergreifenden Konsens geben,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Handeln statt Worte. – Wolfgang Riemann, CDU: So was kennt man dort nicht. – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

da Erfolg auf manchen Gebieten für alle, für unser Land, gut ist und Misserfolg für alle schlecht ist.

(Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Aber diese ganz einfache Logik, diese ganz einfachen Dinge vergessen Sie, zumal in diesen Zeiten.

(Beifall Bodo Krumbholz, SPD, und Beate Mahr, SPD)

Zu diesen Feldern gehört die Bewerbung von Lubmin als Standort für einen zukünftigen thermonuklearen Experimentalreaktor, den ein internationales Konsortium seit langem plant. Seit Jahren bemüht sich deswegen das Land Mecklenburg-Vorpommern in einem erfreulichen überparteilichen Einvernehmen darum, die Region Greifswald zu einem führenden Standort der internationalen Fusionsenergieforschung zu entwickeln. Mitte der 90er Jahre, genau 1995 gelang es, einen riesigen Schritt auf d i e s e m Weg voranzukommen – 1995, vor meiner Zeit. Sehen Sie, ich reflektiere das hier sehr anerkennend.

Wenn es auch damals geschah gegen die Überzeugung des damaligen Bundesforschungsministers Rüttgers, mit Hilfe des Freistaates Bayern befinden wir uns seitdem und auch in dieser Legislaturperiode

(Wolfgang Riemann, CDU: Und des damaligen Bundeskanzlers.)

in einer sehr guten Kooperation, diesen zentralen Forschungsstandort weiter zu entwickeln, im Zusammenwirken mit den Instituten in München. Und, Herr Riemann, es zeigt sich, dass Sie bei dieser Problematik noch einigen Nachholbedarf an Informationen haben. Man kann sich nämlich in der EU und auch in Deutschland nicht unbedingt in diesem Standort sonnen, denn dieser Standort ist ein stetiges Sorgenkind des damit befassten Institutes und ein stetiger Punkt der Aufmerksamkeit der Politik, weil er nämlich flankiert werden muss. Er muss ungeheuer flankiert werden, da einmal diese zukunftsträchtige, wegweisende, für die Menschheit wesentliche Forschung nicht von allen politischen Kräften uneingeschränkten Beifall findet

(Wolfgang Riemann, CDU: Und deswegen gibt es den Änderungsantrag, Herr Minister.)

und weil diese Projekte auch ungeheure Summen verschlingen, die die Gesellschaft bereitstellen muss. Und da gibt es einen sehr harten Konkurrenzkampf sowie intensive Begehrlichkeiten in der Europäischen Union. In Abstimmung mit dem Freistaat Bayern, aber auf unsere Initiative haben wir für den Fusionsstandort in Lubmin eine echte Promotionskampagne gemacht, um Mehrheiten zu gewinnen, die eine dauerhafte Finanzierung dieses Standortes ermöglichen.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Also das ist doch nun wahrlich ein parteienübergreifendes Zusammenwirken und parteienübergreifender Konsens.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das hat Herr Riemann jetzt aber nicht verstanden. Das hat Herr Riemann bestimmt nicht verstanden.)

War das zu kompliziert? Ich möchte hier aber nicht als überheblich eingestuft werden.

(Heiterkeit bei Dr. Margret Seemann, SPD: Nein, nein. Nee, nee, nee, nee!)

Als Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zwei Jahren das neue Gebäude des Max-Planck-Teilinstituts in Greifswald eröffnete, appellierte er an die versammelten Wissenschaftler, aber ebenso an die Politiker aller staatlichen Ebenen, an den Realisierungsmöglichkeiten für die Ansiedlung des ITER in der Region Greifswald zu arbeiten. Das ist eine auch für den Bundeskanzler sicher nicht ganz unkomplizierte Aussage. Er bezeichnet in diesem Sinne

das Max-Planck-Institut mit dem Wendelstein als eine Keimzelle für die Zukunft. Ich persönlich bin außerordentlich froh, dass er dieses Bekenntnis abgegeben hat.

Seit Jahren widmet sich nun der ITER-Förderverband genau diesem Zweck und er tut das unter seinem Vorsitzenden Herrn Professor Gomolka

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

und seinem stellvertretenden Vorsitzenden Herrn Staatssekretär Braune in genau dem überparteilichen Konsens, der Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg ist. Sie arbeiten hervorragend zusammen. Und ich könnte mir vorstellen, dass Herr Professor Gomolka über diesen Vorstoß, den Sie heute, am letzten Tage des Parlamentes, zu Beginn einer heißen Wahlkampfphase machen, nicht eben glücklich sein wird.

Wir befinden uns dieser Tage in einer entscheidenden Phase, in der das ITER-Konsortium über die Grundfragen der Realisierung des Experimentalreaktors verhandelt. Soeben – das heißt für EU-Maßstäbe soeben – Ende Mai 2002 hat die EU ihre Verhandlungsführer im Konsortium ermächtigt, die europäischen Standortvorschläge in die Verhandlungen einzubringen. In den nächsten Monaten geht es also um das Ganze. Und was macht nun die CDU-Fraktion im Landtag Mecklenburg-Vorpommern? Sie zerrt dieses hochsensible Thema internationaler Verhandlungen in den Landtagswahlkampf 2002 hinein.

