Ich möchte noch auf einen besonderen Aspekt der bisherigen Seeamtspraxis hinweisen, und zwar auf den gemeinsamen Untersuchungsbericht nach internationalem IMO-Standard. Das bestehende Seeunfalluntersuchungsgesetz ermöglicht bereits gemeinsame Unfalluntersuchungen. Offenbar wissen das einige SPD-Leute gar nicht. Auf der Grundlage des IMO-Codes A.849(20) vereinbarten am 10. Januar 2001 das Seeamt Hamburg und die finnische Seeunfalluntersuchungsbehörde nach dem Kentern des Motorschiffes „Janra“ in der Aaland See am 23.12.2000 die Zusammenarbeit. Der deutsch-finnischen Kommission gehörten wie bei unseren Seeämtern üblich – und das ist entscheidend – Nautiker, Ingenieure und Juristen an.
Mit dem Spruch des Seeamtes Rostock vom 8. November 2001 sowie der gemeinsamen deutsch-schwedischen Empfehlung zum Spruch des Seeamtes bezüglich des Seeunfalls des Ro-ro-Fährschiffes „Sassnitz“ – wir erinnern uns alle daran – am 1. Juli 2001 nördlich von Kap Arkona wurde erstmals in Deutschland eine internationale Seeunfalluntersuchung zum Abschluss gebracht, die dem internationalen Standard entspricht.
Auch nach dem Seeunfall auf dem Fährschiff „Rügen“ am 7. Juli vergangenen Jahres vor dem Hafen von Trelleborg hat das Seeamt Rostock Ermittlungen aufgenommen und mit der schwedischen Untersuchungsbehörde eine Zusammenarbeit vereinbart.
Nach dem Brand im Maschinenraum der norwegischen Fähre „Prinzess Ragnhild“ am 1. März dieses Jahres hat das Seeamt Kiel unmittelbar nach dem Einlaufen in den Kieler Hafen mit einem siebenköpfigen Expertenteam aus Ingenieuren, Nautikern und Wasserschutzpolizei die Untersuchung durchgeführt. Als Brandsachverständiger wurde Professor Joachim Hahne aus Warnemünde per Hubschrauber zum Einsatzort gebracht. Professor Hahne gehörte bereits zum seeamtlichen Ermittlungsteam im Seeunfall „Pallas“ und beim Maschinenbrand auf der Fähre „Sassnitz“. Ich würde empfehlen, dass die Kollegen der Frau Lucyga ihr das mal so langsam beibringen, nicht dass sie im Bundestag weiter solche Unwahrheiten verbreitet.
Nach Auskunft des Vorsitzenden der Seeämter Kiel, Hamburg und Rostock, Jochen Hinz, werden Norwegen und Deutschland auch bei der „Prinzess Ragnhild“ einen gemeinsamen Untersuchungsbericht nach IMO-Standard anfertigen. Die unhaltbaren Behauptungen, dass Deutschland seit der Einführung des IMO-Codes für die Seeunfalluntersuchung im Jahr 1997 in Rückstand geraten ist – übrigens eine der entscheidenden Begründungen für die
ses Gesetz –, wird durch die praktische und erfolgreiche Arbeit unserer Seeämter national und international widerlegt. Die Verfahrensweise der Seeämter funktioniert hervorragend. Ihr Anerkennungsgrad an der Küste, national und international, ist sehr hoch und deswegen wollen wir sie erhalten. Mit zehn Prozent der Aufgaben, Herr Neumann, werden wir sie eben nicht erhalten.
Ich möchte Sie wirklich bitten, nicht in diese Mausefalle hineinzutappen, in die Sie hier mit Ihrem Änderungsantrag tappen.
Rot-Grün und einigen Behördenchefs, die eindeutig beim Sicherheitskonzept Nord- und Ostsee versagt haben, ist diese erfolgreiche Arbeit und natürlich auch die Kritik der Behörde an Fehlentscheidungen beim nationalen Sicherheitskonzept offenbar ein mehr als großer Dorn im Auge. Die Praxis hat einfach auch noch gezeigt, dass die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt ideal ist.
Kollege Neumann, Sie hatten das gebracht, was ich mir auch herausgeschrieben habe. So eine Begründung kann wirklich – und das sage ich mal so platt – nur Anwälten einfallen, die jenseits von Eden sind. Etwas anderes kann man wirklich nicht sagen. Wer so etwas schreibt – Sie haben es zitiert –, das ist wirklich ungeheuerlich.
Es ist nur die Begründung, aber es ist doch die Begründung, die letztlich zur Abschaffung der Seeämter führt. Und da müssen Sie höllisch aufpassen.
Ich sage Ihnen noch einmal: Bitte lesen Sie sich das durch, was wirklich dabei herauskommt. Und von der Sprache wollen wir gar nicht sprechen. Was ist das eigentlich für eine Sprache? Jede öffentliche Gerichtsverhandlung – und das ist auch das Entscheidende – wird nämlich mit dieser Argumentation in Deutschland in Frage gestellt. Und gerade da sehen wir eine Verfassungswidrigkeit. Das heißt doch, dass wir öffentliche Verfahren insgesamt in Frage stellen, das heißt letztlich auch öffentliche Gerichtsverfahren.
