Protocol of the Session on June 28, 2001

Meine Damen und Herren! Sollen Veränderungen in der Gesellschaft erreicht werden, ist es von erheblicher Bedeutung, einen breiten gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich der Veränderungen zu erlangen und die Kräfte zu bündeln. Daher sehen wir es als notwendig an, in dem Landesprogramm die Zusammenarbeit mit solchen gesellschaftlichen Kräften wie Gewerkschaften, Vereinen und Verbänden, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Parteien und so weiter nicht nur aufzunehmen, sondern sogar auszugestalten. Gerade die jüngste politische Initiative – das Lebenspartnerschaftsgesetz – beweist, wie wichtig das ist, ansonsten schmort es nämlich in irgendwelchen Vermittlungsausschüssen.

Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass es bei den einzelnen gesellschaftlichen Kräften schwul/lesbische Interessenvertretungen gibt, die mit in den Dialog einzubeziehen sind. Wie hervorragend und mit welchen positiven Ergebnissen so etwas funktionieren kann, konn

te der Sozialausschuss auf seiner Fahrt in die Niederlande nach Amsterdam erfahren. Da wird an Programmen und Konzepten gearbeitet – und die Niederlande sind der Bundesrepublik schon meilenweit voraus –

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist ja auch nicht schwer.)

unter dem Thema „Politik der Vielfalt“, also nicht so eine „Arme-Würstchen-Politik“, wie das zum Teil hier in der Bundesrepublik nach wie vor noch gemacht wird. Einbezogen ist darin eine Art runder Tisch mit allen gesellschaftlichen Kräften. Die Vereinigung der Schwulen und Lesben hat ein maßgebliches Mitwirkungsrecht, wenn es um die Berücksichtigung ihrer Interessen geht. Die Lesben- und Schwulenbeauftragte von Amsterdam führt und koordiniert diesen gesamten Prozess. Auch hieran sehen wir: Ein Blick über den Tellerrand ist allemal wichtig und richtig.

Ein weiterer Schwerpunkt muss selbstverständlich die Öffentlichkeitsarbeit sein. Dazu gehört für mich die öffentliche Unterstützung von Aktivitäten wie der CSD oder das kürzlich in Rostock durchgeführte Lesben-Frühlingsfest, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, aber auch die Anfertigung von Aufklärungs- und Beratungsmaterial. Damit in engem Zusammenhang stehend sehe ich auch die Notwendigkeit von Fachtagungen zur Alltagssituation von gleichgeschlechtlichen Lebensweisen. Diese können dazu genutzt werden, um eine Reflektion der eigenen Situation zu ermöglichen, Handlungsaufträge für die Politik aller Ebenen herauszuarbeiten und selbstverständlich für mehr Akzeptanz und Toleranz zu wirken. Auch Empfehlungen für die kommunale Ebene sind für unser Landesprogramm wünschenswert, weil: Wo leben die Menschen? – Im kommunalen Bereich.

Meine Damen und Herren, es gibt noch viele Notwendigkeiten, die zur Beseitigung von Diskriminierungen und für mehr Toleranz und Akzeptanz in Angriff genommen werden müssen. Diese sind allerdings nicht alle und manche auch nur unzureichend über Landesinitiativen realisierbar. Ich denke hierbei an Veränderungen im Asyl- und Ausländerrecht, vielfältige Forschungen, die noch fehlen, oder gesetzliche Veränderungen auf Bundesebene.

Auch hier möchte ich noch einmal auf die Informationsfahrt des Sozialausschusses verweisen. Seit etwa 20 Jahren gibt es eine umfassende und detaillierte Forschung zu allen Aspekten der Lebenssituation von Lesben und Schwulen in den Niederlanden. Diese Ergebnisse haben die gesamtgesellschaftliche Debatte nicht nur begleitet, sondern wesentlich bestimmt. Dadurch konnte mit zahlreichen Mythen zur Homosexualität, die in allen Kulturkreisen existieren, aufgeräumt werden. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen:

Mehrere vergleichende Studien wurden angefertigt zur Problematik von Kindern in Familien mit heterosexuellen und homosexuellen Paaren. Die Ergebnisse ergaben, dass die Kinder keinerlei Schaden nehmen, wie vielfach angenommen und behauptet, sondern sich einzig und allein die Art und Weise sowie die Intensität der gelebten Beziehung auf das Wohl oder Wehe der kindlichen Entwicklung auswirken. Dieses Ergebnis wiederum trug maßgeblich dazu bei, dass Pflegschaften oder Adoptionen, wobei dieses in den Niederlanden nicht so relevant ist, auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren beziehungsweise Einzelpersonen möglich sind und genehmigt werden. In der Bundesrepublik haben wir leider noch lange nicht so

einen Stand. Untersuchungen werden kaum finanziert und somit werden die gesellschaftliche Debatte und die notwendigen Veränderungen ausgebremst, mehr noch, verhindert. Ein bisschen zur Forcierung möchten wir mit unserem Antrag beitragen und bitten daher um Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Im Ältestenrat wurde ein Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Caffier von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Caffier.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren Abgeordneten! Die CDU-Fraktion steht trotz der Ablehnung der eingetragenen Lebenspartnerschaft für Toleranz und Akzeptanz, vor allem aber für Respekt gegenüber Menschen, die in einer derartigen gleichgeschlechtlichen Partnerschaft ihr Lebensglück finden und sich aktiv in die Gesellschaft einbringen wollen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Hört, hört!)

