Protocol of the Session on June 28, 2001

Erstens. Es hat sich herumgesprochen, dass die Chance auf eine Lehrstelle gegen Null tendiert, und dabei ist der von der Wirtschaft beklagte Wissensstand nur die eine Ursache. Die 15-Jährigen – Frau Schnoor erwähnte es vorhin selbst – sind schon aufgrund ihres Alters in vielen Bereichen überhaupt nicht einsetzbar.

Zweitens kommt hinzu, dass die eigentlich zu Fördernden doch schon sehr schnell eine Minderheit in einer Hauptschulklasse bilden, weil sie ein Sammelbecken für überalterte Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten bieten. Eltern haben also schlicht Angst um ihre Kinder.

Welche Antworten geben Sie darauf in Ihrem Gesetzentwurf? Der neu gefasste Paragraph 56 oder gar 64 kann es doch wohl nicht sein, denn die laufen nur darauf hinaus, wie man sich schwieriger Schüler schneller entledigen kann. Aber wohin letztendlich mit ihnen? Mögen Sie dem Innen-, Sozial- oder Justizministerium auf die Füße fallen? Ich sage dazu schon mal vorausschauend mit Blick auf die Regionale Schule, dass wir dem Thema Erziehung nicht nur durch Kopfnoten und Rausschmiss beizukommen versuchen wollen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Es gibt aber auch einen ganz entscheidenden Fakt, der die Bildung von Hauptschulklassen kaum noch ermöglicht, und den kennen Sie im Grunde sehr genau, den gravierenden Geburtenrückgang im Land. Und der ist wohl kaum Rot-Rot anzulasten. Der daraus resultierende Schülerrückgang zwingt völlig unabhängig von unseren Debatten hier im Landtag zu praktischen Entscheidungen vor Ort. Vor allem im ländlichen Raum wird die Eröffnung von Hauptschulklassen immer schwieriger, ohne unseren Kindern und Jugendlichen enorme Fahrwege zuzumuten. Unsere Zielrichtung in der Schulpolitik ist daher eine andere: Wir müssen uns um die bereits existierenden Mischklassen kümmern, deren Zahl kontinuierlich steigt. Das heißt in erster Linie, die Rahmenbedingungen für den bildungsgangübergreifenden Unterricht durchgreifend zu verbessern. Mit den Neuregelungen zur Regionalen Schule stellen wir uns dieser Verantwortung. Die breite Diskussion im Land im Gegensatz zu 1991 läuft bereits. Wir sind auf einem guten und richtigen Weg und ich lade Sie, Frau Schnoor, und Ihre Fraktion ein, sich hier konstruktiv einzubringen auf der Basis der von uns eingeschlagenen Richtung.

Ich frage mich, Frau Schnoor: Was aber ist Ihr Ansinnen in dem vorgelegten Änderungsentwurf? Einerseits erheben Sie die Hauptschule ungeachtet der Entwicklung zum Dogma. In der Praxis setzt dies jedoch mindestens eine Zweizügigkeit voraus, denn bildungsgangübergreifender Unterricht wird von Ihnen ja als Ausnahme deklariert. Neh

men Sie doch endlich zur Kenntnis, dass er zur Regel wird, ganz ohne Gesetzesänderung. Andererseits ziehen Sie durch die Lande und verteufeln den Minister für die neue Verordnung zur Schulentwicklungsplanung. Besonders die Mindestschülerzahl von 22 hat es Ihnen angetan. Wie stellen Sie sich in Ihrer Logik denn bei 14 Schülern noch Fachleistungsdifferenzierung vor? Oder ist Ihrerseits ein Flugdienst für die Hand voll Hauptschüler geplant – zwei einzurichtende Klassen pro Landkreis?