(Siegfried Friese, SPD: So verantwortungsvoll sind sie.)

Unglaublich, sagt man unwillkürlich und fragt sich noch mal, wie Herr Gomolka bei der Lektüre Ihres Antrages sich wohl gefühlt hat. Noch wichtiger ist jedoch die Frage, warum die Landtagsfraktion der CDU den Interessen des Landes zumindest potentiell so großen Schaden zufügt, indem sie den bislang bestehenden Konsens aufkündigt und Zweifel sät an dem festen Willen der Landesregierung, Greifswald zu dem führenden Energieforschungsstandort Europas zu machen. Es gab und gibt überhaupt keinen Grund, das Thema ITER-Bewerbung zum Gegenstand parlamentarischer Auseinandersetzungen zu machen. Erstens liegt bislang keine Bewerbung vor und zweitens kann überhaupt kein begründeter Zweifel an der Unterstützung der Landesregierung für eine Bewerbung von Lubmin bestehen. Warum sich die CDU-Fraktion unter diesen Umständen nicht wenigstens zu einem fraktionsübergreifenden Antrag bereit fand, ist mir unverständlich.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Der Wahlkampf, Wahlkampf!)

Ja sicher, ja. Aber gut, es kann dafür keinen vernünftigen Grund geben, kein wahlkämpferisches Motiv darf über die Interessen des Landes gestellt werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Sie haben hier bereits gehört, meine Damen und Herren, die Bewerbung des Standortes Lubmin bei Greifswald wird an dem Tag nach dieser Debatte der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine Bewerbung, die die Landesregierung konkret hätte unterstützen können, liegt also bisher überhaupt nicht vor. Daraus zu folgern, sie beabsichtige diese Unterstützung gar nicht, ist angesichts der bisherigen Erfolge der Forschungspolitik dieses Landes auf diesem Gebiet nicht nur abwegig, sondern – ich wiederhole das – beängstigend, lässt sie doch einen Blick zu auf das Ver

hältnis der CDU-Fraktion zu den übergeordneten Interessen des Landes und insbesondere von Vorpommern.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung unterstützt die Bewerbung Lubmins als Standort für den ITER nachdrücklich und vorbehaltlos. Ungeachtet der aktuellen Vorgehensweise der CDU-Fraktion wird sie auch weiterhin bestrebt sein, dies im Konsens aller verantwortungsbewussten politischen Kräfte zu tun. Im Interesse des Landes bitte ich die Damen und Herren der CDU-Fraktion, ihren Antrag zurückzuziehen und kann anderenfalls, wie bereits geschehen, nur mein Bedauern darüber ausdrücken, dass die CDU in dieser so grundlegenden Frage nicht zu einem fraktionsübergreifenden Vorgehen bereit ist. Jawohl, Herr Born, das sage ich auch Ihnen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Bartels für die Fraktion der PDS.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stimme dem Bildungsminister ausdrücklich zu in dem Bedauern, dass hier versucht wird, bei einem sehr schwierigen, aber auch sehr wichtigen Thema Wahlkampfpunkte zu sammeln.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Und trotzdem werde ich es mir ein bisschen weniger einfach machen als Herr Riemann

(Wolfgang Riemann, CDU: Sie meinen wohl den vorigen Antrag mit der Bundeswehr.)

mit seiner einfachen Polemik, weil das Problem, um das es hier geht, natürlich eine ganze Reihe von grundsätzlichen Fragen aufwirft, und ich will auch etwas sagen – ich werde dann auch noch sagen, warum ich das dann tun werde – zu grundsätzlichen Problemen der Fusionsforschung.

Sie wissen sicher, wenn Sie sich ein bisschen damit beschäftigt haben sollten, Herr Riemann,

(Wolfgang Riemann, CDU: Hab ich.)

dass die wissenschaftliche und politische Bewertung der Fusionsforschung durchaus umstritten ist, dass es durchaus von sehr ernst zu nehmenden Wissenschaftlern und auch von ernst zu nehmenden Politikern eine ganze Reihe von Problemstellungen und Fragen in diesem Zusammenhang gibt. Nicht zuletzt der Technologiefolgeabschätzungsbericht, der gerade im Bundestag behandelt wurde, Frau Kollegin Schnoor, und da bin ich sehr auf dem Laufenden, listet eine ganze Reihe von Problemen auf – und der ist nicht von der PDS verfasst worden, Frau Schnoor –, die mit der Fusionsforschung prinzipiell verbunden sind. Und wer sich das nicht ganz so einfach macht, sagt nicht einfach Ja oder Nein zu diesen ganzen Problemen.

Ich will wenigstens einige dieser Probleme ganz kurz hier ansprechen.