Protocol of the Session on June 28, 2001

Mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Schulgesetzes legt die Opposition in diesem Land erstmals ein Produkt vor, das nicht ausschließlich populistische Züge trägt und ein gewisses Maß an Ernsthaftigkeit erkennen lässt. Dass es von den Bildungspolitikern kommt, finde ich gut, denn ich weiß aus eigener Erfahrung, welche Arbeit und Mühe damit verbunden sind. Zumindest das verdient Respekt. Aber wie nicht anders zu erwarten sind Sie auch Ihren bildungspolitischen Ansichten der starren Gliederung des Schulwesens treu geblieben. Warum auch nicht – wir tun dieses mit unseren Prinzipien ja auch. Und es ist sicher aussichtslos, den nun schon Jahrzehnte andauernden Streit in der Bundesrepublik in einen Konsens umzuwandeln. Sie meinen, Bayern oder Baden-Württemberg wären der Maßstab. Mitnichten, meine Damen und Herren, Europa ist der Maßstab.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Wenn man sich da- ran halten würde, Herr Bluhm! Sehen Sie sich die internationalen Vergleiche doch mal an!)

Na, TIMSS war ja nicht so toll für Deutschland.

(Wolfgang Riemann, CDU: Nee.)

Das muss ja irgendwo auch was mit dem gegliederten Schulwesen zu tun haben.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Erstaunt hat mich das Zitat von Frau Schnoor in der SVZ vom 16.06. Dort liest man: „,Alle wissenschaftlichen Studien haben ergeben, dass sich Bildungsgänge voneinander unterscheiden müssen, um dem unterschiedlichen Bildungsniveau der Schüler zu entsprechen’,...“

(Heike Polzin, SPD: So ein Quatsch!)

Ich kann nicht glauben, dass Sie es wirklich so gemeint haben. Es ist nicht zu bestreiten, dass es solche Studien gibt. Aber alle?

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Am liebsten nur die, die einem passen, Herr Kollege.)

Es gibt auch genügend Papiere, die genau das Gegenteil belegen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und es sollte hier bitte nicht der Grundsatz gelten, der Einäugige ist unter den Blinden König.

Meine Damen und Herren von der Opposition, die Presse schrieb, Sie brächten die Koalitionsfraktionen unter Druck. Das ist der Verfassungsauftrag für die Opposition und insoweit ihre Pflicht. Das ist in Ordnung. Es liegt dem Landtag gegenwärtig noch kein Entwurf der Landesregierung zur Umsetzung des Konzepts der Regionalschule und zur Änderung des Schulgesetzes vor. Wir wollen aber keinen unausgegorenen Schnellschuss.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Na, von schnell kann hier keine Rede sein, Herr Bluhm. Das ist schon zweieinhalb Jahre her.)

Und durch Ihre Vorlage wird sich der Druck im Kessel nicht erhöhen.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, und Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Und im Übrigen ist die Situation so neu nicht. In der Landtagssitzung am 10. Februar 1993 erklärte die damalige Kultusministerin Frau Schnoor anlässlich der Ersten Lesung des Schulgesetzentwurfs der Fraktion Linke Liste/PDS: „Ich bin der festen Überzeugung, daß dieser Gesetzentwurf so realitätsfern ist, daß ihm nur mit Ablehnung begegnet werden kann.“

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

„Im übrigen sagte ich bereits eingangs, daß das gegenwärtige Erste Schulreformgesetz nur ein Vorschaltgesetz... ist.“ Und dann weiter: „Die Landesregierung wird daher noch in diesem Jahr“ – Februar 1993! –

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS – Steffie Schnoor, CDU: Ja.)

