Protocol of the Session on June 29, 2001

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der PDS-Fraktion. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Seidel, wir bleiben bei unserer Auffassung, Ihren Antrag abzulehnen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das wundert uns nicht.)

auch wenn Sie – aus meiner Sicht sehr sachlich – noch einmal dargestellt haben, worum es Ihnen geht. Aber wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, im Bündnis für Arbeit sitzen unterschiedliche Partner und sie lassen sich von diesem Parlament nicht aufdiktieren, worüber sie reden.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Lutz Brauer, CDU: Sie sprechen aber an dem Problem vorbei.)

Das müssen wir einfach auch zur Kenntnis nehmen und akzeptieren. Und ich glaube, Herr Neumann hat deutlich dargestellt, was in der letzten Hauptarbeitsgruppe verabredet wurde, nämlich dass man selbst noch mal gucken will, inwieweit welche Aufgaben in Zukunft gelöst werden sollen.

(Lutz Brauer, CDU: Na das ist ja!)

Auf der anderen Seite sage ich auch, ich möchte kein Nebenparlament. Das heißt, wir werden uns doch als Parlament auch nicht aufdiktieren lassen wollen, worüber wir hier in Zukunft entscheiden. Und ich denke, das ist auch richtig so.

Ich möchte noch etwas sagen zu der hohen Insolvenzrate. Seien wir doch mal ganz ehrlich, das hat doch seine Ursachen. Die Kaufkraft in diesem Land ist leider nicht so hoch, dass die Dienstleistungen und die Leistungen von Betrieben hier in Anspruch genommen werden können. Auch das ist doch eine Ursache. Und wenn Sie heute sagen, dass Lohndumping oder die anhaltenden Niedriglöhne auch teilweise eine Ursache dafür sind, ist es sicherlich richtig, aber in Ihrer Regierungszeit habe ich nur immer gehört, dass die Gewerkschaften Lohnzurückhaltung an den Tag legen sollen,

(Beifall Ute Schildt, SPD)

und zwar in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit. Und heute zeigt sich, dass diese Lohnzurückhaltung überhaupt nicht dazu beigetragen hat, die Wirtschaft hier in diesem Land zu stärken. Im Gegenteil!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Ute Schildt, SPD – Zuruf von Dr. Christian Beckmann, CDU)

Sie haben auf Irland hingewiesen. Ja, Irland hat etwas vorzuweisen. Nicht gesagt haben Sie, dass Irland eine sehr hohe Inflationsrate hat, wo die Irländer selber heute schon sagen, dass sie sehr große Angst haben, dass dieses Wirtschaftswachstum nicht anhalten wird, und auf der anderen Seite sie auch Probleme haben, damit umzugehen, dass es nicht ganz und gar runterkippt, sondern ein leiser Abgang ist, und zwar wegen der Inflationsrate. Und auch das hat sicherlich Ursachen.

Und man muss sicherlich auch noch mal gucken, was man insgesamt aus Irland hier im Land Mecklenburg-Vorpommern übernehmen kann. Und da sage ich eins und auch daran arbeitet das Bündnis für Arbeit und, ich weiß, auch das Arbeitsministerium, das ist die Frage der Regionalisierung. Und das haben wir als PDS auch immer ganz deutlich gesagt, dass wir darüber nachdenken müssen, in den Regionen die Kompetenzen zu erhöhen in Bezug auf die Ausrichtung der Mittel, die zur Verfügung stehen können.

Zur Arbeitsmarktpolitik und insgesamt auch zu dem Fachkräftebedarf: Machen wir uns doch mal ganz deutlich, wenn es heute Fachkräftebedarf gibt, dann hat das auch seine Ursachen. Und da denke ich zum Beispiel

daran, dass wir im Land Mecklenburg-Vorpommern in den vergangenen Jahren eben nicht bedarfsgerecht ausgebildet haben und auch die Mittel der Bundesanstalt für Arbeit vielleicht nicht bedarfsgerecht ausgereicht haben. Nun komme ich ja aus diesem Bereich und ich weiß, dass wir zu Scharen Leute umgeschult haben, Steuerfachgehilfen, Floristen und was weiß ich nicht alles. Heute müssen wir mit arbeitsmarktpolitischen Mitteln im Bereich der betriebsnahen Beschäftigungspolitik, im Bereich Qualifizierung dafür streiten und kämpfen, damit entsprechend des Bedarfes die Leute umgeschult und ausgebildet werden. Und dass wir heute noch nicht diesen Nachholbedarf, wenn er denn vorhanden ist, abdecken können, das ist doch ganz natürlich. Ich denke auch, das Bündnis für Arbeit hat gerade in der Arbeitsgruppe Ausbildung die Probleme angesprochen und deutlich gesagt hat, wo es hingehen soll.

Lassen Sie mich noch eins sagen: Herr Seidel, ich nehme Ihnen ab, dass Sie ernsthaft um die Probleme hier im Land streiten wollen, aber die Situation heute Morgen im Landtag, die hat diese Ernsthaftigkeit leider nicht an den Tag gelegt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Der Wirtschaftsminister, der hat sich danebenbenommen.)

Ich glaube, gerade in Bezug auf den Arbeitsmarkt, auf die Leute, die es betrifft, ist es eine ganz, ganz schwache Leistung gewesen.

