Protocol of the Session on March 14, 2002

Das war dann aber auch nun wirklich Pech, dass ausgerechnet Gerhard Schröders Schwester/Halbschwester Ilse Brücke gemeinsam mit weiteren rund 100 allein erziehenden Eltern am Montag vergangener Woche vor das Bundesverfassungsgericht gezogen ist, um die Bundesregierung wegen familienfeindlicher Steuerregeln zu verklagen. Das war dann aber auch nun wirklich Pech. Das passte nun gar nicht in ein rot-grünes Wahlkampfkonzept.

(Georg Nolte, CDU: Und auch noch die eigene Verwandtschaft!)

Zwar hat Rot-Grün das steuerfreie Existenzminimum heraufgesetzt und den Eingangssteuersatz gesenkt, doch unterm Strich profitieren Groß- und Besserverdiener bei der Verteilung der Wohltaten weit mehr als die Bezieher von Durchschnittseinkommen. Während Familien mit zwei Kindern und einem Durchschnittseinkommen ab 2005 gerade mal 2.440 Euro jährlich mehr zur Verfügung haben als 1998,

(Heinz Müller, SPD: Eine Menge Geld!)

darf sich ein Einkommensmillionär …

Herr Müller, hören Sie gut zu!

(Heinz Müller, SPD: Ich höre Ihnen fast immer zu. Man gönnt sich ja sonst nichts.)

… zum selben Zeitpunkt über eine Entlastung von 50.000 Euro – von 50.000 Euro! – freuen.

(Zuruf von Ministerpräsident Dr. Harald Ringstorff)

So sieht eine sozialgerechte Steuerreform bei Rot-Grün aus

(Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

und diesem haben Sie hier in diesem Land, diesem haben SPD und PDS zugestimmt.

(Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

Und, meine Damen und Herren, während für die Durchschnittsverdiener die Entlastung wirklich auch nur auf dem Papier stattfindet, weil gestiegene Krankenkassenbeiträge und Ökosteuer diese insbesondere bei Niedrigeinkommen und insbesondere bei Familien wieder auffressen, haben gleichzeitig Rot-Grün in Berlin und Rot-Rot in Schwerin für Großunternehmen mit der Steuerreform Weihnachten und Ostern auf einen Tag gelegt, denn die Deutschland AG zahlt neuerdings gar keine Steuern mehr. So vermeldet „Der Spiegel“ vom Montag, dass die Deutsche Bank – und da können Sie es schönreden, wie Sie wollen, Frau Keler – für 2001 keine Ertragssteuern trotz eines Gewinnes von 1,2 Milliarden DM zahlt.

Meine Damen und Herren, gegen diese Ungerechtigkeit, gegen diese Abschreibungskünstler und gegen diese Steuerschlupflöcher zog Hans Eichel noch 1998 zu Felde. Das war jedoch in einem Wahljahr. Aber mit Ihrer Zustimmung, Herr Ringstorff, Frau Keler, mit Ihrer Zustimmung, auch Frau Gramkow und Herr Holter, trägt Rot-Rot in Schwerin dafür die Mitverantwortung.

Herr Präsident – ich muss mich immer mal umgucken, ob der Präsident noch sitzt –, Herr Präsident, meine Damen und Herren,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

nun fordert Eichel einen Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Er fordert ihn, weil er in Brüssel zur Abwendung eines Blauen Briefes für die verfehlte Politik der Bundesregierung eine Zusage gemacht hat,

(Angelika Gramkow, PDS: Nein, es ist einfach notwendig, darüber zu reden. Wir müssen darüber reden!)

bis zum Jahr 2004 ein gesamtstaatliches Defizit von nahezu null zu erreichen.

(Angelika Gramkow, PDS: Wir hätten das längst machen müssen.)

Es wird schon spannend sein, Frau Gramkow – und da warte ich auf Antworten, denn weder von Frau Keler habe ich heute was gehört, aber vielleicht kann mir der Ministerpräsident danach ja noch etwas dazu sagen –, es wird schon spannend sein, wie unsere Landesregierung darauf antwortet, denn erreichbar ist dieses, wie alle Fachleute sagen, nur über Steuererhöhungen oder massiven Subventionsabbau, wie etwa in der Wirtschaftsförderung der neuen Bundesländer.

(Rudolf Borchert, SPD: Oder durch höhere Steuereinnahmen.)

Das habe ich gesagt, nur über Steuererhöhungen oder massiven Subventions…

(Heinz Müller, SPD: Nein, haben Sie nicht. – Rudolf Borchert, SPD: Nein, Sie haben Steuererhöhungen ge- sagt. Steuereinnahmen, darum geht es!)

Steuererhöhungen, sagen die Fachleute. Die Fachleute schätzen ein – und das wissen Sie ganz genau –, dass wir dieses nur über Steuererhöhungen und nur über Subventionsabbau erreichen können. Beide Wege sind offen. Sagen Sie den Menschen, welchen Weg Sie gehen! Erhöhte Steuereinnahmen, das schätzen alle Fachleute ein, wird es bei dem mageren Wirtschaftsaufschwung unter Rot-Rot in Schwerin und Rot-Grün in Berlin nicht geben.