„dem Landtag den Entwurf für ein Schulgesetz in Mecklenburg-Vorpommern vorlegen. Dieser Entwurf wird den Bedürfnissen des Landes und der Menschen, die darin leben, entsprechen.“

In der ersten Wahlperiode, meine Damen und Herren, Sie werden sich erinnern, gab es dann kein Schulgesetz der Landesregierung mehr. Das im April 1991 als Provisorium verabschiedete erste Schulreformgesetz galt bis 1996, also fünf Jahre. Es überlebte damit also nicht nur die erste Legislaturperiode, sondern auch noch die damalige Kultusministerin. Sie können sicher sein, so lange werden wir nicht brauchen. Wir schaffen es mit unserem Kultusminister.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Es war ja bisher geschäftsordnungstechnisch Usus, dass man nach einer Ersten Lesung eine Überweisung eines Gesetzentwurfes auch ablehnen kann.

(Heiterkeit bei Heidemarie Beyer, SPD)

Ich will in dem Zusammenhang noch mal darauf verweisen, was damals am 10. Februar passierte. Ich möchte aus dem Protokoll der damaligen Sitzung zitieren. Ich sagte: „Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geht man von einem Artikel einer heute erschienenen Zeitung aus, dann ist der vorliegende Entwurf eher eine marginale Frage, also nebensächlich, weil er ohnehin abgelehnt würde. (Wolfgang Riemann, CDU: Richtig....)“ Dann sagte ich weiter: „Ja, Herr Riemann, dieses Urteil kann sicherlich das eines Journalisten sein und vielleicht auch Ihres, das eines verantwortlichen Bildungspolitikers wohl nicht.“

(Dr. Ulrich Born, CDU: Er ist ja Finanzpolitiker.)

Damals wurde dieser Gesetzentwurf, und das können Sie nachlesen, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Nun, da es jetzt eine entsprechende Vereinbarung und Auslegung der Geschäftsordnung gibt, dass das nicht so sein soll,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ist ja auch vernünftig.)

werden wir uns auch mit Ihrem Gesetzentwurf im entsprechenden Ausschuss beschäftigen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist doch auch ver- nünftig. – Renate Holznagel, CDU: Sehr gut. – Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Lesen der Drucksache habe ich dann allerdings eine Überraschung erlebt. Da heißt es auf Seite 2 des Gesetzentwurfes der CDU-Fraktion unter Absatz 3: „Das Schulgesetz wird dahingehend geändert, dass die Übergänge in die einzelnen Bildungsgänge nach Klassenstufe 7 von Leistungsparametern abhängig gemacht werden.“

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ach!)

Nun lassen wir mal die Leistungsparameter weg.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nee, die kann man nicht weglassen.)

Aber Übergänge nach Klassenstufe 7 – ich bin überrascht. Wollen wir die Orientierungsstufe allen Ernstes, es würde mich ja freuen, auf die Jahrgangsstufen 5 bis 7 ausdehnen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Meint es diese CDU-Fraktion wirklich so oder ist das nur ein Lapsus?

Nun, der vorliegende Entwurf der CDU-Fraktion hat nicht nur diese Überraschung, sondern er hat natürlich auch mehrere entscheidende Mängel:

Erstens. Er regelt praktisch nur Strukturfragen und trifft keine Aussagen zu den notwendigen inhaltlichen Konzepten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Zweitens. Er regelt Leistungsanforderungen ausschließlich über Prüfungen oder prüfungsähnliche Leistungsfeststellungen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Drittens. Er verschärft die selektiven Funktionen des bestehenden Systems in einem Maße, das aus unserer Sicht nicht mehr vertretbar ist und in dem Chancengleichheit entgegen der Beteuerungen der Begründungen praktisch nicht mehr stattfindet.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Oder sollte ich besser sagen, nicht mehr stattfinden soll?

Viertens. Er bevorteilt wiederum die Schülerinnen und Schüler der Gymnasien gegenüber den Haupt- und RealschülerInnen.

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Wie sonst wollen Sie denn erklären, dass die Gymnasien 19 Stunden bis Jahrgangsstufe 10 mehr bekommen, die Haupt- und Realschüler aber nur 11?