Lassen Sie mich ein Wort noch sagen zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor und zur Arbeitsmarktpolitik. Wenn ich Pressemitteilungen aus den Regionen, aus den Wahlkreisen der CDU-Abgeordneten sehe, wird heute darum gekämpft, dass die Strukturen im Land aufgrund der Kürzungen der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erhalten bleiben sollen. Da sagen Sie, wir müssen das Geld einsetzen, auch in Bezug auf die Schulsozialarbeiter. Sagen Sie deutlich, was Sie wollen, und machen Sie nicht nur Populismus! – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Ute Schildt, SPD – Zuruf von Harry Glawe, CDU – Barbara Borchardt, PDS: Ja, was ist denn da? Da wollen wir, dass das fest finanziert wird. Und was wollen Sie? Das ist ÖBS. – Zuruf von Harry Glawe, CDU – Barbara Borchardt, PDS: Ja, Sie, Sie wollen es nicht verstehen!)

Das Wort hat der Vorsitzende der CDU-Fraktion Herr Rehberg. Bitte sehr, Herr Rehberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Herr Wirtschaftsminister, dass Sie sich besonders getroffen fühlen, nachdem Sie natürlich zweieinhalb Jahre als Chef der Staatskanzlei direkte Verantwortung für die Koordinierung des Bündnisses für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit normalerweise gehabt haben sollten, das verstehe ich ja sehr gut, wenn Sie denn dort Ihre Aufgabe richtig wahrgenommen hätten.

Und, Frau Borchardt, hier will niemand Niemandem etwas diktieren. Aber es ist doch wirklich hohnsprechend, wenn nach der letzten Sitzung dieses Bündnis vereinbart,

dass die Effizienz der Arbeit überprüft werden muss. Wer sitzt denn da zusammen?

(Barbara Borchardt, PDS: Das ist doch gut so. Das ist doch gut.)

Wer hat denn da zigfach zusammengesessen, wirklich gearbeitet,

(Barbara Borchardt, PDS: Das ist doch gut. Machen Sie das in Ihrer Fraktion nicht, einfach mal zu gucken, ob die Arbeit effizient ist?)

wirklich ziel- und erfolgsorientiert gearbeitet? Ich meine: Nein.

Und, Herr Ebnet, noch etwas zur politischen Schlichtheit: Ich will mich gar nicht über die Schlichtheit Ihrer Rede auslassen. Die hat mich eher an den bayerischen „Komödienstadl“ erinnert.

(Jürgen Seidel, CDU: Es findet nur keiner mehr lustig.)

Ich will nur eine Zahl nennen: Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern war im Juli 1998 613.100, im Juli 2000 – weitere Zahlen liegen leider aufgrund der Erhebungen durch die Bundesanstalt nicht vor – 586.600, minus 26.500, trotz der Statistikkosmetik durch das 630-Mark-Gesetz.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es richtig. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Hier sagen seriöse Institute noch mal minus 20.000 bis minus 25.000 dazu, weil der Maurer, der abends als Übungsleiter beim Fußballverein tätig wird, zweimal gezählt wird. Das ist die Wahrheit, die wir haben!

(Harry Glawe, CDU: Das ist Ihre Bilanz, Herr Wirtschaftsminister! – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Das heißt minus 45.000 bis minus 50.000. Herr Minister Ebnet, so viel zur politischen Schlichtheit von Zahlen. Das heißt, vom Sommer 1998 bis zum Sommer 2000 – und die Tendenz hat sich fortgesetzt – haben wir zwischen 45.000 und 50.000 weniger Beschäftigte in diesem Land.

(Harry Glawe, CDU: So ist das. – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Und, Frau Borchardt, jetzt denken Sie mal bitte darüber nach, was das mit Kaufkraft zu tun hat neben der Ökosteuer, neben der Rentenanpassung nur auf Basisinflationsrate, neben der Inflationsrate,

(Zuruf von Barbara Borchardt, PDS)

die heute bei über drei Prozent liegt, und so weiter und so fort.

Also, Herr Minister Ebnet, ich denke, Sie sollten wirklich ein Stück weit die Arroganz und Ignoranz hier beiseite lassen. Und dann mache ich Ihnen zum Schluss noch einen Vorschlag: Herr Minister Ebnet, besorgen Sie sich besser informierte Informanten. Den Vorschlag mache ich Ihnen. Oder wir machen das so, dass ich auch eine Liste herausgebe –

(Harry Glawe, CDU: Aktivitäten.)

Sie machen ja auch eine, Aktivitäten der Landesregierung, das ist immer ein sehr spaßiges Studium am Freitagnachmittag oder am Montagmorgen – mit Aktivitäten des CDU-Fraktionsvorsitzenden.

(Reinhard Dankert, SPD: Ja.)

Wahr ist, ich war gestern beim 60. Geburtstag eines ehemaligen Kollegen von uns, Udo Timm. Das halte ich für geboten und für angemessen. Und richtig ist, ich war am Mittwochabend in Ribnitz, da hat der FC Hansa gespielt. Und ich war deswegen da, weil ich gemeinsam mit anderen, Unternehmern, Sparkasse, Raiffeisenbank, 600, 700 Karten für Kinder gesponsert habe, damit sie das Spiel sehen konnten. Eine Karte 10 DM, jeder hat einen 1.000-MarkSchein reingeschmissen.

(Peter Ritter, PDS: Was hätte ich die drei Tage machen können!)

Deswegen bin ich da hingefahren.

Und, Herr Ebnet, da muss ich Ihnen eins sagen, ich habe Sie als Lügner bezeichnet. Ich sage jetzt: Herr Ebnet, suchen Sie sich seriösere Informanten, die Ihnen die Wahrheit über mein Alltagsleben erzählen, und suchen Sie sich nicht solche Leute, die die Unwahrheit über mich verbreiten! – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei Ministerin Sigrid Keler – Eckhardt Rehberg, CDU: Ne, Frau Keler, ist doch so?! – Ministerin Sigrid Keler: Sechs Leute waren gestern noch da.)

Ich schließe die Aussprache.