(Peter Ritter, PDS: Hatten wir von ‘92 bis ‘94 keine Justizminister im Land? – Barbara Borchardt, PDS: Wie war das mit der kollektiven Amnesie?)
Das ist, und das muss ich deutlich sagen, im Hinblick auf seinen Anteil an der Prozessverschleppung schon ein starkes Stück. Fakt ist, dass beide Exjustizminister
den Justizskandal hier mit zu verantworten haben. Wer Personalprobleme an unseren Gerichten so ignoriert,
Sich nachträglich mit dem Hinweis „Ausreißer“ vor seine Vorgänger zu stellen, ist in diesem Fall, Herr Sellering, völlig unakzeptabel.
Herr Justizminister, nachdem Ihre Vorgänger versagt haben, sind Sie und das Parlament aus unserer Sicht in der Pflicht, die personelle Ausstattung der Gerichte in Mecklenburg-Vorpommern so zu verbessern, dass sich so ein Justizskandal in Mecklenburg-Vorpommern eben nicht wiederholen kann. Und da sitzen wir doch hoffentlich in einem Boot.
Dem Ansehen unseres Landes und damit dem Ansehen als Urlaubsland ist mit diesem Justizskandal völlig unnötig Schaden zugefügt worden.
Mit der Prozessverschleppung beim Landgericht Schwerin wird aus meiner Sicht auch der Kampf gegen Rechtsextremismus in unserem Lande erschwert. Rechtsextremisten, die auf Verjährung und auf derartige Prozessverschleppung hoffen können, werden zu weiteren Straftaten ermuntert. Die schlechte personelle Ausstattung der Justiz leistete dieser Prozessverschleppung offenbar Vorschub.
Mit dieser Feststellung und unserem Antrag, 15 neue Planstellen für Richter und Staatsanwälte zu schaffen, wollen wir verhindern, das Rechtsextremisten durch solche und ähnliche Prozessverschleppungen über Jahre hinweg ungeschoren davonkommen. Wir können es uns nicht leisten, dass die Akzeptanz der Justiz in Mecklenburg-Vorpommern noch geringer wird. Fehlende Richter müssen zur Chefsache gemacht werden, um derartige Prozessverschleppungen zukünftig auszuschließen. Und deswegen bitte ich Sie, auch Sie, verehrte Damen und Herren der Opposition, um Zustimmung zu unserem Antrag.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU – Annegrit Koburger, PDS: Opposition. – Barbara Borchardt, PDS: Das mit der Amnesie stimmt doch. – Zuruf von Nils Albrecht, CDU)
Entschuldigung, das war ein Versprecher, aber das kann ja noch kommen. Ich habe schon mal vorgegriffen auf die Wahl im nächsten Jahr. Und deswegen bitte ich auch Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Born! Lichtenhagen, meine Damen und Herren, ich bitte das zu beachten, ist ein schmerzliches und für das Ansehen unseres Landes wichtiges Thema. Dass ein letztes Strafverfahren erst jetzt eröffnet worden ist, macht Lichtenhagen auch zu einem sehr ernsten Thema für den Justizminister.
Ich habe mich diesem Thema in den letzten Wochen gestellt und ich werde dies heute auch hier tun, das ist ja selbstverständlich. Aber ich sage auch deutlich, ich lehne es ab, zusammen mit diesem Thema eine Stellenforderung zu diskutieren,
die nun wirklich nur noch als nicht ernst gemeint, als peinlich populistisch bezeichnet werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Herbert Helmrich, CDU: Unerhört!)
Denn, meine Damen und Herren, Haushalt, das war gestern. Da habe ich von Ihnen keine einzige Wortmeldung zum Thema gehört, keinen Antrag. Und sagen Sie mir jetzt bitte nicht, wir brauchen das nicht im Haushalt zu verankern, wir könnten irgendwie von anderen Häusern etwas hin und her schieben. Andere Häuser haben keine Richterstellen. Wenn Sie nicht wissen, dass das haushaltstechnisch nicht geht, reden Sie mit Herrn Riemann.
(Reinhardt Thomas, CDU: Der Antrag ist nicht neu, den haben wir schon im Ausschuss besprochen. – Herbert Helmrich, CDU: Das wurde alles im Ausschuss ab- gebügelt. Ich werde dazu reden.)
(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Herbert Helmrich, CDU: Unerhört! – Wolfgang Riemann, CDU: Das stimmt nicht, das stimmt nicht! Herr Minister, Sie sagen die Unwahrheit.)
Meine Damen und Herren, ich werde also zu Satz 2 des Antrages nichts sagen. Dafür bitte ich dieses Hohe Haus um Verständnis.
Die Äußerung zu Herrn Prechtl habe ich als eher peinlich empfunden. Sie wissen doch wahrscheinlich, dass dieses Verfahren aus der Berichtspflicht an das Ministerium herausgenommen worden ist unter der Leitung von Herrn Prechtl.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was diesen letzten Strafprozess zu Lichtenhagen, neun Jahre nach der Tat, angeht, da gibt es nichts zu beschwichtigen, nichts zu beschönigen. So etwas darf nicht passieren.
Ob es ein strafrechtlich vorwerfbares Verhalten einzelner Richter gibt, dazu kann und will ich nichts sagen. Diese Frage ist Gegenstand eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Und entnehmen Sie bitte aus diesem Umstand, dass die Justiz selbst diese Frage sehr ernst nimmt.
Als Justizminister dieses Landes sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Ich bedauere außerordentlich, dass dieses Verfahren nicht genauso zeitnah abgeschlossen worden ist wie die große Zahl der übrigen Strafverfahren zu Lichtenhagen, die alle besonders schnell und rechtskräftig abgeschlossen worden sind, das letzte Mitte 1993. Ich bedauere das vor allem, weil es beschämend und peinlich gegenüber den Opfern ist.
So eine lange Zeitdauer muss wie Desinteresse gegenüber ihrem Schicksal wirken. Die Bestrafung der Täter hat auch immer zum Ziel, den Opfern Genugtuung zu gewähren. Davon kann nach neun Jahren wohl kaum die Rede sein.
Die Opfer haben damals in Lichtenhagen Schreckliches erlebt. Sie haben sich von diesem Staat im Stich gelassen gefühlt, als sie bedroht und angegriffen worden sind. Und sie haben bis heute vergeblich auf eine öffentliche Entschuldigung derjenigen gewartet, die damals politisch Verantwortung getragen haben für die Sicherheit im Land und die so kläglich versagt haben.
Ich bedauere diese völlig unverständliche Verzögerung aber auch deshalb, weil durch dieses Verfahren ein völlig falsches Bild von dem entsteht, was die Justiz seit Jahren in diesem Land leistet. Unsere tüchtigen und engagierten Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten seit Jahren täglich gute Arbeit.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Torsten Koplin, PDS – Siegfried Friese, SPD: Richtig.)