Protocol of the Session on January 31, 2002

Und, meine Damen und Herren, Herr Minister, Sie haben ja gestern freundlicherweise die Bewertungsgrundlagen zur Verfügung gestellt – Ermittlung eines Grundangebots, „Methodik zur Ermittlung des Grundangebots“ ist das Ganze überschrieben – und da zeigt sich eben der verfehlte Grundansatz bei der Ermittlung des Bedarfs, denn wenn ich eine Strecke entsprechend unattraktiv

ausstatte, dann ist es völlig klar, dass nur wenige Fahrgäste, die ja nicht aus Spaß und Tollerei die Bahn nutzen, von einer solchen Verbindung Gebrauch machen. Dann kommt es zu einer Zählung der Fahrgäste und die Bahn stellt fest: Das entspricht nicht unseren Kriterien, die Strecke ist nicht rentabel, wir sparen ein Zugpaar ein, um mal zu sehen, wie sich das dann verändert. Dann wird nach einem Jahr eine erneute Zählung durchgeführt und, oh, großes Wunder – das wird ja mit viel Aufwand betrieben und kostet auch entsprechendes Geld –, die Bahn stellt fest, dass noch weniger Fahrgäste das Angebot genutzt haben.

Ja, meine Damen und Herren, hier sieht man eben, dass da Denkstrukturen vorherrschen, die mehr einen Ansatz von Planwirtschaft haben als von Marktwirtschaft, denn natürlich, wenn das Angebot immer weniger attraktiv gemacht wird, dann werden immer weniger Leute dieses Angebot nutzen. Das ist also schon vom Ausgangspunkt her eine ganz fatale Denkweise. Und gerade die privaten Anbieter zeigen, dass man es umgekehrt machen muss. Man muss erst einmal ermitteln, wo sind denn Bedarfe da

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

und wo kann ich denn die potentiellen Kunden dazugewinnen, auf die Bahn umzusteigen.

(Angelika Peters, SPD: Wir fahren alle mit der Bahn, Herr Born.)

Wie kann ich das am besten erreichen? Und dann kriege ich natürlich auch die Kunden, aber nicht, wenn ich es umgekehrt mache.

(Angelika Peters, SPD: Herr Dr. Born, ich habe Sie noch nie im Zug getroffen.)

Frau Kollegin Peters, wenn Sie es bitte noch einmal sagen könnten? Es war hier vorne nicht zu verstehen.

(Angelika Peters, SPD: Ich habe Sie noch nie im Zug getroffen. Vielleicht fahren Sie einfach mal mit der Bahn.)

Ja, wir fahren vielleicht verschiedene Strecken, Frau Kollegin Peters. Aber ich gebe zu, da ich rund 60.000 Kilometer im Jahr mit dem Pkw fahre,...

(Peter Ritter, PDS: Oh, oh, oh!)

Ja, es sind 55.000 bis 60.000 Kilometer. Das hängt auch damit zusammen, dass ich sonst vielleicht nur die Hälfte der Ziele, die ich ansteuere, erreichen könnte,

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

wenn ich mit der Bahn fahren würde.

(Peter Ritter, PDS: Das liegt an der schlechten Verkehrspolitik, die seit Jahren hier gemacht worden ist. – Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

Und, Kollege Ritter, Sie werden ja auch zunehmend das eigene Fahrzeug nutzen. Allerdings würde ich nach Berlin überhaupt nicht mehr mit dem Auto fahren und nach Hamburg auch nicht, wenn in Zukunft der Transrapid durch das Land mit einem Haltepunkt in Schwerin führen würde.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Angelika Peters, SPD – Peter Ritter, PDS: Dann hätten wir für die Bahn noch weniger Geld.)

Und selbst der Kollege Ritter wäre dann nicht mehr auf der Autobahn auf diesen Strecken zu finden. Da bin ich ganz sicher, Herr Kollege Ritter, dass auch Sie dann ein solch zukunftsweisendes Verkehrsmittel mit einer optimalen Anbindung nutzen würden.

(Peter Ritter, PDS: Wenn ich nach Berlin fahre, steige ich immer in Neubrandenburg ein. Da nützt mir der Transrapid gar nichts.)

