Protocol of the Session on October 17, 2001

sofortige Abschiebung ausländischer Straftäter beim Komplex häuslicher Gewalt und schließlich

die Prüfung, ob die Opferhilfe nicht insgesamt und hier speziell natürlich für die Opfer häuslicher Gewalt als staatliche Aufgabe, in welchem Umfang auch immer, definiert werden kann

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zwischenrufe, die ich vorhin vernahm, als die Frau Vizepräsidentin mitteilte, dass für unsere Fraktion keine Frau zu diesem Thema spricht, zeigen mir einmal mehr, wie notwendig es ist, dass wir das Thema „Gewalt gegen Frauen“ als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen

(Beifall Steffie Schnoor, CDU – Annegrit Koburger, PDS: Schön, dass Sie das auch schon so sehen.)

und die Frauen nicht mit dieser Problematik allein lassen.

(Beifall Harry Glawe, CDU – Heiterkeit bei Heidemarie Beyer, SPD – Dr. Margret Seemann, SPD: Dafür haben Sie jahrelang gebraucht, um das zur Kenntnis zu nehmen?!)

Sie haben die Unterstützung des gesamten Landtags verdient und ich denke, wir haben genügend Felder – das hat die heutige Tagesordnung gezeigt und das wird sich morgen sicherlich fortsetzen –, wo wir uns trefflich in der Sache streiten können, von mir aus auch eine harte Klinge schlagen können. Manchmal geht das ja auch bis in die polemische Auseinandersetzung.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist richtig.)

Dieses Thema ist zu ernst, als dass wir es parteipolitisch zerreden sollten. Die Frauen sind darauf angewiesen, dass sie die Unterstützung all derjenigen finden, die in der Lage sind, politische Rahmenbedingungen zu ändern. Und dazu sind wir alle gemeinsam aufgerufen. Deshalb bitte ich, dass in dieser Frage der Landtag sich auch zu einer gemeinsamen Vorgehensweise verständigt. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Koburger von der Fraktion der PDS.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Schimpf aber nicht zu doll auf Born!)

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin!

Herr Born, so ist das, wenn man sich erst seit kurzem mit einer solchen Thematik beschäftigt. Dann hat man einen gewissen Informationsverlust. Das mache ich Ihnen nicht zum Vorwurf, ich bin ja froh, dass sich mal ein Mann mit dem Thema etwas intensiver beschäftigt,

(Dr. Ulrich Born, CDU: In meinem Beruf bin ich schon etwas länger damit befasst.)

auch wenn ich aus der letzten Legislaturperiode noch ein paar gängige Witze von Ihnen zu dieser Problematik gehört habe, die dem diametral entgegenstehen. Aber zu Ihren...

(Angelika Gramkow, PDS: Erzähl mal! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sprich doch mal!)

Nee, nee, das ist nichts für andere Ohren, sage ich jetzt mal.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Noch einmal zu einigen Ausführungen von Ihnen. Wir haben wie in vielen anderen Bereichen, wo Projekte gefördert werden, in der Masse die Projekte in freier Trägerschaft, so dass man natürlich bei den kommunalen Einrichtungen einen relativ niedrigen Beitrag hat. Man muss das schon alles im Zusammenhang sehen. Die freien Träger sind mit – ich weiß das jetzt gar nicht mehr aus dem Kopf – über 2 Millionen in der Förderung mit drin, so dass wir hier keinerlei Absenkung haben.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Und es handelt sich tatsächlich nur um die Schutzwohnung hier in Schwerin, weil das die einzige kommunale Einrichtung ist. Das zum einen. Ich denke, wir haben den Antrag im März diesen Jahres ganz zu Recht abgelehnt, weil er eine unausgewogene Arbeit eingefordert hat, die wir so nicht wollten. Außerdem – und das haben wir auch im März deutlich gemacht – haben wir ganz dezidiert dargelegt, dass wir schon an der Umsetzung des Landesaktionsplanes arbeiten. Wir haben das begründet mit dem SOG, das in Arbeit war. Wir können das jetzt noch mal damit begründen. Wir haben das SOG heute beschlossen, die Änderung im Zusammenhang mit der Wegweisung, und wir haben eine Neukonzipierung der Männer

beratungsstellen vor, damit sie in das Gesamtkonzept des Landesaktionsplanes passen. Auch der Aufbau der Interventionsstellen, und hier sage ich ganz bewusst, der Aufbau peu à peu, weil wir nun mal ein armes Land sind, ist ein Beitrag zur Umsetzung des Landesaktionsplanes.

