Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 68. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der 68. Sitzung liegt Ihnen vor und ist beschlossen. Die Fraktion der CDU hat gemäß Paragraph 35 unserer Geschäftsordnung die heutige Sondersitzung beantragt.
Ich rufe auf den einzigen Tagesordnungspunkt: Aktuelle Vorgänge im Ministerium für Arbeit und Bau, im Justizministerium und in der Staatskanzlei sowie die Situation der Arbeitsmarktpolitik. Hierzu liegt Ihnen ein Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2298 vor.
Aktuelle Vorgänge im Ministerium für Arbeit und Bau, im Justizministerium und in der Staatskanzlei sowie die Situation der Arbeitsmarktpolitik
Antrag der Fraktion der CDU: Aktuelle Vorgänge im Ministerium für Arbeit und Bau, im Justizministerium und in der Staatskanzlei sowie die Situation der Arbeitsmarktpolitik – Drucksache 3/2298 –
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 240 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wir als Politiker sind regelmäßig wenigstens alle vier Jahre aufgefordert, unsere Leistungsbilanz vorzulegen und zu dokumentieren, was wir geschafft haben, wo es noch Defizite gibt und wo neue Herausforderungen liegen, wie unsere Programmentwürfe für die kommenden vier Jahre aussehen.
1998 haben gerade SPD und PDS die Messlatte hoch gelegt und verkündet, an den Arbeitslosenzahlen mögen wir sie richten. Seit dieser Zeit, seit November ‘98 erleben wir nun Monat für Monat anlässlich der Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen, dass diese Landesregierung ihren eigenen Maßstäben nicht gerecht wird. Stattdessen vollbringen Sie die größten sprachlichen Kunststücke, um diese Situation angesichts des nächsten Bilanztermins im September 2002 wenigstens schönzureden.
Doch, meine Damen und Herren, die schönsten Formulierungen vermögen es nicht, die nackten Zahlen zu bedecken. Während wir im August 1998 noch 613.100 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte hatten, waren es 2000 im gleichen Zeitraum 26.500 weniger. Dramatisch ist die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Allein im August 2001 stieg die Quote im Vergleich zum Vorjahresmonat von 17,4 auf 17,9 Prozent an. Im August 1998 lag sie noch bei 17,5 Prozent. Man muss also bereits heute feststellen, dass Sie angesichts Ihres eigenen Maßstabes gescheitert sind. Übrigens, meine Damen und Herren, Sie wollten 20.000 Arbeitslose weniger haben.
Über diese Bilanz, für die hauptverantwortlich neben dem Regierungschef sein zuständiger Ressortchef und Stellvertreter Helmut Holter zeichnet, würden normalerweise erst im kommenden Jahr die Wählerinnen und
Wähler entscheiden. Dass diese Regierung sachlich und fachlich nicht in der Lage ist, die Probleme des Landes zu lösen, ist für uns als CDU keine Überraschung, so dass wir unter normalen Umständen zu der heutigen Sondersitzung nicht zusammengekommen wären.
Meine Damen und Herren, Inkompetenz allein führt in der Regel nicht zu Abwahlanträgen, wie wir ihn zur heutigen Sitzung stellen mussten. Nein, Herr Holter, bei Ihrer Amtsführung gesellt sich heute anscheinend zur fachlich falschen Schwerpunktsetzung ein Geflecht aus unüberschaubarer Personalpolitik, persönlichen Abhängigkeiten von leitenden Mitarbeitern Ihres Hauses mit Empfängern von Steuermitteln und Verstößen gegen Ausschreibungsvorschriften. Deshalb haben wir eine Grenze erreicht, die das Einschreiten des Parlaments verlangt. Es ist schon unverantwortlich, dass Sie den Arbeitsuchenden im Land mit Ihrer falschen Politik Zukunftschancen verbauen. Wenn diese Menschen jetzt aber auch noch erleben müssen, dass im Arbeitsministerium Vetternwirtschaft und Ehefrauenaffären herrschen, man sich quasi auf Kosten der Arbeitslosen bereichert,
dann ist dies ein Schlag ins Gesicht, der unerträglich ist, der verlangt, dass der Arbeitsminister sich erklärt.
Und, Frau Gramkow, eine Frechheit ist dies nicht. Rechnen Sie mal genau nach, was von den 110 Millionen Mitteln aus dem AQMV wirklich übrig bleibt für aktive Arbeitsmarktpolitik oder wie viel herausgehen, wie zum Beispiel die 70.000 DM für eine Ausschreibung,
oder wie viele Firmen für so genannte technische Hilfeleistungen kassieren – und ich komme noch zum Detail – oder wenn Verträge abgeschlossen werden, wo laut Vertrag zwei Personen beschäftigt sind und 343.000 DM im Jahr gezahlt werden.