Die CDU ist bereit, rechtliche Hindernisse, die dem gemeinsamen Leben und der gegenseitigen Fürsorge in gleichgeschlechtlichen Beziehungen im Wege stehen, so schnell und unkompliziert wie möglich zu beseitigen. Wir wollen den rechtlichen Schutz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften dort verbessern beziehungsweise herstellen, wo dieser Schutz nur unvollkommen durch das bestehende Rechtsinstrumentarium geschaffen werden kann. So weit, so gut.

Wir lehnen aber eine gleichgeschlechtliche Ehe ab.

(Beifall Reinhardt Thomas, CDU – Annegrit Koburger, PDS: Das ist aber nicht das Thema. – Irene Müller, PDS: Thema verfehlt.)

Die fundamentale Bedeutung der Ehe und Familie muss Grundlage jeder gesetzgeberischen Aktivität sein. Ein Hauptkritikpunkt an dem Lebenspartnerschaftsgesetz des Bundes und dem Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Ausführungsgesetz

(Annegrit Koburger, PDS: Das ist doch aber jetzt nicht Thema.)

zum Lebenspartnerschaftsgesetz ist, dass diesen die entsprechende Grundeinstellung zur Ehe und Familie fehlt.

(Irene Müller, PDS: Du hättest das vielleicht in Großdruckbuchstaben schreiben sollen.)

Diese Grundeinstellung lässt der hier vorliegende Antrag der Regierungsfraktionen aus unserer Sicht ebenfalls vermissen. Nur ein harmonisches Rechtssystem, welches die Ehe und Familie in den Vordergrund stellt, kann Beschädigungen und Minderungen der Werte, die Ehe und Familie beinhalten, wirksam entgegensteuern.

(Irene Müller, PDS: Da sind ja sogar Kirchenfürsten weiter damit als Sie.)

Die Ehe zwischen Mann und Frau ist mit keiner anderen oder ähnlich gelagerten Lebensform gleichzusetzen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Nee, das ist von vorvorgestern, was Sie erzählen.)

Wo solche Gleichsetzungen unzulässigerweise vorgenommen werden, geht dies notwendigerweise zu Lasten von Ehe und Familie. Nur einem Zusammenleben im Bund der Ehe kann der Staat einen besonderen Schutz gewähren. Leider tendiert die Mediengesellschaft dazu,

(Annegrit Koburger, PDS: Sprechen Sie doch einfach mal zum Thema!)

bevorzugt über Minderheiten zu debattieren, als beispielsweise über die große Mehrheit der ganz normalen Familien

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Reinhardt Thomas, CDU: Richtig!)

mit ihren Kindern

(Annegrit Koburger, PDS: Wer legt denn fest, was normal ist?! Sie, oder wer?)

und ihren ganz normalen, aber häufig sehr aufreibenden Alltagsproblemen.

(Zurufe von Reinhardt Thomas, CDU, und Irene Müller, PDS)

Zwei Männer, die heiraten wollen, sind eben aufregender als eine Familie mit drei Kindern, die ihren Alltag alltäglich gemeinsam bewältigen muss. Die Sorgen und Nöte der Familie...

(Dr. Margret Seemann, SPD: Was ist denn das für ein Unsinn? – Zuruf von Irene Müller, PDS – Peter Ritter, PDS: Da fällt sogar Bella in Ohnmacht! – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es sind nicht mehr allzu viele da. Es wäre ganz schön, wenn wir trotzdem in geruhsamer Lautstärke diese Debatte führen.

Bitte.

Die Sorgen und Nöte der Familie und vor allem bessere Leistungen für Familien geraten somit in den Hintergrund.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist doch Quatsch! – Irene Müller, PDS: Glauben Sie, andere Partnerschaften haben weniger Sorgen?)

Dies wird von Ihnen gerne billigend in Kauf genommen. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur an den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landeserziehungsgeldgesetzes erinnern, was ja noch nicht so lange her ist.

Die CDU kann den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD zu einem Aktionsprogramm zur Verbesserung der Teilhabe von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften in Mecklenburg-Vorpommern folglich nur ablehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Frau Seemann, jetzt haben Sie das Wort. Frau Seemann ist von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Caffier, Sie wissen ja, eigentlich fehlen mir die Worte nicht so schnell, aber entschuldigen Sie, bei dem, was Sie eben gesagt haben, da fällt mir beim besten Willen kaum noch was zu ein.

(Annegrit Koburger, PDS: Thema verfehlt! Setzen! Sechs!)

Also das ist von gestern oder vorgestern, ich weiß nicht, aus welcher Mottenkiste.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das ist von vorvorgestern, mindestens!)

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Caffier, sind große Teile der Bevölkerung davon überzeugt, dass Gleichberechtigung für Schwule und Lesben eine Frage der Demokratie ist, die alle angeht.