Protocol of the Session on May 29, 2002

Der Landesrechnungshof legt jährlich einen Bericht an den Landtag vor. Eine seiner wesentlichen Aufgaben besteht darin, uns Parlamentarier bei unserer Arbeit zu unterstützen. Das ist die eindeutige Gesetzeslage. Nirgends wird jedoch geschrieben, dass die Veröffentlichung der Jahresberichte des Rechnungshofes von dessen Präsidenten zuallererst dazu genutzt werden soll, mit einer pointierten Präsentation Schlagzeilen zu produzieren. Genau dies aber, so zuweilen mein Eindruck, scheint in Mecklenburg-Vorpommern besonders wichtig genommen zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ein Beispiel: Im Jahresbericht 2001 befasst sich ein Kapitel mit der Veräußerung kommunaler Krankenhäuser. Es ist eben schon mal angeführt worden und dort im Bericht ist diese sachlich-nüchterne Überschrift „Veräußerung kommunaler Krankenhäuser“. In der vom Rechnungshofpräsidenten herausgegebenen Pressemitteilung lautet die Überschrift demgegenüber „Krankenhäuser unter Wert verkauft?“. In der Tendenz war diese Äußerung anscheinend auf der Pressekonferenz sehr eindeutig. In Bezug auf einen Veräußerungsfall heißt es in der Pressemitteilung: „Bei der Veräußerung des Krankenhauses Pasewalk wurde das Angebot eines Bewerbers, das 10 Millionen DM über dem Kaufpreis von rund 29 Millionen DM lag, nicht auf seine Belastbarkeit geprüft.“ Dieser Satz führt dazu, dass Zeitungsleser am nächsten Tag unter der Überschrift „10 Millionen ausgeschlagen“ folgendermaßen informiert werden: „In Pasewalk ging das Krankenhaus für 29 Millionen Mark weg, obwohl ein Bewerber 39 Millionen Mark geboten hatte.“, so nachzulesen etwa in der „Schweriner Volkszeitung“. Ich kann und will den konkreten Fall nicht bewerten. Das haben Sie sich im Ausschuss angesehen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass der Rechnungshof nach Abwägung aller Argumente und Umstände dem Innenministerium letztlich geraten hatte, die Genehmigung für den 29-Millionen-Mark-Verkauf zu erteilen. Aber über e i n e diesbezügliche Zustimmungsempfehlung war in der Pressemitteilung des Landesrechnungshofpräsidenten nichts zu lesen. In der Öffentlichkeit wurde also der Eindruck erweckt, als seien 10 Millionen Mark verschenkt worden beziehungsweise hätte man retten können, während der Vorgang mit Zustimmung des Rechnungshofes längst geregelt worden war.

Ich bin auf dieses eine Beispiel so ausführlich eingegangen, um auf ein Problem aufmerksam zu machen. Es

gibt nicht nur in diesem Fall eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Bericht des gesamten Rechnungshofes, der Vorgänge ausführlich und sachlich darstellt, und der verkürzten, aber schlagzeilenträchtigeren Darstellung von Fällen durch den Präsidenten gegenüber den Medien.

Ein weiteres Beispiel: Der Rechnungshof berichtet in einem Kapitel über die „Kalkulation und Erhebung von Abfallgebühren“, so die sachlich nüchterne Überschrift zu einer insgesamt rund acht Seiten umfassenden Darstellung. In der Pressemitteilung formulierte Herr Tanneberg daraus eine saloppe 18-Zeilen-Meldung mit der boulevardreifen Überschrift „Mit Müll macht man Millionen“.

Meine Damen und Herren, es ist schon bemerkenswert, wie der Rechnungshofpräsident seine unabhängige Stellung für medienwirksame Auftritte benutzt

(Beifall Beate Mahr, SPD)

und mit verkürzten Darstellungen pauschale Vorwürfe gegen die öffentliche Verwaltung und ihre Mitarbeiter befördert.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Wenn der Bericht im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wird und am nächsten Tag in Schlagzeilen von „dämlichen Beamten“ die Rede ist, ist diese Medienarbeit – ich möchte es vorsichtig formulieren – verbesserungsbedürftig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich möchte im Kontext auf eine Maxime hinweisen, die der gerade ins Amt berufene Bundesrechnungshofpräsident Dieter Engels für sich erhoben hat. Auf keinen Fall wolle er sich die Öffentlichkeit per Skandalisierung von Missständen zunutze machen, äußerte der Rechtsprofessor und langjährige Vizepräsident des Bundesrechnungshofes, nachzulesen in der „Zeit“ vom 23. Mai.

