Protocol of the Session on December 13, 2001

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. Genau so ist das.)

Die Motivation der Lehrer, hier etwas anderes zu praktizieren, ist durch das Lehrerpersonalkonzept und die Gleichmacherei denkbar gering. Und auch dies wollten wir an dieser Stelle einmal beiseite lassen.

Aber wie geht es nun mit den weiterführenden Schulen weiter? Dort wurde Bildung durch Sozialutopie ersetzt. Der Kabarettist Mike Krüger überspitzte dies am Freitag vergangener Woche in folgender Art und Weise, ich zitiere: „Früher hieß die Aufgabe: Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50 DM. Der Erzeugerpreis beträgt 40 DM. Wie hoch ist der Gewinn? In der Gesamtschule heute heißt die Aufgabe: Ein Bauer verkauft einen Sack Kartoffeln für 50 DM. Der Erzeugerpreis beträgt 40 DM. Der Gewinn beträgt 10 DM. Unterstreiche das Wort Kartoffeln und diskutiere mit deinem Nachbarn!“

(Dr. Margret Seemann, SPD: So haben Sie die Rahmenpläne erarbeiten lassen. – Minister Till Backhaus: Für wie blöd halten Sie eigentlich die Bauern?)

Meine Damen und Herren, das Hin und Her in der Bildungspolitik nimmt den Lehrern die Möglichkeit, ihrer Arbeit ihrem Berufsethos entsprechend nachzugehen. Versetzungsverordnungen, Erlasse zur Unterrichtsversorgung, fehlende Förder- und Teilungsstunden, Lehrerpersonalkonzept, Schulentwicklungsplanung – die vielen alltäglichen kleinen Nadelstiche tragen wesentlich dazu bei, dass weder die Regionale Schule noch ein vielfach gegliedertes Schulsystem dazu führen werden, in den künftigen Studien andere Plätze einzunehmen. So lange können Sie das Schulgesetz nahezu täglich ändern, Sie werden nie Ergebnisse Schwedens oder Finnlands erreichen.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Und, meine Damen und Herren, Sie haben wieder einmal vier wertvolle Jahre vergeudet. Für die SPD sind es inzwischen acht wertvolle Jahre in der Bildungspolitik, in der sie nahezu nichts Entscheidendes, Grundlegendes zur Verbesserung der Situation beigetragen hat,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

nichts, um die Parameter zu verbessern, die bei PISA eine Rolle spielen.

Und wie wird nun auf PISA reagiert?

(Dr. Margret Seemann, SPD: Vorhin haben Sie doch gesagt, man sollte das nicht so ernst nehmen.)

Der Sprecher des Bildungsministeriums verweist darauf, dass seit 1998/99 ein Netz, ich betone, ein Netz von 55 Ganztagsschulen in Mecklenburg-Vorpommern geschaffen wurde. Meine Damen und Herren, machen Sie sich bitte nicht lächerlich!

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Nee, hier macht sich jemand anderes lächerlich.)

Herr Minister, nur weil PISA feststellt, dass in Ländern mit einem hohen Ganztagsschulangebot bessere Ergebnisse erzielt werden, müssen Sie doch nicht gleich mit Ihrem Minimalismus den Eindruck erwecken, als wenn Sie da mithalten könnten.

(Heike Polzin, SPD: Nein, das ignorieren wir. – Siegfried Friese, SPD: Was haben Sie denn gegen Ganztagsschulen?)

Wie sind denn die Zahlen tatsächlich? In MecklenburgVorpommern gibt es 792 allgemein bildende Schulen.

(Siegfried Friese, SPD: Sie hat was gegen Ganztagsschulen.)

Also sind gerade mal 6,9 Prozent aller Schulen Ganztagsschulen. Da reden Sie von einem Netz! Analysieren wir das einmal genauer, dann ergibt sich folgendes Bild: Wir haben 22 Gesamtschulen im Land. Von denen sind 14 Ganztagsschulen, das ist ein Anteil von 66 Prozent. Bei den verbundenen Haupt- und Realschulen verzeichnen wir einen Anteil von 6 Prozent, bei den Förderschulen von 7,2 Prozent, bei den Gymnasien von 7,1 Prozent. Zugegeben, das sind die Zahlen vom vergangenen Schuljahr, aber die 14 neuen Ganztagsschulen verändern das Verhältnis nicht maßgeblich.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Wenn wir nicht aufgepasst hätten, hätten Sie 1990 einfach die Horte abgeschafft.)

