Herr Riemann, ich möchte es uns ersparen, dass ich jetzt eine Bilanz aufmache der Versäumnisse Ihres Aufzählens von Aktivitäten. Sie waren ein schlechter Chronist und Sie haben sich damit eigentlich selbst disqualifiziert. Eine Reihe von Dingen hat der Umweltminister aufgegriffen, aber ich möchte uns das ersparen, ich möchte eher nach vorn schauen.
Das Land Mecklenburg-Vorpommern, dies habe ich hier schon öfter betont, ist ein Küstenland. Mithin sind wir in diesem Hohen Haus ein Küstenlandparlament. Was liegt also näher, als unsere Werbeträger Küste und Ostsee entsprechend ernst zu nehmen und genauestens aufzupassen, dass Gefahren abgewehrt und negative natürliche Beeinträchtigungen wie der Küstenrückgang minimal gehalten werden? Die Globalisierung der Seeverkehrswirtschaft mit allen Folgeerscheinungen wie das Ausflaggen, die Qualitätsverluste der Flotten bezüglich Alter, Standards, Crews und Umweltfreundlichkeit zwingt uns zur Positionierung. Das hehre Ziel einer gesunden und sicheren Ostsee darf nicht den Kriminalisierungstendenzen in Wirtschaft und Umwelt geopfert werden. Gesunde Ostsee und sichere Schifffahrt, das sind unverzichtbare, einander bedingende Grundsätze für die Nachhaltigkeit der Entwicklung im Ostseeraum. Was liegt näher, als dass sich das Parlament dazu einmischt?!
Laut Verfassungsauftrag haben wir uns die zur Verfügung stehenden Mittel zu Eigen gemacht, auch finanzieller Art, und für die internationale Anhörung und das wissenschaftliche Gutachten genutzt. Auf Initiative der SPD werden mit diesem Entschließungsantrag die bisher geführten Debatten und Anträge zum Thema „Maritime Sicherheit auf der Ostsee“ auf eine sachliche und konstruktive Grundlage gestellt, alle Anträge, ohne Ausnahme. In keinem anderen Küstenland gibt es vergleichsweise intensive zielorientierte Bemühungen, das muss man auch mal feststellen. Die Tätigkeit unter Federführung des Umweltausschusses entspricht, wenn man so will, der Arbeit einer Enquetekommission.
In der Sache haben wir eine neue Qualität erreicht und es ist müßig, in den Fraktionen oder zwischen den Fraktionen jetzt darüber zu streiten, ob die Henne oder das Ei prioritär war, meine Damen und Herren. Es ist uns mit den Ergebnissen gelungen, Respekt zu erwerben, was mit dem Echo aus der Öffentlichkeit, von verschiedenen Behörden und auf Fachkongressen wie jüngst in diesem Monat mit dem 11. Symposium „Aktuelle Probleme der Meeresumwelt 2001“ zu belegen ist. Nun sind Glaubwürdigkeit im nationalen und internationalen Auftreten und ein konzertiertes Vorgehen von Landesregierung und Parlament gefragt. Aus diesem Grunde fordern wir mit unserem Entschließungsantrag, dass die Landesregierung in allen zuständigen Gremien, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, stärkere Präsenz und Flagge zeigt. Auch der Besuch des Umweltausschusses in Brüssel auf verschiedenen Ebenen der EU hat dieses deutlich gemacht. Der Part des Parlaments ist mit dem Antrag dargelegt und zielt auf die Behandlung des Themas „Maritime Sicherheit auf der Ostsee“ im Rahmen der 10. Ostseeparlamentarierkonferenz in Greifswald.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt auf ein brisantes Teilthema dieses umfangreichen und mit guten Erläuterungen versehenen und daher auch gut lesbaren Antrages näher eingehen. Und da habe ich eine etwas differenzierte Meinung zu dem, was der Umweltminister eben ausgeführt hat.
Die weitreichendste Bedeutung hat zweifelsohne die unter 2.11 angestrebte Bundesratsinitiative mit dem Ziel, durch eine Grundgesetzänderung eine grundlegende Neustrukturierung des maritimen Sicherheitskonzeptes zu erreichen. In Anbetracht der derzeitigen Kompetenzverteilung der nationalen Verwaltungsstrukturen ist es sehr naheliegend, eine grundlegende Erneuerung rechtlicher Rahmenbedingungen in der maritimen Sicherheit anzustreben. Einzig und allein die Änderung des Grundgesetzes bietet nach rechtswissenschaftlicher Ansicht die Möglichkeit, klare und effektive Organisationsstrukturen zu etablieren.