Zu den finanziellen Konsequenzen noch eins: Ich denke, dass das, was Frau Staszak mit dem Finanzministerium in den Haushaltsberatungen aushandeln konnte, schon ein beachtliches Ergebnis war. Nichtsdestotrotz sehen die Parlamentarierinnen und Parlamentarier einen Mehrbedarf für die Installation der Interventionsstellen – daher auch der Änderungsantrag, der im Sozialausschuss beschlossen wurde. Und ich denke, das ist ein legitimes Mittel. Ich bin auch sehr froh darüber, dass wir finanzielle Sicherheit dahin gehend haben, dass die Gelder für die Interventionsstellen auch in der Mittelfristigen Finanzplanung sind.

Doch nun zu dem vorliegenden Landesaktionsplan selber. Die Koalitionsfraktionen haben hier eine Aussprache beantragt, um noch einmal auf die Komplexität der vor uns liegenden und bereits in Angriff genommenen Aufgaben aufmerksam machen zu können und auch neue Aspekte mit einzubringen. Vorab möchte ich jedoch all jenen danken, die sich an der Erarbeitung, bei der Kooperation und Realisierung des Aktionsplanes beteiligt und eingebracht haben. Gerade durch die Vielfalt der Beteiligten aus Projekten, aus der Politik, Legislative wie Exekutive, konnte dem umfassenden gesellschaftlichen Problem Gewalt gegen Frauen und Kinder ein entsprechendes Konzept entgegengesetzt werden.

Enthalten sind hierin Aussagen zu traditionellen Bestandteilen – sie sind hier schon erwähnt worden – wie Frauen- und Kinderschutzhäuser einschließlich der notwendigen Beratungsangebote, aber auch Initiativen zu neuen Projekten wie das Zeuginnenbegleitprojekt oder zu bisher vernachlässigten Bereichen wie Statistiken und Primärprävention sind hier aufgenommen worden. So wird ähnlich wie beim Bundesaktionsplan der Komplexität der Problematik mit einem Gesamtpaket von Maßnahmen Rechnung getragen.

In meinen Ausführungen möchte ich mich auf einige wenige Schwerpunkte beschränken. Da wären die unzureichende Datenlage, die Unsicherheit bei der Finanzierung der Bestandteile des Kampfes gegen Gewalt gegen Frauen und die Verstärkung und Konzipierung der Prävention, insbesondere der Primärprävention. In zahlreichen Aussprachen zur Problematik Gewalt gegen Frauen haben wir konzertieren und beklagen müssen, dass zu den einzelnen Aspekten in diesem Zusammenhang nur mangelhaft fundierte Kenntnisse und Daten vorhanden sind. Wir haben bundesweit nur marginale Forschungsvorhaben zur Situation der Geschlechterverhältnisse, zu Gewalt gegen Frauen mit allen Teilaspekten. Daher sind wir oftmals darauf angewiesen, auf Forschungsergebnisse aus dem englischsprachigen Raum, USA, England, sowie anderer europäischer Staaten zurückgreifen zu müssen. Ich behaupte, dass dies über Jahrzehnte hinweg ganz bewusst so gehandhabt wurde, um nicht an den Grundfesten der gesellschaftlichen Strukturen im Hinblick auf die Geschlechterverhältnisse rütteln zu müssen.

Wie will man also wirksame Konzepte, Strategien entwickeln und entsprechende Schwerpunktsetzungen vornehmen, wenn man nur einen marginalen Kenntnisstand über Ursachen, Ausmaß und Auswirkungen hat? Wenn es

auch nicht direkt zum Thema passt, so möchte ich an einem Beispiel deutlich machen, wie mit gezielter Forschung zu gesellschaftlichen Veränderungen beigetragen werden konnte und kann. Seit etwa zehn Jahren laufen in den Niederlanden kontinuierliche Forschungen zur Lebenssituation in allen Nuancen von Menschen mit homosexuellen Orientierungen. Die erzielten Ergebnisse beförderten zum Beispiel die gesellschaftliche Debatte bezüglich der Gleichstellung aller Lebensformen sowie für Toleranz und Akzeptanz. Das widerspiegelt sich dann in entsprechenden Gesetzesänderungen, die zu einer Verbesserung der Lebenssituation beigetragen haben, die zu mehr Gleichstellung, Demokratie, Toleranz und Akzeptanz führten. Zum Beispiel gibt es dort ein Adoptionsrecht, die kleine und die große Ehe, wie ich das zu nennen pflege, ist für Homosexuelle dort möglich. Und das ist mit möglich geworden durch die entsprechenden Forschungsergebnisse.