Wenn Sie von einem Netz von Ganztagsschulen bei den Gesamtschulen gesprochen hätten, dann hätten wir Ihnen beipflichten können. Aber so? Ja, meine Damen und Herren, diese Zahlen sagen, die Defizite waren absehbar.

Und ich will an dieser Stelle nicht darauf verzichten, Sie, Herr Minister, und Ihre Fraktionskollegen mit der Tatsache zu konfrontieren, dass Sie einen Änderungsantrag der CDU-Fraktion während der Haushaltsberatungen zum diesjährigen Haushalt, also den 2001er, ablehnten, der einen Prüfauftrag beziehungsweise einen Entschließungsantrag der SPD und PDS insoweit abänderte, dass die CDU bis 2004/05 die flächendeckende Einführung der Ganztagsschulen forderte.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Sie lehnten genau dies im vergangenen Jahr ab.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Parallel zur Schulentwicklungsplanung wäre das die einzig vernünftige Maßnahme gewesen,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

um Eltern das Schließen von Schulstandorten plausibel zu machen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Was machen Sie stattdessen? Und damit wären wir dann wieder beim Ihrem Schulgesetzentwurf. Sie geben 85 Millionen DM für die Einführung einer neuen Schulart aus. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Ganztagsschulen im bestehenden System mit diesem Geld hätten finanziert werden können. Sagen uns PISA und die Reaktion des Bildungsministers vielleicht, dass diese Landesregierung falsche Prioritäten in der Bildungspolitik gesetzt hat?

(Dr. Margret Seemann, SPD: Die Erhöhung der Stundentafel ist falsch, Frau Schnoor?)

Wundern würde es mich nicht, denn der SPD-Bundesvorstand war von Anfang an der Meinung und ist es wohl immer noch, dass der bundesdeutsche Ländervergleich unter den Tisch gekehrt werden muss. Denn nur so lässt sich einmal mehr die Aussage des Bildungsministers verstehen, dass die Defizite unserer Schulbildung absehbar waren. Angesichts des heute zu beratenen Gesetzes wäre dieser Ländervergleich sehr interessant und würde das Land vielleicht vor einem weiteren bildungspolitischen Irrtum – nach der Integrierten Gesamtschule – bewahren können. Und, sehr verehrter Herr Kauffold, Sie wollen uns doch wohl heute nicht glaubhaft machen, dass über die 155 Millionen DM hinaus, die Sie für 12 Jahre Abitur und Regionale Schule von der Finanzministerin bewilligt bekommen haben, weitere Mittel zur Einrichtung von Ganztagsschulen freigesetzt werden?

(Minister Dr. Peter Kauffold: Doch, doch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir waren natürlich alle gespannt auf den nationalen Bildungsvergleich innerhalb von PISA. Ich bin mir da sehr sicher, dass Sie, sehr verehrter Herr Bluhm, dann widerlegt werden. Es ist ein gepflegter Irrtum Ihrerseits, dass die integrierten Systeme per se zu mehr Leistung und Gerechtigkeit führen, jedenfalls auf dem Weg, wie diese integrierten Systeme in Deutschland praktiziert werden.

(Andreas Bluhm, PDS: Das ist genau der Punkt. Ja.)

Denn das müssen Sie zugeben: Die integrierten Schulsysteme sind in Deutschland gescheitert. Schon die TIMSS und die BIJU haben nachgewiesen, dass das gegliederte Schulsystem in Bayern gegenüber dem integrierten System in Nordrhein-Westfalen jeweils ein Schuljahr voraus ist. Die Südländer verfolgen seit Jahrzehnten kontinuierlich eine bildungspolitische Linie, sind damit sowohl wirtschaftspolitisch als auch sozialpolitisch deutschlandweit führend. In diesen Ländern spielt die Diskussion um gegliedertes Schulsystem oder integriertes keine Rolle. Die ideologischen Barrieren gibt es da nämlich nicht.