Eines ist nach Auffassung unserer Rechtsgutachter als unstreitig zu bezeichnen: Das Seerecht, insbesondere unsere nationale Verwaltungsstruktur, leidet nicht an einem Mangel verschiedener Zuständigkeiten und Vorschriften. Das Gegenteil ist der Fall. Auch die vorgesehenen Änderungen in Folge des Grobecker-Berichtes, die zurzeit erarbeitet werden, sind kein Allheilmittel aus dem Dilemma. Derzeit existieren auf internationaler Ebene rund 80 Regelwerke, die die Sicherheit im Schiffsverkehr im weiten Sinne zum Inhalt haben.
Die deutsche Küstenwache, ein so genannter Koordinierungsverbund, besteht aus Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Bundesgrenzschutz, Zoll und Fischereiaufsicht. Das heißt, der Koordinierungsverbund ist keine einheitliche Einsatzführung. Er hat keine Einsatzführung und auch kein gemeinsames Unfallmanagement. Es existieren keine Behördenqualität und keine behördenübergreifenden Ermächtigungsgrundlagen. Im Übrigen gehören diesem Verbund nicht die Wasserschutzpolizei der Länder, nicht die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und auch nicht die Bundesmarine an. In diesem Zusammenhang wird von einem Konstrukt institutioneller Amtshilfe gesprochen.
Angesichts der derzeitig begrenzten Kompetenzverteilung einzelner Behörden fällt es schwer, nicht von einem
Vollzugsdefizit auf den deutschen Meeren zu sprechen. Ich verweise dabei auf die Behördenpräsenz von zwei bis drei Schiffen in einer der meist befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt wie der Kadet-Rinne. Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Ein Schiff havariert im Bereich des Küstenmeeres. Öl tritt aus und vermischt sich mit Meereswasser. Der Bund ist für die Schadstoffe an Bord zuständig. Dem Land obliegt die Kontrolle über die Verunreinigung des Wassers.
Das Beispiel zeigt eine grundgesetzliche, auf dem föderalen Prinzip beruhende Aufgabentrennung mitten durch eine Verwaltungsmaßnahme. Von den Gutachtern wird dieses als Missmanagement deklariert und an dieser Stelle, meine Damen und Herren, scheinen die Rufe nach Vereinfachung der Zuständigkeiten nur allzu deutlich begründet.
1. Beibehaltung der Kompetenzen mit Einigung auf Staatsvertragsebene – das hat der Umweltminister präferiert –,
2. Kompetenzübertragung auf den Bund gemäß Änderung Artikel 87 und 89 Grundgesetz – das entspräche dem amerikanischen Modell Coast Guard – und
scheint mir die Kompetenzübertragung auf den Bund, das heißt eine dem amerikanischen Modell entsprechende Übertragung aller derzeitigen Landesvollzugskompetenzen im Bereich des Küstenmeeres auf den Bund, als vorteilhafteste Lösung.
Diese Entscheidung bedarf jedoch einer vorurteilsfreien und verfassungspolitischen Diskussion und Abwägung.
Und das ist in der Tat ein Prozess, der Jahre dauern kann. Wir wissen, dass jede Grundgesetzänderung zum Teil sogar bis zu zehn Jahren gedauert hat. Und dennoch meine ich, man sollte auf diese Dinge jetzt fokussieren, ohne anderes auszulassen. Abstimmungs- und Koordinierungsprobleme würde es im Falle einer Havarie beziehungsweise im Unfallmanagement nicht geben, ginge aus dieser Behörde ein Stab hervor, der umfassende Kompetenzen und Erfahrungen aus täglichem Regelbetrieb miteinander vereinbaren könnte. Diese Behörde würde eine Art Allzuständigkeit bekommen.
Mit unserem gemeinsamen Entschließungsantrag bringen wir die Frage der Grundgesetzänderung in die politische Diskussion ein und das darf, denke ich, wohl erlaubt sein. Dieses Thema dürfen wir einfach nicht tabuisieren. Wir müssen uns der Diskussion offensiv stellen und auch mit den anderen deutschen Küstenländern diesbezüglich Gespräche aufnehmen beziehungsweise fortsetzen.