Ich fasse zusammen: Weder der IMO-Code noch das Europarecht können als Begründung für dieses neue Seeunfalluntersuchungsgesetz von dem Gesetzgeber ins Feld geführt werden. Der jetzige Gesetzentwurf kann niemals das leisten, was das bisherige Gesetz geleistet hat. Wegen der fehlenden Transparenz der Entscheidungsabläufe fehlt die Akzeptanz aller Beteiligten. Rechtsfrieden gibt es nur durch transparente öffentliche Untersuchungen und nicht nur beim Patententzug. Die Anlehnung an das Flugunfalluntersuchungsgesetz – und das ist das Entscheidende, da werden nämlich die 90 Prozent der Untersuchungen geführt – lehnen wir genauso ab, wie die Leitung der Untersuchung durch Techniker und Nautiker ohne juristische Qualifikation. Der Rechtsschutz der Betroffenen wird durch das neue Gesetz sehr stark eingeschränkt, weil die Unfallanalyseberichte nur noch Gutachtercharakter haben. Diese Gutachten können nur noch von natürlichen Personen mit der allgemeinen Leistungsklage angefochten werden. Das heißt, Reedereien und sonstige Beteiligte können keinen Rechtsschutz mehr in Anspruch nehmen.
Diese Form der rot-grünen Geheimuntersuchung wird von keinem der beteiligten Kreise akzeptiert. Gerade des
wegen laufen alle Verbände an der Küste dagegen Sturm. Und letztendlich meinen wir genauso wie Sie, eine Modernisierung des bestehenden Rechtes, okay, aber das ist eine Zerschlagung von bewährten Strukturen. Und wenn wir uns die Frage stellen: Wer profitiert davon? Allein, denke ich, erst mal die Seerechtsanwälte profitieren davon, weil der Rechtsrat nach so einem Gesetz natürlich gewaltig steigen wird. Dieses Gesetz ist aus unserer Sicht ein trojanisches Pferd. Nur noch der Geist des bewährten Seeunfalluntersuchungsgesetzes wird uns und der Öffentlichkeit vorgespielt. In Wirklichkeit ist es ein ziemlich unheilvolles Geschenk, das am Ende das Bewahrenswerte, also unsere Seeämter, zerschlägt.
Und um das geht es uns. So etwas kann man nur ablehnen. Wir meinen, dass wir uns statt für solche unsinnigen und unnötigen Gesetze lieber gemeinsam dafür engagieren sollten, dass wir ein funktionierendes nationales Sicherheitskonzept für die Nord- und Ostsee bekommen und dass vor allen Dingen das, was wir gefordert haben, nun endlich in die Tat umgesetzt wird. Denn da ist viel zu wenig passiert, da muss weiter Druck gemacht werden, denn wir fürchten, dass wir eben nicht auf die nächste Katastrophe vorbereitet sind. Ein solcher Gesetzentwurf …
… ist für erstarrte Verwaltungen gut, vielleicht noch für Anwälte, nicht aber für mehr Sicherheit in der Seeschifffahrt. Und aus diesem Grunde bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen, der ja auch der gemeinsamen Empfehlung der norddeutschen Küstenländer de facto entspricht, und auf Ihren Änderungsantrag zu verzichten, weil das nicht unseren Intentionen entspricht. Auch das ist ein kleines politisches trojanisches Pferd, was in diesem Parlament von der SPD vorgelegt worden ist. In diesem Sinne bitte ich Sie nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.
Für die Fraktion der SPD erhält jetzt das Wort die Abgeordnete Frau Schildt. Bitte schön, Frau Schildt.
Herr Thomas, wenn man einmal sagt, man möchte gemeinsam etwas auf den Weg bringen, mehr Sicherheit schaffen, und stellt auf der anderen Seite die rot-grüne Koalition in Berlin in eine Schmuddelecke, in eine Geheimuntersuchungsecke, dann ist da irgendwo ein Zwiespalt dazwischen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Richtig, das spaltet nur. – Caterina Muth, PDS: Das stimmt.)
Ich meine, dieses Hohe Haus – verantwortlich für einen Bereich unserer Ostseeküste – hat sich im letzten Jahr und in den letzten Jahren sehr intensiv mit der Sicherheit des Schiffsverkehrs auf der Ostsee beschäftigt, sehr umfangreich, sehr kritisch, sehr verantwortungsvoll Fachleute zu Rate gezogen und auch unsere Nachbarn. Und wenn es um die Sicherheit unserer Ostsee geht, dann gibt es auch keine Alleingänge, da muss alles das, was wir da auf den Weg bringen, gemeinsam passieren, gemeinsam zwischen den Ländern abgestimmt sein und zwischen den Fraktionen.
Aber ich möchte ganz klar und deutlich sagen, das, was er da herausgearbeitet hat, nämlich dass wir eine Öffentlichkeit wollen auf dieser Strecke, das, meine ich,
Dann hätten Sie mal ein bisschen genauer zuhören müssen, als Minister Ebnet zu den Seeämtern gesprochen hat.
(Lorenz Caffier, CDU: Dann können wir sie doch bestehen lassen. – Torsten Koplin, PDS: Na, was denn nun?)