Sehr wohl betrachte ich es als meine Aufgabe, über die negativen Auswirkungen einer verkürzten Sachdarstellung nachzudenken und auch an die Kernaufgabe des Rechnungshofes zu erinnern. Es ist nicht die Aufgabe des Rechnungshofes beziehungsweise seines Präsidenten, einzelne Behörden oder Personengruppen an einen öffentlichen Pranger zu stellen. Vielmehr geht es im Zweifelsfall um die sachliche Darstellung von Missständen sowie um finanzfachliche Hinweise und Verbesserungsvorschläge. Kritik an bestimmten Vorgängen muss fundiert und sachlich angebracht werden. Vorschnelle, verkürzte Vorwürfe ohne Substanz sind wenig dienlich. Einmal erhoben, stehen sie im Raum und prägen das Bild in der Öffentlichkeit,

(Beifall Beate Mahr, SPD)

sorgen für Frustration und Abwendung von unserem demokratischen Staatswesen. Je schwerwiegender ein Vorwurf ist, desto besser muss er untersetzt sein und desto verantwortungsvoller muss damit umgegangen werden. Verantwortungsvoll heißt dabei nicht, Kritik leichtfertig fallen zu lassen, sondern erst einmal gewissenhaft zu prüfen, ob sie wirklich haltbar ist. Nur dann, wenn diese Prüfung kritisch und selbstkritisch erfolgt ist, kann ein Vorwurf mit dem gebotenen Respekt auch öffentlich erhoben werden.

Genau wie wir Politiker muss auch der Rechnungshofpräsident die öffentliche Wirkung des eigenen Handelns bedenken. Dabei muss auch die Parität gewahrt bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn der Rechnungshof öffentlich ein Ministerium etwa kritisiert, kann dieses sich im Grundsatz auf gleicher Augenhöhe wehren. Wenn jedoch eine kleine Kommune oder eine nachgeordnete öffentliche Einrichtung wie etwa eine Krankenhausapotheke vom Rechnungshof öffentlich kritisiert wird, dürfte hier die Parität nicht unbedingt gewahrt sein. Vor allem bei unklaren beziehungsweise nicht substantiierten Vorwürfen besteht die Gefahr, dass sie viel Staub aufwirbeln, aber im Sinne der Aufgaben des Rechnungshofes nichts bewirken. Im Gegenteil, diese Mitarbeiter müssen sich jetzt mit einer Sache beschäftigen, die sie von ihrer eigentlichen Arbeit ablenkt, etwas, was der Rechnungshof sonst gerne kritisiert.

Die Finanzkontrolle ist in unserem Staatswesen kein medienwirksamer Selbstzweck, sondern soll unserer Parlamentsarbeit dienen, somit letztlich dem Souverän. Der Rechnungshof arbeitet selbstständig und ist nur dem Gesetz unterworfen. Seine Mitglieder besitzen richterliche Unabhängigkeit und weitreichende Kontrollfunktionen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Diese Kompetenzfülle erfordert ein hohes Verantwortungsbewusstsein. In unserem Staatswesen kommen jeder Gewalt, der Legislative, der Exekutive und der Judikative, unterschiedlich ausgeprägte Aufgaben und eigene Verantwortlichkeiten zugunsten des Gemeinwohls zu, dem wir alle miteinander verpflichtet sind. Dies muss gleichermaßen auch für den Landesrechnungshof gelten.

Klarstellen möchte ich in diesem Zusammenhang, dass der Landesrechnungshof keiner der drei Staatsgewalten angehört. Die oberste Landesbehörde ist zwar unabhängig, hat sich jedoch nicht in politische Fragen einzumischen, sondern Entscheidungen der Politik zu akzeptieren, die dazu – im Gegensatz zum Rechnungshof – demokratisch legitimiert ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Rechnungshof sollte sich auf die Aufgabe der Finanzkontrolle und die Beratung in finanziellen Fragen konzentrieren, aber der Versuchung widerstehen, darüber entscheiden zu wollen, wofür Steuergelder ausgegeben werden. Das ist und bleibt Aufgabe der Politik. Die richterliche Unabhängigkeit des Rechnungshofes ist ein hohes Gut, bedeutet aber nicht Unfehlbarkeit. Jeder Richter in unserem Land unterliegt einer fachlichen Kontrolle, selbst die höchsten Gerichte werden de facto durch die Fachöffentlichkeit und durch öffentlichen Diskurs kontrolliert. In unserem demokratischen Rechtsstaat kann sich auch ein Rechnungshof nicht als letzte Instanz verstehen, sondern muss sich der Diskussion und auch der Kritik stellen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang beklagt Präsident Tanneberg in seiner letzten Pressekonferenz, es werde, ich zitiere jetzt wörtlich, „auf ganz subtile Weise des Mobbings“ versucht,

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Das machen Sie doch gerade. – Eckhardt Rehberg, CDU: Das machen Sie gerade. – Zuruf von Hermann Bollinger, CDU)

„die unabhängige Stellung des Rechnungshofes zu beseitigen, indem man nämlich versucht, …“

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Hören Sie mal zu, Herr Jäger! Hören Sie zu, was ich sage! Das ist der Ort der Diskussion hier und diese sollten wir auch offen führen. Kommen Sie in die Diskussion, kommen Sie rein!

(Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)

Ich zitiere noch einmal, damit Sie das Zitat auch mitbekommen. Es werde „auf ganz subtile Weise des Mobbings“ versucht, „die unabhängige Stellung des Rechnungshofes zu beseitigen, indem man nämlich versucht, Dienstaufsichtsmaßnahmen gegen mich durchzusetzen.“ So weit Herr Tanneberg mit seinen Vorwürfen.

Aber auch hier wird aus meiner Sicht unseriös Stimmung gemacht. Schließlich unterliegt der Beamte Tanneberg als Leiter einer obersten Landesbehörde keiner Dienstaufsicht, folglich kann es auch keine Dienstaufsichtsmaßnahmen gegen ihn geben. Wenn er jedoch Disziplinarmaßnahmen meinen sollte, so ist der Vorwurf nicht minder schwer, nicht irgendwer, auch nicht „man“ kann ein Disziplinarverfahren gegen den Landesrechnungshofpräsidenten einleiten, sondern nur die Landesregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten des Landes, im Einvernehmen mit dem Präsidium des Landtages, vertreten durch mich.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jaja.)

Die diesbezüglichen öffentlich erhobenen Vorwürfe des Rechnungshofpräsidenten sind ebenso ungeheuerlich wie haltlos. Ich jedenfalls weiß nichts von der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Herrn Tanneberg und kann ihm auch in diesem Fall nur empfehlen, den Weg der gebotenen Sachlichkeit zu suchen und zu beschreiten.

Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, der Landesrechnungshof ist für uns ein wichtiges und unverzichtbares Kontroll- und Beratungsorgan. Auch der Landtag hat schon mehrfach direkt auf Empfehlungen des Rechnungshofes reagiert.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

So haben wir nach einer Prüfung unseres Kantinenvertrages eine Neuausschreibung für den gesamten Gastronomiebereich vorgenommen. Im Ergebnis ist der Haushalt des Landtages Mecklenburg-Vorpommern nunmehr jährlich um rund 50.000 Euro entlastet. Die Anregung hierzu kam vom Landesrechnungshof. Ein weiteres Positivbeispiel aus dem vor wenigen Tagen öffentlich vorgelegten Bericht für das Jahr 2000: Der Rechnungshof hat auf Mängel bei den von uns verwalteten Zuwendungen an die kommunalpolitischen Vereinigungen hingewiesen. Im Ergebnis dieser Prüfung haben wir bereits ab dem diesjährigen Haushalt das Verfahren so umgestellt, dass eine vollständige Kontrolle der verausgabten Mittel möglich ist.

Abschließend möchte ich betonen, die Unabhängigkeit des Landesrechnungshofes soll und darf in keiner Weise in Frage gestellt werden. Aber in all seinen Handlungen sollte sich der Rechnungshofpräsident stets von der hohen Verantwortung seines Amtes leiten lassen. Zugleich ist tunlichst alles zu vermeiden, was geeignet ist, in der Öffentlichkeit Zweifel an der Seriosität des Rechnungshofes oder seines Präsidenten entstehen zu lassen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Kuessner.

Es hat noch einmal ums Wort gebeten der Abgeordnete Riemann für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich nicht genau weiß, als was Sie jetzt hier geredet haben,

(Zurufe von Angelika Gramkow, PDS, und Gabriele Schulz, PDS)

als Präsident oder als Abgeordneter der SPD-Landtagsfraktion, würde ich gerne um eine Klärung bitten, ob Sie hier als Präsident dieses Landtages Ihre Ausführungen gemacht haben oder als Landtagsabgeordneter.

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD)

Und dann sage ich Ihnen, Herr Kuessner, …

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Haben Sie nicht zugehört?! Das gibt’s doch nicht. – Barbara Borchardt, PDS: Sie haben das Thema verfehlt, Herr Riemann. – Glocke des Präsidenten)

Herr Kuessner, dann sage ich Ihnen als SPD-Landtagsabgeordneter, es gibt einen schönen lateinischen Spruch, ich kann ihn leider nicht, da wir kein Latein hatten in der DDR: …

(Unruhe und Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Das ist ja wohl das Letzte!)