Analog zu diesem Beispiel ist es nach unserer Auffassung notwendig, in der BRD Forschung zu initiieren und zu finanzieren. Dass das nicht auf Mecklenburg-Vorpommern begrenzt werden kann, sondern bundesweit erfolgen muss, ist wohl unstrittig. Aber nur so ist es möglich, endlich wirksame Strategien entsprechend der Komplexität der Problematik auf den Weg zu bringen. Auf dieser Grundlage wäre es sicherlich, bei allem Föderalismus, in anderer Art und Weise möglich gewesen, bundeseinheitlich die Wegweisung von Gewalttätern zu regeln. Wie in der vorherigen Debatte erwähnt, ist es zwar sehr erfreulich, dass Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der polizeilichen Eingriffsbefugnisse bei Fällen häuslicher Gewalt an erster Stelle steht, doch im Interesse der betroffenen Opfer der gesamten Bundesrepublik ist die derzeitige Situation unbefriedigend.

Meine Damen und Herren, neben den fehlenden Forschungen haben wir zu verzeichnen, dass auch eine große Unkenntnis über Ausmaß und Folgen der Gewalt im häuslichen Umfeld aufgrund mangelnder Datenerfassung und Kenntlichmachung herrscht. Logischerweise kann unter diesen Umständen die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Kinder nur bruchstückhaft erfolgen und als Herumdoktern an den Symptomen bezeichnet werden. Wir operieren mit Schätzungen, mit Ergebnissen von Dunkelfeldforschung. Daraus ergibt sich meist der erhebliche Erklärungsbedarf beziehungsweise Begründungsbedarf bezüglich finanzieller Absicherungen von Hilfeangeboten und Strukturen. Die Ursache liegt zum Teil in der Definition und Interpretation von häuslicher Gewalt. So wurde beziehungsweise wird dies seitens der Polizei bislang als Familienstreitigkeiten definiert. Demzufolge konnte das kein Eingang in die polizeiliche Kriminalstatistik finden. Jetzt erst wird mit der landesweiten Umsetzung der Ergebnisse und Erfahrungen des Interventionsprojektes CORA die Möglichkeit geschaffen, die Fälle, die der Polizei bekannt werden, statistisch zu erfassen. Ähnliches ist möglich bei den Sonderdezernaten an den Gerichten.

Kaum einer hat bisher hinterfragt, welche finanziellen Auswirkungen für die Gesellschaft im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen entstehen. Eine vom Bundesministerium für Frauen in Auftrag gegebene Untersuchung – Frau Staszak ist vorhin schon kurz drauf eingegangen – konnte aufgrund der mangelhaften Datenlage nur vorsichtige Schätzungen vornehmen. Danach trägt die Gesellschaft die Folgen mit circa 29 Milliarden DM jährlich, wobei noch lange nicht alle Bereiche mit erfasst sind. Eingerechnet wurden Kosten für Polizeieinsätze, Ausgaben

für Gesundheits- und angrenzende Bereiche, wie zum Beispiel auch Psychotherapien, und die Ausgaben für Frauen- und Mädchenschutzhäuser.

Wir alle finanzieren das über Steuern und die Versicherungsbeiträge. Das allerdings ist in den öffentlichen Haushalten kaum sichtbar. Daraus ergibt sich meiner Meinung nach auch die verbreitete Ignoranz. An den Ursachen kratzen wir derzeit nur und für gezielte Gegenmaßnahmen müssen von Haushaltsjahr zu Haushaltsjahr immer kompliziertere und strittigere Debatten geführt werden. Für mich ist es nicht mehr hinnehmbar – und das sollte es eigentlich für uns alle nicht mehr sein –, dass wir stillschweigend die Folgen finanzieren und auf der anderen Seite um jede Mark, nein, um jeden Euro für Gegenmaßnahmen bezüglich Gewalt gegen Frauen ringen müssen.

Meine Damen und Herren, wir reden in der Politik oft von Nachhaltigkeit. Leider wird dieser Begriff mehrheitlich mit dem Umweltbereich in Verbindung gebracht. Doch er muss Eingang in alle gesellschaftlichen Bereiche finden. Wenn wir also nachhaltig die Situation von Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen oder bedroht sind, verbessern wollen, müssen wir neue Schwerpunkte setzen und viele Aspekte gleichzeitig in Angriff nehmen – selbstverständlich mit der entsprechenden finanziellen Sicherung. Der Kampf gegen Gewalt gegen Frauen ist für mich und für meine Fraktion eine Grundfrage der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der Sicherung von Grundrechten.