(Andreas Bluhm, PDS: Also ich erzähle Ihnen nachher was aus der PISA-Studie.)

Sie arbeiten im System und nicht am System wie die SPD hier und mittlerweile auch die PDS.

Bayern hat wieder einmal in der Bildungsdiskussion die Führung übernommen und investiert 600 Millionen DM in ein zusätzliches Programm, das zu der ohnehin guten Förderung lernschwacher Jugendlicher einen noch größeren Beitrag leisten wird. Bayern und Baden-Württemberg waren Sprachführer in der KMK, um in einem 7-PunkteSofortprogramm die Herausforderungen an die Bildungspolitik zu formulieren. Von Mecklenburg-Vorpommern habe ich auf diesen Katalog bisher keine einzige Reaktion vernommen. Warum wohl? In die Lehrerfortbildung investiert Bayern 24 Millionen DM, Mecklenburg-Vorpommern gerade einmal 400.000 DM. Gemessen an der Zahl der Lehrer bedeutet dies ein Verhältnis von 277 DM in Bayern zu ganzen 25 DM pro Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern.

Meine Damen und Herren, das sind die Dimensionen! Die jungen Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern ziehen nach Bayern und Baden-Württemberg und der Ruf der Schulen dort hält sie nicht ab, sondern, ganz im Gegenteil, er zieht sie an. Dagegen ändert Mecklenburg-Vor

pommern in elf Jahren zum dritten Mal seine Schulstrukturen.

(Heiterkeit bei Dr. Berndt Seite, CDU)

An dieser Diskontinuität ist immer die SPD führend beteiligt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in einigen Punkten verwirklichen SPD und PDS die Bildungspolitik der CDU.

(Andreas Bluhm, PDS: Oh! Ich dachte, es geht um die Kinder und nicht um Parteiinteressen.)

Das ist gut so. Die entscheidenden Punkte nannte ich ja bereits. Die Leistungsbilanz von Schule ist nach wie vor so erschreckend – auch im vergangenen Schuljahr 2000/01 absolvierten fast 50 Prozent der Realschüler in Mecklenburg-Vorpommern die Mathematikprüfung mit der Note 4 und schlechter –, dass diese Landesregierung um korrigierende Maßnahmen im Sinne christdemokratischer Schulpolitik nicht mehr herumkam.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wir müssen die Kopfnoten einführen bei der Regierung. – Eckhardt Rehberg, CDU: Richtig. Und besonders bei Fleiß.)

Das Konzept der Regionalen Schule soll den Eindruck erwecken, dass es überhaupt noch sozialdemokratische Schulpolitik gibt. Ob es die gibt, das müssen sich die Autoren des Leitantrages auf dem SPD-Bildungsparteitag Ende Oktober in Güstrow fragen lassen. Dieser Leitantrag wurde mit über 200 Änderungsanträgen geradezu verrissen, die Finanzministerin raufte sich die Haare, geneigte Gäste und Parteitagsdelegierte verließen genervt das Plenum, um dann zum wirklich spannenden Teil des Parteitages zurückzukehren, der Afghanistan-Debatte. Und all dies, meine Damen und Herren, bei einem Leitantrag, der lediglich die gegenwärtig praktizierte Bildungspolitik sanktionieren sollte!

Wo können die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern denn die bildungspolitische Linie der SPD erkennen? Gibt es sie überhaupt? Von Kontinuität kann jedenfalls nicht die Rede sein.

Ein Lehrbeispiel für die äußerst konsequente sozialdemokratische Linienführung ist die Versetzungsordnung des Landes nach Paragraph 69 Schulgesetz. 1996 führte die SPD-Bildungsministerin Regine Marquardt in Mecklenburg-Vorpommern eine Versetzungsordnung ein, die ein Sitzenbleiben nahezu unmöglich machte. Notenausgleich und Nachprüfungen in den Ferien gaben auch dem letzten Lernunwilligen die Möglichkeit, wie in der integrierten Gesamtschule ohne große Anstrengung an das Ende der Schullaufbahn zu gelangen. Nach und nach wurde dieser Sozialutopismus relativiert und gipfelt nun in der Versetzungsordnung von Minister Kauffold, die so auch von der CDU stammen könnte.