Das Geheimnis der Privaten ist kein wirkliches Geheimnis. Eines können sich die privaten Betreiber im Gegensatz zu staatlichen Unternehmen nicht leisten, nämlich auf ein kundenorientiertes Angebot zu verzichten.

(Reinhardt Thomas, CDU: Das ist der Punkt.)

Ein auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnittenes Angebot, guter Service und das noch zu attraktiven Preisen, ist der einzige Schlüssel zum Erfolg. Wettbewerb ist die Voraussetzung dafür.

(Beifall Reinhardt Thomas, CDU)

Dieser Wettbewerb wird Nah- und Fernverkehrsstrecken in Deutschland beleben, da bin ich mir ganz sicher.

Entscheidungen der Bahn sind nicht immer auf den ersten Blick als besonders nachteilig für unser Land zu erkennen. Das hängt auch damit zusammen, dass sie meistens werbewirksam verpackt und mit entsprechenden Spots dann verkauft werden. Erst beim zweiten Hinschauen stellt man fest, dass die angebliche Verbesserung tatsächlich eine substantielle Verschlechterung darstellt.

Die geplante Erhöhung des Preises für ein Wochenendticket um rund 33 Prozent ist eine solche Entscheidung der Bahn, die vor allem das Land Mecklenburg-Vorpommern nachteilig trifft, denn Mecklenburg-Vorpommern und seine Urlaubsregionen profitieren doch bisher von der attraktiven Preisgestaltung, die es insbesondere Familien ermöglichte, ein Wochenende hier im Land zu verbringen. Länder wie Bayern, Hamburg und Sachsen-Anhalt haben sich explizit gegen eine solche Preispolitik ausgesprochen. Ich habe von unserer Landesregierung kein entsprechendes Signal vernommen. Ab und zu gibt es Presseerklärungen des Wirtschaftsministers, aber selbst in diesem Fall ist das alles sehr, sehr zurückhaltend gewesen, was hier von unserem Land gekommen ist. Ich kann nur sagen...

(Peter Ritter, PDS: Ich glaube, 1996 haben Sie einen Antrag meiner Fraktion zum Wochenendticket abgelehnt, Herr Born.)

Bitte, Herr Kollege Ritter?

(Peter Ritter, PDS: 1996 haben Sie einen Antrag meiner Fraktion zum Wochenend- ticket abgelehnt. Es kann auch 1997 gewe- sen sein. – Minister Dr. Gottfried Timm: Das war Koalitionsdisziplin, Herr Ritter.)

Herr Kollege Ritter, ich mache hier gerade deutlich, dass die Bahn einseitig Preise erhöht

(Peter Ritter, PDS: Nee, ich sprach über Sie, nicht über die Bahn.)

und unser Wirtschaftsminister es offensichtlich nicht versteht, hier ganz knallharte Interessenpolitik für dieses Land gegenüber der Bahn, gegenüber den anderen Bundesländern

(Peter Ritter, PDS: Nee, nee.)

und gegenüber dem Bund zu vertreten und er deshalb die Unterstützung des gesamten Landtages braucht und, was Kollege Gerloff hier ja noch einmal sehr deutlich gemacht hat, dass er sich erst einmal gegenüber der eigenen Finanzministerin durchsetzt und dann auch gegenüber seinen anderen Verhandlungspartnern – Bahn, Bund und den Länderkollegen.

Ich möchte noch einmal zusammenfassend festhalten, dass eine länderübergreifende Abstimmung und ein gemeinsames Vorgehen in der Interessenvertretung gegenüber Bund und Bahn nicht nur sinnvoll, sondern dringend notwenig ist. Dies darf die Landesregierung allerdings nicht als Freibrief verstehen und sich in der zweiten oder dritten Reihe hinter anderen Ländern verstecken, sondern sie muss wirklich jetzt auch die Chancen nutzen. Wir haben als Parlament das Unsere dazu getan, dass die Landesregierung wenigstens gestärkt die Verhandlungen aufnehmen kann. Aber die Verhandlungen selbst muss man so führen, dass man Verbündete findet und nicht, dass man ein Stimmenverhältnis von 1 zu 15 erzielt und ohne jeglichen Erfolg dann mit einem solchen Stimmergebnis in den eigenen Landtag zurückkommt und sagt, wir haben uns leider nicht durchsetzen können. Das ist nicht Ausweis eines gelungenen Regierungshandelns und hier ist der Wirtschaftsminister aufgefordert, wirklich umzusteuern. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Ritter von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Ritter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Freunde der Eisenbahn, vor allen Dingen in der CDU-Fraktion! Es fasziniert mich schon, wie Sie jetzt seit 1998 Ihr Herz für die Politik der Eisenbahn in Mecklenburg-Vorpommern entdeckt haben.