Damit verbunden ist selbstverständlich auch die nicht unwesentliche Frage der volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Kann sich diese Gesellschaft leisten, Jahr für Jahr etwa 30 Milliarden zum Fenster hinauszuwerfen, unter der Maßgabe der Knechtung und Unterdrückung von nicht unwesentlichen Teilen der Bevölkerung? Ich sage Nein. Ist es volkswirtschaftlich nicht eher sinnvoll, Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen finanziell zu sichern, als deren Folgen stillschweigend in Kauf zu nehmen? Ich sage Ja.

Was braucht diese Arbeit? Wir brauchen Frauen- und Mädchenhäuser für diejenigen, die den Weg aus der Gewaltspirale finden und hier Hilfe und Unterstützung suchen, und wir brauchen in diesen Einrichtungen gut ausgebildetes Fachpersonal, das dieser schwierigen Aufgabe gerecht werden kann. Wir brauchen spezifische Beratungsangebote zum Beispiel für Opfer sexualisierter Gewalt oder auch für gewalttätige Männer. Solche speziellen Leistungen sind durch die Behörden und Institutionen wie Sozialamt oder Jugendamt nicht leistbar aus personeller wie auch aus fachlicher Sicht. Wir brauchen Angebote für Zeuginnen, für die Vorbereitung, Betreuung und Begleitung während der gerichtlichen Verfahren. Wir brauchen Interventionsstellen als Bindeglied zwischen Polizei und Justiz bei Fällen häuslicher Gewalt, als Kooperationsinstitution in den Regionen des Landes. Wir brauchen Beratungs- und Hilfestrukturen für Migrantinnen, die Opfer von Frauenhandel geworden sind. Wir brauchen Statistiken, die aussagekräftig und für die konzeptionelle Weiterentwicklung von Strategien nutzbar sind. Wir brauchen vernetzte Angebote im präventiven Bereich, insbesondere in der Primärprävention.

Meine Damen und Herren, ich möchte gerade den letzten Punkt noch einmal in den Mittelpunkt rücken. Wenn es uns nicht nach und nach gelingt, zu einem gleichberechtigten Umgang zwischen den Geschlechtern, zu gewalt

freien Konfliktlösungsmechanismen von klein auf zu gelangen, werden wir der Gewalt gegen Frauen und Kinder nicht nachhaltig begegnen können. Dazu ist es notwendig, eine generelle Umorientierung bei der Bildung und Erziehung einzuleiten. Weg von tradierten Rollenbildern, hin zu gleichen Chancen für Mädchen und Jungen in allen Bereichen. Das setzt voraus, dass nicht nur die Curricula an den allgemein bildenden Schulen überarbeitet werden und Einfluss auf die Gestaltung der Schulbücher genommen wird, sondern auch auf die Ausgestaltung der Curricula der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen.

Ein weiterer Aspekt ist die Veränderung in der Kinderund Jugendarbeit, die eine emanzipatorisch geschlechtsspezifische Grundlage bekommen muss. Mit dem 1990 beschlossenen KJHG sind die Voraussetzungen geschaffen, die Realität sieht jedoch noch nicht so erfreulich aus. Sicherlich ist das der Tatsache geschuldet, dass für einen solchen Arbeitsansatz anfangs kaum ausgebildetes engagiertes Personal zur Verfügung stand, welches zum Beispiel die Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren leisten konnte. Zwischenzeitlich gibt es jedoch einen gewissen Grundstock von solchen Fachkräften. Leider werden diese zu wenig eingebunden in die Veränderung der Kinder- und Jugendarbeit. Ich meine dabei auch nicht ausschließlich die klassische Kinder- und Jugendhilfe, sondern Kinderund Jugendarbeit wird in unterschiedlichen Bereichen geleistet und ich rechne die Schule als einen nicht unwesentlichen Erlebnis- und Erfahrungsort von Kindern und Jugendlichen mit dazu.

Neben der Zielstellung, tradierte Rollenbilder aufzubrechen, muss es auch darum gehen, dass Mädchen erlernen, Grenzen zu setzen, und parallel dazu Jungen erlernen, gesetzte Grenzen zu akzeptieren. Jungen müssen erlernen, dass Mädchen und Frauen keine Objekte sind, über die sie nach ihrem Belieben verfügen können. Mädchen und Frauen müssen lernen, dass sie eigenständige Rechtssubjekte sind, mit der Möglichkeit, selbstbestimmt ihre Wünsche und Vorstellungen zu äußern und umzusetzen, und als solche Rechte haben, die sie einklagen können.