(Angelika Gramkow, PDS: Sie haben aber von persönlicher Bereicherung gesprochen. Das ist etwas anderes.)
und ich habe überhaupt noch nicht das Thema angeschnitten, wie erfolgreich denn die Aktivitäten dieser so genannten Beratungsfirmen sind. Gibt’s denn überhaupt eine Erfolgskontrolle deren Arbeit? Ich habe bisher noch keine an keiner Stelle gesehen.
Meine Damen und Herren Abgeordnete von SPD und PDS, ich frage Herrn Holter, schon heute und nicht erst in einem Jahr:
Erstens. Wie fühlt sich ein Minister, der es maßgeblich mit zu verantworten hat, dass heute rund 15.000 Arbeitslose mehr zu verzeichnen sind als bei seinem Amtsantritt?
Zweitens. Wie fühlt sich ein Minister, der es mit zu verantworten hat, dass die Ausgaben für Sozialhilfe bei den Landkreisen und kreisfreien Städten in Mecklenburg-Vorpommern im ersten Quartal dieses Jahres gegenüber 2000 um 12,5 Prozent gestiegen sind?
Drittens. Wie fühlt sich ein Minister, der die Einschnitte der Bundesregierung bei Maßnahmen auf dem zweiten Arbeitsmarkt erst ignorierte und dann nicht verhindert hat?
Viertens. Herr Holter, was sagen Sie einem gerade entlassenen Bauarbeiter, der Ihnen vorhält, die beschäftigungswirksame Städtebauförderung allein in den nächsten beiden Jahren um 5,75 Millionen Euro zu kappen, gleichzeitig aber in diesem Jahr über 23,5 Millionen Euro für den ÖBS und für „Jugend baut“ übrig zu haben?
Was sagen Sie dem Arbeitslosen aus einer Branche, die allein im ersten Halbjahr 2001 17,3 Prozent weniger Beschäftigte aufzuweisen hat als im Vorjahr? Meine Damen und Herren, 23,5 Millionen Euro für einen „Beschäftigungssektor“, der nicht einmal nach eigenen Angaben 400 Beschäftigte hat. Dieses Geld eingesetzt im Städtebau wäre insgesamt eine Investitionssumme von Minimum 120 Millionen Euro, in DM 240 Millionen. Das ist Politik, die Sie machen. Das ist keine Politik im Interesse des Landes, sondern das ist pure Klientelpolitik, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Fünftens. Herr Arbeitsminister, was sagen Sie zum Finanzchaos im Programm AQMV, wo von einer ausgewogenen Planung bei der Ausgabe von Mitteln schon lange keine Rede mehr sein kann, so dass zum Jahresende ein schwarzes oder, soll ich besser sagen, ein rot-rotes Loch in diesem Bereich droht? Was sagen Sie dazu, dass Ende Juni 2001 nur noch 17 Millionen Euro ungebunden zur Verfügung standen, was einem Programmanteil von gerade einmal 13,6 Prozent entspricht? Ist das kontinuierliche Politik, kontinuierliche Ressortpolitik?
Sechstens. Was sagen Sie zur völlig überraschenden Einstellung des Programms „Arbeit statt Sozialhilfe“ und der dadurch verursachten Planungsunsicherheit und finanziellen Belastung bei den Kommunen? Wollten Sie nicht, meine Damen und Herren von SPD und PDS, Arbeit finanzieren statt Arbeitslosigkeit?
Siebtens. Herr Bauminister, was sagen Sie dazu, dass sich die Finanzministerin die Einnahmen aus den Rückflüssen der Wohnungsbaudarlehen unter den Nagel reißt,
Ihnen die Mittel quasi vorenthält und sich auf Ihre Kosten, Herr Holter, dafür noch als Sparministerin feiern lässt?
Und achtens. Herr Holter, haben Sie einmal in Ihrem Haushalt nachgeschaut, wie viele Mittel Sie in der Städte
bauförderung in der Jahresscheibe 2002 für Neubewilligungen zur Verfügung haben? Wenn Sie’s bisher nicht getan haben, ich will es Ihnen verraten: Es sind 2,05 Millionen Euro. Noch einmal die anderen Zahlen zur Gegenüberstellung: 23,5 Millionen Euro für den ÖBS und „Jugend baut“ und rund 60 Millionen Euro an Einnahmen aus den Kapitalrückflüssen. Meine Damen und Herren, das ist rot-rote Finanz- und Arbeitsmarktpolitik.
