Protocol of the Session on March 13, 2002

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Aber viele hatten die Chance ja nicht, die mussten sozusagen anders bauen, das wissen Sie auch, gerade auch in Schwerin, wenn wir schon darüber reden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, da waren Sie ja beteiligt.)

Die mussten natürlich bisher diese Einmessung bezahlen. Einige haben es freiwillig gemacht, einige wenige haben geklagt. Und – Herr Dr. Born ist im Moment nicht da – das Urteil ist nicht rechtskräftig.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, nee!)

Ich finde es ja auch nicht schön, dass wir etwas rückwirkend machen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist nur verfassungswidrig.)

Denn – ich sage es noch mal – der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und die damals Verantwortlichen haben eine Rechtslücke geschaffen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ein Bürger hat geklagt, hat in erster Instanz Recht bekommen und jetzt müssen wir diese Rechtslücke schließen

(Dr. Armin Jäger, CDU: Für die Zukunft.)

und rückwirkend diese Bürgerinnen und Bürger belasten. Dass das bei den Bürgerinnen und Bürgern keine Euphorie auslöst,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Für die Zukunft, Herr Böttger!)

das ist ziemlich klar. Ich bin eigentlich nicht so sehr begeistert von einer Rückwirkung,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja eben.)

aber, Herr Dr. Jäger, Sie haben hier nicht gesagt,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Doch! Doch!)

worin die Alternative bestehen könnte, denn wir brauchen saubere Katasterämter und Vermessungsämter, darüber sind wir uns einig, das sagen auch Sie.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das reicht doch auch.)

Und jetzt haben wir doch bloß noch zu entscheiden: Wenn wir sagen, wir müssen nachvermessen, aber, bitte schön, die Bürger sollen nicht belastet werden, dann sagen Sie hier ganz deutlich, wer soll das bezahlen, diese Millionen, um die es hier geht. Und darum streiten wir uns hier.

Und zweitens finde ich es übrigens auch nicht schön, dass wir diesen Gesetzentwurf heute verabschieden. Aber manchmal gibt es auch Zufälligkeiten zwischen den Gerichtsentscheidungen der beiden Instanzen. Denn eins ist natürlich klar: Der Bürger, der hier geklagt hat und in erster Instanz Recht bekommen hat und sich jetzt möglicherweise freut, dass er die 750 Euro nicht zu bezahlen braucht, der wird natürlich, wenn wir die Rechtslücke schließen – ich weiß es nicht, wie es ausgeht, ich bin ja sozusagen nicht das Gericht, aber möglicherweise wird dann dieses Gesetz neu gewürdigt, das wir jetzt haben –, mit einem Mal feststellen, dass sich zwischen zwei Entscheidungen die Rechtsgrundlage geändert hat. Für den Betroffenen sehr bedauerlich!

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Und, Herr Innenminister, was wir allerdings als PDS für wünschenswert hielten, wäre, dass wir, wenn wir die Nachvermessung machen – 750 Euro, viel Geld für den Einzelnen, denn er hat ja schon eine Menge Geld für andere Dinge ausgegeben, das muss man ja hier mal sagen –, dass wir das dann zeitlich ein bisschen staffeln, dass wir also nicht die Parole herausgeben gegenüber den Kommunen, gegenüber den Kreisen, dass es dann, wenn das Gesetz rechtswirksam ist, das wir heute beschließen, sofort richtig losgeht und wir flächendenkend überall so schnell wie möglich die Leute für die Leistung zur Kasse bitten, sondern da bin ich schon der Meinung, dass man das sozusagen gestaffelt macht. Ich bin auch der Meinung, dass man zum Beispiel mit den Kreisen und mit den Städten redet, dass man in Härtefällen eine Staffelung der Beträge herbeiführt, dass man also nicht die ganze Summe einmalig eintreibt, also dass wir nach intelligenten Lösungen suchen, um wirklich das zu vermeiden, was Sie richtigerweise ansprechen, dass einige, die bisher glaubten, dass sie diese Leistung nicht in Anspruch nehmen

und nicht bezahlen müssen, sozusagen jetzt mit einem Mal davon betroffen sind.

