veränderte Materialien und drittens um den elektronischen Geschäftsverkehr. Und damit sehen Sie eigentlich schon, Verbraucherschutz ist mehr als Nitrofenskandal.
Unter dem Gesichtpunkt der Globalisierung und des Welthandels ist eine immer stärkere Liberalisierung in der Entwicklung zu verzeichnen. Die Frage ist nun, soll der Verbraucherschutz mehr Verbote oder mehr Informationen über Produkte und auch Leistungen bieten. Ich kann Ihnen sagen, einheitlicher Tenor sowohl der EU-Abgeordneten als auch der Europäischen Verbraucherzentrale war die Stärkung des Informationsrechtes der Verbraucherinnen und Verbraucher und nicht so sehr in erster Linie das Verbot.
Dazu muss man einräumen, dass gesundheitsgefährdende Stoffe natürlich verboten sind. Da aber der menschliche Organismus auf Stoffe in verschiedenen Dosen sehr unterschiedlich reagiert,
bedeutet dies, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher über Inhaltsstoffe sowohl in der Art und Weise als auch in der Wirkungsweise informiert werden müssen. Zudem bildet die eigene gesundheitliche Konstitution durch Eigenbeobachtung und gesundheitliche Aufklärung eine wichtige Grundlage.
Aus diesen Ausführungen, denke ich, können wir schon entnehmen, dass diese Entwicklung einen hohen Anspruch an die Verbraucherinnen und Verbraucher stellt, denn sie müssen sowohl die Inhaltsstoffe als auch die Wirkungen und Reaktionen auf den Körper kennen und auch beobachten. Sie müssen auch in dieser Richtung zielentsprechend darauf reagieren können.
(Martin Brick, CDU: Richtig. Und bei Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Landwirtschaftsminister. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
Das bedeutet auf der einen Seite, wir müssen ihnen die notwendigen Daten wie Stoffe, Mengen, Wirkungsweisen allgemein verständlich und schnell zur Verfügung stellen. Gleichzeitig müssen wir andererseits auch Alternativen bei Unverträglichkeiten beziehungsweise Allergien anbieten.
Es ist festzustellen, dass die Lebensmittelgesetzgebung sowohl den Gesundheitsschutz, den Handel und den Vertrieb in den Mitgliedsländern als auch die harmonisierte Kennzeichnung beinhalten muss. Und wie sieht es tatsächlich aus? Die meisten Zusatzstoffe der Nahrungsmittel, und das sind Tausende, sind in der EU bisher nicht auf Risikobelastungen bewertet worden. Es stand dort damals bei unserer Beratung eine Zahl von 13 Zusatzstoffen, die untersucht worden waren, im Raum. 13 von über 1.000! Das betrifft Zusatzstoffe wie Farben und Aromen, bei denen ebenfalls maximale Grenzwerte festgelegt werden müssen. Ein Beispiel dafür sind die Farbstoffe, die den Fruchtsäften zugesetzt werden. Zu nennen sind dabei die Karotine, die bei zu hoher Konzentration auch als
organische Substanzen negative Auswirkungen haben können. Und es gilt auch hier die Prämisse: Das, was nicht rein muss, soll auch in Lebensmitteln nicht enthalten sein.
November 2000 wurde per Verordnung die Europäische Nahrungsmittelbehörde eingerichtet. Sie berücksichtigt in ihrer Arbeit das Vorsorgeprinzip und will Lebensmittelsicherheit herstellen durch Öffentlichkeit, Nachverfolgung der einzelnen Schritte in der Lebensmittelkette und Beachtung von ethischen und Umweltfaktoren sowie besondere Beachtung von Risikofaktoren. Sie wird die Einzelsektoren überprüfen und in Verordnungen umsetzen. Es wurde uns auch bestätigt, dass es solche Verordnungen werden, bei denen die Länder auch wenig Spielraum haben, sie nicht eins zu eins umzusetzen.
Die rot-grüne Bundesregierung hat diese Entwicklungstendenz sofort aufgenommen. Auf der Grundlage des von-Wedel-Gutachtens sind Anfang des Jahres zwei neue Behörden eingerichtet worden: das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und das Bundesamt für Risikobewertung. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, dass das Risikomanagement und die Risikobewertung getrennt sind.
Meine Damen und Herren, wir stehen sicherlich erst am Anfang eines fundierten nachhaltigen Verbraucherschutzes. Umso unverständlicher, und jetzt komme ich noch mal auf Herrn Brick zurück und seine Ausführungen, ist es für mich, dass das Verbraucherinformationsgesetz durch die CDU-regierten Bundesländer im Bundesrat abgelehnt wurde,
denn dieses Gesetz legt die Grundlagen für eine umfassende Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Und diese brauchen wir.
(Martin Brick, CDU: Frau Schildt, haben Sie das bloß aufgeschrieben oder haben Sie das Gesetz mal gelesen?)
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Ich denke, dass es völlig unbrauchbar ist. – Glocke des Vize- präsidenten – Zuruf von Peter Ritter, PDS)
Ich denke, gerade mit diesem Gesetz werden die Grundlagen für das Verbraucherrecht auf Informationen gelegt. Und ich betone noch mal, wirtschaftliche Interessen dürfen den Gesundheitsschutz von unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht gefährden.
Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch erwähnen, ich bin ja jetzt nicht explizit auf den Nitrofenskandal eingegangen,
ich denke aber, die Wirtschaftsunternehmen sind gut beraten, sich dieser Prämisse unterzuordnen, denn
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es schon gehört, von BSE über MKS und Schweinepest, Chloramphenicol, Dioxin und Salmonellen bis hin zu Nitrofen – die Verbraucher in unserem Land sind verunsichert. Und dies tut weh, weil es letztendlich die Landwirtschaft trifft.
Meine Damen und Herren, das Bild von der Landwirtschaft wird oft von den Nachrichten und den Medien geprägt und nicht von der Realität oder zu spät. Hier wird kaum darüber nachgedacht, wer etwas zu verantworten hat und in welcher Art und Weise. Ich denke, dass sich unsere Bauern bei keinem der aufgezählten Skandale, also auch nicht beim Nitrofenskandal, so viel vorzuwerfen haben als Primärproduzenten. Das gilt für ökologisch wie konventionell wirtschaftende Betriebe gleichermaßen. Und doch versuchen Frau Künast und auch bestimmte selbst ernannte berufsständische „Experten“, das möchte ich hier mal in Anführungsstriche setzen, zwischen beide Produktionsweisen einen Keil zu treiben, welcher weder den ökologisch noch den konventionell produzierenden Landwirten nutzt. Und das ist der Punkt. Und hier hat keiner von der CDU-Fraktion geschmunzelt, denn es ist hier auch gar nicht angebracht. Die Bauern dürfen sich nicht auseinander dividieren lassen, das ist wichtig. Und es darf auch nichts unter den Tisch gekehrt werden, das ist auch wichtig.
Eine Politik, die die Landwirtschaft mit dem romantischen Bild von auf dem Hof scharrenden Hühnern verklärt, aber gleichzeitig selbst für den Ökolandbau europäisch und international wettbewerbsfähige Strukturen anmahnt, ist realitätsfremd
und von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Verantwortung hierfür trägt für mich die illusionäre und damit gegenüber Verbrauchern und Bauern verfehlte Agrarpolitik der rot-grünen Bundesregierung. Anderthalb Jahre nach dem Auftreten des ersten BSE-Falles ist es nicht gelungen, ein effizientes Kontroll- und Meldewesen für staatliche Behörden aufzubauen, und zwar unter Einschluss der gesamten Produktionskette. Und das ist anzumahnen. Wenn nach dem BSE-Skandal das Angebot von ökologischen Produkten überproportional gefördert wird, ohne dafür zu sorgen, dass die notwendige Kontrolle auch bei Großstrukturen und arbeitsteiliger Vermarktung von Ökoprodukten über große Entfernungen funktioniert, dann führt das zu einer ernsten Gefahr für die nachhaltige von Bauern getragene Landwirtschaft. Das nationale Biosiegel zur Förderung der Ökoproduktion und deren Vermarktung baut auf einer veralteten EU-Verordnung auf und liegt unter den Normen der Ökoverbände. Damit entsteht bewusst eine Grauzone, die für deutsche Ökobauern existenzgefährdend sein kann. Und diese Grauzonen müssen abgebaut werden.
Meine Damen und Herren, die Bauern unseres Landes sind nicht die Verursacher des Nitrofenskandals, sie sind die Leidtragenden und müssen vielleicht gar um ihre Existenz fürchten. Scheinbar ist haftungsrechtlich alles klar: Der Verursacher haftet für den entstandenen Schaden. Aber bis der Verursacher zweifelsfrei feststeht, kann noch viel Zeit vergehen. Vielleicht gibt es auch noch Mitbeteiligte, gegen die ein Anspruch geltend gemacht werden muss. Hier stellen sich die Fragen, die uns der Landwirtschaftsminister zum Teil beantwortet hat. Es sind ganz einfache praktische Fragen: Kann der Landwirt, der seine Hühner töten und die Eier entsorgen lassen muss, weil er mit einem Handelsverbot belegt wurde, so lange warten? Oder was passiert mit den vorsorglich gesperrten und erst nach Untersuchung und Unbedenklichkeit wieder freigegebenen 335 Betrieben, die durch die Sperrung in der Zwischenzeit betriebswirtschaftliche Einbußen erlitten haben? Wer kommt dafür auf?
In welcher Art und Weise kann der Verursacher die Haftungsforderungen überhaupt alle tragen? Oder wird die Versicherung, welche Versicherung die Schadensregulierung übernehmen?
Meine Damen und Herren, das sind Fragen, die sehr rasch beantwortet werden müssen. Wir dürfen unsere Bauern hier nicht alleine lassen.
Schon die immateriellen Schäden durch Ansehensverluste sind immens, aber kaum quantifizierbar. Bei den materiellen Schäden ist auch hier das Land gefragt. So plädiere ich dafür, genau zu prüfen, welche Schäden beziehungsweise Verluste bei den jeweiligen Betrieben entstanden sind, wer der Verursacher ist und wie er zur Schadenserstattung herangezogen werden kann, welche Folgen die Verluste für den einzelnen Betrieb haben und wie das Land erforderlichenfalls finanzielle Hilfe gewähren kann. Alle warten hier, Herr Minister, auf konkrete Maßnahmen zur Hilfeleistung.
Deshalb hat die CDU es auch vermieden, medienwirksame Aktionen wie zum Beispiel eine Ausschusssitzung vor Ort oder Ähnliches zu veranstalten.