Protocol of the Session on October 17, 2001

Unsere Aufgabe ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die Übernahme von Elternverantwortung nicht gleichbedeutend ist mit Verzicht auf eine andere Gestaltungsmöglichkeit. Und diese Aufgabe, meine Damen und Herren, nehmen wir wahr.

(Harry Glawe, CDU: Jaja.)

Meine Damen und Herren von der CDU, es ist erfreulich, dass Sie in Ihrer Oppositionsrolle die Bedeutung der Familienpolitik entdeckt haben. Davon konnten wir eben ja wieder eine Kostprobe kriegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sylvia Bretschneider, SPD: Hört, hört! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Als Regierungspartei hatten Sie da eine ganz andere Einstellung.

(Volker Schlotmann, SPD: Wie immer. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Der dem Steuerzahler beim Regierungswechsel 1998 hinterlassene Schuldenberg von 1.500 Milliarden DM – man kann auch 1,5 Billionen dazu sagen – hatte sich mit Sicherheit nicht angehäuft,

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

weil Sie Familienpolitik finanziert hatten.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Erinnern wir uns: 1986 erhielten noch neun von zehn Familien Bundeserziehungsgeld, 1998 war es nur noch jede vierte Familie. Beim BAföG war der Sachverhalt ähnlich, da Sie nicht bereit waren, die Einkommensgrenzen anzugeben. Im Übrigen, für das Erziehungsgeld wurden nach der Regierungsübernahme die Einkommensgrenzen dann erstmalig – erstmalig! – seit 1986 angehoben,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

und zwar im Schnitt um circa zehn Prozent.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Erinnern wir uns weiter: Zwischen 1993 und 1995 war über 800.000 Familien der Kindergeldzuschlag vorenthalten worden. 1997 wollten Sie die Anhebung des Kindergeldes verhindern. Das Bundesverfassungsgericht musste erst ein Urteil für einen gerechteren Familienlastenausgleich fällen.

Die Vorstellungen der CDU sehen in der Opposition natürlich ganz anders aus,

(Harry Glawe, CDU: Frau Kollegin, machen wir hier Bundespolitik oder Landespolitik?! – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

wahrscheinlich in dem Wissen,...

Ja, Sie können das Landeserziehungsgeld,

(Harry Glawe, CDU: Im Bundestag, da müssen Sie die Rede halten! Da ist sie richtig. Aber nicht hier!)

Sie können das Landeserziehungsgeld nicht losgelöst von den Regelungen zum Bundeserziehungsgeld betrachten.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Das haben Sie wohl noch nicht gemerkt, Herr Glawe?!

(Sylvia Bretschneider, SPD: Vielleicht zensieren Sie noch unsere Reden. Wo kommen wir denn da hin?! – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

... diese Versprechungen nicht umsetzen zu können oder, wie Regierungserfahrungen gezeigt haben, es gar nicht erst zu wollen.

(Harry Glawe, CDU: Sie streichen 27 Millionen und feiern das dann.)

50 Milliarden DM jährlich scheinen für Sie nur noch eine Kleinigkeit zu sein.

(Harry Glawe, CDU: Sie streichen 27 Millio- nen. Das ist dann auch in Ordnung, oder?)

Es bleibt unklar, wie dieses Geld aufgebracht werden soll. Wahrscheinlich wollen Sie dies an anderer Stelle wiederum bei den Familien einsparen. Ich bin für eine seriöse, realistische Familienpolitik

(Harry Glawe, CDU: Das ist völlig unseriös, was Sie da sagen.)

und deswegen sage ich es Ihnen hier mal ganz deutlich: Ihr Vorschlag eines einheitlichen Familiengeldes ist Augenwischerei,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, und Heinz Müller, SPD)

denn schon heute können Eltern Kinder- und Erziehungsgeld bis zu einer Höhe von 900 DM bis 1.250 DM im Monat erhalten.

(Reinhard Dankert, SPD: Eben.)

Das bedeutet ja gerade die Flexibilisierung des Bundeserziehungsgeldes und da ist eben genau auch der Zusammenhang zum Landeserziehungsgeld gegeben, Herr Glawe.

Die Bundesregierung hat seit Regierungsantritt das Kindergeld bis zum Jahre 2002 um 80 DM auf 300 DM erhöht. Noch nie gab es innerhalb einer Legislaturperiode eine solch hohe Kindergelderhöhung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Der Bund gibt über 20 Prozent mehr für Familien aus als zu Beginn der Legislaturperiode. In 2002 wird der Betrag,

mit dem Familien entlastet werden, von 78 Milliarden DM zu Beginn der Legislaturperiode auf dann jährlich fast 100 Milliarden DM angestiegen sein. Neben den finanziellen Verbesserungen wurden mit den neuen Regelungen zum Erziehungsurlaub und dem Teilzeitgesetz bessere Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesetzt. Darüber hinaus sind erstmals ab 2002 berufsbedingte Kinderbetreuungskosten steuerlich absetzbar. Mit ihrem sozial ungerechten Konzept, meine Damen und Herren von der CDU,

(Harry Glawe, CDU: Bitte?)

würden Spitzenverdiener deutlich stärker profitieren

(Harry Glawe, CDU: Das war ja wohl nichts.)

als normal verdienende Eltern.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Natürlich! Recht hat sie. – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Harry Glawe, CDU)

Ich persönlich bedauere es außerordentlich, dass es auch uns noch nicht bis ins Letzte gelungen ist, diese Situation zu verändern. Ich bin allerdings für die Beibehaltung des bewährten, differenzierten Systems der Familienförderung, damit Eltern entsprechend ihren finanziellen Bedürfnissen unterstützt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Oh, oh, oh!)

Danke schön, Frau Dr. Seemann.

Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Landeserziehungsgeldgesetzes auf Drucksache 3/2114. Der Sozialausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf der Landesregierung mit der in der Beschlussempfehlung enthaltenen Maßgabe und im Übrigen unverändert anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf in Artikel 1 die Nummern 1 bis 7 entsprechend der Beschlussempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit sind in Artikel 1 die Nummern 1 bis 7 entsprechend der Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen die Stimmen der Fraktion der CDU angenommen.