Aber Sie glauben sicher, wenn man den Elternwillen aushebelt, wird alles gerichtet, oder? Wie ordnen Sie denn in diesem Zusammenhang die Tatsache ein, dass es seltsamerweise an einzügigen Schulen seit einigen Jahren überhaupt keine diagnostizierten Hauptschüler mehr gibt? Könnte es damit zusammenhängen, dass die Schule überhaupt kein Interesse hat, diese wenigen Schüler, die nicht für die Bildung einer eigenen Klasse genügen, an eine andere Schule fahren zu lassen? Daran wird sich auch durch Ihre Gesetzesnovelle überhaupt nichts ändern.

Im Übrigen trägt das widersprüchliche Verhalten der Landes-CDU und das der vielen regionalen Vertreterinnen und Vertreter keinesfalls zur Glaubwürdigkeit bei. Wenn sich gar ein Kreisfürst hinstellt und sagt, wir lassen es bei der alten Planung, mögen alle Schulen bestehen bleiben, auch wenn es nur noch sieben Schüler pro Klasse gibt, ist dies in höchstem Maße verantwortungslos, auch und gerade den Kindern gegenüber, die ein Recht auf Chancengleichheit haben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Andreas Bluhm, PDS)

Ein besonderes Highlight in der proklamierten Aufwertung der Hauptschule ist aus Ihrer Sicht die zentrale Hauptschulprüfung, zumindest im theoretischen Teil. Mal ganz abgesehen vom eigentlichen Anliegen, den Hauptschüler stärker zu motivieren oder doch eher zu bedrohen, worüber sich trefflich streiten ließe, gab es nach meiner Erinnerung zum Thema Prüfung sogar eine Lehrerabfrage in der Ägide Frau Marquardts, die mit klaren Mehrheiten zu dem Ergebnis führte: Zentrale Realschulprüfung ja, Hauptschulprüfung nein! Die Lehrerinnen und Lehrer werden sich etwas dabei gedacht haben. Vielleicht fragen Sie einfach mal nach. Mir fallen etliche Argumente ein, aber dieses Kapitel würde den Rahmen nun wirklich sprengen.

Kurz zusammengefasst wird man mit Sicherheit eins nicht stärken, die Akzeptanz der Hauptschule. Zum anderen sehe ich in den von Ihnen vorgeschlagenen Abschlussprüfungen für alle Bildungsgänge erhebliche Auslegungsfragen durch nicht eindeutige Formulierungen. Plädieren Sie dafür, dass zum Beispiel alle Gymnasiasten auch eine Haupt- und Realschulprüfung ablegen? Das gibt Ihr Änderungstext her, kann aber doch wohl nicht ernst gemeint sein, betrachtet man den hohen organisatorischen Aufwand, zumal der praktische Prüfungsteil an einer Hauptschule abgelegt werden muss.

Liest man Ihre Erläuterungen dazu, kommt man zu dem Schluss, dass es eventuell den Schülerinnen und Schülern frei gestellt ist, sowohl im Realschulbildungsgang als auch im gymnasialen Bildungsgang den Hauptschulabschluss und den Realschulabschluss zu erwerben, der ja nur über eine Prüfung zu erreichen ist. Welche praktischen Auswirkungen sind damit verbunden? Ich unterstelle Ihnen, dass Sie beide Prüfungen für diejenigen

vorsehen, die tatsächlich vorzeitig vom Gymnasium oder der Realschule abgehen. Egal wie Ihre Position aussieht, für mich bleibt unverständlich, wie Sie die Zugangsvoraussetzungen von Realschülern, Gymnasiasten und für die Hauptschulprüfung oder Realschulprüfung schaffen wollen, wenn doch die einzelnen Bildungsgänge speziell ausgerichtet und ausgestattet sein sollen. Hier scheint also noch erheblicher Klärungsbedarf auf Ihrer Seite zu liegen.