Also ich bin über die Situation rückwirkend nicht ganz glücklich, das bleibt dabei, aber ich habe keine Lösung, wie wir das anders machen können. Und wenn Sie nachher noch mal hier vorgehen – vielleicht haben Sie noch eine Minute – und sagen, Sie sind der Meinung, dann soll diese Kosten bitte schön die Kommune übernehmen, dann wissen wir wenigstens, worüber wir reden, und dann wäre ich gerne bereit, mich mit Ihnen darüber öffentlich zu streiten angesichts der Haushaltssituation zum Beispiel in der Stadt, die wir beide ganz gut kennen. Ich empfehle zum Schluss, dem Gesetzentwurf zuzustimmen, weil es keine Alternative

(Dr. Armin Jäger, CDU: Doch die gibt’s!)

zur Schließung dieser Rechtslücke gibt. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Böttger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Müller für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das wir hier zu beraten haben, scheint für viele ein unspektakuläres und eher technokratisches Vorhaben zu sein. Anders vermag ich die schwache Präsenz im Plenum hier nicht zu deuten. Aber ich glaube, das Thema, und das hat die bisherige Debatte schon gezeigt, ist wesentlich wichtiger, als es auf den ersten Blick den Anschein hat, und da steckt viel mehr Musik drin, als man gemeinhin denkt.

Aber zunächst zu den in der Tat relativ unspektakulären Anpassungen dieses Gesetzes. Wir schließen Rechtslücken. Wir passen an inzwischen vollzogene Rechtsänderungen an, beispielsweise auch an die Änderungen der Kommunalverfassung. Wir bereinigen Probleme, die durch das Gesetz zur Funktionalreform entstanden sind. Wir kommen zu einem Schritt bundesweiter Rechtsvereinheitlichung. Und – das scheint mir besonders wichtig, vor allen Dingen für die Praxis – wir passen uns an technische Entwicklungen an und treffen die entsprechenden gesetzgeberischen Regelungen. Bis hierher alles sehr unspektakulär, bis hierher auch etwas, was keinen politischen Streit verursacht hat.

Auch unser Antrag, den Notaren den Zugriff auf das elektronische Kataster zu ermöglichen, war etwas Unspektakuläres und etwas Unstrittiges, weil wir im Innenausschuss alle der Meinung waren, dass dieses ein richtiger, ein wichtiger, ein guter Schritt ist, um Verfahren zu beschleunigen, und da wollen wir ja hin. Bis hierher also in der Tat unspektakulär, eher technokratisch.

Aber was überhaupt nicht unspektakulär und überhaupt nicht bürokratisch war, war die – der Kollege Friese hat darauf hingewiesen – eher beispiellose Lobbyarbeit, die wir vom Verband der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure bei der Verabschiedung dieses Gesetzes erlebt haben. Ich möchte grundsätzlich sagen, ich halte es für absolut legitim, dass Interessenverbände Lobbyarbeit betreiben, und solange sie sich dabei keiner illegalen oder illegitimen Mittel bedienen, und dieses unterstelle ich dem Verband der Vermessungsingenieure ausdrücklich nicht,

dürfen sie solche Lobbyarbeit mit aller Vehemenz und mit aller Konsequenz betreiben. Dass sie dies tun, hat natürlich einen Hintergrund und den sollte man ansprechen.

Meine Damen und Herren! In Mecklenburg-Vorpommern kommt auf 22.500 Einwohner ein Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur. In den alten Bundesländern sind es im Schnitt 75.000 Einwohner. Wir können also umgekehrt formulieren, die Dichte an Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren ist hier bei uns viel, viel größer als woanders. Dazu kommt der Kuchen, von dem Herr Böttger so schön sprach. Der Kuchen, um den es geht, wächst ja nicht, sondern dieser Kuchen wird mit dem Rückgang von Grundstücksgeschäften, von Verkäufen von Häusern ja kleiner.

(Gerd Böttger, PDS: Richtig.)

Das heißt, um einen kleiner werdenden Kuchen streitet sich eine relativ hohe Zahl von Leuten, die alle eine Kuchengabel in der Hand haben und die ein bisschen mehr abhaben wollen als nur Krümel.

(Reinhard Dankert, SPD: Wenn er ’ne Forke in der Hand hat.)

Und dann kommt, und da wird es ja spannend, die öffentliche Hand. 10 bis 20 Prozent – die Zahlen schwanken – der tatsächlichen Vermessungsleistungen werden von öffentlichen Ämtern wahrgenommen, von Kataster- und Vermessungsämtern. Und es ist klar, dass diejenigen, die sich mit der Kuchengabel in der Hand – viel zu viele Gabeln – um einen kleiner werdenden Kuchen kümmern und streiten, natürlich gerne möchten, dass diese 10 oder 20 Prozent des Gesamtkuchens auch mit auf dem Tisch liegen, und ihren Hunger mit stillen. Insofern legitim. Und insofern verstehe ich auch die nachdrückliche Lobbyarbeit. Aber dann, meine Damen und Herren, sind doch wir gefragt, ist doch der Landtag gefragt, ob er einer solchen massiven Lobbyarbeit nachgibt oder ob er auch die andere Seite sieht. Und da, Herr Dr. Jäger, verstehe ich dann in der Tat Ihre Position nicht. Sie stellen sich hier immer wieder hin und präsentieren sich als der Vertreter, als der Kämpfer für die kommunalen Interessen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben die draußen auch schon gemerkt. – Gerd Böttger, PDS: Na?!)