(Zuruf von Steffie Schnoor, CDU)

Und, sehr verehrter Herr Gerloff, ich könnte natürlich aus dem Nähkästchen plaudern, aber ich lasse es an dieser Stelle sein. Ich will mich vielmehr dem Thema zuwenden, denn das, was heute hier passiert und in den vergangenen Tagen zum Thema Regionalisierungsmittel passiert ist, das ist schon von besonderer Qualität, da muss ich meinem Vorredner zustimmen. Nicht nur, dass sich alle Fraktionen gemeinschaftlich bemühen, was schon allein bemerkenswert ist, plötzlich gibt es in Verkehrsfragen sogar eine länderübergreifende Einigkeit mit Brandenburg, Schleswig-Holstein und auch Hamburg.

Was jetzt noch fehlte, meine sehr verehrten Damen und Herren, war die Schützenhilfe der wirtschaftspolitischen Sprecherin der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Dagmar Wöhrl, die mit Blick auf das neue Regionalisierungsgesetz bemerkt: „Entgegen jeder verkehrspolitischen Vernunft soll der Nahverkehr der Eisenbahn ausgetrocknet werden“. Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein nicht zu erwartender breiter Konsens, der aber hoffentlich nicht nur wahltaktisch geprägt ist, denn ein Blick in die verkehrspolitischen Konzepte von CDU und CSU auf Bundesebene oder der CDU hier auf Landesebene trägt nicht gerade zur Beruhigung bei.

(Harry Glawe, CDU: Sie machen ja auch nichts außer Stilllegungen.)

Ich meine aber, dass das konkrete Thema die Achtung aller Beteiligten verdient, denn bei der Ausgestaltung des neuen Regionalisierungsgesetzes geht es in der Tat an die Substanz dessen, was den öffentlichen Personennahverkehr in den Ländern ausmacht. Deshalb bin ich aufrichtig zufrieden, dass es uns gelungen ist, gemeinsam dafür zu streiten, dass sich der Bund zu seiner Pflicht für den Personenverkehr im Sinne der Daseinsvorsorge

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

nicht nur bekennt, sondern ihr auch entspricht, Herr Glawe, denn dass er um seine gesetzlichen Verpflichtungen weiß, zeigte der Bund nicht zuletzt in den Verhandlungen und mit den Tricks, beispielsweise bei der Interregio-Verbindung Rostock –Berlin.

Und mit welchen Tricks sich auch der Bund aus seiner Verantwortung gestohlen hat, da unter anderem das gültige Regionalisierungsgesetz aussagt, dass Reisewege von unter 50 Kilometern Länge oder einer Dauer von unter einer Stunde dem öffentlichen Personennahverkehr zuzurechnen sind, grenzte es schon an einen Taschenspielertrick, dass der Bund und die Bahn dem Lande unterjubelten, dass die meisten Fahrgäste auf der Strecke Rostock– Berlin ohnehin nur weniger als 50 Kilometer unterwegs seien. Das bedeutet, wir hätten es hier nicht mit Fernverkehr zu tun, damit sei der Bund aus seiner Pflicht zur Daseinsvorsorge im Fernverkehr. Das Dumme ist nur – und das wissen wir alle –, dieser Trick hat sogar funktioniert mit der Konsequenz, dass wir von Rostock nach Berlin, und da hilft auch kein Transrapid, sozusagen auf fünfmal 50 Kilometern mit einem Vorortzug der modernen Art unterwegs sind, der an jedem Milchbock anhält.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ging schneller.)

Ich kann unserem Wirtschaftsminister nur beistehen, wenn er öffentlich die Bahnverbindung von Rostock nach Berlin einen Alptraum nennt. Das Schizophrene an der ganzen Sache ist dann außerdem, dass das Land jetzt auch noch jährlich 6 Millionen Euro aus den Regionalisierungsmitteln für diesen Alptraum löhnen darf.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist das.)