Das ist notwendig, denn, um mit Frau Hagemann-Withe zu sprechen: „Gewalt gegen Frauen und Kinder ist in den Strukturen und Konstruktionen des Geschlechterverhältnisses angelegt. Die festgestellte gesellschaftliche, rechtliche, soziale, politische, ökonomische Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, die sich in der herrschenden Ideologie von männlicher Überlegenheit und weiblicher Unterlegenheit manifestiert, wird als grundlegende Entstehungs- und Wiederholungsbedingung für männliche Gewalt gegen Frauen gesehen.“

In der Auseinandersetzung mit der Problematik Gewalt gegen Frauen und Kinder ist die Rolle der betroffenen Kinder immer von zwei Seiten zu analysieren: einerseits als direkte und indirekte Opfer der von Männern verursachten Gewalt und andererseits als potentielle Täter.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Nils Albrecht, CDU: Das können auch Frauen sein. – Glocke der Vizepräsidentin)

Hinsichtlich der Opfer geht es unter Beachtung der Geschlechtsspezifik in erster Linie um die Behandlung physischer Verletzungen und psychischer Beeinträchti

gungen, wobei Letzteren oftmals in einem sehr langwierigen Prozess begegnet werden müsse. Erst danach kann es gelingen, neue Lebensperspektiven aufzuzeigen. Das zu ermöglichen gelingt nur durch die Stärkung von Selbstbewusstsein, das Erlernen, wie ich schon sagte, Grenzen zu setzen und Verletzungen derselben mit Sanktionen zu begegnen beziehungsweise begegnen zu lassen.

Ziel dessen ist es, gewaltpräventiv im Hinblick auf die zukünftige Lebensgestaltung zu wirken. Dem gleichen Aspekt dient die Arbeit mit betroffenen Kindern im Zusammenhang mit der potentiellen Täterschaft. Keine und keiner bestreitet mehr, dass männliche Gewalt gegen Frauen und Kinder mit dem gesellschaftlich gültigen System der Geschlechterhierarchie und den herrschenden Männlichkeits- und Weiblichkeitsbildern zusammenhängt, ja, sich aus ihnen ableitet und durch sie bestärkt wird. Allerdings gibt es nach wie vor die Scheu, Männergewalt gegenüber Frauen und Kindern auch als solche zu benennen und daraus die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Der Schlüssel für die Prävention wie auch für die Intervention liegt demnach in der Benennung von Männergewalt und in der Konfrontation mit ihr sowie in der Veränderung der Männlichkeitsbilder – ihrer Befreiung von patriarchalischen und gewaltträchtigen Assoziationen – und der Weiblichkeitsbilder – ihrer Befreiung von patriarchalischen und erduldeten Assoziationen.

(Zuruf aus dem Plenum: Thema!)

Es geht um die Befreiung vom Anspruch der Geschlechterhierarchie: als Jungen und Männer angeblich mehr Wert zu sein als Mädchen und Frauen und als Mann nur Anerkennung zu finden über Machtausübung, Unterdrückung, Stärke gegen andere, Härte und sexuelle Verfügung über Frauen als Männlichkeitsbeweis zu werten und zu erfahren.

Anita Heiliger und Constance Engelfried untersuchten im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Zusammenhang zwischen sexualisierter Gewalt, männlicher Sozialisation und potentieller Täterschaft. Die vorgelegten Ergebnisse bestätigen nicht nur die Resultate der Ursachenforschung von Männergewalt, sondern dass die Sozialisationsmuster bei Jungen den Samen für mögliche Gewalttätigkeiten gegenüber Frauen im Erwachsenenalter legen. Seit ihrer frühen Kindheit werden die Jungen am Beispiel ihrer Eltern und in Kinderallgemeinschaften mit den Machtverhältnissen zwischen den Geschlechtern konfrontiert. Das erfährt während der Pubertät noch eine erhebliche Verstärkung, insbesondere in Kreisen gleichaltriger Jungen. Wahrgenommen und gelernt wird dabei, so die Ergebnisse der Untersuchung, die Botschaft allgemeiner Frauenabwertung, das praktische Angebot, sich auf Kosten von Mädchen und Frauen Gefühle von Dominanz und Stärke zu verschaffen, sowie die Anerkennung dafür im gesellschaftlichen Umfeld. Ebenso die Aufklärung über Sexualität erfolgt durch das so genannte Volksaufklärungsmittel pornographischer Abbildung einschließlich der ihnen darüber vermittelten Verfügbarkeit von Frauen für Männer.