Und die kommunalen Interessen, die sind formuliert. Ich habe mir hier mitgebracht das Schreiben des Landkreistages genau zu diesem Thema. Ich habe den Landkreistag gebeten, ich habe die Änderungsanträge der CDU-Fraktion dem Landkreistag zugestellt. Der Landkreistag hat mir mitgeteilt, dass er bereits dem Ausschussvorsitzenden geschrieben hat und dass er sich dem auch mir gegenüber nicht in anderer Weise äußern möchte. Deswegen ein Zitat aus dem Schreiben an den Vorsitzenden des Innenausschusses, an den Kollegen Friese. Da heißt es: „Die in dem Antrag“, gemeint ist der Antrag der CDU, „und den Äußerungen des BDVI zum Ausdruck kommenden Überlegungen werden vom Landkreistag mit aller Entschiedenheit abgelehnt. Wir vertreten die Ansicht, dass der nach sorgfältiger Vorarbeit entstandene Gesetzentwurf der Landesregierung ausgewogen und zweckmäßig ist. Er sollte nunmehr zügig in Kraft treten. Einzelne Verbesserungsmöglichkeiten haben wir in unserer schriftlichen Stellungnahme vom 5. November 2001 angesprochen.“ So weit der Landkreistag.

Dass der nach sorgfältiger Vorarbeit entstandene Gesetzentwurf der Landesregierung ausgewogen und zweckmäßig ist, dieser Einschätzung, meine Damen und Herren, habe ich eigentlich gar nicht mehr sehr viel hinzuzufügen, außer dass ich mich dem Landkreistag auch weiter anschließe, wenn er ausführt: „Die zwangsweise Verringerung des Anteils der von den Kataster- und Vermessungsämtern durchzuführenden Liegenschaftsvermessungen wäre für uns nicht akzeptabel. Eine Beschränkung dieser Vermessungstätigkeit auf eigene oder zu erwerbende Grundstücke, wie sie offenbar mit dem Änderungsantrag der CDU angestrebt wird, kommt aus Sicht des Landkreistages nicht in Betracht.“ So weit die Stellungnahme. Und am Ende heißt es dann noch: „Der mit dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion vorgeschlagene Weg würde das Problem nicht lösen und die Landkreise vor erhebliche neue Probleme stellen.“

Herr Dr. Jäger, ich finde es legitim, wenn man sagt, ich schlage mich in einem Punkt, wo zwei Seiten streiten, auf die eine Seite. Das tun wir ja auch, nur dass wir uns inhaltlich auf die andere Seite stellen. Nur, sich auf die eine Seite zu stellen und für das Linsengericht der politischen Unterstützung einer kleinen Lobbygruppe die Interessen der kommunalen Ebene zu verkaufen, um zu sagen, die interessieren uns dann nicht mehr,...

(Wolfgang Riemann, CDU: Die haben Sie in den letzten drei Jahren verkauft. Die haben Sie in den letzten drei Jahren verkauft.)

Mein lieber Herr Riemann, dass ausgerechnet Sie sich zu Wort melden, hat mir an dieser Ecke noch gefehlt. Es kommt nicht auf die Worte an, es kommt auf die Taten an. Und die Taten stehen in Ihrem Änderungsantrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Und in Ihrem Änderungsantrag verkaufen Sie die kommunalen Interessen für das Linsengericht der politischen Unterstützung einer kleinen Lobbygruppe. Und ich glaube, das wissen die kommunalen Verbände sehr wohl zu werten. Und wie sie es werten, das bringt hier selbst der Landkreistag ausgesprochen deutlich zum Ausdruck. Unterschrieben ist das Ganze von Herrn Molkentin und von Herrn Dr. Meyer, die beide parteipolitisch bei Ihnen anzusiedeln sind, die hier aber ganz deutlich kommunale Interessen vertreten,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

und das machen sie gut. Und Sie sollten sich überlegen, ob Sie den Mund so voll nehmen als kommunaler Interessenvertreter, wenn Sie in der Praxis genau das Gegenteil machen. Das ist das, was ich Ihnen vorwerfe, nicht, dass Sie sich auf die Seite eines Interessenverbandes stellen.