Nach letzter für mich wahrscheinlicher Lesart sieht es ja wohl so aus, dass ein Gymnasiast also in der 12. Klasse vor Absolvierung der Abiturprüfung (im Ernstfall) nicht mal den Hauptschulabschluss hat. Der Ernstfall kann in der Biografie eines jungen Menschen vieles sein. Gesetzt den Fall, er scheitert an der Abiturprüfung, gäbe es verschiedene Konsequenzen: Ehrenrunde Klasse 12 oder zurück in die 10., um die Realschulprüfung zu schaffen? Oder in die 9., um den Hauptschulabschluss zu machen? Mit links und 40 Fieber kommt niemand durch die Prüfung einer anderen Schulart, wie schon etliche gescheiterte Gymnasiasten bei der Realschulprüfung feststellen mussten. Die Zahl derjenigen ohne Schulabschluss würde sprunghaft in die Höhe schnellen. Das kann nicht Ihre Intention sein.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Doch, ist es wohl!)

Genau dies wird aber passieren, denn auch die Durchfallquote an Hauptschulen wird nur die Lehrer noch mehr unter einen falschen Druck setzen.

Ich verzichte darauf, jedes Komma in diesem Entwurf zu kommentieren. Einen Aspekt der angestrebten Änderungen muss ich jedoch zumindest hinterfragen. Nach Ihrem Willen sollen also zunächst nach Klasse 4 Eltern über die Schullaufbahn entscheiden. Vorgegebene Eignungsparameter sind also eine Orientierung, kein Zwang. Nach Klasse 6 entscheidet dann ausschließlich die Klassenkonferenz. Ich will das nicht abschließend bewerten und ich meine, man muss sich generell einer solchen Diskussion ohnehin stellen, sollte man den Elternwillen flankieren mit Leistungsanforderungen. Das ist hier keine abschließende Äußerung, aber die Frage stellt sich mir trotzdem. Ist bei Ihrem vorgeschlagenen Weg nicht zu fürchten, dass noch mehr Eltern gleich nach Klasse 4 ihre Freiheit nutzen, denn es ist ungleich schwerer aufzusteigen, als heruntergestuft zu werden, und ist nicht weiterhin zu fürchten, dass ein Durchschnitt willkürlich ist? Man muss sich schon sehr genau verständigen über Eingangsparameter.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Welche Größen sollen angelegt werden? Die vorzunehmende untergesetzliche Regelung durch das Bildungsministerium erhielt ja viel Spielraum.

Zusammengefasst ist zu konstatieren, dass der vorliegende Entwurf auf die brennenden Fragen zu Schule von heute und morgen nur die Antworten von vorgestern hat.

Welche Inhalte muss Schule haben, um angesichts weltweiter Entwicklungen nicht in die Bedeutungslosigkeit abzudriften?

Welche Kompetenzen brauchen unsere Jugendlichen?

Wie befähigen wir Schule, den Erziehungsfaktor wieder stärker einzusetzen?

Wie gelingt es, schulaversive Schüler einzubinden?

CDU-Antwort: Prüfungen, Hauptschulaufwertung, Zuweisung von Bildungsgängen und irgendwie Schulprogrammen – nichts Genaues weiß man nicht. Seit der Rede von Frau Schnoor weiß ich zugegebenermaßen ein bisschen mehr, aber aus dem Text war davon nichts zu entnehmen. Also doch wieder nur ein Streit um Förmlichkeiten? – Schade eigentlich. Dabei ist doch bei gutem Willen eine gewisse Annäherung von Positionen zu verzeichnen. Die CDU stellt fest: Schule muss nicht nur bilden, sondern auch erziehen, ein beachtlicher Durchbruch dies!

Die SPD bekennt sich neben der Leistungsförderung auch zur Forderung. Dies war vor ein paar Jahren auch noch nicht so selbstverständlich und ist wohl auch stark ostakzentuiert. Über die Wege zu beiden Ansprüchen wird es wohl noch viel Diskussion geben. Wir stellen uns dem, jedoch auf der Grundlage eines Gesetzentwurfes, der nicht die Holzwege noch festklopft, sondern zeitgemäße Lösungen anbietet. Dieses ist der vorliegende leider nicht. Wir beantragen pflichtgemäß die Überweisung in den Bildungsausschuss und mitberatend in den Finanzausschuss. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich schließe die Aussprache.

