Protocol of the Session on January 30, 2002

Wir sind es gewohnt hier im Landtag, dass die CDU diese sicherheitspolitische Karte jedes Mal wieder zieht. Allerdings ist es aus Sicht der CDU eben auch nur allzu verständlich, denn sie hat ein Problem: Die Wahlen stehen in diesem Jahr an und da besteht natürlich einiger Handlungsbedarf für die CDU, den eigentlichen Spagat zu machen, zwischen der Rasenmäherpartei von Schill auf der einen Seite und auf der anderen Seite

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ver- suchen die Minister im Augenblick.)

der nicht weniger hartleibigen Law-and-Order-Politik des Bundesinnenministers auch noch irgendwo eine Stelle für sich zu finden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Den würde ich jetzt nicht erwähnen. – Zuruf von Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Und so übt die CDU zu jeder sich bietenden Gelegenheit diesen Spagat, indem sie sich in beliebigen Landtagsanträgen sicherheitspolitisch mächtig spreizt und

fortwährend immer dasselbe redet. Herr Thomas hat es gerade wieder einmal begründet, dass er Jugendliche vor allen Dingen als Kriminelle sieht. So weit, so gut beziehungsweise natürlich so weit, so schlecht! Doch Neues bringen eben diese CDU-Anträge nicht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Können Sie jetzt mal zur Sache reden?!)

Sie zeigen uns lediglich, dass die CDU zu keinen neuen Einsichten auf diesem Gebiet kommt. Und so werden eben alte Hüte gestanzt und es wird das erneuert, was wir in den letzten Landtagen auch schon immer zu hören gekriegt haben, was die CDU-Propagandamühle eben so hergibt.

(Hermann Bollinger, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU: Warten Sie’s ab!)

Und das ist eben Schrott, sage ich!

Um es vielleicht ein wenig konkreter zu machen –

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja okay.)

Herr Krumbholz hat schon einige Punkte genannt, auf die werde ich nicht mehr eingehen, da stimmen wir heute ausnahmsweise mal wirklich überein, das kommt ja auch nicht so häufig vor –, in Ziffer 1 werden wir zunächst reichlich hochtrabend, denke ich, das heißt vor allen Dingen eben auch gespreizt im Spagat belehrt, es müsste ein „umfangreiches Maßnahmebündel gegen Kinderdelinquenz und Jugendkriminalität“ beschlossen werden und, was der CDU natürlich ganz besonders am Herzen liegt, es müssten „jugendstrafrechtliche Instrumentarien“ ausgebaut werden. Beides kein neues Vorbringen und so wird es ja auch im CDU-Wahlprogramm wieder präsentiert. Die Forderung nach dem Maßnahmebündel ist in Mecklenburg-Vorpommern jedoch schon so alt, solange sich der Landtag mit diesem Problem befasst. Die Formulierung hat doch schon einen recht langen Bart, denn mensch findet sie in allen möglichen Deklarationen und Programmen und man findet sie natürlich auch in allen möglichen Maßnahmepaketen der Regierung und auch der Präventionsräte, in „Maßnahmebündeln“.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Peter Ritter, PDS: Alle verfügbaren Kräfte.)

Insoweit ist es jedenfalls kein besonderes politisches Signal, was die CDU hier von uns verlangt. Von der Landesregierung liegen verschiedene „Maßnahmebündel“ vor, die versuchen, auf die beschriebene Situation zu reagieren. Die Experten des Landesjugendhilfeausschusses machten verschiedene Vorschläge und es liegen insbesondere auch Untersuchungen und Vorschläge von wissenschaftlicher Seite vor, zum Beispiel von der Universität Greifswald.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Also, meine Damen und Herren, es gibt so viele Bündel und Pakete an Maßnahmen, dass wir sie auch mit Ihrer Hilfe nicht wegschleppen können. Es hapert, das ist meine Einschätzung, also weniger an Maßnahmen als an deren Umsetzung und Abrechnung sowie insbesondere an deren finanzieller Untersetzung im sozialen und intervenierenden Bereich. Papiere und selbst Gesetze und Verordnungen, in denen Maßnahmen stehen, haben wir genügend. Bei dieser generellen Kritik möchte ich aber dennoch die Nützlichkeit insbesondere von präventiven Ansätzen unterstreichen. Mag sich das eine oder andere,

was geschrieben steht, letztlich auch als feuchtes Stroh erweisen, doch es steht erst einmal da und wir müssen es vor allen Dingen umsetzen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Niemand hat unfehlbare Rezepte – und das sage ich auch in Bezug auf diese Regierungskoalition – und manches muss eben praktisch auch erst einmal erprobt werden. Dies alles, denke ich, ist bekannt und dürfte wenig strittig sein. Herr Jäger nickt mir ja schon die ganze Zeit zu.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Natürlich! Aber es soll endlich gemacht werden. Das wollen wir. – Unruhe bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Eben! Eben drum! Aber das, was Sie vorschlagen, liegt einfach nur im repressiven Bereich und dieses kann natürlich nicht unsere Zustimmung finden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das sagen die beiden Minister. – Zuruf von Hermann Bollinger, CDU)