Meine Damen und Herren! Nach dem Tankerunfall „Exxon Valdez“ Anfang der 90er Jahre in den USA und der Einrichtung der Coast Guard wurde auch in Deutschland ein ähnliches Modell diskutiert und von der damaligen CDU/FDP-geführten Bundesregierung leider verworfen.
Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich – und das ist auch eine gewisse Antwort auf die Rede von
Herrn Riemann – aus der Einbringungsrede zum Antrag der SPD „Tankersicherheit“ zur 95. Sitzung der ersten Wahlperiode am 26. Januar 1994 den damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD und das Mitglied des Wirtschaftsausschusses Herrn Dr. Harald Ringstoff mit folgendem heute noch sehr aktuellen Satz zitieren: „Auf der Ebene von Ländern“, so heißt es, „Bund, Europäischer Gemeinschaft und Internationaler Schiffahrtsorganisation IMO beschäftigen sich zwar hochrangige Experten mit dem Thema ,Tankersicherheit und Schiffssicherheit’, doch muß die Politik diese Sache mit noch mehr Nachdruck unterstützen“ – 1994 von diesem Pult. Und interessanterweise gab es nach der Einbringung dieses Antrages keinen Redebedarf dazu aus irgendeiner Fraktion, so vermerkt das Protokoll.
Meine Damen und Herren, ich könnte hier auch sagen: Meine Damen und Herren der Fraktion der CDU in erster Linie, teilweise auch PDS, mit dem heute vorliegenden Antrag und dem damit dokumentierten Konsens beweisen auch Sie Lernfähigkeit.
Die SPD-Fraktion bittet um Zustimmung zu diesem interfraktionellen Entschließungsantrag und ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Thema ist ganz bestimmt nicht dazu angetan, die parteipolitische Keule zu schwingen, und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wer das tut, sollte doch mal überlegen, ob er dabei nicht vielleicht den einen oder anderen Fachpolitiker aus den eigenen Reihen trifft,
dem es ja sicherlich tatsächlich um die fachpolitischen Dinge geht und nicht um kurzzeitig wirksame Schlagzeilen.
Genau deshalb möchte hier zuallererst ein herzliches Dankeschön eben an diese Fachpolitiker aus allen Fraktionen aussprechen.
Ihnen ist wirklich etwas gelungen. Einen gemeinsamen Antrag zustande zu bringen, das ist ja eine Tatsache, die an sich bei uns hier schon etwas Besonderes ist. Aber ich denke, der Inhalt zeugt davon, wie groß und wie verantwortungsvoll die Aufgabe ist, die Sicherheit der Ostsee zu schützen, eine Aufgabe, die uns alle angeht, und ich finde es gut, dass ein gemeinsames konsensfähiges Papier, was dieser Antrag darstellt, hier heute diskutiert wird. Daran habe ich weit weniger Anteil, dass das nun vorliegt, als meine Kollegen Cati Muth und Peter Ritter. Aber als wir in der Fraktion darüber diskutiert haben, wer dazu spre
chen soll, haben meine Kollegen gesagt, das sollte mal die Kerstin machen, die wohnt am dichtesten am Wasser.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Die weiß, wie Wasser aussieht.)
Aber dafür gibt es einen ernsten Hintergrund und ich möchte Ihnen auch sagen, warum ich dazu spreche. Ich habe in der Nacht vom 14. Januar sehr nahe den Tankerunfall der „Jan Heweliusz“ erlebt. Das war direkt vor meiner Haustür sozusagen und es war schon gespenstisch zu erleben, wie in dieser Sturmnacht – es konnte sowieso keiner schlafen –, wie dort mit einem Mal die Ostsee taghell erleuchtet war durch die Rettungsschiffe, die Hubschrauber und so weiter, die im Einsatz waren. Also seitdem geht es mir immer so, wenn ich etwas mehr Licht auf dem Wasser sehe, dann befürchte ich sofort, dass etwas Schlimmes passiert ist.