Neuntens. Und, Herr Holter, wo sind Ihre Erfolge gegen die Abwanderung, gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit und gegen die bedenklich steigende Anzahl von Langzeitarbeitslosen, die mittlerweile immerhin einen Anteil von 33 Prozent ausmachen?
Zehntens. Herr stellvertretender Ministerpräsident, was ist Ihre Alternative zur Installation eines Modellprojektes Kombilohn? Siegt die Ideologie wieder einmal über die Vernunft?
Elftens. Herr Holter, was sagen Sie den 9.600 Jugendlichen, die Ende Juli dieses Jahres noch einen Ausbildungsplatz suchten, und das bei nur noch 3.700 gemeldeten unbesetzten Stellen, im Übrigen, 1.020 weniger als im letzten Jahr? Randbemerkung: Und das, obwohl ein kompletter Abiturientenjahrgang fehlt.
Zwölftens. Herr Holter, ich frage Sie weiter: Sollte nicht auch die Arbeitsmarktpolitik ähnlich der Wirtschaftspolitik eine gewisse Stetigkeit aufweisen? Wenn dem aber so ist, warum erhöhen Sie dann die Ansätze im Haushalt in 2002 um 9,1 Millionen Euro, um sie dann nach der Landtagswahl um 5,1 Millionen herunterzufahren? Herr Minister, das ist keine lösungsorientierte Arbeitsmarktpolitik.
Dreizehntens. Herr Holter – und das gehört für mich zu den ganz originären Aufgaben eines Ministers, einer täglichen Arbeit in einem Ressort –, haben Sie sich einmal Ihren Mittelabfluss bei den 8er Titeln angeschaut? Das sind genau die Titel, wo es sich entscheidet, was Sie beschäftigungspolitisch wirklich auf dem ersten Arbeitsmarkt bewegen. Und was stelle ich dort fest: ein Desaster ohne Ende! Herr Arbeitsminister, haben Sie auch nur den Bruchteil einer Sekunde überlegt, was Sie vor Ort für ein Planungschaos anrichten, wenn zum 31. August dieses Jahres kaum glaubliche 63,8 Prozent der Investitionsausgaben, meine Damen und Herren, noch nicht abgeflossen sind? Zwei Drittel sind in den ersten acht Monaten dieses Jahres bei Herrn Holter nicht abgeflossen, obwohl der Haushalt für 2001 im Dezember 2000 verabschiedet worden ist!
Herr Holter, legen Sie hier diesem Parlament, legen Sie uns – dem Parlament sind Sie Rechenschaft schuldig, dem Land sind Sie Rechenschaft schuldig – dar, warum das bei Ihnen so ist, 64 Prozent nicht abgeflossene Mittel! Glauben Sie allen Ernstes, dass die Kommunen und sonstigen Empfänger dieses so ohne weiteres überbrücken und vorfinanzieren können? Das wollen Sie uns wirklich weismachen? Ist es beschäftigungssichernd oder gar -fördernd, wenn kein Mensch mehr weiß, ob und wann die notwendigen Fördergelder fließen? Ist das eine verlässliche und stetige Politik, die Vertrauen schafft? Nein, sie ist es nicht.
Deshalb brauchen wir einen Minister, der sich um das kümmert, wofür ihn die Menschen gewählt haben, nämlich den Abbau der Arbeitslosigkeit, und nicht darum, seine Haut zu retten. Denn noch nicht einmal, Herr Holter,
das machen Sie richtig. Haben Sie uns nicht allein im Anschluss an Ihre berühmte Innenrevision wissen lassen, dass alles in bester Ordnung sei? Nein, hieß es da, es habe keinen Einfluss auf die Förderpolitik gegenüber SBW, wenn die Geschäftsführerin mit dem Staatssekretär verheiratet ist. Nur, warum verlor dann dieser Staatssekretär seinen Job? Nein, wurde uns versichert, es habe keinen Einfluss, wenn die Gattin des Ministers in dieser Firma tätig ist. Nur, warum musste sie dann kündigen? Und nach heutigen Meldungen besonders wichtig, Herr Holter: Ist es richtig, dass Sie schon 1999 dem Landesrechnungshof zugesagt haben, sich um diese Angelegenheit zu kümmern? Nein, es wurde ausgeschlossen, dass durch Doppelfunktion des zuständigen Mitarbeiters die kontrollierende und bewilligende Zuständigkeit in einer Hand liege. Nur, warum wurde diese Doppelfunktion dann aufgehoben? Meine Damen und Herren, drei Leute verloren ihren Job, weil alles in Ordnung ist? Verloren nicht eher drei Leute ihren Job, Herr Holter, um den Ihrigen zu retten?