Soeben haben wir gehört, dass beantragt worden ist, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2123 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur und zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit einer Stimmenthaltung bei der PDS-Fraktion, ansonsten einstimmig angenommen.

(Angelika Gramkow, PDS: Zwei Gegenstimmen.)

Zwei Gegenstimmen? Wo waren Gegenstimmen?

(Lorenz Caffier, CDU: Frau Gramkow und Frau Müller.)

Gut, ich korrigiere: Zwei Gegenstimmen bei der PDSFraktion.

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, nach dem Tagesordnungspunkt 22 den Tagesordnungspunkt 19 aufzurufen. Sie haben den neuen Zeitplan schon auf den Tischen liegen. Ich höre und sehe dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Innovationsprogramm „Nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien“ Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 3/1952.

Unterrichtung durch die Landesregierung: Innovationsprogramm „Nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien“ Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/1952 –

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Scheringer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Scheringer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Innovationsprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ geht zurück auf einen Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/837 und die dazugehörige Beschlussempfehlung des Landwirtschaftsausschusses auf Drucksache 3/1152. Mit dieser Beschlussempfehlung sind für die Erarbeitung des Innovationsprogramms der Landesregierung Vorgaben gemacht worden, die ich einmal erwähnen möchte.

(Vizepräsidentin Kerstin Kassner übernimmt den Vorsitz.)

Unter Punkt 1 der Beschlussempfehlung ist unter anderem aufgeführt, dass es darum geht, das „Innovationsprogramm... unter Beachtung folgender Schwerpunkte mit dem Ziel der Entwicklung regionaler Wirtschaftskreisläufe zügig voranzutreiben:

Erhöhung der Wertschöpfung aus einheimischen nachwachsenden Rohstoffen und erneuerbaren Energien durch ihre Verwertung im Land,

Verbesserung des Marketings und der Absatzförderung,

Förderung der angewandten Forschung auf dem Gebiet der Verarbeitung einheimischer nachwachsender Rohstoffe.“

Das Ziel besteht mit diesem Programm darin, geschlossene Stoffkreisläufe zu ermöglichen, die die Schadstoffbelastung entscheidend und nachhaltig mindern.

Ich möchte nun einige Punkte aus diesem Innovationsprogramm aus der Sicht der Landwirtschaft darstellen und dann natürlich auch auf die Lücken dieses Programms zu sprechen kommen.

Wir haben inzwischen eine Rapsanbaufläche von 204.000 Hektar, aber bis jetzt keine einzige Ölmühle im Land. In diesem Jahr gibt es da einen bestimmten Fortschritt und bestimmte Investitionen sind im Gang, aber bisher wird der gesamte Raps von 204.000 Hektar aus dem Land gekarrt. Und es wird immer noch auf Rapsmethylester gesetzt, also auf die industrielle Weiterverarbeitung von Raps, obwohl die technische Möglichkeit besteht, Motoren mit reinem Pflanzenöl zu betreiben.

Zu der Stärke. Da sind die Angaben sehr ungenau. Bei der Kartoffelanbaufläche steht nur, dass knapp die Hälfte der Kartoffelanbaufläche für die Stärkeproduktion genutzt wird. Wie viel ist das denn nun? Sind das 6.000, sind das 7.000 oder sind das 5.000 Hektar? Auch hier ist es so, dass weder von Kartoffeln noch von Weizen, noch von Mais die Stärkeproduktion im Land erfolgt. Die Schließung von Loitz hat verhängnisvolle Nachwirkungen.

Ähnlich ist es beim Zucker. Hier wird darauf verwiesen, dass Zucker zu hochwertigen Chemikalien verarbeitet werden kann, aber es gibt keine Bilanz und es wird nicht vorgerechnet, wie viel Zuckerrübenanbaufläche im Land eigentlich potentiell möglich ist. Das, finde ich, muss nachgeholt werden, denn es ist ja bekannt, dass ein Hektar Zuckerrüben genauso viel CO2 bindet wie fünf Hektar Wald.