Der Januar ‘93 wird den Menschen, die an der Küste leben, sowieso in tiefer Erinnerung bleiben, denn drei Orkane innerhalb von zwei Wochen, eine schwere Sturmflut und in kürzester Folge vier dramatische Schiffsunfälle, bei denen die Besatzungen der Seenotkreuzer bis an die äußerst e n Grenzen ihrer Belastbarkeit gefordert werden, das ist nichts Typisches, aber es kommt eben an der Küste vor. Der Alarm erreichte damals den Seenotkreuzer „Arkona“ so ungefähr gegen 5 Uhr in der Frühe. Er fuhr sofort aus mit voller Kraft voraus, also mit „VV!“. Als er um die Mole bog, wusste er noch gar nicht genau, wo es hingeht. Erst unterwegs erhielt er dann die genaueren Standorte. Und die Helfer haben wirklich ganz schlimme Situationen erlebt. Der zweite Vormann der „Arkona“ berichtete später, ich zitiere:
„In der steilen und hohen See war das Schiff ein Spiel der Wellen. Unser Kreuzer krängte bis zu 80 Grad. Wir lagen waagerecht in der Luft oder standen bis zum Hals im Wasser. Wir versuchten, einen Menschen aus dem Wasser zu holen, aber wir schafften es nicht. Schließlich zerrten wir unter größtem Krafteinsatz zwei Schiffbrüchige aus einer Rettungsinsel. Sie waren apathisch, aber ansprechbar. Weil wir die beiden Geretteten unbedingt lebend an Land bringen wollten, liefen wir mit Höchstfahrt nach Sassnitz. Die beiden Polen überlebten.“ Er sagte aber auch, wir mussten erkennen, dass wir Menschen unsere Grenzen haben. Auf die Frage des Reporters, welche Gedanken den zweiten Vormann des Seenotkreuzers bewegten, antwortete er, der seit 30 Jahren zur See fährt: „Einen Einsatz bei Orkan kann man nicht trainieren. Unser neuer Seenotkreuzer mit seinen drei Schrauben und 330.000 PS hat sich sehr bewährt. Aber wir mussten erkennen, dass wir Menschen unsere Grenzen haben und wo unsere Grenzen liegen. Ich wüsste nicht, was wir hätten besser machen sollen.“
Damit ist nur ein Schlaglicht auf eine von vielen Tragödien geworfen, die es wirklich mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln in Zukunft zu verhindern gilt. Und ich sage es hier auch deutlich, nicht nur der Umweltausschuss hat sich mit der Thematik beschäftigt, auch der Tourismusausschuss, und das sehr eindringlich, weil es uns als Tourismuspolitikern auch wichtig ist, solche Katastrophen zu verhindern. Als Tourismuspolitikerin liegt es mir hier fern, mich in so technische Details wie beispielsweise die Schleppkraft einzelner Schiffe einzumischen. Was ich aber ganz genau weiß, das ist, dass wir für die Ostsee und ihre Küste ein umfassendes integriertes Sicherheitskonzept dringend benötigen.
Ohne jeden Zweifel ist es gerade für unser Land das Wichtigste, die vielerorts intakte Natur zu erhalten, denn sie ist nicht nur Lebensgrundlage unserer Einwohner, sondern eben auch die Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes. Dass ein Unglück wie das der „Erika“ oder der „Pallas“ vor der Küste Mecklenburg-Vorpommerns nicht nur katastrophale Folgen für die Natur mit sich bringen würde, sondern auch dem Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern erheblich schadet, das brauche ich hier nicht zu erläutern.
Vor diesem Hintergrund, genau deswegen ist es aller Achtung wert, dass sich alle Fraktionen, trotz unterschiedlicher Auffassungen im Detail, zu diesem interfraktionellen Antrag verständigen konnten. Die Signale, die von dieser Entschließung ausgehen, sind unmissverständlich und konkret. Dabei wird auch deutlich, dass nicht nur die Landesregierung Adressat unserer Forderungen ist, denn hier kann nicht alles gerichtet werden, sondern letztlich auch alle Entscheidungsträger beim Bund, bei der EU und innerhalb der IMO in der Pflicht sind.
Vielleicht lassen Sie mich aber ganz kurz noch einmal trotz aller Gemeinsamkeiten ein paar Unterschiede zwischen den Fraktionen beleuchten. Bereits auf den vorherigen Landtagssitzungen zu diesem Thema wurde immer wieder deutlich, dass es insbesondere zwischen der CDU und der PDS da unterschiedliche Standpunkte gibt. Während die CDU stets Vorschläge unterbreitete, die den Nachsorgebereich betreffen,