Der Antrag sagt, wir brauchen ein Maßnahmebündel. Fragt sich dann, welches wir brauchen, welches wir eben zusätzlich noch brauchen. In Ziffer 2 sind dann lediglich drei kleine Erbschen aufgezählt. Herr Krumbholz ist schon darauf eingegangen, das kann ich mir sparen. Sie möchten das strafrechtliche Waffenarsenal letztlich – und das machen Sie mit Ihren Punkten – deutlich aufbessern, um die anderen, die ich am Anfang nannte, Schill und Schily, zu übertrumpfen. Fahrverbot als Sanktion, Einführung von Meldepflichten,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

den Warnschussarrest, das sind einfach althergebrachte Sachen, die schon in verschiedensten Papieren enthalten sind und letztlich überhaupt nicht dazu taugen,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

auf Jugendliche zu reagieren, auf Probleme von Jugendlichen zu reagieren. Diese Maßnahmen würden, so sagt die CDU in der Antragsbegründung, eher abschrecken als die herkömmlichen Maßnahmen des Jugendstrafrechts. Nun, wer es glaubt, wird selig.

Nur, meine Damen und Herren von der CDU, an generalpräventive Wirkungen von Strafen glaubt so gut wie keiner mehr. Man braucht nur in seriöse strafrechtliche und kriminologische Ausarbeitungen reinzuschauen. In ihrer Auffassung stehen die Herren Verfasser des Antrages denn doch wohl ziemlich allein auf weiter Flur, vielleicht in Gemeinsamkeit mit einigen Leuten aus der SchillRichtung und einigen klinisch zu beurteilenden Leuten.

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Der Antrag der CDU, der wieder auf reine Repression setzt, ist ganz und gar in der Wurzel verdorben. Denn viel Repression bringt nicht weniger Kriminalität, sondern bringt vor allen Dingen Demokratie- und Rechteabbau. Das und nichts anderes ist Ihr – aber sehr trügerisches – Konzept, meine Damen und Herren von der CDU. Sie sollten hier der Ehrlichkeit halber bei einer solchen Herangehensweise nicht das Wort „Prävention“ in den Mund nehmen.

Zur Begründung führen Sie, Herr Thomas, die, wie Sie sagen, besorgniserregenden Zahlen von Kinderdelinquenz und Jugendkriminalität an. Ich sage mal: Besorgnis

erregend hin, besorgniserregend her, doch Strafe und Knast sind keine geeigneten Mittel, um Kindern und Jugendlichen eine Perspektive aufzuzeigen. Vom Innenminister und aus seiner Umgebung hört man interessanterweise nach der Veröffentlichung der letzten polizeilichen Geschäftsstatistik jedenfalls optimistischen, wenn auch insgesamt gedämpften Trommelwirbel. Die Jugendkriminalität sei gesunken, ist die Botschaft aus dem Hause von Herrn Timm. Wie Sie sehen, meine Damen und Herren, die einen sagen es so, die anderen sagen es wieder anders.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wie der alte Rabbi.)

Wie aber auch immer!

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Erzähl doch den mal, Monty! Das macht Spaß. – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Dafür hast du ja dann Zeit.

Ich denke, für derartige weitgehende Schlussfolgerungen, wie sie jedenfalls die CDU aus den Zahlen zieht, fehlt nicht nur eine genaue Analyse, sondern auch die jugendpolitisch fachliche Aussage, denn jeder weiß doch, wie viel flaue Luft in der Statistik steckt, wie die Dunkelfeldzahlen im Verhältnis dazu sind, dass in der Statistik gerade auch bei Jugendlichen viele Mehrfachtäter erfasst sind, dass etwa ein Viertel der Statistikzahlen nicht einmal für eine Anklage reicht und so weiter und so fort.

Und dann ist doch wohl eines auch klar, wenn Sie schon mit den Zahlen operieren, sehr geehrte Damen und Herren: Kriminalität ist von der Sache her wohl eher etwas für junge Menschen als für reife alte Herren, mal abgesehen von Veruntreuung, Betrug, Konkursstraftaten und Führen von schwarzen Parteikassen. Kriminalität läuft eben vor allen Dingen bei jungen Menschen. Und deshalb fällt sie dort vor allen Dingen auf, deshalb werden sie in der Statistik als was Besonderes erfasst. Die alten Herren und die alten Damen über 25 oder 27,

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS, und Karsten Neumann, PDS)

die nehmen dann eben einen etwas breiteren Raum ein und deshalb werden sie nicht mehr als gesonderte Statistik aufgeführt.

(Heiterkeit und Unruhe bei Abgeordneten der PDS)

Die rote Lampe blinkt jetzt schon.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Na, so was können Sie auch nicht sagen.

Dadurch, dass wir uns hier mit dem Antrag beschäftigen müssen, denke ich, haben wir eine ganze Menge an Zeit vertan, die wir für andere Sachen hätten verwenden können,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben am Wochen- ende genug Zeit, die Polizei anzupöbeln.)

um in unserem Land Strafe für Jugendliche überflüssig zu machen. Wir lehnen diesen Antrag ab.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Monty, das hast du gut gemacht.)

Herr Helmrich, Sie haben jetzt das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Immer wieder die alte Klaviatur, wird uns vorgehalten.