(Angelika Gramkow, PDS: Wenn es nach Ihnen ginge, sollte es sie auch gar nicht geben. – Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

Doch zumindest, meine Damen und Herren, erhebt sich eine Stimme unter den aufrechten Sozialdemokraten. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen hat Bedingungen gestellt für den Abschluss eines Stabilitätspaktes der Länder mit dem Bund. Er fordert am Dienstag in „Der Welt“ vor dem Abschluss eines solchen Paktes eine Reform des föderalen Systems und sagt ganz deutlich – und das vermisse ich hier in diesem Land –, er sagt deutlich, ich darf zitieren: „Es sei nicht hinnehmbar, dass der Bund den Ländern ständig neue Belastungen aufbürdet.“ Ende des Zitats.

Aber auch hierzu schweigt unser Ministerpräsident wie immer kraftvoll. Doch nein, halt! Er hat sich ja dann doch geäußert, allerdings vorsichtshalber nicht hier im Land, sondern am 13.03. in der freien Presse. Und ich darf zitieren: „So würden die Kommunen eher in pompöse Feuerwehrhäuser investieren, statt die Ganztagsbetreuung der Kinder zu verbessern“, sagte er in der freien Presse. Meinen Sie damit Schwerin, wo ich weiß, wer das Feuerwehrhaus eingeweiht hat? Meinen Sie damit Rostock? Welche Gemeinden meinen Sie in diesem Land, Herr Ministerpräsident? Sie beschimpfen schon wieder die Gemeinden und verschweigen dabei, dass es diese Landesregierung war, die die Möglichkeit der Investitionsförderung für Kitas massiv gekürzt hat, auf null runtergefahren hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Georg Nolte, CDU: Stimmt, stimmt, stimmt!)

Und, meine Damen und Herren, Herr Ringstorff warnt davor, für den Aufbau Ost zusätzliche Kredite aufzunehmen. Da bin ich strikt dagegen. Dann sagen Sie den Leuten, was Sie denn hier zur Finanzierung von Aufbau Ost vorsehen! Sind Sie für eine Einsparung beim Aufbau Ost in Hans Eichels neuem Sparpaket oder unterstützen Sie eine Mehrwertsteuererhöhung auf 18 Prozent, wie sie bereits heute der Wirtschaftsweisende Rürup fordert? Sagen Sie es den Menschen, Herr Ministerpräsident! Aber sagen Sie es bitte vor der Wahl! Belügen Sie nicht wieder, wie 1998, die Menschen in diesem Land!

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Oh, Lüge! Herr Riemann, Pfui! Unparlamentarisch!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir erwarten von der Landesregierung, wir erwarten von Ihnen, Herr Ringstorff, von Ihnen, Frau Keler, aber auch von dem Koalitionspartner, der PDS, dass Sie bei einem neuen Sparpaket, dass Sie, bevor ein neues vorgelegt wird, umgehend und mit der Kraft Ihres Amtes die Interessen unseres Landes und seiner Menschen bei zukunftssi

chernden Investitionen und investiven Nettotransfers sichern.

(Angelika Gramkow, PDS: Wie wollen Sie das denn machen?)

Und wir erwarten, dass Sie nicht schon vorher einknicken.

Ich darf hier ganz unverdächtig den IG-Metall-Strategen Klaus Lang aus dem „Spiegel“ 11/02 zitieren.

(Barbara Borchardt, PDS: Sie suchen sich doch immer welche aus, die Sie brauchen.)

Die Konsolidierungspolitik Eichels sei volkswirtschaftlich und sozial schädlich, habe zur Arbeit und Innovation nichts beigetragen. Zudem habe die Steuerreform die Verteilungsgerechtigkeit nicht vergrößert, sondern verringert, und ganz generell gebe es keine Grundlage für ein geschlossenes arbeitspolitisches und sozialstaatliches rot-grünes Reformprojekt.

Dieser Einschätzung habe ich als Mitglied der CDU und als Gewerkschafter nichts hinzuzufügen. Außer, meine Damen und Herren, als Gewerkschafter sage ich dir, Harald: Höre auf, nach oben vor Schröder und Eichel zu buckeln! Höre auf, die Gemeinden zu beschimpfen, sondern mache endlich Politik für die Menschen in unserem Land, die sozial gerecht ist und Arbeit schafft! – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Herr Riemann, für die von Ihnen gewählte Formulierung, Sie haben die Menschen belogen in diesem Lande, erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.

(Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Um das Wort hat jetzt gebeten der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ja das schöne Wort „Die Brandstifter rufen nach der Feuerwehr“ und so kam mir das eben und heute wieder vor.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie führen so gerne die Schlusslichtdebatte. Aber in einem, das kann ich Ihnen sagen, sind wir in Mecklenburg-Vorpommern tatsächlich Schlusslicht, nämlich in der Qualität der Opposition.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Dann würden Sie jetzt nicht in die Bütt gehen, Herr Ministerpräsident.)

Mit diesem Antrag, meine Damen und Herren von der Opposition, begeben Sie sich tatsächlich auf ein Gebiet, auf dem Ihre Partei gestern nichts zu bieten hatte und auch heute erwiesenermaßen nichts zu bieten hat. Herr Riemann, was wollen Sie denn nun? Wollen Sie die Konsolidierung oder wollen Sie sie nicht? Sie haben immer zwischen diesen beiden Dingen hin und her geschwankt.

(Angelika Peters, SPD: Das weiß er doch nicht genau. – Wolfgang Riemann, CDU: Ich will sie nicht auf Kosten der Kommunen und der Länder.)

Nichts außer unsoliden Versprechungen, bloßen Ankündigungen und Verleumdungen – Gott sei Dank sehen das auch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes so.